gefallen märe, wenn unsere Genossen nicht auf dem Posten gewesen mären. In einem anderen Punkte aber hat unsere österreichische Vruderpartei eine sozialpolitische Tat von größter Tragweite vollbracht und in die österreichische Zollgesetzgebung hineingearbeitet. Genosse Otto Bauer hat nämlich im Zoll- ausschuß des österreichischen Parlaments einen Antrag einge- bracht, der jetzt angenommen worden ist und der besagt: Die Regierung wird ermächtigt, durch Verordnung mit Zustim- immg des Hauptausschusses Zölle aus einzelne Industrieprodukte bis zu einem Drittel des Zollbetrages zu er- höhen, wenn diese Industrieprodukt« in dem Lande, aus dem sie kommen, von einer Industrie erzeugt werden, in der die w ö ch e n t- lich« Arbeitszeit mehr als 48 Stunden beträgt. Diese sozialpolitische Schutzzollklausel soll es ermöglichen, im Falle der Notwendigkeit einzelne österreichische Industrie- zweige gegen die Schmutzkonkurrenz ausländischer In- dustrien zu schützen, die den Achtstundentag nicht anerkennen. Ein« solche Klausel würde, so hofft man, auch bei Handels- vertragsvsrhandlungen mit Ländern, in denen der Acht- stundentag nicht besteht, eine gewisse Bedeutung haben. Beharren die deutschen Unternehmer aus ihrer arbeiter- feindlichen Propaganda, so wird die deutsche Volkswirtschaft die Wirkung dieses Schutzzolles schwer zu spüren bekommen. Wir bedauern, daß erst die Initiative� des befreundeten Auslandes nötig war, um den Unternehmern das Gewissen zu schärfen. Nach allen Erfahrungen der Inflationszeit mußten diese Kreise schon selbst damit rechnen, daß ein soziales Dumping mit Schutz zollmaßnahmen erwidert werden würde. Unsere österreichischen Genossen sind über den Verdacht erhaben, ihrerseits irgend- welche handelsfeindlichen Maßnahmen gegen das Deutsche Reich aus freiem Antriebe zu vertreten. Ihre Handlung er- klärt sich einmal als Notwehrakt gegen die sozial» Politische Reaktion in Deutschland , die bei der engen Verflechtung deutscher und österreichischer Wirtschafts- interessen sehr bald auf unseren Bruderstaat übergreifen müßte. Ihre Handlung ist aber weiter ein Akt der i n t e r- nationalen Solidarität der Arbeiterklasse. Findet diese Zollklausel Aufnahme in der österreichischen Zollgesetz- gebung— und das ist nach dem Beschluß des Zollausschusses zu erwarten—. so liegt zum ersten Male der Fall vor, daß die Arbeiterschaft eines Landes durch handelspolitischen Druck den Kampf der Arbeiterschaft im Nachbarlande um das soziale Existenzminimum bewußt unterstützt hat. In diesem Sinn« ist die Handlungsweise unserer österreichischen Genossen zu begrüßen als ein Akt der Hisse für die deutsche Arbeiterschaft. An den deutschen Unternehmern liegt es, wenn sie die War- nung, die in diesem Beschluß liegt, ignorieren und die Gefahr weiterer handelspolitischer Komplikationen freventlich heraufbeschwören. Diese Gefahr ist um so größer, als unsere-österreichischen Genossen, um die sozialpolitische Forderung durchzusetzen, der Gegenseite ein gefährliches Zugeständnis machen mußten. Die Industriellen, die die sozialen Rechte der Arbeiterschaft nichk anerkennen wollten, verlangten eine weitgehende Schutzklaufel gegen solche Staaten, die ihre Ausfuhr durch Prämien be- günstigen. Beide— die sozialpolitische und die allgemeine Dumping-Klausel— können in Geltung treten gegenüber Ländern, die nicht der Entente angehören. Ihnen gegenüber ist Oesterreich durch den Friedensvertrag zur Meistbegünstigung verpflichtet. Demnach haben die deuffchen Unternehmer schon recht, wenn sie befürchten, daß sich die sozialpolitische Klausel im österreichischen Zollgesetz vornehmlich gegen die deutsche Industrie richtet. Aber nur mit der Voraus- setzung, daß die deutschen Arbeitgeber weiter eine Politik ver- folgen, die auf die Vernichtung der Arbeiterrechte und auf die Beseitigung des Achtstundentages hinausläuft. Die deutsche Arbeiterschaft wird gegen diese Bestrebungen auch auseigenerKraft ankämpfen. Daß sie dabei jen- feits der eigenen Landesgrenzen Hilfe findet, sollte den deutschen Unternehmern die Augen darüber öffnen. daß sie mit ihrer starren Hallung die ganze deutsche Wirtschaft schwerer Gefahr aussetzen.
Der Aibelungenverrat. Stresemaun— der Internationale und Reichsfeind. Der alldeutsche Verband hat auf seiner Hauptversamm- lung in Stuttgart Herrn C l a ß über das Elend der Parteien reden lassen. Parteien sind eine interessante Erfindung, die durchweg international, das heißt volks- und Vaterlands- fremd, ja— feindlich eingestellt sind. Sozialdemokraten— selbstverständlich vaterlandslose Gesellen, Demokraten — inter - nationale Finanzinteressen, und Zentrum— Reichsseinde. Alles schon dagewesen, olle Kamellen aus der wilhelminischen Zeit. Aber, aber, Herr El aß hat eine neue Spezies der vaterlandslosen Gesellen entdeckt: „Schlümn aber ist es, daß man heute erkennen und aussprechen muß. daß auch die Deutsche Bolkspartei, soweit ihre oberste parlamentarische Leitung in Frag« kommt, internatio- n a l g e w o r d e n ist, indem urtb nachdem sie es fertig gebracht hat, ihre Partei zu einer Gruppe zu fteinpeln, die überstaatliche Geld-, Industrie- und Handelsmteressen vertritt. Dies hat Herr Dr. Strefemann erreicht, dieser echteste Sproß des gleichen und geheimen Wahlrechts, der neben Erzberger und Schei- demann seinen Platz in der deutschen Geschichte haben wird und dessen Wesen schon im Krisge erkannt worden ist, ohne daß es rechtzertig möglich gewesen wäre, seinen Ein. f l u ß a u s z us ch a l l e n. Es ist ein Jammer, in dieser Partei so viele falschgeleitete und an sich wertvolle und gutgesinnte Volks- genossen zu sehen, ein Jammer auch, daß Persönlichkeiten vom Werte eines Dr. I a r r e s dort noch aushallen und ihr Ansehen zum Scha- den des Ganzen dem Treiben einer solchen Partei leihen." Herr Strefemann ist also enttarvt, ein Internatio- naler— schlimm, ein Erzberger— noch schlimmer, ein Scheidemann . Nun weiß man's, und die Schulz und Tillessen , die Hustert und Oehlschläger wissen es auch. Herr Claß macht aber zu früh einen Punkt. Wie steht es denn mit den Fünfzigprozentigen, den Halbierten, den Geschäfts- leuten mit den Kuhhandelsinteressen von den Deusschnatio- nalen. Werden die nun auch eine internationale Erfindung, volks- und vaterlandsfremd, ja feindlich? Es ist wirklich schlimm. Wenn es so weitergeht, können sich die Volts- und Vaterlandsfteundlichen, die wahrhaft„Nationalen" bald im Luftballon ansiedeln. Aber Herr Claß war höflich. Er murmelte nur einige Worte von„dem Unerhörten" der Ab- stimmung vom 29. August und deckte den Mantel christlicher Liebe über die fünfzigprozentigen Internationalen. Man kann ja nie wissen, wieviel prozentig man in Zukunft selber sein wird. Was er versäumt, das holt A. F. v. Oertzen nach. In der völkischen„Mecklenburger Warte" schreit er auf über den „Nibelungenverrat des nationalen Glau» ben s": »Don Vreitscheid bis Tirpitz, tiefst« Schmach, auch diesen Namen neben dem des unerfahrenen Rerchs- grünberenkels hier nennen zu müssen, hccken deutsche Volks- vortreter den Schlußstein der Erfüllungspokitik dem Z w i n g u r i, das di« Weltfinanz uns ernchret, freiwillig smgefügt!" Da haben wir's ja— die Deutschnationalen sind auch Beauftragte der internationalen Weltfinanz, gekauft vom jüdischen Kapital. Herr v. Oertzen schenkt ihnen nichts: „Und nun? Nun haben die Führer den nationalen Glauben ihres Heerbanns von 6 Millionen Streitern schmählich ver» roten. Nicht nur Compiegne , nicht nur Versailles , nicht nur London bedeuten künftig Schmach der deutschen Geschichte. Die größte Schmach haben deutsche.Männer am Tage von Tannenberg ihrem eigenen Volke angetan, als sie den Glauben an Ehre, den Glauben an Treu «, den Glauben an deutsches Manneswort schnöde ver- rieten. Nicht nur die 48, die ihren Nomen hergaben, um den schändlichsten Frontoertraz der Weltgeschichte anzunehmen, auch die übrigen, die Hergt, die Westarp und all die anderen sind schuldig. Die Erklärung von der immer noch bestehenden Einmütigkeit der Fr a ktron, die Graf Westarp seinem entsetzten Wahlkreis vorzusetzen wagt, zeigt, daß die getrennte Abstimmung nur«in Manöver war, um die Wähler-
schaft zu blenden. Wären die Neinsager Mnner,«ch ich habe trotz allem noch die leise Hoffnung, daß sich unter ihnen noch welche finden, so hätten sie sofort zwischen sich und' den Annehmern des Eisenbahngesetzes das Tischtuch zerschneiden müssen. Noch trüber aber als bei allem anderen sieht sich die Loge an, wenn man hört, daß die Deuts chnationalen numnehr in die Regierung«in- treten sollen. Du, deutsches Valk kennst den Nibelungen- verrat! Du brauchst heute in Sag» und Geschichte nicht mehr so weit zurückzuschweifen, um ein Musterbeispiel des Treu» b r u ch s zu finden. Solange der schützende Mantel des Schutz- gefetzes nicht die Schande der deutschnatwnalcn Führerschaft verhüllt, sei«s dir zugerufen: D u wurdest verraten gegen die Silberlinge schön gepolsterter Ministersessel. Die schwarzweißvote Fahne ist von der deutfchnotronalen Reichstags- fraktion entweiht." Das ist deutlich. Es geschieht den Deuffchnationalen recht. Die Phrasen und die Hemmungslosigkeit ihrer unverantwortlichen nationalistischen Demagogie wenden sich nun gegen sie selbst. Die völkische Konkurrenz kann das alles noch viel schöner und wendet die Methode nun rücksichtslos und voll gegen die an, die sie in dummschlauer Berechnung nur fünfzig- prozentig anwenden wollte. Immerhin sst Herr v. Oertzen noch höflich. Für dies Schachergeschäft di« Bezeichnung Nibelungenoerrat? Das ist entschieden eine Beleidigung für Hagen von Tronje._ Wilhelm, der Narr. Urteile aus seiner vertrautesten Umgebuug. Fast zu gleicher Zeit erscheinen im Buchhandel zwei neue wichtige Beiträge zu dem Charakterbild, das von dem letzten Kaiser bereits feste Gestall gewonnen hat. Da ist zunächst eine Biographie der Frau Henriette Schräder, der Gattin des bekannten freisinnigen Reichstagsabgeordneten Karl Schräder. Henriette Schräder gehörte zu den Berttanenspersoncn der Kornprinzefsin Viktoria, der Mutter Wilhelms II. In Briefen und Gesprächen hat diese Mutter über ihren ältesten Sohn sich zu Frau Schräder wiederholt in der offen- herzigsten Weise ausgesprochen. Als der Neunundneunzig- Tage-Kaiser Friedrich III., der Vater Wichelms, seinen fchwc- ren Leiden erlegen war, wurde Frau Schräder ins Schloß gerufen, und dort hörte sie von der Witwe des Verstorbenen und ihrer Umgebung von der unglaublichen Art, in der der eben zum Kaiser gewordene Sohn mit seiner Mutter umgesprungen war. Frau Schräder schrieb darüber: .Fräulein Fuhrmann teilte mir im leisesten Flüsterton« Dinge mit, wie sie das.Der König ist tot, es lebe der Kömg!" in einer Weise miÄurchlebt hat, wie sie es sich als unmöglich gedacht. Mit dem letzten Atemzuge unseres Heißgeliebten war die Welt ver- wandelt für sein Liebste», was er besaß. Mit dem Sinken der Krone von ihrem Haupte sank di: Untergebeuheit der Höflinge— wendeten sie sich der ausgehenden Sonne zu, denn die untergehende hatte nichts mehr zu spenden, wonach diese beutegierigen Hände hasch- ten... ich will jetzt nicht reden von der Roheit eine» Sohnes,"oer Kaiser geworden und durch dies« Würde zugleich die Vormundschaft seiner Mutter und Schwestern in die rauhe Soldatenhand bekommen hat. dem durch die Vorliebe zum Säbel die feinen Fühssäden, die mit dem Herzen zusammenhängen, abgestorben sind. Fräulein Fuhrmann hat nach dieser Richtung hin Unglaubliches erlebt." Im Juli 1888 hatte der nationalliberale Professor Treitschke eine Rede gehalten, die die Persönlichkeit des ver- storbenen Kaisers Friedrich aufs gehässigste herab- setzte. Von dieser Rede sprach Viktoria zu Frau Schräder: „Eins hat mich tief verletzt, die Auslassung von Treitschke; es ist unglaublich, daß ein Professor so schreiben kann." Und Frau Schräder, die über dieses Gespräch in einem Briefe be- richtet, fügt hinzu:„Was wird sie sagen, wenn sie erfährt, daß ihr Sohn Wilhelm wirklich ein Dankes- telegramm an den ehrenwerten Professor sandte!" Demnächst erscheint im Verlage Gebrüder Paetel, Berlin , ein Buch des konservativen Historikers Johannes
Hundertjahrfeier des /lrchitettenvereins Von Dr. W. Behrendt. -' Mit einer Reihe festlicher Veranstaltungen begiiy in diesen Tagen der Architektenverein zu Bertin die Feier seines hundert- jährigen Bestehens. Der Architektenverein zu Berlin sst ein« der ältesten und angesehensten technischen Vereinigungen Deutschlands . Zu seinen ältesten Mitgliedern gehörte Carl Friedrich Schinkel , und nach ihm haben fast alle Großen des Faches, die irgendwie bestimmend auf die bauliche Entwicklung Berlins eingewirkt haben, zu seinen Mitgliedern gezählt. In diesem Sinn« kann man sagen, daß die Geschichte des Vereins ein gut Stück Berliner Bau- g« s ch i ch t e verkörpert. Wenn man seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts von einer Berliner Bauschule sprechen kcrnn, so ist der ArchitektenVerein der geistige Sammelpunkt dieser Schul« gewesen. Er hat das Erbe Schinkels verwaltet und geistig lebendig erhalten bis auf den heutigen Tag. Er sst auch in Zukunft berufen, an den großen Aufgaben, di« in den nächsten Jahren auf dem Ge- biete der öffentlichen Arbeiten zu lösen sind, führenden Anteil zu nehmen. Es darf als ein gutes Vorzeichen gedeutet werden für den Geist, in dem diese Aufgaben künftig gelöst werden sollen, daß der Derein sich von jetzt ab„Architekten- und Ingenieurverein" nennen will. Denn nur in engster Zusammenarbeit von Architekt und Ingenieur können die neuen Bauausgaben unserer Zeit befriedigend gelöst, können Bauwerke geschaffen werden. bei denen Form und Inhalt sich decken. Allzulange hat der Architekt im Bauwesen nur die untergeordnete Rolle eines Dekorateurs ge- spielt, der mit seiner.Fassade" ein mehr od« weniger gelungenes Gewand für die reinen konstruktiven Gebilde des Ingenieurs dar- bot. Je mehr er sich bei solchem Brauch dem konstruktiven Geist des Bauens entfremdete, desto unschöpferischer wurde unsere Architektur, je mehr sank sie zur Stilarchitecwr herab, die sich in äußerlich repräsentativen Wirkungen erschöpfte. Der Architektenverein zu Berlin hat aus Anlaß seines Iubi- läums in den Fefssälen des Charlottenburger Rathauses eine Jahr. Hundertaus st«llung veranstaltet, deren Hochbauabteilung diese Entwicklung durch ein« Reihe von Entwürfen bestätigt. Es sind Ar- besten von Schinkel und feinen Schülern und Rakfolgern zu sehen, so- wie Entwürfe für R-präsentotivusbauten aus der Zest des Kaiser- reichs. An dieser Reihe steht man deutlich, wie di« Architektur, die von Schinkel und seinen Schülern noch mit einem von lebendiger lieber. lieferung genährten Verständnis für das Wesen der Form geübt wurde, allmählich m einem formalistischen Virtuosentum erstarrte, dessen Vrooour den Mangel an echter Empfindung nicht zu er- setzen vermag. Es ist zu bedauern, daß die Gelegenheit nicht g«. nutzt wurde, um eimnal die Linie der schöpferischen B a u k u ci st durch den Laus des neunzehnten Jahrhundert zurück- zuverjnige» zwj» sujzuzeigm- Dies« Lmj« läuft freilich abseits der
sogenannten Repräsentattons- und Monumendalarchitektur. Sie geht über di« Werk« des Nutzbaues, über Lagerhäuser, Fabriken, Wassertürme usw. und begreift auch jenen prachtvollen Entwurf Schinkels für ein Warenhaus Unter den Linden ein, der auf dieser Ausstellung zu sehen ist. In den Entwürfen dieser Art, wo eine Verpflichtung für Repräsentation nicht vorlag und wo man darum wagen konnte, s a ch l i ch zu sein, offenbart sich der schöpferische Geist der modernen Baukunst, und hier findet man auch einzelne solcher Bauideen schon vorgebildet, die in neuester Zeit ihre endgültige Prägung erfahren haben. Vereinzelt sind in der Ingenieurabtei- lung der Ausstellung Arbeiten dieser schöpferischen Art zu finden. Zu ihnen zählt auch der schöne Entwurf Franz Schwechtens für den Anhalter Bahnhof . Zu seiner Jahrhundertfeier hat der Verein eine reichillustriert« Festschrift erscheinen lassen, die ein« Reih« von Beiträgen füh- render Fachleute über die Leistungen des Bau- und Ingenieurwesens enthält. Die Festsitzung fand am Sonntag unter außergewöhnlich starker Beteiligung in der Goldenen Galerie des Schlosses Chor- lottenburg statt. Den Festvortrag hielt Geheimrat Prof. Borr- mann von der Technischen Hochschule in Charlottenburg . Er sprach über Berlin einst und jetzt und gab in großen Zügen ein Bild von der baulichen Entwicklung der Hauptstadt.
Da» Volksstück.Der Ä'wissenvwurm". Das alt« Nebe Zen- traltheater leite:« gestern mit dem alten lieben.G Wissens- wurm" sehr glücklich seine Winterspielzeit ein. Anzengrubers Bauernkomödie erwies sich als echtes Volksstück. Ein Volksstück in dem guten, ursprünglichen Sinn ist«ine Komödie, di« unter Ver» zicht auf zugespitzt« psychologische Problematik, auf konstruierte Seelenkonflikt«, auf jede literarische Künstelei«in Stückchen Leben mit grober und daher deutlicher Charakterzeichnung malt, und in der«ine Alltagsromantik blüht, in der stets dos Gute siegt und das Schlechte untertiegt. Im„G'wissenswunn" wird der scheinheilig« Duck- mäuser Düsterer in dem Augenblick entlarvt, wo er durch gewissenlos« Ausnutzung der Schwächen seines Schwagers Grillhofer fast schon dessen schönes Anwesen an sich gebrocht hat. Auf unkompliziert« Gemüter oerfehlt die Anzengrubersche Komödie nie ihre Wirkung. Sie verlassen das Theater mit dem Gefühl restloser Befriedigung. wenn sich dieser Frömmler Düsterer gedemütigt und verspottet wie «in geschlagener Köter von dem Bauernhof zurückzieht, als dessen Herrn er sich berei-s gefühlt hat. Aber auch anspruchsvolle Theater- besuche? hatten gestern ihre rein« Freude an der sorgsamen Ein- studierung durch den neuen Direktor Hans Fe l it. Er hat ein gutes, künstlerisch wertvolles Ensemble zusammengestellt. Robert Müller hätte als Bauer Grillhofer ein wenig kraftloser, zer- brochener und zermürbter sein sollen, aber sein« Gestaltung zeigt« doch mcnschenechte Züge, die zuweilen ans Herz griffen. Grete Bäck spielte das allzeit lustige Sonnenkind, die Horlacherlies. mit der Rouline einer geübten Schauspielerin. Weniger Routine, weniger Dreistigkeit und dafür mehr Herzlichkeit und anmutige Friscbe hätten ihr« Rille«irffemcer gemacht. Der Erfolg de» Abend» gehörte dem
Düsterer des Karl E t l i n g« r. Seine Auffassung entspricht sicher nicht den Absichten Anzengrubers, und doch hat sie ihre Berechtigung. Er war nicht wie üblich der duckmäuserische Schleicher, sondern ein Pfiffikus mit Bauernschlauheit und Mutterwitz, der trotz seines Intrigantentums nicht abstoßend erschien. Ctlingers Auf- faffuny erhöhte damit die inner« Wahrscheinlichkeit der Komödie, In der Episodenrolle des pcmtosfelheldenhaften Bauern Poltner schuf Heinrich Gotha eine famose Type. Wir sehen diesen ureigenen Komiker endlich wieder an einer seiner würdigen Stelle. Der Er- folg des Abends, dem di« Besucher mit reger Anteilnahme folgten, war stark. Dgr. .Candida" im SchMerkhealer. Bernard Shaws unverwelktes Frühwerk, das um die holde Candida strahlenden Nimbus breiiet, eröffnete die Winterspielzeit des Schillertheaters. Der ganze Shaw ist bereits darin entHallen, obwohl der Verbindungsweg zu Ibsen hier noch offen liegt, als Scelendetettiv enthüllt, enttarvt er so gründ- lich. daß schließlich einer den andern für verrückt hält. Blitzartig werden Hintergründe erhellt; wie«in Sprengpuloer wirkt in dem gemächlichen Frieden der Pfarrersfamllie die schaff sezierende Kritik des jungen Künstlers, der dort hineingeschneit kommt. Diese Lockerung braucht Shaw, um in diesem Liebes- und Ehcproblem auf di« Wurzel zu kommen und das Phantom des selbständigen, autori- tätvollen Ehemannes zu zerblasen. Wie klein und bilflos steht zum Schluß der große Prediger da, der alle Welt hinreißt und bezaubert und nicht einmal sich und sein« eigen« Frau kennt. Der jung«, enthusiastische Künstler, der in idealer Liebe zur Pfarrersfrou ent- brennt und sie befreien will, ist im Grund« nur als Kontrastfigur gcdacht, der die zwei Menschen zur Klarheit und Shaw zu seinem ironisch-skeptifchen Triumph führen soll Leuchtend und strahlend steht im Mittelpunkt die natürliche, aufrichtig«, holdselige Frau, die klüger ist als alle und alle Konflikte menschlich und gütig löst. Di« Aufführung bot dieselbe gut« Besetzung wie früher, den würdigen, ernsten Prediger Karl E b« r t s, der in seinem Selbstgefühl eingesponnen ist und unsanft daraus geweckt wird, den nervösen, zappeligen, schorssichtigcn Aestheten Erwin K a i s e r s, der nur viel zu alt und zu wenig deka - dent für dies« Figur ist. di« ausgezeichneten ans Parodiftische gren- zenden Chargen Albert F l o r a t h s(als Typ des englischen rffpek- tablen Spießers) und Machilde Sufsins als insgeheim verliebt« alte Jungfer. Das Madonnenbild Shawscher Frauenhuldigung, dessen letztes Geheimnis er aber auch nicht ausspricht, erstand anmutig, mütterlich beglückend, Frohsinn ausstrahlend in Lina Lossens Candida.— r. fiotl von Verfall, der Verfasser zahlreicher moderner EeleMchaftz. romane und langjährige fteuilletonredakteur und Kunitkritck-r der.Kölnischen Zeitung ", ,ft tn Köln gestorben, Sr war am 24. März 1851 in LandZbera (OTederdatjern) geboren, war ein Neffe de» Münchener Generalintendanten und Bruder de« Romanschristiteller» llnton von Verfall. Seine einslui-. reiche und gewichtige kritische Tätigten hat er. auch nach Ausscheiden aus seiner Redalteurstellung, in seinem Blatte vis zuletzt ausgeübt � Griechische Altertümer in Südrußlaad. Die jetzt abgeschlossenen Au». grabungen in Oloia in Südruzland b-Sen ein überaus reiche« ans dem griechischen Slltertum an den Tag gebracht Ein al?or� �. Temvel ist en, deckt worden:'�r wurden Utkunden gefunden rSÄ» stsuer•""*-w- Ä Ä