Einzelbild herunterladen
 

Mr. 85.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags: Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. proQuartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr. Monat. Eingetr. in der Post Zeitungs- Breisliste

=

für 1895 unter Nr. 7128.

Vorwärts

12. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs: Anzeigen 20 Pig. Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­uud Festtagen bis 9 1hr Vor­mittags geöffnet.

Ternsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Der Bankrott der bürgerlichen Parteien.

Die Zeit ist unendlich ernst, nicht so sehr, weil die Sozialdemokratie aufwärts, sondern weil es mit uns rapide abwärts geht.( S. 38.)

Mittwoch, den 10. April 1895.

führen, aber den Inhalt des Rechtes, welches er zu vertreten hat, zu bestimmen, ist nicht seine Sache. Weiß das Volk nicht, was es will, so kann es auch von seinen Vertretern dieses Wissen nicht verlangen."( S. 40.)

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

hierher gehörigen Stellen der Massow'schen Schrift di folgenden hervor:

"

"

Welche unserer staatserhaltenden Parteien kann sich auch nur einigermaßen, was Organisation, Parteithätigkeit betrifft, Aber der freie Mann in Echlafrock und Pantoffeln, mit den Sozialdemokraten messen? Und da wundern wir uns am Ofen und am Stattisch, der noch dazu bei jeder Gelegenheit darüber, daß die Sozialdemokratie immer weitere Fortschritte angstmeierisch nach Roß und Reifigen schreit, wird niemals den macht! Wären wir, jede Partei in sich, so fest organisirt, wie Thron retten, und mit einer platonischen Liebe ist dem Vater die sozialdemokratische es ist, die Chancen ständen ganz anders." lande nicht gedient. Ein politisch freies Bolt muß auch politisch( S. 22.) Ten Bankrott der nichtsozialdemokratischen Parteien aktiv fein. Thut jeder heute auf seinem Plage seine Echuldig­Warum haben sie"( die Sozialdemokraten) Führer, die eine fonstatirt in einer eben erschienenen Schrift*) der Geheim- feit, so können wir der Zukunft ihre Bahnen vorschreiben; ein wirkliche Rolle spielen, die auch von den Gegnern nicht ignorirt rath C. v. Massow, dessen Buch Reform oder Revolution" jeder aber, der die Mitarbeit versagt, der mache sich's flar, daß werden können? Weil sie im politischen Leben emporgewachsen vor wenigen Monaten nicht ohne Recht Aufsehen gemacht er dereinst die Mitschuld daran trägt, wenn die kurze Frist, die sind, weil hinter ihnen eine Partei steht, in der thatsächlich hat. Es ist nicht erstaunlich, daß die Organe der Parteien, wir noch vor uns haben, verstrichen ist, und wenn dann ihm politisches Leben pulsirt. Ob sie sich untereinander streiten, ob deren Bild in dem Spiegel der Massow'schen Schrift recht wie uns das grause Wort gilt: 3u spät!**)( S. 51 f.) fie mit ihren Parteitagen zu kämpfen haben, das ist viel weniger wenig vortheilhaft erscheint, für die Verbreitung der Anstrebungen des Umsturzes und alle Umsturzvorlagen zusammen. Diese Wähler zu einer aktiven Gesammtpartei organisirt sind. " Es giebt Dinge, die weit schlimmer sind als alle Be- wichtig, als daß sie Fühlung mit ihren Wählern haben und daß sichten des Verfassers wenig thun. Desto größer ist unser Gefährlicher als der tapferste Feind ist die Desorganisation in Sie haben sich die Führerschaft erwerben und erkämpfen müssen, Bergnügen, mit dem, was Geheimrath Massow sagt, trop den eigenen Reihen. Sie lähmt den Muth und mit dem Muth zum Theil in harter, schwerer Schule und in dieser Schule haben des ingrimmigen Hasses, mit dem er unserer Partei ent- ist alles verloren."( S. 60.) fie gelernt."( S. 22.) gegentritt, weitere Kreise zum theil bekannt zu machen. Wir reihen hieran gleich das, was Massow in diesem Wir werden bemüht sein, die Auslassungen des Verfassers Zusammenhange zur Beurtheilung der Umsturzvorlage bei­möglichst allein wirken zu lassen und uns auf möglichst bringt: wenige Worte beschränken.

"

Es ist verhältnißmäßig viel wichtiger, innerhalb der eigenen Partei über die schwebenden Fragen zur wirklichen Klarheit zu fommen, als andere Parteien und deren Zeitungen zu bekämpfen Da schreit man nach Regierung und Polizei, nach und die Verhältnisse in anderen Ländern ausführlich zu schildern. all em nehmen die eigenen Partei­Tas politische Parteileben in Deutschland   ist erstorben oder Repressivmaßregeln. Als ob Paragraphen auf dem Papier etwas or und Agitation es schläft einen Schlaf, aus dem es nur alle fünf Jahre bei den helfen könnten, wenn das Leben im Volke versagt! Bei einer verhältnisse, Organisation Wahlen aufwacht. Die wenigen Distrikte, welche eine Ausnahme lebendigen Attion feiten der staatseinen viel zu geringen Raum in der Presse machen, bestätigen nur die Regel, welche, abgefehen von den erhaltenden Parteien fönnen wir Repressivein. Auch hier können wir von den Sozialdemokraten viel Sozialdemokraten, für alle Parteien gilt. Eigentlich kann man maßregeln entbehren, ohne dieselbe schaden lernen."( S. 31.) faum sagen, daß wir organisirte Parteien haben, und was wir sie uns mehr, als sie uns nühen. Wenn man doch Parteileitung nennen, ist vielfach Leitung ohne Partei, ein General| endlich einsehen wollte, daß das Heil nicht in geseglichen Be ftab ohne Truppe.( S. 18 f.) stimmungen liegt."( S. 82.) " Gelegentlich aufgebotene Milizen"( die bürgerlichen Parteien) Tönnen einer regelmäßig geschulten Truppe"( der Sozialdemokratie) gegenüber nichts ausrichten".( S. 22.)

" 1

Die anderen"( nichtsozialdemokratischen) Parteien haben als solche faft gar keine Bedeutung. Und warum, weil sie nicht organisirt sind, weil die Führer teine Armee hinter sich haben." ( G. 85.)

"

Wir gleichen der Besatzung einer belagerten Feftung, die dem Feinde gegenüber unthätig verharrt. Es fehlt uns die Aktion und mit der Aktion das belebende Element, welches in ihr liegt." Warum rafft sich, wenn die Regierung es nicht thut, der Reichstag   nicht zu einer solchen Aktion auf Weil den meisten Abgeordneten die Kenntniß der sozialen Verhältnisse fehlt, weil die Führer im bureaukratischen Geschäftsbetriebe überlastet und überarbeitet sind, vor allem aber, weil sie das Programm erst Selbst entwerfen sollen, weil es nicht von den Parteien längst entworfen, durchgearbeitet, berathen und beschlossen ist. Und warum wieder ist das nicht geschehen? Weil keine Partei mangels einer wirklichen Organisation dazu im stande ist. Der Volts­vertreter soll der Mandatar Des Volkes zum min desten der Partei sein, die ihn ihn gewählt hat. Sache des Mandatars ist es, den Prozeß formell richtig 8" *) Die Reform unseres politischen Parteilebens. Mit einem Nachwort: Deutsches Parlament, deutsche   Nation und Bismard's 80. Geburtstag.( Fortsetzung von Reform oder Revolution", Berlin   1895. Verlag von Otto Liebmann  . 61 S. Großoktav. Preis 1 M.)

Feuillefont.

( Machbruck verboten. 14

Zu Tode gehetzt!

Eine Erzählung nach dem Leben von Franz Held.

-

Warum ist fein Geld da? Weil der Durchschnitts- Deutsche absolut feine Verpflichtung fühlt, auch nur einen einzigen Pfennig für seine politische Partei herzugeben. In der Wahlzeit thun es einige, aber verhältnißmäßig wenige, und von diesen die meisten sehr ungern, ein paar opferivillige Patrioten, einzelne Partei­nabobs müssen das fehlende ergänzen. Aber außerhalb der Wahlzeit etwas zu geben, das wäre ja unerhört. Wozu denn in aller Welt, fällt mir gar nicht ein." Und die Sozialdemo fraten? Welche Beiträge geben fic, wie bezahlen sie ihre Partei­führer, Agenten, Redakteure, Beamten! Und da wundert man sich, wenn die Sozialdemokratie ständig und ständig Fortschritte

Die ganze Welt ist sozial geworden, überall werden soziale Fragen behandelt nur die leitenden Kreise verhalten sich passiv, für fie exiflirt die sogtale Frage anscheinend nicht. wenn der Reichstag   die Umsturz vorlage ein stimmig annähme, wäre uns damit irgendetwas geholfen? Würden wir einen einen Sozialbemo fraten weniger haben? Und wenn auf grund des Um­sturzgesches, falls es zu ftande kommt, ein paar Menschen gerichtlich bestraft werden und in die Gefängnisse wandern, macht."( S. 32.) wird dadurch auch nur ein einziger unserer sozialen Schäden beseitigt?"

"

Die Sozialdemokratie vermehrt sich nicht nur ständig an Babl, was weit schlimmer ist, sie gewinnt immer mehr an Die Berathung der Umsturzvorlage hat die üble Konsequenz, geiftigem Einfluß auch auf die gebildeten Klassen. Sie ist au daß einerseits die Reden der sozialdemokratischen Parlamentarier einem Faktor geworden, mit dem wir alle wider Willen rechnen, ungehindert und ungestraft durch das Land verbreitet werden, ja rechnen müssen. Das giebt ihren Plänen und Bielen   ein und daß andererseits die Regierung glaubt, sie hätte etwas gegen ganz anderes Gewicht."( S. 35.) Neben der offiziellen Volksvertretung, neben den legalen die Sozialdemokratie gethan. Das erstere schadet mehr als das Gesetz nüßen kann, und das zweite ist schlimmer, als der aller- Faktoren, steht die sozialdemokratische Partei als ein mit­größte Schade, denn es erweckt den Glauben, weitere Reformen bestimmendes Organ, weil sie organisirt ist."( S. 35.) feien unnöthig."( S. 38 ff.)

Wir haben gesehen, mit wie tiefem Schmerze der Ge­heimrath das Bild von der Unfähigkeit der bürgerlichen Parteien gezeichnet hat, noch schmerzlicher muß es ihm ge­wesen sein, als er zeigen mußte, wie überlegen die Sozial demokratie, die Partei der Proletarier, ihren Gegnern auch an innerem Gehalte ist. Wir heben aus den zahlreichen

**) Alle Auszeichnungen, gesperrter wie fetter Druck, ent sprechen dem Original.

Und all diese schnöde Gewaltthat wurde ausgeübt im Namen des königlich preußischen Staates! Ueberall hingen die Schilder mit dem preußischen Adler, die Soldaten und Gefängnißwärter trugen ihn auf ihren Helmen und Müßen und Gurtschnallen.

"

Wie oft hatte er früher seinen Reservehelm an Feier tagen betrachtet und den Spruch um den Adler herum: Wie sie neben Anuchen im rollenden Wagen saß, stützte Mit Gott für König und Vaterland" ehrfürchtig gelesen. fie den Kopf in die Hände und schluchzte laut in ihren Dies Zeichen, das er früher so hoch gehalten, begann jezt Echooß. Annchen streichelte nur leis ihre Backen, fand in seinen Augen einer bösen, gierigen, unerbittlichen Spinne aber fein Wort des Trostes. Ihr selbst war ja so schrecklich zu ähneln.

-

-

Unsere lange politische Unthätigkeit hat uns bereits schlaff gemacht, sonst wären die bisherigen Erfolge der Sozialdemokratie unmöglich gewesen. Wir haben viel Versäumtes nachzuholen, und das erfordert Zeit, viel Zeit. Organisiren wir uns, stellen wir unsere Organisation derjenigen der Sozialdemokratie gegens über, so steht die Sache sofort ganz anders, so brauchen wir teine Repressivmaßregeln."( S. 51.)

Sehen wir nun zu, wie sich der Verfasser die Reform des Parteiwesens der herrschenden Klassen denkt:

"

Beigen wir sammt und sonders der Sozialdemokratie, daß wir auch noch da sind, daß wir noch Leben haben, daß sie mit

Er sank wie gelähmit auf seine Pritsche zurück, nachdem er die wenigen weiteren Zeilen überflogen hatte:

Sein of gepfändet, weil seine Frau die fälligen Zinsen nicht hatte zahlen können. Wie hätte sie das Geld aufbringen sollen, wo in den abgebrannten Gebäuden an eine regelrechte Wirthschaft garnicht zu denken war? Die Feuerkasse   verweigerte Brandentschädigung, weil auf Schwarz der Verdacht der Brandstiftung lag. itas ihn am schrecklichsten traf: das Gut war unter die Zwangsverwaltung Rendelmann's gestellt worden. Eeine Frau und Tochter hatten ein Unterkommen bei seinem in einem benachbarten Städtchen wohnhaften Bruder

Und,

31 Muth. Sie kamen am Hof von Karl Neumann's Eltern Weil er fein Geld hatte, sich selbst zu beköstigen, mußte vorbei wo sie selbst einmal als Gutsherrin zu schalten er die widerwärtige Gefängnißkost hinunterschlingen. Der gefunden. gehofft hatte. Nun In dem Briefe, den er seiner Frau zurückschrieb, gab wo sie teine Mitgift bekam was Mangel an Bewegung machte ihn ganz marode. Er lief sollte nun aus ihrer Heirath werden?! Aber das versprach oft stundenlang, wie ein gefangener Panther, in seiner es scharfe Ausfälle auf die Justiz, die ihn so lange im Ges sie sich wenn die schlechte Welt auch zwischen sie trat Zelle auf und ab und war mehr wie einmal nahe daran, fängniß fizzen lasse, ohne irgendwie stichhaltige Verdachts­sie würde ihren Karl doch lieben bis in den Tod! mit dem Kopf gegen die gefalfte Wand zu rennen. gründe, ohne Untersuchung. Und das alles, wo doch seine Und er dächte gewiß gerade so. Anwesenheit daheim für sein Vermögen und seine Familie so dringend nöthig gewesen wäre!

:

VI.

Schwarz tam ins Untersuchungs Gefängniß nach Allenfeld  .

-

Aber dann hielt ihn der Gedanke an Weib und Kind zurück. Mit ihm selbst war es zu Ende, das fühlte er deutlich. Aber um sie zu schüßen, mußte er hinaus! Es konnte ja auch unmöglich noch lange dauern. In den ersten Tagen war sein Kopf ganz wüst. Er Jeden Tag erwartete er die Vorladung zum Untersuchungs­fonnte sich die Geschichte gar nicht zurecht legen. Weshalb richter. saß er denn nur eigentlich in dieser kahlen Belle? Weshalb Er wartete Wochen lang vergeblich den ersten, den schloß der Gefängnißdiener jedesmal beim Herausgehen zweiten Monat vergeblich. sorglich seine Thür ab, nachdem er ihm die Suppe gebracht Endlich kam wieder ein Brief von seiner Frau. Er hatte? hatte ihr geschrieben, daß er alle ihre Briefe erbrochen er­War er denn ein wildes Thier, das ausbrechen wollte, hielte( der Staatsanwalt las sie nämlich, bevor sie ihm um den Menschen Schaden zu thun? War nicht um eingehändigt wurden, ebenso diejenigen, die er absandte) und gefehrt ihm von den Menschen alles zerstört und entrissen das hatte ihr die Lust genommen, ihm oft zu schreiben. Mit doppelter Haft erbrach er daher den seltenen Brief. worden? Er war gewiß friedliebend gewesen, hatte an nichts Sie schrieb ihm, Wagenfeld   hätte ihr mitgetheilt, die gedacht, als an seinen Beruf und seine Familie. Ihn Militärverwaltung nehme von dem Ankauf seines Grund­hatten wilde Thiere in Menschengestalt heimtückisch an- stücks Abstand. gefallen und wie Echlangen in die Fersen gestochen, bis es nun so weit mit ihm war!

Einige Tage darauf wurde er vor den Gefängniß­Direktor beschieden, der ihm eröffnete, daß ihm vom Staats­anwalt Einsicht in diesen Brief gegeben worden sei. Der Sträfling Schwarz hätte das Versprechen zu geben, sich fortan in seinen Briefen nicht mehr über staatliche Ein­richtungen abfällig zu äußern andernfalls müsse ihm das Briefschreiben ganz verboten werden.

" Ich fann nur schreiben, wie ichs meine, Herr Direktor!" antwortete Schwarz. Es war ihm gar nicht danach zu Muth, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Uebrigens bin ich fein Sträfling, sondern ein Untersuchungs- Ges fangener."

,, Was? Sie wollen auch noch frech sein?" fuhr ihn der Beamte an. Von jetzt an erhalten Sie keine Schreib­materialien mehr. Abtreten!" Er hatte durch seine offene Sprache sein Loos nur ver­

Natürlich! Man hielt ihn ja für einen Verbrecher Also auch diese Hoffnung zerstört!

!

schlimmert.