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Nr.392 41.Jabegong Ausgabe A r. 200

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Donnerstag, den 21. August 1924

Entscheidung bis zum 28. Auguft.

Die Beschlüsse des Aeltestenausschusses.

Der Aeltestenausschuß des Reichstages beschloß am| gegenüber, wie bekannt, die schärffte Kampfstellung einnehmen, daß Mittwoch, das Plenum auf Freitag 3 Uhr nach fie aber dennoch der Regierung eine Reihe von Fragen vorlegen mittags einzuberufen. Auf der Tagesordnung dieser Sigung steht nur die Entgegennahme einer Regierungsertlä­rung. Voraussichtlich werden neben dem Reichstanzler noch die Minister Dr. Stresemann und Dr. Luther sprechen.

Ueber die weitere Behandlung der Vorlagen war eine Eini­gung nicht zu erzielen. Die Deutschnationalen und Kommuni ften wollen auch Sonnabend tagen. Die Mehrheitsparteien aber wollen folgende Regelung durchsetzen. Der Sonnabend bleibt fizungsfrei, am Montag wird die erste und zweite Beratung der Borlagen erledigt. Die dritte Beratung ist am Mittwoch, und am Donnerstag würde die ent­scheidende Schlußabstimmung werden..

vorgenommen

Der auswärtige Ausschuß hat die Vorberatung der verschiedenen mit dem Dawes- Gutachten zusammenhän genden Vorlagen vorzunehmen. Die Vertraulich leit feiner Beratungen wird aufgehoben, eine Auswechslung der Mitglieder ist zulässig. Der auswärtige Ausschuß wird am Donnerstag, Freitag und Sonnabend dieser Woche, wenn es nötig sein sollte, auch am Sonntag tagen, um der Plenar­fizung am Montag die umgestalteten Gejegentwürfe vorlegen zu können. Am Montag würde also erst die politische Aus prache beginnen. Als den äußersten Termin für die Endabstimmung nimmt man Donnerstag, den 28, August, in Aussicht.

Die Deutsch nationalen waren in der Aeltesten ausschußsizung durch nicht einen einzigen ihrer Führer ver­treten. Anwesend waren Bruhn, Budjuhn, Schmidt- Stettin, Thomsen, Lambach und Phillip. Es sind also alles fieinere Größen, deren Erklärungen gegebenenfalls von der Fraktion desavouiert werden können. Abg. Bruhn, als deutschnationaler Sprecher, gab sich noch recht fest. Er sagte, feine Fraktion wiffe, was sie wolle, und erklärte, die Wette, die er im Plenum dem Abg. Breitscheid angeboten habe, daß die Deutschnationalen die Gesetze ablehnen werden, erneut wiederholen zu wollen.

Im Auswärtigen Ausschuß ist es gestern zu einer ent­scheidenden Debatte noch nicht gekommen. Reichskanzler Marg, Reichsaußenminister Dr. Stresemann und Reichsfinanzminifter Dr. Luther erstatteten ausführlichen Bericht über den Gang der Lon doner Verhandlungen und deren Ergebnis. Die Vertreter der Bar­teien beschränkten sich auf Fragen, die von der Regierung beant­wortet wurden. Die eigentliche Aussprache wurde auf Donnerstag pertagt.

Wie die Telegraphen- Union erfährt, wird der Reichskanzler dem Reichstag den Entwurf eines Gesetzes über die Londoner Konferenz vorlegen. Dieser Entwurf stellt das Mantelgejeh zum Con­doner Schlußprotokoll dar. Das Mantelgefeh hat folgenden

Wortlaut:

§ 1. Den in den Anlagen des Schlußprotokolls der Londoner Konferenz vom 16. August 1924 enthaltenen Vereinbarun­gen, soweit sie von Deutschland bereits unterzeichnet sind, oder nach Maßgabe des Schlußprotokolls am 30. August 1924 unterzeichnet werden sollen, wird zugeffimmt. Das Schinhprotokoli nebit feinen Anlagen wird nachstehend veröffentlicht.

§ 2. Der Reichsminister der Finanzen wird ermächtigt, 800 millionen Goldmark im Wege des kredits flüssig

zu machen.

§ 3. Die Reichsregierung wird ermächtigt, die erforder­lichen Maßnahmen zu treffen, damit die in Anlage III Art. I Jiffer A 1'd des Schlußprotokolls erwähnten 3eriifitate für: a) Elf Milliarden Goldmari Schuldverschreibungen der deut­ schen Reichsbahngesellschaft, b) fünf Milliarden Gold­mart Schuldverschreibungen nach Maßgabe des Gesetzes über die Industriebelaffung vom heutigen Tage übergeben werden fönnen. Bei der Ausstellung der Zertifikate wird die Reichs­reglerung durch die Reichsschuldenverwaltung vertreten.

§ 4. Dieses Gefeh tritt mit dem Tage nach der Berkündung

in Kraft. Diesem Mantelgefehentwurf iff das Schlußprofotoll mit seinen verschiedenen Anlagen in deutscher, französischer und englischer

Sprache beigefügt.

Die Kommunisten beim Reichskanzler. Bum Dienstagabend hatte die Reichskanzlei den Vorstand der Kommunistischen Reichstagsfraktion zu einer Besprechung aufge. fordert, in der die Regierung Mitteilungen über das Ergebnis der Londoner Konferenz machen wollte. Die Kommunistische Reichs tagsfraftion entfandte daraufhin Abgeordnete Frau Golte, Raß und Stoeder zu der Besprechung. Die tommunistischen Bertreter erklärten fofort, daß sie dem Sachverständigengutachten

möchten. Der Reichskanzler gab daraufhin einen furzen allgemeinen Ueberblick über das Ergebnis der Londoner Verhandlungen. Die Kommunisten erklärten, daß sie die weitere Besprechung von den zwei folgenden Fragen abhängig machen:

1. ob die Regierung bereit sei, die von ihr in London zu gefagte Amnestie der Separatisten auszudehnen auf alle politischen Gefangenen,

2. ob die Regierung bereit sei, zur Erörterung des Ergebnisses der Londoner Konferenz die Preßfreiheit für die kommu­nistische Bresse wiederherzustellen.

Da der Reichskanzler auf diese beiden Fragen hin Erklärungen abgab, die die Fragesteller nicht befriedigten, brachen die kommu­ nistischen Vertreter die Unterredung ab und verließen die Besprechung unter Protest gegen die Regierung. Vorher waren auch die Führer der Nationalistischen Freiheitspartei vom Reichskanzler empfangen worden. Die Regierung hat also mit fämtlichen Fraktionen bes Reichstags Fühlung genommen.

Generalabrechnung!

Die Deutschnationalen in der Sackgaffe. Die Deutschnationalen erleiden ihre legten Erschütte­rungen. Heute wird ihre Reichstagsfraktion sich entscheiden. Noch einmal wirken die Kreise der Industrie und des besetzten Gebietes auf sie ein, um sie zur Annahme, zum Umfall, zur Kapitulation vor der unentrinnbaren Logit der Geschichte zu bewegen. Sie greifen zum letzten Mittel der Einschüchterung: Ablehnung heißt Kampf und Niederlage, heißt Ende des Bürgerblockgedankens, heißt Preisgabe der Schutzzollmehrheit, heißt Stärkung der Macht der Sozialdemo­fratie. Die Furcht vor der Sozialdemokratie soll die rein agita­torisch eingestellten Unentwegten in der deutschnationalen Reichstagsfraktion zur Duldung des Umfalls zwingen.

Aber die gewiffenlose Agitation hat ihre Konsequenzen, und Führung und Fraktion der Deutschnationalen werden mitgerissen. Die Agitation des Reichslandbundes zeitigt ihre Früchte. Unter ihrem Drucke bleibt den Deutschnationalen schließlich nur die Ablehnung, die eine Resignation ist. Weil die demagogische Agitation den Deutschnationalen den Rückzug versperrt, weil der Reichslandbund durch die Ab­lehnung neue Inflation herbeiführen will, soll Deutschland aufs neue ins Ungewisse gestürzt werden!

Mit dieser Polilik der Gewissenlosigkeit muß abgerechnet werden! Die Deutschnationalen sind groß geworden durch die Konjunktur der Gewaltpolitik in Europa . Beicht diese Kon­junttur, so ist die künstliche Behauptung der Stellung, die sie am 4. Mai erlangt haben, durch Jahre hindurch eine stete Be drohung des herausziehenden Friedens in Europa . Der Kampf um das Ergebnis von London muß Darum zu einer grundsäglichen General abrechnung werden, zu einem Gewitter, das die Atmo­sphäre in Deutschland reinigt von den drohenden Wolken der Katastrophenpolitik, der inneren Unfreiheit, der Bedrohung der Republit durch die Mächte der Vergangenheit. Wenn die euro­päische Atmosphäre sich klärt, ist fein Raum und feine Zukunft mehr für eine deutschnationale Konjunkturpartei, fein Raum mehr für einen Reichstag, deffen Zusammensetzung die Befreiung und die Freiheit Deutschlands bedroht.

Lehnen die Deutschnationalen ab, dann muß das Bolt ent­scheiben. Ueber das Ergebnis von London , aber auch über die Zusammensehung des Reichstages!

Herriots Mehrheit gesichert.

Paris , 20. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) 3m Senat hat am Mittwoch der republikanisch- fozialistische Senator Lemery eine Jufer­pellation eingebracht. Lemery beabsichtigt, den Nachweis 3n er­bringen, daß die Beschlüffe der Londoner Konferenz die logische Folge der vorbehaltlosen Annahme des Dawes- Planes durch Voin­caré feien. Die Rechte des Senats ist von ungewöhnlicher Zurüd­haltung. Sie hat bisher keine Interpellation eingebracht. Selbst in den kreifen der Oppofifion gibt man bereits zu, daß Herriot in beiden Häusern auf eine mehr als ausreichende Mehrheit rechnen tönne. In der hammer gilt eine majo­rität mit mindestens 320 Stimmen als gesichert. Im Senat dürfte sich die Opposition auf die dem Nationalen Blod nahe­stehende äußerste Flügelgruppe beschränken.

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Genug!

Bon Wilhelm Sollmann .

Das Gesetz über die Londoner Konferenz" mit dem Schlußprotokoll und den Anlagen über die Abkommen liegt nunmehr dem Reichsrat und dem Auswärtigen Ausschuß des Reichstages vor. Es wäre leicht, Bände der Kritit gegen diese Dokumente zu schreiben, und es ist nüßlich, manche der Zusicherungen an Deutschland mit dem ar jahrelanger Er­fahrung geschulten Mißtrauen zu lesen. Sicher haben die Deutschnationalen mit ihrer Behauptung recht, daß starke Be­schränkungen der deutschen Hoheitsrechte auf den verschie­densten Gebieten erfolgen. Gewiß fönnen sich die Kriegs­tänze der Völkischen und der Kommunisten an der Tatsache zu Berzückungen steigern, daß die internationalen Finanz­gewalten zu Kontrolleuren deutschen Verkehrs, deutscher Wirtschaft und deutscher Finanzen merden. Wer von uns hätte es je bestritten, wer es nicht mit tiefster Bitterkeit und quälender Sorge empfunden, ohne daß wir diese Gefühle darum täglich in Beschwörungsformeln von uns gegeben hätten?

Das sind Selbstverständlichkeiten. Die Frage, wie wir aus den besetzten Gebieten an die mehr oder minder, Ent­schlossenheit" mimenden Gegner der Londoner Konferenz zu richten haben, ist die: Welchen anderen Weg habt ihr uns zur militärischen, wirtschaftlichen, politischen Räumung der be­setzten Gebiete vorzuschlagen? Helfferich pflegte auf folche Frage zu antworten: Das weitere wird sich entwideln". Einmal, nach dem rechtswidrigen Einmarsch in das Ruhr­ gebiet , haben wir mit Entsegen beobachtet, was sich ent­wickelte": der Opfergeist und der Heldensinn einiger Hundert­tansend, die lieber alles verließen, als ihr Land zu verraten, und hinter dieser großen nationalen Gefte eine stintende fapitalistische Korruption, die zahllosen Dolchstöße gegen die deutsche Währung und die Schieberräusche, während drüben an Rhein und Ruhr Menschenschicksale zerbrachen und die Standrechtskugeln gläubige Herzen zerrissen. Standrechtskugeln gläubige Herzen zerrissen. nahme der Londoner Geseze nicht aufbringt und mithin am Wenn der Reichstag die Zweidrittelmehrheit zur An 30. Auguſt die Unterzeichnung der Abkommen nicht erfolgen fann, find nach den unzweideutigen Erklärungen der deut­ schen Reichsregierung die bisherigen Londoner Abmachungen hinfällig. Wir fordern von den Gegnern der Gesetze Auf­flärung, welchen Weg sie dann zu gehen beabsichtigen. Wollen Sie Konflikte? Wollen sie irgendwelchen neuen Widerstand der Nation? Wollen sie das ganze Gewirr der Verhandlun­sei es die geringste Aussicht, daß nach weiteren monatelangen gen erneut aufzurollen beginnen? Haben sie irgendeine und Berzögerungen und Verwüstungen unserer Wirtschaft Günsti­geres erzielt werden wird als jetzt die deutschen Unterhändler mitgebracht haben?

Die besetzten Gebiete haben ein Recht auf diese Fragen, denn sie wollen und müssen sich davor schüßen, daß parteipolitische Jongleure mit ihnen spielen. Wir richten unfere Fragen nicht an die Narren um Ludendorff , denen, wie ihrem Gögen, Gewiffen und Berantwortlichkeit fehlen. Wir fragen nicht die Kommunisten, von denen niemand mehr als das Herleiern von Gebeten an die Weltrevolution erwartet. Das befehte Gebiet einschließlich der rheinischen Deutschnatio­nalen fragt die diesmal entscheidende deutschnationale Fraktion: Was habt ihr uns zu bieten? Wir sehen hinter eurer Politit, wenn sie ernst gemeint sein sollte, nur neue Be­drückungen, neuen Terror, neuen Separatismus, verschärfte Wirtschaftskrisen, verstärkten fremden Militarismus für die befehten Gebiete.

Deutschnationalen ernsthaft das Scheitern der Londoner Ab­

Aber es glaubf ja niemand an Rhein und Ruhr, daß die tommen wünschen. Wir sind seit Jahr und Tag überzeugt, daß diese ganze nationale Agitation auf einer ungeheuren Lüge beruht. Wir haben es satt, um dieser elenden Ünwahr­haftigkeit willen, die Willen und Kraft vorzutäuschen versucht, wo nur flägliche Schwäche vorhanden ist, neuen gefährlichen Berwidlungen auszusehen. Jeder nicht fanatisch verrannte Mensch aus dem Rheinlande wird dies bestätigen.

Bringen die Deutschnationalen die Londoner Gesetze zum Scheitern, so verhindern sie: die sofortige Befreiung von 900 000 Deutschen von dem Drucke fremder Besatzung, die Aufhebung der Binnenzollinie, das Verschwinden der Eisenbahnregie, die Rückgabe aller jegt in Regie betriebenen Bergwerke, Kofereien, industriellen, landwirtschaftlichen, forst. wirtschaftlichen und Schiffahrts- Unternehmungen, die Aufhe­bung der Einreiseerschwernisse, die Amnestie der Gefangenen, die Rückkehr von 60 000 Ausgewiesenen, die Wiederherstel­lung der politischen Freiheiten, wie wir sie wenigstens unter der Geltung des Rheinland - Abkommens gehabt haben, die Beseitigung aller Beschränkungen des Personen-, Güter- und Genf , 20, Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Die fünfte Ta- Wagenverkehrs, die allmähliche Verringerung der gesamten gung des Bölterbandes ist nunmehr endgültig auf den 1. Sep- Befagung, die endgültige Erledigung des Separatismus, die fember fefigefeht. Auf der Tagesordnung steht u. a. die Wiederherstellung der deutschen Berwaltungs- und Justiz Prüfung des Rechenschaftsberichts des Bölterbundsrates, die hoheit im Rahmen des Rheinlandabkommens, die Ueberwin­brüftungsfrage und die Beratung der Inzwischen fertig- bung der allgemeinen Wirtschaftskrisis und damit die Beschäfti­geftellten Kommiffionsberichte über Opium- und Mädchenhandel. gung von Millionen Menschen, die jest infolge von Arbeits­

Tagung des Völkerbundes.