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Nr. 394 41.Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Der Skandal von Weimar .

Antwort, Herr Reichsinnenminister Dr. Jarres! Landtagsabgeordneter Genoffe Frölich hat in seiner Eigenschaft als thüringischer Reichstagsabgeordneter an den Herrn Reichsinnenminister Dr. Jarres ein Schreiben ge­richtet, welches wir unten folgen lassen. Je eine Abschrift des Schreibens ist dem Herrn Reichspräsidenten sowie dem Herrn Reichstanzler Dr. Marr übermittelt worden. Wir sind gespannt, was der Herr Reichsinnenminister Dr. Jarres auf Grund des Schreibens feinem Parteifreund Dr. Leut­heuffer gegenüber unternehmen wird. Herr Dr. Jarres war es bekanntlich, der im Vorjahre die Reichseretutive nach Thüringen geschickt hat auf Veranlassung der deutschvölkischen Faschisten.

Herr Dr. Jarres war es, der um die Jahreswende 1923 einen Reichskommissar der thüringischen sozialistischen Regie­rung auf die Nase sezen wollte, obwohl eine Veranlassung hierzu nicht vorlag.

Was wird Herr Dr. Jarres unternehmen gegenüber der Leutheusser Sattler Regierung in Thüringen ? Wird er die Leutheuffer- Sattler- Regierung am Ruder laffen, die den Hochverrätern Ludendorff, Dinter und Genossen den besten Erfolg zu ihrer Arbeit wünschten?

Wir warten auf Antwort, Herr Reichsminister! Das Schreiben des Genossen Frölich hat folgenden Work­fout: Weimar , den 20. Auguft 1924. An den Reichsminister des Innern, Herrn Dr. Jarres, Berlin , Herr Reichsminister!

Angesichts der Erfahrungen, die ich als Vorsitzender des Thürin gifchen Staatsminifteriums um die Jahreswende 1923/24 hinsichtlich Der Auswirtung der Artikel 15 und 130 der Reichsverfassung zu fammeln in die Bage versetzt worden war, halte ich mich heute als Mitglied des Deutschen Reichstags für verpflichtet, Ihnen, Herr Reichsminister, im Nachfolgenden einen Ueberblick über neuerliche Vorgänge in Weimar zu geben,

Unter Berücksichtigung Ihres Vorgehens wegen angeblichen Be stoßes gegen die Reichsverfassung gegen die frühere Thüringische Regierung, die Sie durch einen Reichskommissar zu ersehen dic Ab­sicht hatten, darf ich als selbstverständlich annehmen, daß Sie, Herr Reichsminister, in diesem Falle Veranlassung nehmen, für die streage Einhaltung der Reichsverfassung Sorge zu tragen.

In Weimar fand am 15. umb 16. Auguft die erste Tagung der Nationalsozialistischen Freiheitspartei und am 17. Auguft ein foge­nannter Tag des deutschen Kulturbekenntnisses statt. Die Thüringische Regierung ist entgegen ihrer Haltung republikanischen Bereinigungen gegenüber den Wünschen der Nationalsozialistischen Partei nicht nur in entgegentommendster Weise hinsichtlich ihrer Veranstaltungen ge­redt geworden, fonden hat sie verständnisvoll gefördert.

Im Gegensatz zu dem Verhalten der Thüringischen Regierung bei der Handhabung Ihrer Bestimmungen über den Ausnahmezustand dem Reichsbanner Schwarz Rot Gold gegenüber, dem zu feiner Berfassungsfeier ein Fodelzug und Frühmedruf in Weimar Derboten wurde, war es der Nationalsozialistischen Freiheitspartei geftattet, in der Frühe die Einwohner aus ihrem Schlummer zu weden", bis tief in die Nacht Konzerte zu Deranstalten und anschließend in den Straßen, felbft in unmittelbarer Nähe von Krankenhäusern, zu frafeelen. Geduldet wurde auch, daß cufreizende antisemitische Lieder van den Truppen" gesungen wurden.

Im Gegensatz zu dem Berbote eines Feftzuges mit anschließender Rundgebung für den Frieden und die Republik zur Sonnenwendfeier der sozialistischen Arbeiterjugend in Hermsdorf - Klosterlausnik, hat Die Thüringische Regierung öffentliche Aufzüge und Ansprachen gegen die Republik und gegen den Frieden nach außen und im Innern zugelassen.

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Entgegen ihrer Haftung bei Veranstaltungen von Anhängern ber Republik hat es die Thüringische Regierung unterlassen, Dor forglich den notwendigen polizeilichen Schutz zur Verfügung zu halten. Nur der republikanisch eingestellten Bevölkerung ist es zu banken, daß die Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung angesichts des provozierenben Auftretens von Leil­nehmern an den Veranstaltungen der Nationalistischen Freiheits­partei nicht unabsehbare Folgen angenommen haben. Ohne Rüd ficht auf den Verkehr wurde Aufstellung im Bahnhofsgebäude- vor der Kartenausgabe- unter dem Kommando In Reihen gesetzt, rechts um!" vorgenommen. In Hitler - und sonstigen Uniformen, die oftmals von Reichswehruniformen faum zu unterscheiden waren, traten die Demonftranten auf. Hitler - Offiziere, teilweise zu Pferde, mrit gezüchtem Degen, Mannschaften mit Lanzen ausgestattet und mit bemalten Stahlhelmen bedeckt, waren bei den Umzügen be­teiligt. Beimar war beherrscht von den Nationalsozialistischen Rampf truppen. Nachts waren an allen Straßeneden des Stadtinneren Bosten aufgestellt und die Straßen mit Patrouillen ausgefüllt. Propotationen der friedliebenden Bevölkerung fanden statt, insbesondere solche von Trägern der republikanischen Farben, wie auch der Abzeichen des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold. Burufe bezeichneten die Farben der Deutschen Republik mit Schwarz- Rot­Senf oder Schwarz- Rot- Sch.... In einem Falle wurde auch einem mißgeleiteten Freunde", wie ein nationalsozialistischer Redner die Kommunisten nannte, der Sowjetstern weggenommen und der mißgeleitete Freund" verprügelt. Als ein Bolizeibeamter mit dem Berprügelten und drei Zeugen zur Feststellung der Täter in das Hauptquartier der Nationalsozialistischen Freiheitspartei ging, wohin fich die Täter begeben hatten, schlugen die nationalistischen Helden auf die vier im Beisein des Polizeibeamten ein und warfen sie aus dem Lotal. Einigen Kindern wurden schwarzrot goldene Fähnchen oder Abzeichen in den Farben der Republit von Nationalsozialisten mit Gewalt entriffen. In einem Fall wurde ein Junge bei der gewaltsamen Wegnahme einer Fahne an der Hand verlegt, seine Fahne von dem Hafenkreuztulturträger zerrissen und fortgeworfen.

Freitag, 22. August 1924

Hakenkreuzlerinvasion in Weimar .

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Schiller: Was haben Sie vor, Herr Geheimbderat?"

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Goethe: Ich möchte Weimar für ein paar Tage verlassen, lieber Herr Kollege. Dunkles Haar, schwarze Augen, in der Judenstadt Frankfurt geboren und kosmopolitische Gesinnung könnte ich mir leicht eine Denkmalsbeschädigung zuziehen!"

Am 16. Auguft gegen 8 Uhr abends drangen mehrere Hitlergardisten in das Boltshaus ein. Bereits im Borraum gab einer der Eindringlinge einen Schuß ab. Im Gastraum wurde ein Mitglied der Volkshausgesellschaft auf seine Frage, was hier vorgehe, von vier bis fünf Mann, die Schuß, waffen gegen ihn richteten, umringt. Andere Hitlerleute, die eingedrungen waren, fchoffen nach einem Arbeiter, der sich im Lofal befand. Nur dadurch, daß dem Schüßen ein Stoß gegeben wurde und der Arbeiter sich auf den Boden warf, hat der Schuß sein Ziel verfehlt. Die Eindringlinge schlepplen darauf den Arbeiter aus dem Gastraum und schlugen ihn mit Gummifnüppeln, bis er be wußtios zusammenbrach, so daß der Führer des Ueberfallkommandos äußerte: Der hat genug, der ist erledigt" Bei einem zweiten Anfturm wurde blindlings ein Schuß in das Lotal abgegeben. In der Zwischenzeit hatten drei bis vier Hitlerleute einen Arbeiter mit gezüdtem Dolche auf der Straße überfallen. Als der Arbeiter in das Volkshaus flüchtete, schlugen und stachen die Rowdys auf ihn ein; er wurde durch drei Messerstiche verlegt und mußte fich in ärztliche Behandlung begeben.

Menn auch die inzwischen herbeigeholte Bolizei dem Treiben der Hitlergardisten ein Ende bereitete und die Entmaffnung des Ueberfallkommandos vornahm, fo lehnte aber jebe der zu= waffneten Teilnehmer an der Tagung der Natio. nalfozialistischen Freiheitspartei und an dem fogenannten Tag des deutschen Kulturbetennt niffes ab.

Am 16. August abends in der achten Stunde erfolgte auf offener Straße ein leberfall auf Mitglieder des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold, die an ihrem Abzeichen fenntlich waren, durch eine größere Sahl Nationalsozialisten. Die Ueberfallenen waren wie andere Teile der Bevölkerung harmlose Spaziergänger in Wei­ marer Straßen und waren wieberholt wegen ihrer Abzeichen anständigen Behörden die Entwaffnung aller be gepöbelt worden, ohne darauf zu reagieren. Mit dem Zuruf ,, Arm­binden, Abzeichen herunter! Ihr schwarzrotgelben Hunde!" um­stellten die Straßenräuber bie Ueberfallenen und wurden hand­greiflich. Zwei ber Ueberfallenen wurden mißhandelt bis sie be­mußtlos zusammenbrachen. Einem der Niedergeschlagenen, der blutüberströmt zusammengebrochen war, wurde der Inhalt feiner Taschen mit feinem gesamten Bargeld geraubt

gedenktafel nicht in Einfang zu bringen mit den Symbolen der Nationalsozialistischen Freiheitspartei , denn wie ein Hohn auf die Republit mußte es anmuten, daß die Schmüdung des Deut­fchen Nationaltheaters innen und außen Satentreuzfahnen und Hatenkreuzemblemen er­folgen fonnte.

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Der Höhepunkt der sogenannten Tage des deutschen Kultur­bekenntnisses dürfte unstreitig dadurch erreicht worden sein, daß der thüringische nationalsozialistische Landtagsabgeordnete Dr. Din­ter in einer Rede vor dem Deutschen Nationaltheater unter dem Schuhe oder der stillschweigenden Duldung der Thüringischen Re­gierung nach der Allgemeinen Thüringischen Landszeitung: Deutsch­ land " ausführte:

Ich klage hier an der Seite des größten deutschen Feld­herrn( Ludendorff ) die gegenwärtige Reichsregierung des Volks und hochverrats an! Sie gehören an den Galgen! Wir wollen, daß dieser Bolts- und Vater­landsverrat vor dem Staatsgerichtshofe abgeurteilt wird. Unsere Geduld ist erschöpft. Ich fordere sämtliche Anwesende auf, mit mir die Hand zum Schwure zu erheben( alle Anwesende er­heben die rechte Hand): Wir schwören, unserem Führer Ludendorff , menn er us ruft, zu folgen bis in den Tod, und nicht eher zu raften, bis die Novemberverbrecher ihrer Strafe vor dem Staats­gerichtshof zugeführt sind."

Herr Reichsminister! Ich habe mich, angesichts meiner Auf­faffung, daß die Beranstaltungen der Nationalsozialistischen Freiheils partei in Weimar ein Vorwärts- und Nordwärtstragen der Deut­Daß versucht worden ist, am Deutschen Nationaltheater. mohl schen Tage", b. h. ber Manöver zur Borbereitung des Bürgerkrieges zum Dank für die Förderung der Veranstaltungen durch die Thüringegen die Republit, bedeuten, veranlaßt gesehen, Sie von den Bor. gische Regierung die Berfassungsgebenttafel zu ent­fernen, foll nicht unerwähnt bleiben. Gewiß ist die Verfassungs

gängen in Renntnis zu sehen. Ich darf wohl erwarten, daß Sie mit derselben Schärfe der Reichsverfassung Geltung verschaffen, wie Sie