MenSausgabe JTt.395 ♦ 4I.Iahrgaag Ausgabe B Nr. 198
S«juB»be6tngungen und«nzelgenpr-tl, find in der Morgenausgab? angegeben »ednMoa: SV). 68, Cin&enffcagc 3 3etnfprad)(t: VSahofi 302— 293 Xal.'VtrcflcSojiolöenottal Berlin
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5 Golöpfennig 50 Milliaröen Freitag 22. August �24
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Zentralorgati der Sozialdcmokrattfchen parte» Deutfchlanda
Freiheit und Hilfe für die befetzten Gebiete! Zur heutigen Reichstagssitzung.
„Daneben ist es-völlig bedeutungglos, wenn das im Frühjahr 1921 vertragswidrig besetzt« Gebiet von Düsseldorf , Ruhrort und Duisburg gleichzeitig mit dem Ruhrgeibet, wenn Dortmund und Hörde nach der Unter- Zeichnung des Londoner Abkommens geräumt werden sollen, wenn Dffenburg und Appenweier in diesen Tagen freigegeben wurden." Freiherr v. Freytag-Loringhoven, MdR., in der„Deutschen Zeitung" vom 21. August 1924. Don besonderer Seite wird uys geschrieben: Das deutsche Volk und im besonderen die Bewohner der besetzten Gebiete werden sich die Aeußerung des Herrn von Freytag-Loringhoven merken müssen. Wie sind die Tat- suchen? Was ist und was wird in den besetzten Gebieten ge- schehen? Die meisten der ausgesprochenen Ausweisungen sind bereits zurückgenommen. Grundsätzlich werden alle Aus- Weisungen zurückgenommen. Ein am 30. August er- folgender Notenwechsel bestimmt die Einzelheiten. Bereits jetzt sind Kriegsgerichtsprozesse im Hinblick auf die kommende Amnestie vertagt worden. Nach Anlage III des Schlußprotokolls werden alle Deutschen , die von alliierten Gerichten wegen politischer Handlungen verurteilt sind oder die sich gegen Befehle der Besatzungstruppen ver- gangen haben, befreit werden müssen und auch künftig nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Nur für einen Fall, über den diplomatisch verhandelt wird, ist eine Aus- nähme gemacht. Die deutsche Iustizhoheit in den besetzten Ge- bieten wird wiederhergestellt. Das bedeutet das End« der separatistischen Landesverräter. Die deutsche Verwaltung in den besetzten Ge- bieten wird durch Zulassung der Beamten wiederhergestellt. Die infolge des Ruhrkampfes erlassenen.Kampf- ordonnanzen" der Rheinlandkommission verschwinden. Das bedeutet: Wiederherstellung des Rheinland - abkommen s. Das Gebiet von Offenburg ist geräumt. Damit ist ein Eisenbahnknotenpunkt von internationaler Bedeutung wieder in deutscher Hand. Die„Flaschenhälse" und die Rheinhäfen Wesel , Em- merich. Leopoldshafen und Mannheim werden geräumt. Die Räumung des Mannheimer Hafens ist von !jrößter Bedeutung für die süddeutsche Wirtschaft. Der Hafen tand, gemessen an der Menge der umgeschlagenen Güter, an der zweiten Stelle der gesamten deutschen Rheinhäfen. Die Dort m u n d e r Zone wird geräumt. 18 Zechen mit einer Förderung von 5 652 009 Tonnen(1921) werden frei, desgleichen die großen Eisenwerke von internationaler Bedeutung(Union , Hoesch, Phönix). Wenn die zunächst vorgesehenen Räumungen durchge- führt sind, ist ein Gebiet, das an Größe die preußischen Teile des Saargsbietes übertrifft, befreit. 900 000 Deutsche brauchen nicht mehr unter der Fremdherrschaft zu leben! Die besetzten Gebiete werden wirtschaftlich geräumt. Das System der Pfänderpolitik ist beendet. Die Micum verschwindet und mit ihr die Micum-Verträge verschiedenster Art, auch die sogenannten„Holz-Micum-Ver- träge". Deutschland kann über die Steinkohlenförderung, die Koksproduktion und die Braunkohlenförderung(Kölner Bucht) der besetzten Gebiete wieder frei verfügen. Die Regie- zechen König Ludwig, Viktor und Ickern mit einer Jahres- förderung von rund 3 Millionen Tonnen werden ihren recht- mäßigen Besitzern wieder zurückgegeben, ebenso die beschlag- »ahmten Kokereien. Die beschlagnahmten Staatsforsten in Preußen, Hessen , in der Pfalz und in Birkenfeld werden freigegeben. Die„leitenden Forstausschüsie" verschwinden. Nach einer fran- zösischen Aufstellung waren mehr als 300 000 Hektar staat- sicher Forsten beschlagnahmt. Der unverantwortliche Raubbau hört nun auf: allein aus den preußischen Forsten sind rund 1 Million Festmeter Holz herausgeholt worden. Für 192 4/2 5 sind bereits von den Franzosen große Vor- b e r e i t u n g e ir getroffen worden, so daß in einem Bericht der preußischen Forstverwaltung die Lage wie folgt bezeichnet worden ist: I« welter die Verhandlungen sich hinaus- schieben, um so näher rückt die Gefahr eines gänzlichen Ruins�unserer f«s t a l i j che n ffialbbe stände." Die Regie verschwindet und mit ihr der letzte französische Eisenbahner. 150 000 deutsche Eisen- b a h n e r werden damit ihrer Arbeit unter deutscher Leitung, ihrer Heimat und Familie zurückgegeben. Zur Kennzeichnung der Bedeutung der Ruhrbahnen nur eine Zahl: fast die Hälfte (49 Proz.) der gesamten von der Reichsbahn beförderten Gütermengen stammen aus dem Ruhrgebiet oder laufen dorthin. 2iese Zahl charakterisiert aber auch zugleich die Bedeu- tuvg der Aufhebung der Binnenzoll-Linie.
Handel und Verkehr haben unter der Abschnürung des be- setzten Gebietes ungeheuer gelitten. Allein der Verkehr des altbesetzten Gebiets mit dem rechtsrheinischen Deutschland war 1920 mehr als sechsmal so groß wie der Verkehr mit dem Frankreich jetzigen Umfanges. Und dazu kommt nun noch das Ruhrgebiet , ohne dessen Kohle und Eisen Deutschland nicht leben kann. Durch die Aufhebung der Binnenzoll-Linie wird auch die schwer bedrohte rheinische Schiffahrt erst wieder lebensfähig. Infolge der Pfänderpolitik ist der Schiffahrts- verkehr über die Seehäfen, besonders über Hamburg , vom Rhein abgelenkt worden. Das gleiche gilt für den internatio- nalen Transithandel. Neben dem Duisburg -Ruhrorter Hafen hat auch der Hafen von Köln schwer gelitten. Neben den Beschränkungen im Güterverkehr kommen auch die Beschränkungen im Personenverkehr in Fortfall. Nach Annahme der Gesetze und Unterzeichnung der Protokolle werden die hindernden Verordnungen über Stempel und Geleitscheine aufgehoben werden. Das ist poli- tisch, aber auch wirtschaftlich von ganz besonderer Bedeutung, besonders wenn man der altberühmten Kurorte im besetzten Gebiet gedenkt, die jetzt wegen der Paß- und Zollschwierig- keiten schwer um ihre Existenz ringen müssen. Das besetzte und das unbesetzte Gebiet sind wieder verbunden; so wird es auch den Brüdern an Rhein und Ruhr leichter, die Zeit der Besetzung zu ertragen. 11 Millionen Deutsche leben jetzt noch in den besetzten Gebieten unter der Fremdherrschast, aber sie und wir dürfen doch die begründete Hoffnung haben, daß— wenn jetzt die Gesetze angenommen werden— mehr als die Hälfte, rund 6,3 Millionen, spätestens am 15. August 1925 befreit sein werden. Wer wagt es im unbesetzten Gebiet, zu sagen, daß das alles„völlig bedeutungslos" ist? Die Oppositions- Parteien mögen wohl bedenken: Aus dem besetzten Ge- biet ist bisher nicht eine Stimme der Ab- lehnung laut geworden. Im besetzten Gebiet gibt es— trotz mancher schweren Bedenken— nur eine Meinung: annehmen! Ablehnen ist Wohnwitz. Urteil der Bayerischen Bolkspartei. München , 22. August. (WTB.) Die Korrespondenz der B a y t- rische» Dolkspartei schreibt zu den Londoner Ergebnissen u. a., unser« trostlose Lage erlaube es uns nicht, den Luxus all«»- falstger Wahrscheinlichkeiten von vornherein zu oerwerfen. So wie die Dinge jetzt für die Entscheidung des Reichstages lägen, müßte konstatiert werden, daß im Falle der Ablehnung jede Hoff- nung auf:R«ttung Wahnwitz wäre. LudwigsHasen. 21.• August.(WTB.) Dix Sozialdemo- k r a t i s ch e Partei der Pfalz hat folgende Kundgebung an den Reichstag gerichtet:.Der unterzeichnete Bezirksvorstand der SPD. der Rheinpfalz in Vertretung des werktätigen Volkes hat mit Be- friedigung davon Kenntnis genommen, daß die Londoner Konferenz mit positiven Ergebnissen geendet hat. Er bedauert, daß eine ganze Reihe berechtigter Wünsche Deutschlands unberücksichtigt geblieben sind, ganz besonders aber, daß die sofortige Räumung des Ruhr- gebiet? nicht erreicht wurde. Die Abmachungen von London «nt- halten aber gegenüber den bestehenden Zuständen so groß« Er. leichterungen de? politischen und wirtschaftlichen Druckes, daß die Bevölkerung des besetzten Gebietes von der Durchführung des Dawes-Plancs eine wesentliche Besserung ihrer Lage erwarten darf. Aus diesem Grunde fordert der Unterzeichnete von der Reichsregie- rung und dem Reichstag unverzüglich die Schaffung der zur Durchführung des Tawes-Planes notwendigen Gesetze. Er verlangt aber auch init der gleichen Entschiedenheit, daß die durch die Gesetze entstehenden Lasten soverteilt werden, daß die minder- bemittelt.'n Schichten des deutschen Volkes verschont und rragfähig« Schultern belastet werden. � Der Vorstand." Von der Gewerkschaftsorganisation der Pfalz wurde ein« ähnlich lautende Entschließung gesaßt: Köln . 21. August. (WTB.) Laut„Kölnischer Zeitung" haben die christlichen Gewerkschaften des Kölner Bezirks eine Entschließung angenommen, in der sie erklären, daß sie trotz schwer- wiegender Bedenken vom Reichstag die Verabschiedung der nach dem Sachverständigengutachten erforderlichen Gesetze verlangen, da ein« Verzögerung die schlimmsten Folgen haben müßte. Köln , 22. August,(eca.) Zu dem Zusammentritt des Reichsver- bandes der deutschen Industrie und des Wirtschaftsausschusses für die besetzten Gebiete am 22. August erfährt die„Kölnische Volkszeitung" folgendes: Im allgemeinen ist ine S ch w e r i n d u st r i e des Westens der Auffassung, daß mit dem Abkommen wenigstens der bisherige Zustand dau rnder Ungewißheit beseitigt worden ist. Die Aussührungsbestimmungen zu den einzelnen Gesetzen werden freilich ncch Gegenstand eingehender Verhandlungen zwischen der Regierung und der Industrie sein müssen. Wenn somit auch die Klärung der Lag« al» allgemein« Erleichterung empfunden wird, so
verhehlt man sich nicht, daß die neuen Gesetze für die Industrie ein« neu« schwer« Belastung bilden werden, die um so stärker wirken muß, als diese neu« Belastung die Industrie zu einer für sie als denk- bar ungünstig zu bezeichnenden Zeit trifft. Sezahlung für Zreunöeshilfe! Der Schutzzoll vor dem Dawes-Gesetz. Die gestrige Sitzung des Reichskabinetls hat be. schloffen, die Zollvorlage sofort dem Reichstage zugehen zv lassen. Man nimmt an. daß sie noch in dieser Tagung des Reichstages erledigt werden kann. Zerstört üen öürged i nicht! Klagerufe ans dem Lager Stresemanns. In der„Nationalliberalen Korrespondenz", dem Presse- dienst der Stresemann-Partei, beschwört Dr. Otto Arendt. der frühere Freikvnservative, händeringend die Deutschnatio- nalen, doch ja nicht die Dawes-Gesetze abzulehnen, denn dadurch würde der Bürgerblockgedanke vernichtet! Wird«ine Zweidrittelmehrheit nicht erzielt, so müssen Neu- wählen stattfinden, die ein« ungeheure Mehrheit für die Dowes-Bericht« bringen würden. Ihre Durchführung ist unter allen Umständen gesichert. Aber der Sahlkamps— das ist das Entscheidende und Verhängnisvolle— bringt einen nicht wieder überbrückbare« Riß innerhalb der bürgerlichen Parteien. Für die innere Uederwindung der Sozialdemokratie ist die Durch- führung der Dawes-Bericht« ahne Reichstagsaufläsung die un- bedingte Voraussetzung. Bieten die Deutschnationalsn hierzu di« Hand, so ist das Zustandekommen der„großen bürgerlichen Koalition" in allernächster Zukunft gesichert... Ans den Sieg hei de« vlaiwahleu würde für die Deulschnattonaleu die Niederlage bei de« Oktoberwahleu folgen, aus den Ruck nach rechts der Ruck nach link»..... Was Wunder, daß die Stresemann-Partei diesen Ab- marsch nach links fürchtet wie ein gebranntes Kind das Feuer! Sie möchte gern mit den Deutschnationalen zusammen die Dawes-Gesetze machen und dann hinterher mit Schutzzoll, Zmölfftundentag und Lastenverteilung auf die Schultern der Besitzlosen die unumschränkte Herrschaft des Industrie» und Agrarkapitals aufrichten. Um so mehr gilt unsere Forderung: Fort mit diesem Inflationsreichstag? Schleunigste Neuwahlen, damit endlich die Befriedung Europas auch in Deutschland eine Stätte finde! Das erste flbstlmmungsmanöver. Die Teutschnationale» haben Angst. Nachdem die Deutschnationalen durch ihr« in 5 Iahren betrie- bene verlogene Agitationspolitik gegen di« Erfüllung und durch die Resoluionen ihrer Organisationen in Pommern , in Brandenburg , in Ostpreußen , in Sachsen und in anderen ostdeutschen Gebieten weit vom Schuß festgelegt sind, können sie natürlich nur schwer von ihrer bisherigen politischen Linie loskommen. Die einsichtigen Führer be- greifen sehr wohl, daß all« politische Vernunft für di« Annahme der Gesetze spricht. Aber sie finden nicht den Rückweg aus der Sackgasse. In dieser verworrenen Situation oerfallen sie auf allerhand Abstimmungsmanöver. Das erste, das bekannt wird, ist die Freigabe der Abstimmung für die deutsch - nationalen Abgeordneten aus dem befetzten Gebiet. Diese Abgeordneten, die sich in ihren Wahlkreisen nicht mehr sehen lassen dürfen, wenn sie gegen di« Gesetze und damit für die Verlängerung der militärischen Räumung, für die Hinaus- fchiebung der Amnestie und der Rückkehr der Ausgewiesenen, für die Fortdauer der riesigen Arbeitslosigkeit in den besetzten Gebieten, für die Fortdauer der Eisenbahnregie, für die Beibehaltung der Binnen- zollinie und anderer furchtbarer Bedrückungen der Westmarl ge- stimmt haben, verlangten in der gestrigen deutschnationalen Frok- tionssitzung Freigab« der Abstimmung für die Abgeord- neten aus dem Westen. Es scheint, daß man geneigt ist, diesem Wunsche der deutschnationalen Abgeordneten aus den besetzten Ge- bieten zu entsprechen. Dies« Freigabe ist dos Zugeständnis, daß die Deutschnationalen das besetzt« Gebiet ihrem Agitattonsbedürsnis auk- opfern wollen. Vielleicht sit bei diesem Manöver der Hintergedanke mit- bestimmend, daß man auf diesem Wege der Auflösung und der Abrechnung ausweichen könnte. Es kcmmen etwa 12 Abgeordnete der Deutschnationalen in Betracht. Es bedürfte schon der Hilf» der Hälfte der kommunistischen Fraktion, um die Auflösung zu ver- hindern. Wenn die veutschnationalen sich um di« Abrechnung drücken wollen, so müssen si« schon noch«�eitere Abstimmungsmanöver er- finden. Vielleicht wollen ss« im Reichstag mit der vorbik>kich«n Geschlossen- heit auftreten, die sie im Reichsrat bewiesen haben. Dort ergab sich da« Bild, daß von den deutschnationalen preußischen Provinzial- Vertretern einer überhaupt fehlt«,«in anderer sich durch seine» sozialdemokratischen Kollegen vertreten ließ, zwei mit ja und zwei mit nein stimmten. Das nennt man: lung der nationalen Opposition.