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Nr.412 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 210

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Dienstag, den 2. September 1924

Die Fristen laufen.

Die erste Feststellung der Reparationskommission.

Paris , 1. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die Kriegs-| agent weilt in Berlin und hat mit dem Finanzminister ver­faffenfommission hat am Montagvormittag die Mitteilungen von handelt. der Annahme der zur Durchführung des Dawes-Planes erforder­lichen Gesetze durch den Reichstag and ihrer Verkündigung durch die Reichsregierung an die Reparationsfommission gelangen lassen. Diese ist nachmittags zu einer Sigung zufammengetreten, um von der Mitteilung Kenntnis zu nehmen und um die nach Artikel 3

Heute, fuhr Dr. Luther fort, ist der erste Betrag der Vorschußzahlungen Deutschlands auf die Anleihe bezahlt worden und zwar in Höhe von 20 Millionen Mart. Die Zahlung erfolgte auf das Konto des General­agenten bei der Reichsbant. Dies ist die erste 3 ahlung nur eine Vorschußzahlung auf die Anleihe.

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Internationaler Achtstundentag.

Erfahrungen der Tschechoslowakei .

Von Gustav Habrman , Minister für soziale Fürsorge.

Die Redaktion des Vorwärts" hat den Minister für soziale Fürsorge in der Tschechoslowakischen Republik, Ge­nossen Habrman, gebeten, ihr über die Erfahrungen seines Landes mit dem Achtstundentag und dessen Stellung zur Ratifizierung des Abkommens von Washington zu berichten. Genosse Habrman kommt dieser Bitte mit dem folgenden Brief nach:

des Anhangs 3 zum Schlußprotokol der Londoner Verhandlungen Deutschlands unter dem Dawes- Plan , jedoch stündigen Arbeitszeit gemacht haben. Eines der ersten Gefeße,

erforderliche erste Feststellung" zu vollziehen. Somit laufen von Montag, den 1. September, ab die im Dawes- Plan für die Wiederherstellung der wirtschaftlichen und staatlichen Ein­

heit Deutschlands mit der Ruhr und dem rheinischen Gebiet feft­

gesetzten Friften.

General Degoutte trifft inzwischen, den erhaltenen Befehlen entsprechend, die Maßnahmen für die militärische Räumung cer in Frage tommenden Gebiete, die spätestens am 7. Dezem­ber durch die Uebergabe der französisch - belgischen Regie an die neue Deutsche Eisenbahngesellschaft beendet sein werde.

Dr. Luther über die Anleihe.

Der Reichsfinanzminister Dr. Luther empfing gestern Bertreter der amerikanischen Presse und machte ihnen gegen­über bemerkenswerte Ausführungen zur Anleihefrage. Der Minister führte aus, daß der größte Teil der Anleihe in Amerika aufgelegt werde, der Zinsendienst über die Reparationstasse läuft und die Zinsen vom Agenten für Reparationszahlungen gezahlt werden. Acht Prozent sei ein außerordentlich hoher Zinssatz. Die Anleihe habe sehr viele Sicherungen hinter sich, mehr als je eine Anleihe bisher ge­habt hat. Die Wirkung der Anleihe auf die Wirtschaft sei sehr groß. Wenn die Wirtschaft wieder in Schwung tomme, fönnten auch Steuern bezahlt werden, und das Reich habe mehr Einnahmen. Infolge der Sicherheit der Anleihe be­steht kein Zweifel an ihrer Durchführbarkeit. Der General­

Die fünfte Völkerbundstagung. ( Von unserem Genfer Rorrespondenten.) Genf , 31. August. Allzulange find wir Deutsche schon Zuschauer der Genfer Tagungen und auch diesesmal sind wir nicht dabei. Aber wenn wir in früheren Jahren unter der doppelten Last schwerer Erschütterung und äußerer Bedrängnis gleichgültig oder ab­lehnend einem Bölkerbunde zusahen, dessen Dasein belanglos schien für das ungeheure Geschehen der letzten Jahre, so hat fich hier ein entscheidender Wandel vollzogen, der zunehmendes Berständnis und gerechtere Würdigung dieser internationalen Institution bedeutet.

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London , 1. September. ( Eigener Drahtbericht.) In den Kreisen der englischen Eith betrachtet man die Auflegung der deutschen Anleihe äußerst optimistisch. Teilweise wird fogar die Auf fassung vertreten, daß die Möglichkeit besteht, die Anleihe von 800 millionen Golomart bis zum 15. September aufzulegen. Borher dürften jedoch noch Verhandlungen mit der Reichsregierung stattfinden. Man erwartet zu diesem Zwed schon in den aller nächsten Tagen die Ankunft des Reichsfinanzministers und des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht in London .

Die Micum- Verhandlungen. Düsseldorf , 1. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die bei den gegenwärtig schwebenden Micum. Verhandlungen noch bestehenden Schwierigkeiten liegen nach Ausführungen von zehen industrieller Seite darin, daß die Micum" die augenblicklichen Bedingungen für die ganze Dauer des Provisoriums bis zum 21. Oftober festlegen will. Der Bergbau dagegen glaube, die hohen Lasten für diese Zeit nicht mehr auf sich nehmen zu tönnen. Außerdem bestehen noch Meinungsverschiedenheiten über die Zahlung der Kohlensteuern und über einige Nebenfragen. Die Bechenbefizer haben sich am Montag mit der Reichsregierung zur Klärung der Streitfragen in Verbindung gesezt. Am Dienstag werden die Verhandlungen fortgesetzt.

renz haben den Anfang gemacht, jetzt soll der Völkerbund folgen, denn er kann nur das sein, was Europa und die andere

Welt aus ihm machen.

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Es tann fein Zweifel mehr darüber bestehen, daß der Bölkerbund den Eintritt Deutschlands wünscht und braucht. Er mußte mit Notwendigkeit zu dieser Einstellung kommen, je mehr er von einem ursprünglichen politischen Instrument der Siegerstaaten zu einem wirklichen über­nationalen Organ wurde. Diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen, und seine komplizierte Zusammen sehung zwingt den Völkerbund zu einem langsamen und behutsamen Vorgehen, das ein billiges Objekt des Spottes aller Extremisten ist. Aber gerade diese langsame Ent­wicklung bürgt für sein sicheres Werden. Deutschlands Eintritt wird ihm viel zu der Geschlossenheit verhelfen, die die erste Voraussetzung für seine endliche Wirksamkeit ist. Aber nur als gleich berechtigtes Mitglied fann Deutschland diesen Schritt tun. Es handelt sich dabei nicht um Prestige­fragen, die hierfür belanglos sind, es ist dies ganz einfach die endgültige internationale Anerkennung der jungen deutschen Demokratie, die ehrlich mit arbeiten will am Werke der europäischen Konsolidierung, aber nicht unter 3wang, sondern frei von Bevormundung und unerträglichem Druck politischer Berechnungen, für die es nur Objekt ist.

Man kann heute noch nicht all diese Fragen vor das Forum des Völkerbundes bringen. Eine deutsch - französische Diskussion über Kriegsschuldfrage oder besetzte Gebiete würden 3. B. den Bölkerbund einfach sprengen. Er verträgt solche Be­faftungsproben noch nicht, wenigstens nicht eher, als sich die großen Mächte auf eine Formel geeinigt haben, die sie und den Bölferbund leben läßt.

Wir denken dabei mehr an einen Völkerbund, der wer= den soll, als an den, der bereits ist. Wir wissen, daß auch auf dieser Tagung feine Wunder geschehen können und wir nur gut daran tun, unsere Hoffnungen nicht zu weit zu sehen. Gewiß hat die jetzige Tagung eine unvergleichliche größere Be­deutung als alle früheren Sizungen. Man wird nicht mehr wie sonst alle wirklich entscheidenden größeren politischen Fragen zurückstellen oder sie im Schoße der Kommission be­graben, man wird diesesmal endlich das eine große Problem zur Sprache bringen, das für Europas Schicksal bedeutet: Abrüstung der Nationen und Sicherheits­garantie. Täuschen wir uns nicht, diese internationale" Frage ist in Wahrheit eine Frage der Großmächte England und Frankreich . Kommen sie zu einem Afford, so kann man anfangen zu hoffen; wenn nicht, ist das Chaos unvermeidlich. Abrüstung und Sicherheit, beide sind nicht voneinander zu trennen. Kein Staat wird abrüsten wollen ohne Garantie gegen feindlichen Ueberfall, und deshalb mußte auch der Garantiepaft des Bölkerbundes scheitern, der praktisch ge­nommen nur neue Mächtegruppierungen und ihr gegenseitiges Ausspielen bedeutet hätte, ganz abgesehen von den unüberseh­baren Konflikten, in die besonders die kleinen und neutralen Staaten durch ihre Teilnahme an diesem Defensivbündnisse gedrängt worden waren. Sicherheit kann auch nicht jener mehr als einseitige Zuſtand bedeuten, wie ihn Boincarés Staats­tunst schuf, der ein geschwächtes und entwaffnetes Deutschland burch bewaffnete Wärterstaaten zernieren ließ. Auch jener Blan beremilitarisierten Zonen" im Rheinlande, der hinter diese luftleeren Räume freie Hand für beliebige Rüstungen ließ, fonnte fein günstiges Ergebnis bringen, denn es war Dittat von Interessenten, deren Motive Mißtrauen und Haß waren. Es bedurfte erst jener grundsäglichen Wand­Genf, 1. September. ( Eigener Drahtbericht.) Als Beobachter lung der europäischen Mentalität im Geiste neu beginnenden Bertrauens, um überhaupt das Problem der europäischen der amerikanischen Regierung nimmt General Bliß an den Bera­Sicherheit fachlich zur öffentlichen Debatte stellen zu können. tungen des Völkerbundes teil. Der 11. Mai in Frankreich und die Londoner Konfe

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als

Deutschland aber muß inzwischen die Entwicklung vom Jahre 1919 bis heute begreifen lernen. Damals wurde der Boche" in Versailles als Verbrecher und Ausgestoßener be­handelt, und auf der Gründungstagung des Börterbündes of, Mitglied für unwürdig", erklärt. Heute, nach vier Jahren, erleben wir die erſte Sigung eines Bölkerbundes, der im Beichen ehrlicher Verſtändiging die großen Brobleme meistern versuchen wird und Deutschland als gleichberechtigtes Mitglied aufnehmen will. Möge das deutsche Volk diese Entwicklung verstehen, denn mit ihm hat Europa in diesen letzten Jahren gelitten und vielleicht auch für immer gelernt. Der amerikanische Beobachter.

( Weitere Meldungen auf der dritten Seite.)

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Sie fragen mich, welche Erfahrungen wir mit der acht­deffen Schaffung sich unsere neue Republik zum Ziel segte, war das Gesetz über die achtstündige Arbeitszeit. Sie erfolgte durch einen einstimmigen Beschluß unserer revolutionären National­versammlung, jetzt wird dieses Gesetz bei uns als eine der Grundlagen unseres demokratisch- republikanischen Re­gimes angesehen.

feiten eingelebt und wird in unserer Industrie und im Groß­Das Gesetz hat sich im großen Ganzen ohne Schwierig­handel allgemein eingehalten, wie man sich aus der demnächst erscheinenden amtlichen Publikation des Internationalen Ar­beitsamtes über die Arbeitszeit in der Tschechoslowakei , die den Inhalt der in einzelnen Zweigen unserer Industrie abgeschlosse= nen Kollektivverträge wiedergeben soll, überzeugen können wird. Wir haben verschiedene Phasen einer schweren wirtschaftlichen Krise durchgemacht: Die Verkürzung der Arbeitszeit nach dem Kriege in der Zeit des Rohstoffmangels hat sich eingelebt und hat uns nicht geschabet, als der Sturz unserer Baluta unserer Industrie Exportprämien bot. Es kam die Periode der Jahre 1921 bis 1923, wo sich bei uns die Wirkungen der fonsequent durchgeführten Deflationspolitik einstellten, bis wir die Hebung und Stabilisierung unserer Valuta auf internationalen Geldmärkten erzielt hatten. Dies war eine Periode einer schweren wirtschaftlichen Krise, in der unsere auf den Export angewiesene Industrie und somit auch unsere Ar­beiterschaft in eine Periode vorübergehender Arbeitslosigkeit geriet, namentlich als in Ihrem Lande, im Lande unferes industriereichsten Nachbarn und Konkurrenten, die Valuta stän= big und rapid fant.

Auch in dieser Zeit haben unsere Industriellen die Ab­schaffung der achtstündigen Arbeitszeit nicht verlangt, denn sie waren sich dessen bewußt, daß die achtstündige Arbeitszeit auch in den übrigen reifen Industriestaaten und insbesondere in dem benachbarten industriereichen Deutsch­ land eingehalten wird. Sie haben sich in technischer Beziehung dieser neuen Regelung angepaßt aus der Erkenntnis heraus, daß unser Bolksganzes sich der Bedeutung der achtstündigen Arbeitszeit für die physische und geistige Entwicklung der ar­beitenden Schichten, die wiederum eine Hebung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit des industriellen Ar­beiters bedeutet, immer mehr bewußt wird. Seit dem Kriegs­ende und seit der Einführung der achtstündigen Arbeitszeit ist bei uns eine Abnahme des Alkoholverbrauches, eine Verbesserung der Haushaltungsfürsorge, ein rapides Steigen der Mitgliederzahl von Turnvereinen, Ar­beiterfulturvereinigungenu. bgl. bemerkbar. Schwierigkeiten stellten sich erst mit Schluß des Vorjahres ein, wo bei Ihnen an eine neue Regelung der Arbeitszeit geschritten wurde. So gelange ich zur zweiten Frage, die Sie mir stellen, nämlich, welches Interesse, wir an der zwischen­ftaatlichen Ratifizierung der Washingtoner Konvention haben. Solange die achtstündige Arbeitszeit von allen leitenden In­dustriestaaten respektiert wird, wird sie zur Selbstverständlich­keit, die feinem schadet, sobald sie aber von einem der Staaten verlassen wird, bringt dies den ganzen internationaben Kompler in Unruhe und gefährdet diese Reform in allen Staaten, die sonst geneigt wären, sie auch weiterhin einzuhalten. Wir haben die Konvention von Washington schon im Jahre 1921 ratifiziert und waren über­zeugt, daß auch die übrigen Staaten, durchdrungen von der Notwendigkeit einer gesunden internationalen Solidarität und der Steigerung des Vertrauens in die internationalen wirt­schaftlichen Verbindlichkeiten nachfolgen würden. Ich bedauere heute als Sozialpolitiker im Interesse der Sache, daß bei uns gegen die achtstündige Arbeitszeit mit dem Hinweis auf Deutschland argumentiert wird, ich bedauere es als So­zialiſt, der nach Versöhnung der Völker trachtet, wenn die tschechoslowakischen Arbeiter das Gefühl haben, daß ihre sozial­politischen Errungenschaften von Deutschland bedroht werden, von jenem Deutschland , das durch seine beispielgebende Sozial­politik unmittelbar nach dem Kriege bei uns gerade in den Ar­beiterschichten viel Sympathien gewann.

Ich glaube aber, daß die kulturell, politisch und gewerk­schaftlich reife deutsche Arbeiterschaft durch ihren Einfluß bald eine Besserung erzielen wird, widrigenfalls unsere ge= meinsame Sache der internationalen sozialen Reform und des internationalen Vertrauens auch in jenen Nachbar­

staaten, die ihren Produktenabsah nicht auf die politische Macht, sondern auf Preis und Qualität ihrer Waren stützen,