losigkeit und Kurzarbeif nicht nur hungern, sondern verfom-| zu brechen scheint, nicht wieder den Gedanken welchen wird, die bisher men und verhungern.
Lebte in folcher Stunde nur die Partei in unserem Herzen, so müßten wir sagen: Nur zu! Lehnt die Gesetze ab! Dann aber einen Wahlkampf, fofort, mit allen Kräften auf diese Fragen gerichtet, und die seit Wochen nach dem Zufammenbruch ihrer nationalistischen Ideologie schlotternden Helden würden vom Westen her eine Woge in Bewegung sehen, die dußendweise die Sieger des 4. Mai überfluten würde. Diefer Wahlkampf würde vom befeßten Gebiete her, von neun Zehnteln seiner Bevölkerung, von seinen Provinz, Kreis- und Gemeindevertretungen seine Richtung bekommen. Es soll niemand glauben, daß wir in solchen Wochen dem unbesetzten Deutschland geduldig erlauben würden, auf Kosten unjeres Schicksals in Parteigewäsch zu schwelgen und sich und Unmündige an Phrasenmet zu berauschen. Das besetzte Gebiet, überparteilich, wird sprechen, knapp und klar. Seine Elendsheere, die Opfer Poincarés und seiner deutschen Gegenspieler, werden ausmarschieren und zehnmillionenfach den Schwägern und Lügnern der Deutschen Tage entgegenrufen: Schluß und genug!
So würden wir, auch die Sozialdemokraten, begeistert, zornig und siegessicher in den Wahlkampf gehen. Aber Deutschland , seine Wirtschaft und seine Finanzen, würden durch die Berzögerung aufs schwerste geschädigt, und nicht zuletzt würden die Arbeiter, Angestellten und Beamten die Leidtragenden sein.
Das besetzte Gebiet blickt auf den Reichstag . Wird er versagen, weil Ludendorff nicht zugeben will, daß Männer feiner Art für immer in Deutschland ausgespielt haben, weil Graefe unfähig ift, sein überreiztes Temperament zu zügeln, weil die wohlunterrichteten und längst zur Erfüllungspolitik befehrten Hergt und Hoeksch sich gegen einige Dußend Dickschädel ihrer Fraktion nicht durchsezen können, weil Ruth Fischer sich in der Rolle einer Soubrette der Revolution gefällt?
Ist dies der Geist von mehr als einem Drittel des Reichstages, dann muß er mit Schande und mit Fluch ab treten. Sofort, und ohne daß man erst lange andere Auswege fucht! So will es das besetzte Gebiet, und der Wahltag würde zeigen: so wollte es auch das deutsche Volk, denn es weiß gut genug, daß ihm nur harte Jahre und nicht Verzweiflungsausbrüche den Weg zur Freiheit bahnen.
Fragt das besetzte Gebiet!
Annehmen!!
Mannheim , 20. August. ( WTB.) Ueber das Ergebnis der Londoner Konferenz spricht sich die Presse der Pfalz und des Randgebiets, soweit sie dazu Etellung nimmt, ganz überwiegend in zustimmendem Sinne aus. Eine ablehnende Haltung nimmt nur die kommunistische Arbeiterzeitung in Mann heim bzw. Ludwigshafen ein, die den bekannten Standpunkt ihrer Partei vertritt. Die Pfälzische Post" in Ludwigshafen , das Hauptorgan der Sozialdemokratie der Pfalz , begrüßt das Abfommen mit der Begründung, daß der Sperling in der Hand beffer sei als die Taube auf dem Dache.
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Die demokratische Pfälzische Volkszeitung" in Raiserslautern schreibt: Wer es verantworten zu fönnen glaubt, daß die deutsche Wirtschaft noch länger an Krediten ausgehungert wird abgesehen von der Arbeitslosigkeit unübersehbarer Arbeitermassen, daß Tausende von Eristenzen zugrunde gehen, mag sein ,, Nein" sagen. Wer es verantworten kann, daß große Gebiete und wichtige industrielle Zechen noch länger dem Außenzwange ausgeliefert bleiben, mag es tun und dabei auch bedenken, welche Antwort auf eine Voltsbefragung insbesondere das Rheinland, West falen und Baben geben werden.
Pfälzische
Aehnlich schreibt die bayerisch- volksparteiliche 3eitung" in Speyer : Die Konferenz hat uns im befehten Gebiet von vielem erlöst, und wir haben auch das stärkste Interesse daran, daß der Geist friedlicher Verständigung, der sich nun endlich Bahn
Christentum und Menschheitsglaube.
Im Anschluß an Armin L. Wegners Artifel Woran sollen wir denn glauben?" entspann sich zwischen ihm und Genossen Pfarrer H. Frande ein Briefwechsel, den wir zur Kenntnis unferer Leser bringen. Genosse H. Frande schrieb:
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dem Frieden entgegenarbeiteten.
Von den Mannheimer Blättern sieht die demokratische Neue Badische Landeszeitung" in dem Ergebnis der Londoner Konferenz einen Fortschritt, den ersten wirklichen Erfolg, der von Deutschland befolgten Erfüllungspolitik.
Auch der der Deutschen Volkspartei nahestehende Mannheimer General- Anzeiger " ist der Auffassung, daß die deutsche Delegation einen sichtbaren Erfolg in fachlichen und feineswegs zu unterschäßenden Zugeständnissen in politischen Fragen errungen hat.
Das Mannheimer Boltsblatt"( 3entrum) schreibt: Das Ergebnis der Londoner Konferenz ist selbstverständlich nicht danach angetan, daß wir uns in lautem Frohloden ergehen, und doch haben wir allen Anlaß, mit dem Ergebnis zufrieden zu sein. Wir an der Grenze des befehten Gebietes freuen uns aufrichtig mit unseren Brüdern in der Pfalz , am Rhein und an der Ruhr, daß eine Befriedung der Berhältnisse mit begründeten Ausfichten geboten ist und wir haben kein Verlangen nach neuen Santfionen, nach neuen Beschlaguahmungen und Ausweisungen, Berhaflungen, wirtschaftsstörungen mit Arbeitslosigkeit und anderen zahllofen Berelendungen im Gefolge.
Köln , 20. Auguft.( WTB.) Die freien Gemertschaften des Kölner Industriegebiets haben am Mittwoch früh an die Regierung und an den Präsidenten des Reichstags folgende Entschließung gerichtet:
" Die freien Gewerkschaften des Wirtschaftsgebietes Groß, Köln und umgegend haben von dem Ergebnis der Londoner Ronferenz Kenntnis genommen. Ausdrücklich stellen fie fest, daß eine ganze Reihe von berechtigten deutschen Wünschen nicht erfallt worden sind. Nach reiflicher Erwägung sind sie jedoch der Ansicht, daß das Resultat der Konferenz dennoch die endliche Befreiung von einem zur Unerträglichkeit gesteigerten Drud im rheinisch- westfälischen Wirtschaftsgebiet erhoffen läßt. Wir fordern daher von der deutschen Regierung und vom Reichstag, daß sie mit allem Nachdruck dahin wirken, daß die zur Durchführung des Sachverständigen- Gutachtens erforderlichen Geseze ohne Beit verlust angenommen und die aus der Annahme erwachsen. den Belastungen in gerechter Weise, d. h. nach der Tragfähigkeit der einzelnen Bevölkerungsfreise verteilt werden." Das Bezirkssefretariat des Allgemeinen Deutschen Gewer?- schaftsbundes für das gesamte rheinisch- westfälische Gebiet in Düsseldorf hat eine ähnliche Entschließung am Dienstag an die Reichsregierung und an den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund in Berlin gerichtet.
Essen, 20. Auguft.( WTB.) Der Vorstand der Effener 3entrumspartei hat zum Londoner Abkommen folgendes Telegramm an den Reichskanzler Marg abgesandt: Ihnen und der Reichsregierung gebührt Dank und Zustimmung, daß in London noch in letzter Stunde eine friedliche Lösung erzielt worden ist. Möge daraus endlich Friede für Baterland und Menschheit er. wachsen."
Keinen Kuhhandel mit Rechts!
In seiner letzten Sigung vom 18. Auguft hat das Deutsche Friedenskartell, die Spitzenorganisation der Deutschen Friedensbewegung, folgende Entschließung gefaßt, die dem Reichskanzler Dr. Marr übermittelt worden ist:
überwältigende Mehrheit für den Paft von Lonbon ergeben wird."
Gleichzeitig hat das Deutsche Friedenstartell an den Reichss außenminister ein Schreiben gerichtet, das sich mit der Neubesetzung des Washingtoner Botschafterpostens befaßt. Es wird darin auf die Notwendigkeit hingewiesen, die deutsche Republik im Auslande endlich durch Männer einer neuen Gesinnung vers treten zu lassen. Aus Anlaß der immer wieder auftauchenden Gerüchte, daß der ehemalige Reichskanzler Dr. Cuno wieder im Reichsdienst verwendet werden soll, weist das Schreiben darauf hin, daß irgendeine Randidatur des Mannes, der für die Führung, der deutschen Politik während des Ruhrkampfes und für den Zusam menbruch Deutschlands verantwortlich ist, ein für allemal ausge schlossen sein müsse.
Und eine Antwort darauf.
Wir erhielten von Herrn W. Scholem folgende Berichtigung: Auf Grund des§ 11 des Preßgesezes ersuche ich Sie, nach
folgende Berichtigung in der nächsten Nummer des„ Borwärts"
zu veröffentlichen, da das Verbot der„ Roten Fahne" mir die Möglichkeit nimmt, im Organ der KPD. auf die Behauptungen zu ant
worten.
Zu den in der Abend- Ausgabe des„ Borwärts" vom 14. August 1914 veröffentlichten Behauptungen über mein Verhalten während des Rapp Putsches in Halle habe ich folgendes zu erklären:
1. Es ist unwahr, daß ich mich bei irgendeiner kleinen Abwehrabteilung, die unter Führung eines militärkundigen Genoffen stand, herumdrückte und verschwand, als eine etwa 10 Mann starte Reichswehrpatrouille ihre Köpfe über den dortigen Bahndamm hervorstedte". Wahr ist vielmehr, daß ich im Einverständnis mit der den Abwehrkampf in Halle gegen die Weißgardisten führenden Streitleitung die im Norden Halles aufmarschierenden proletarischen Freischaren sammelte und in 24stündigem Kampfe gegen die Schupo und die Reichswehr . welche sich in der Infanteriefaserne in Halle verschanzt hatte, führte. Es fämpften auf proletarischer Seite etwa 5-600 Mann, auf gegnerischer Seite mehr
als 1000.
2. Es ist unwahr, daß Botwißfi und ich uns irgendwie verkrochen" hätten. Wahr ist vielmehr, daß der seines persönlichen Mutes wegen der gesamten Halleschen Arbeiterschaft bekannte Botwigti an einem anderen Frontabschnitt kämpfte und daß ich ohne Unterbrechung bis zum Ende des Kampfes die Freischaren an
der Trothaer Landstraße und am Klaus- und Galgenberg zu Halle
führte.
3. Es ist unwahr, daß ich in irgendeiner Berkleidung wieder ans Tageslicht fam. Wahr ist vielmehr, daß ich nach Beendigung des Kampfes ohne jebe Bertleidung mich nach Halle begab.
"
"
W. Scholem.
Dazu schreibt uns unser Gewährsmann aus Halle: Ich teile Ihnen mit, daß Sie nicht die geringste Veranlassung heben, von den Mitteilungen über Scholems Rolle als Heerführer in Halle irgend etwas zurückzunehmen. Unsere Darstellung be ruht auf eigenen Angaben Scholems, die er mir am Tage nach der Schlacht bei Trotha" im Beisein zweier Zeugen in der Redaktion gemacht hat. Auf diese Zeugen können wir uns jezt allerdings nicht mehr stüßen, da sie seitdem stramme Kommu nisten" find: Koenen und Kilian. In Puntt 3 hat der tteine Werner wenigstens ein bißchen recht: die Bertleidung er. folgte nicht unmittelbar nach der Retirade vor den 10 Reichswehrsoldaten, sondern erst anderen Tages, als die Kämpfe zu Ende waren und für Scholem Gefahr bestand, ergriffen zu werden. In der Redaktion hat er sich tagelang danach nicht bliden lassen. Was die von Scholem in Punkt 1 angegebenen Zahlen betreffen, so ist dazu zu bemerken, daß das Ver
,, Es gilt die Konsequenzen des Battes von London zu ziehen. Die nächste Konsequenz ist die Annahme der Gesetze zur Ausführung des Dawes- Gutachtens im Reichstag. Diese An nahme darf auf teinen Fall durch inner politische Ronzessionen an die Rechtsparteien verkauft werden, zumal folche Konzeffionen, z. B. auf dem Gebiete der Regierungsumbildung im Reich und in Preußen, innen wie außenpolitisch die verhängnisvollsten Wirkungen hätte. Sollte eins der notwendigen Ausführungsgefeße im Reichstage scheitern, so ersuchen wir die Reichsregierung, durch Aufhältnis mehr als umgekehrt war. 3u Bunft 2 haben alle die lösung des Reichstages das deutsche Volk selbst zur Genossen, die bei den Kämpfen dabei waren, übereinstimmend Entscheidung aufzurufen. Wir fennen die Stimmung in den ausgerufen: Scholem wie er leibt und lebt; feig und Massen genugsam, um zu wissen, daß ein solcher Appell eine frech. S. Kasparet.
durch soziale Ungerechtigkeit und Niedertracht verschärft sehen mag, deswegen bin ich Sozialdemokrat. Weil ich aber, um den Emanzipationskampf des Proletariats zu teilen, dem Leben einen Sinn geben muß( an fich ist das Leben mit seinem Widerspruch zwischen Beranlagung und Bestimmung des Menschen vollendete Sinnlofig bemokratie nicht als Gegnerin der Religion, auch nicht als Gegnerin feit!), deswegen bin ich religiös- gläubig. Ich bitte Sie, die Sozialdes chriftlichen Jenseitsglaubens auszuspielen.
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zu allen Enterbten, Schwachen, Unterdrückten verbindet trotz Um der Gesinnung willen, die mich mit Ihnen in der Liebe des Unterschiedes in den Lebensauffassungen, in denen uns eine des Unterschiedes in den Lebensauffassungen, in denen uns eine Welt trennt, grüße ich Sie in herzlicher Geistesgemeinschaft als 3hr ergebener 5. Frande."
Gestatten Sie, bitte, daß ich als chriftgläubiger Sozialdemokrat dem" Glaubensbekenntnis, das Sie im Borwärts" entworfen haben, widerspreche. Darin haben Sie gewiß recht, daß wir an eine Möglichkeit glauben müssen, das, verstlavte Menschengeschlecht aus der Qual und Troftlosigkeit der sozialen Verhältnisse herauszuführen, in das die bisherige„ Entwicklung" es gezwungen hat. Aber Sie versprechen zuviel, wenn Sie die Zeit der Emanzipation als eine vollendete Zeit verheißen. Wir glauben an die irdische Boll- Armin L. Wegner entgegnete darauf: endung", sagen Sie, und Sie nennen es unsere Bestimmung, die? Mein Heiner Aufruf: Boran sollen wir denn glauben?" war Erde zum Hause der Schönheit und Freude zu machen". Wecken nicht der Ausdruck einer parteipolitischen Polemit, sondern im eige Sie damit nicht eine gefährliche Illusion an Stelle der vermeint- nen Namen und im Namen anderer ein persönliches Bekenntnis. lichen Illusion, die Sie im Christentum befämpfen? Als Natur- Sch bekämpfe nicht die Illusion" des Christentums, wohl aber den wissenschaftler muß Ihnen bewußt sein, daß es nicht nur die heuchlertschen Geist seiner Kirche, die mit der Berteidigung des fozialen, sondern daß es auch die physikalischen Bedingungen auf unserem Planeten sind, die unser Dasein in zermalmend enge Grenzen bannen. Wir werden am Leben leiden auch im vollkommenften Zukunftsstaat. Von der Zerrissenheit, daß wir geboren werden ( unter Schmerzen!) mit Sehnsucht nach Unendlichkeit und wahrem Leben, und angewiesen bleiben auf eine Wurmegistenz von allenfalls 80 Jahren mit ihrer Herrlichteit" jogenannter Gemüſſe" und noch mehr sogenannter Leistungen" auf fulturellem oder gar fittlichem Gebiet, befreit uns Leine Revolution, fein Umsturz und kein Aufstieg, so notwendig und so begrüßenswert diese an Angesichts dessen stabilisieren Sie den Diesfeitsglauben, ent thronen Gott und Ewigkeit und beruhigen sich bei der Aussicht, Mersch zu sein und-( ich ergänze Sie wohl recht!) Mensch zu bleiben. Wir anderen tönnen uns dabei nicht beruhigen. Wir hören aus Ihrem Bekenntnis das Geständnis einer Refignation,
sich auch find.
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deren wir nicht fähig sind. Wir tönnen uns über die Grauenhaftigkeit des Loses Mensch zu fein" beiner Täuschung mehr hingeben. Dann schon lieber Lier! Das Rütteln an den Gittern, die uns von der Ewigkeit absperren, vulgär heißt man das„ Religion" ist immer noch unendlich seliger als das dumpfe Sichabfinden mit der Wirklichkeit, als das Sichbescheiden mit Zielen, die der Bergänglichkeit unseres Sonnensystems unterliegen. Und wenn Sie mich je überzeugen fönnten, daß jenes Rütteln an den Torgittern der Ewigkeit hoffnungslos fet, so wollte ich doch die Erde lieber den untermenschlichen Kreaturen einräumen, die fein Bewußtsein ihres Lofes fennen, als meinem eigenen Geschlecht eine Fortepistenz wünschen, die weiter nichts wäre als eine Folge von temperierten Lüftlein in trautem Wechsel mit qualvollen Abstürzen und Erstickungsanfällen. Es muß ja nicht gelebt werden!, gelebt auch um den Preis, daß dieses Leben" ein immer wiederholtes vergebliches Sichaufbäumen gegen eine fühllose dämonische Natur bleibt, mit dem Endeffekt, den Mund voll Erde gestopft zu betommen!
Weil ich die Härte des natürlichen Menschendaseins nicht noch
Bölkermordens in diesem Kriege bei der Mehrzahl aller wahrhaftigen Menschen ihre lehte Achtung verfor. Verwundert freilich bin ich, daß der Verfasser des oben abgedruckten Briefes meine Worte so sehr mißdeuten konnte, daß er mein Bekenntnis für eine Resignation hält, während er gegenüber der firchlich- religiösen Gewissen losigkeit doch gerade das Gegenteil fordert, nämlich das wahrhaft tatkräftige Streben nach einem ewigen Ziel. Nicht darum handelt es sich hier, Mensch zu sein" oder zu bleiben", sondern Mensch zu werden". Gott sowohl wie der vollendete Mensch sind beides unerreichbare Vorbilder, die der Mensch sich zu seiner Vervollkommnung feht. Ob er sich hierfür das Tier, den Gözen, viele Götter, einen Gott oder das Idealbild des Menschen wählt, find nach meinem Dafürhalten nur verschiedene fortgeschrittene Stadien ein und derselben Entwicklung, und es bleibt letzten Endes dem Urteil jedes einzelnen überlassen, welche Stufe dieser Entwicklung, von bem jebe höhere eine höhere persönliche Verantwortung fördert, er für die reifere und fortgeschrittenere hält."
Zu den vielen Uebeln, alten und neuen, von denen das Berliner Theaterwesen in den letzten Jahren heimgesucht wurde, hat sich eines als besonders verderblich erwiesen: ber parafitäre 3wischen handel. Das Publikum hat am eigenen Leibe die Folgen davon oft genug zu spüren bekommen. In den unverschämten Preisen, die nicht nur für den Eintritt, sondern vielfach und ganz besonders auch für den Theaterzettel und die Garderobe entrichtet werden müssen, steuerte es seine Tribute bei an diese Parafiten, die die Theater in ihre Hände brachten und sich durch Weiterverpachten müh- und schamlos bereicherten. Durch das Eingreifen der Polizei wurde wenigstens der Garderobenwucher zu einem Teil gemildert, zum Teil besteht er unentwegt weiter. Die Theaterpächter selber aber blieben unbehelligt. Natürlich, im tapitalistischen Staat tann ja jeder mit feinem Pfunde so gut wuchern, wie er es versteht. Warum nicht
auch mit dem Theater? Jetzt endlich scheint man diesem Treiben entgegentreten zu wollen. Die„ Große Boltsoper", die neuer dings mit einem starten Defizit zu kämpfen hatte, und jetzt erst durch das Eingreifen des Berliner Magistrats in den Stand gesetzt werden mußte, ihre Miete bezahlen zu können, hat ihr Haus, das„ Theater Rotter's . Auf diese Weise muß sie ungefähr das Doppelte zu dem des Westens", in Unterpacht von den rühmlichst bekannten bezahlen, was die Rotter selber als Pacht entrichten. Ganz abgemeinde Berlin muß also schließlich, damit die verdienstvolle Bolksoper sehen von dem Rebbach, den sie aus der Garderobe ziehen. Die Geweiter bestehen kann, den Rotterschen Zwischengewinn bezahlen. Auch das ist ganz in der Ordnung in einem freien kapitalistischen Staate, der um Gottes willen nicht in die Produktionsverhältnisse eingreifen darf. Erfreulicherweise hat die Wucherpolizei an diesen Dingen Anstoß genommen und gegen die Gebrüder Rotter ein Verfahren wegen Leistungswuchers eröffnet.
Möge es Erfolg haben auch gegenüber anderen Theaterwucherern, möge es aber vor allem der Deffentlichkeit die Augen schrankenlosen kapitalistischen Willkür überlassen dürfen, daß wir öffnen dafür, daß wir Kulturgüter wie das Theater nicht der schrankenlosen kapitalistischen Willkür überlassen dürfen, daß wir bewirtschaftung regelt und die Interessen der Kunst wie des ganzen eines Theatergesetes bedürfen, das grundsäßlich die TheaterBoltes sichert. Sonst fönnen wir es eines Tages erleben, daß Berlin ohne Theater ist, weil die Theaterbefizer und Bächter ihre Betriebe vielleicht nußbringender verwerten fönnen.
Der Tod mit der Handgranate. Die Technische Hochschule in Denkmal der Geistesverfassung unserer Universitäten zu sein. Wie Berlin läßt sich ein Kriegerdenkmal bauen, das berufen scheint, ein die Zeitungen melden, stellt das Denkmal die Gestalt eines Handgranatenwerfers dar, und wie die Zeitungen ebenfalls bereits wissen, wird diese Figur zugleich lebensvoll und plastisch wirksam sein" und sich außerdem glücklich den Raumverhältnissen und den übrigen Bildwerken der großen Halle einfügen". Goethe hat einmal die Bemerkung gemacht, daß das Menschenleben durch ein einziges heilfames Bort gefördert werden kann. Leider gibt es auch Völker, deren feelischer Zustand durch einen einzigen Sah entlarvt werden fann, und zu diesen Sägen gehört der, den ich eben zitiert habe. Wie mag es in Menschen aussehen, die die Toten zu feiern gedenten, indem sie das Werkzeug, mit dem sie ermordet wurden, verherrlichen! Erregt in jedem feineren Menschen diese grauenhafte Bose des Handgranatenwerfers schon ein Uebelbefinden, so muß in den Angehörigen der Gefallenen der Anblick dieser Figur aufwühlend wirken. Also so sah es aus, als unser Sohn getötet wurde! Ach nein, so sah es nicht einmal aus, denn das Furchtbare an diesem Denkmal ist ja nicht, daß es den Tod mit der Handgranate graufig darstellt wie ihn das Mittelalter einft mit der Hippe zeigte, sondern vielmehr als eine lebensvolle und plastisch wirksame Figur, die den schönen Tod auf dem Schlachtfeld jucht, aber auch mit Hilfe der Waffen verbreitet, die ihm die Professoren der Technischen Hoch schule mit auf den Weg gegeben haben. D, unser Auge ist ästhetisch geworden, wir sehen nur noch die Dinge als Formen und haben ihre eigentlichen Inhaltswerte zu empfinden längst vergessen. Diese Figur wird sich mehr als glücklich im Rahmen der Chargierten des