und französische Parlamentarier zu gemeinsamer Beratung vereinten. Nicht nur die Sozialisten beider Länder sollten zusammenkommen— dies war ja ein Leichtes—, sondern die Sozialisten sollten sich bemühen, auch möglichst vief büraer- liche Abgeordnete beider Nationen an einen Beratungstisch miteinander zu vereinen und für die Idee der friedlichen Verständigung zu gewinnen. Dies gelang in so hohem Maße, daß auf der letzten Konferenz Abgeordnete so verschiedener Parteien beider Länder vereint waren, daß tatsächlich die Mehrheit beider Parlamente vertreten war. Wer sich daran erinnert, wie kalt und ab- lehnend das Verhältnis der beiden Länder zueinander bis dahin gewesen war, der wird in jenen Bestrebungen einen hoffnungsvollen glückverheißenden Anfang erkennen. Es war zu früh! Heute müssen sich Vertreter bürger- licher Parteien von beiden Seiten unter traurig veränderten Verhältnissen bemühen, die zerrissenen Fäden wieder anzu- knüpfen. Zwischen Frankreich und Deutschland lag als Zankapfel Elfaß-Lothringen. Eine demokratische Autonomie dieses Landes innerhalb des Deutschen Reichs schien damals allen französischen Kriegsgegnern eine hinreichende Garantie für die Sicherung des Friedens. Aber diese demokratische Autonomie, die uns das Elsaß hätte retten können, wider- sprach dem Prinzip der Monarchie und der Junkerherrschaft, die auf dem preußischen Dreiklassenwahlrecht aufgebaut war. Frank warf sich mit Ungestüm in den Kampf für Elsaß- Lothringen . Die Gewährung des allgemeinen Wahlrechts an dieses Land— die aber nicht mit einer bundesstaatlichen Verfelbständigung yerbunden war— war ein Werk, an dem er den tätigsten Anteil genommen haste. Das Haupthindernis für den Fortschritt der sozialistischen Arbeiterbewegung, für ihre Wirtschaft und Weltpolitik neugestaltenden Ideen, war und blieb das preußische Drei- klossenwahlrecht, besten Wirkungen über das ganze Reich hinausstrahlten. Der Besitzlose war polistsch minderen Rechts, der Sozialist so gut wie rechtlos, das Sozialisten- gefetz lebte in der Verwaltung weiter, nachdem es in der Ge- sctzgebung längst gefallen war. Die sozusagen moralische Rechtfertigung seines Verhal» tens zog das preußische Junkertum aus der sogenannten „Staatsfeindschaft" der Sozialdemokraten, als deren Symbol die alljährliche Etatsverweigeruna galt. Frank sah darin eine veraltete, zwecklos gewordene Geste und trat, mit vielen anderen süddeutschen Genossen gemeinsam, für die Etatsbewilligung ein. Die Etätsbewilligung war für Frank eine Waffe im Kampf um die Demokratie. Inzwischen gestalteten sich die europäischen und die innerdeutschen Verhältnisse immer kritischer, es war keine Zeit � zu verlieren. Frank riet zu einem letzten Sturm. In einer denkwürdigen Versammlung in Wilmers- dorf im Jahre 1913 forderte er die Partei auf, im Kampf gegen das preußische Dreiklastenwahlrecht die Waffe des Massenstreiks zu ergreifen. Er drang mit diesem Vor- schlag nicht durch, weil die Massen leider noch nicht reif genug waren, die großen geschichtlichen Zusammenhänge zu er- kennen. Eine innere Umwälzung in Deutschland hätte die Welt vor dem Krieg, Deutschland vor der Niederlage retten können. .So kam der Tag, an dem alles zusammenbrach. Wer kann glauben, daß gerade Frank ihn jauchzend erlebte, gerade er, der sein ganzes Werk in Trümmern gehen sah? Aber sein unbesiegbarer Opttmismus sah jenseits der Ruinen das neu erstehende Europa und die Pflicht der Sozialisten, ihm das Gepräge ihres Geistes aufzudrücken. Einer sozial- demokratischen Arbeiterschaft, die aus freiem Willen das eigene Land verteidigt hatte, konnte keine Macht der Well mehr die Gleichberechtigung vorenthalten. Jenseits des großen Grauens lag nun endlich erreichbar das hohe sehn- süchtig erstrebte Ziel der deutschen Demokratie, die dem Sozialismus und dem dauernden Weltfrieden die Pforten öffnete.
Mrbeiterschast und Medizin. Bon Dr. med. Norbert Marx. Berkin. In diesem kurzen Aussatz will ich nur auf einige Probleme«in- gehen, die beweisen, wie sehr die sogenannte freie mediUnische Wissen» schaft noch von den Fesseln der bürgerlichen Ideologie umfangen ist und sich zur Dienerin der herrschenden Klasse macht. Wir wollen beginnen mit der Hygiene der Ernährung. Allen Proletariern wird noch in Erinnerung sein, wie während der glorreichen Zeit aller Orten dem darbenden Volk erzählt wurde, daß die bei der Rationierung gekieserten Lebensmittel vollauf genügen würden, ja, daß die Hungerkur dem durch den angeblich übermäßigen Fleischgenuß in der Friedenszeit übersättigten Volk« sine neue Ge- sunhheit geben würde. Ueborall wurde mtt dem Rubner-Voitschen Ernährung»index hausieren gegangen. Boll hatte vor über 40 Jahren feine Berechnungen und Untersuchungen m einer Zeit angestellt, als Deutschland begann, Jndustrielemb zu werden und das Proletariat durch Besitz von kleinen Grundstucken noch mit der Scholle verwachsen war. Wie hervorragend die Kriegsnah rung den menschlichen Bedürf- nissen entsprach, beweist die Mehrsterbkichkeit während des Krieges unter der Zivilbevölkerung, die während der Jahre 191ü bis 1918 763 000 Menschen(unter Ausschluß der Grippeopfer) betrug. Ge- rcrdezu kindisch mutet einen das Gebaren der deutschen veranttoort- lichcn Stellen cm, wenn man bei Gelegenheit wieder einmal die Plakate und Erlasse über>« Nährtraft der Brennessetblätter, den Nährwert des voll ausgemahlenen Brotes, über die imausgenutzten Fettmengen in gekochten Knochen usw. liest. All« diese Tollheiten wurden von dem kaiserlichen Gesundheitsamt mit einem Vissenschast- lichen Mänielchen behängt. Daß die von der Regierung unter still» schweigender Billigung der bürgerlichen Aerzte als genügend ans- posaunte Mindestnahrung nickst einmal zum Vegetieren ausreichte, bewesst die ungeheure Sterblichkeit in Gefängnissen und Irrenanstai- ten.' Erst nach dem Stahlbad fing das Wehgeschrei der deutschen Wissenschaft über die Unterernährung cm, um aber gehorsamst zu verstuinmen, als die Agrarier und die Großindustrie mit der Einsüh- rung von Schutzzöllen für die wichtigsten Lebensmittel auf den Plan traten. Ein anderes Ruhmesblatt der bürgerlichen Medizin ist ihr Ver- hakten bei der Bekämpfung der Gefchlechtskrankhet- ten. Die bürgerlichen Aerzteorgamfationen waren es, die durch ihre demagogische Hetze den Reichsrat bewogen, dem vom Reichstag an- genommenen Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten die Zustimmung zu versagen, da es einen Absatz enthält, nach dem Hell- Personen unter Aussicht des Arztes auch Geschlechtskrankheiten be> handeln dürften. Der Hauptgrund, dieses Gefetz zu Fall zu bringen, war die darrn ausgesprochene Aufhebung der gesetzlichen Anerken» nuug der Prostitution und die Entziehung dieser Opfer der bürger- lichen Gesellschaft aus der potizeiiichen Aussicht und ihrer Unter-
. Nicht als Soldat des Kaifers, sondern als Vor- kämpfer eines freien Deutschland zog Ludwig Frank freiwillig ins Feld. Er war ein so großer Patriot, wie es nur ein internationaler Sozialist fein kann, der das Lebens- recht aller Völker anerkennt und darum auch nicht das des eigenen vergißt. Internationalismus war für ihn die Harmonie aller Pattiotismen der Welt. Den blutigen Strom hatte er mit jungen kräftigen Armen einzudämmen versucht. Als der Damm riß, sprang er hin- ein, um das Ufer zu gewinnen— nicht für sich, sondern für kommende Geschlechter, die sich des Glücks, der Freiheit und des Friedens erfreuen sollen. Die Stadt Mannheim weiht ihm heute ein Denkmal. Die deutsche Republik hat noch keines für ihn! « Hedwig W a ch e n h e i m hat in einem Band, der soeben im Verlag für Sozialwissenschaften erschienen ist, Reden, Aussätze und Briefe Ludwig Franks gesammelt. Das Bild einer bedeutenden und liebenswerten Persönlichkeit, das sich aus seinen eigenen Aeußerungen ergibt, wird durch eine bio- graphische Einleitung wirkungsvoll ergänzt und plastisch ge- staltet. So ist ein Buch entstanden, das' nicht nur für die Freunde des Toten ein Denkmal der Erinnerung, sondern auch für den Historiker eine wertvolle Quelle ist. Eine ver- kürzte, billigere Jugendausgabe, die gleichzeitig veranstaltet wurde, ensspricht ganz dem Geist dessen, dem sie gilt, des Führers der„Jungen Garde". Ludwig Frank gehört dem Volk, den Arbeitern und der Jugend. Was von ihm geblieben ist, ihnen gegeben zu haben, ist' ein hohes Verdienst.
Deutschnationale Hengste. Ein Eingeständnis der„Krenzzeitnng". Die„Frankfurter Zeitung " hatte gemeldet, daß die Aktton der Reichsregierung in der Krisgsschuldfrage auf Schwierigkeiten gestoßen sei und daß vor der Hand keine weiteren Schritte zu erwarten seien. Dazu bemerkt die �Kreuzzeitung": »Bleibt Deutschland weiter so— milde gesagt— schüchtern, f c steht es geradezu verzweifelt mit uns." Das ist ein recht interessantes Eingeständnis. Es ist kein Geheimnis, daß die Erklärung der Reichsregietung im Auslände böses Blut gemacht hat. Geht die Regierung den in der Schuldftage beschrittenen Weg der Unbesonnenheit und der Kurzsicht weiter, so ist vorauszusehen, daß sich die mühsam erreichte Verständigungspolitik sehr bald in einer Sackgasse verläuft. Die Deutschnationalen aber wollen die Regierung auf diese falsche Bahn stoßen, well es sonst„geradezu ver- zweifelt" mit ihnen steht! Ein Grund mehr für die Mittel- Parteien, mit den Deutschnattonalen eine Bürgerblockregierung zu bilden! Das vielleicht nicht ganz freiwillige Eingeständnis der Deutschnationalen hat seine Hintergründe. Im deutschnatio- nalen Gebälk kracht es nämlich ganz bedenklich. So wird gemeldet, daß sich im Potsdamer Wahlkreis des Herrn Westarp Abfplitterungsverfuche bemerkbar machen. Im Wahlkreis des Reichstagspräsidenten Wallraf, Hannover -Süd, sieht es ähnlich aus. Dort vertrat der engere und erweiterte Vorstand des Landesverbandes trotz aller Vefchwichtigungs- versuche des Re'.chstagspräfidenten einmütig die Ansicht, daß es bei der Abstimmung nicht zu einer Spaltung der Reichs- tagsfraltion hätte kommen dürfen. Er sprach den Neinsagern der Fraktion einstimmig den Dank und das weitere Vertrauen des Landesverbandes aus, woraus Wallraf und die Jasager sich ihren Vers machen können. Noch schlimmer rechnet der Bezirksverband Mittweida mit der Partei ab. Er spricht dem Abg. Hoetzsch und der Parteileitung ein Mißtrauensvotum aus und beantragt die baldig« Einberufung eines Parteitages.
stellimg unter das Fürsorgeamt. Das war den Aerzteführevn, die fast ausschließlich den Rechtskreiisen angehören, wohl bekannt, aber die ärzttiche Standesehre, die ein Geistesprodukt bürgerlicher Gehirne ist, konnte nicht gestatten, daß Menschen, in« nicht das Gymnasium be- sucht und nicht studiert hatten, auch nur den Schein einer ärztlichen Tätigkeit ausüben dürften. Am reinsten aber tritt die innere Unwahrhaftigkeit der bürger- lich modizinischen Wissenschast in ihrer Stellungnahme zum Problem des künstlichen Aborts(Fehlgeburt) zutage. Den führenden Aerzten ist wohl bekannt, daß ein Gesetz, das jährlmh 300 unglückliche Frauen und Mädchen zu Gefängnis und Zuchthaus verdammt, wäh- rend ungefähr fünfmal hunderttausend, die geschickter sind oder über die nötigen Geldmittsl verfügen, straflos ausgehen, niemals als ein soziales Gesetz, das im Rechtsbewußtsein des Voltes ankert, zu be- zeichnen ist. Obwohl die Aerzte wissen, daß Tausend« von diesen Frauen, die von Laien die Abtreibung vornehmen lassen, für immer dem Siechtum verfallen, können sie es mit ihrer Ethik vereinbaren, daß das Gesetz aufrecht erhalten wird. Denn ferne Aufhebung würde entsttttichend auf die breiten Massen wirken, wie sie so gern behaup- ten. Denn sie sind Hüter einer Sittlichkeit, die der reichen Frau gestattet, für Geld sich die Frucht abnehmen zu lassen, wann es ihr gefällt, die Proletarierin aber zwingt, ihrem Namen(prolez heißt Masse) Ehre zu machen und immer fortzeugend die große Masse im Elend vegetieren zu lassen. Das sind nur einige Streiflichter auf di« medizinisch« Wissen- schast, die uns zeigen, wie sie der herrschenden Kloß«, von der sie unterstützt wird, aus deren Kreise ihr« Vertreter kommen, Schergen. dienst« leistet. Der Kern des Problems ist es aber, daß das Prole- bariat durch das Bildungsmonopol von der Wissenschast ausgeschlossen bleibt. Eine Besserung ist nur zu erwarten, wenn die Aerzte nicht mit sozialem Empfinden, denn das behaupten auch die Deutschnatio- nalen zu besitzen, sondern mit sozialistischem Denken erfüllt werden. Daß das in absehbarer Zett noch nich der Fall sein wird, beweist die Einstellung der Aerzteschaft zur Sozialoersicherung. Wenn die jetzige Aerztegeneration sich auch nich zu sozialistischem Denken durchringen wird, so kann sie doch durch ein machtvolles Zusammenstehen des Proletariats gezwungen werden, nich mehr anttsozialistisch, d. h. volksfeindlich zu handeln und ihre Klassenvorurteile als Ausfluh der freien Wissenschaft auszugeben.
,Gesinnungscheaier� Der Dichter Franz Dülberg hat kürzlich in d:r„Deutschen All- gemeinen Zeitung" einen kleinen Aufsatz„Die Gefahr des Gesinnungs- lheaters" veröffentlicht, der sich gegen die Organisationen der Theater- konsumenten wendet. Di« Redaktion des Blattes unterftteich diese Tendenz noch in einer kurzen Vorbemerkung und kündigt an, darauf zurückkommen zu wollen. Der Eifer des Dichters um di« Rem- Haltung des Theaters von außerkünstlerischen Elementen ist zweisellvs
Ein weiterer Grund für den Stoßseufzer der„Kreuz- zeitung " ist eine offizielle Erklärung des Vorsitzenden der Neichstagsfraktion der Nationalsozialistischen Freiheitspartei an den Vorsitzenden der Deutschnatio- nalen, in der mit einer rücksichtslosen Agitation in der„vaterländischen" Bewegung und in allen den Deutsch - nationalen nahestehenden Wehrverbönden und„vaterländi- scheu" Organisationen gedroht wird. Wie es heißt, hat Abg. Ludendorfs seinen F r o n t r i n g nicht ohne Absicht gerade in diesem Augenblick gegründet. Er soll die Deutschnationalen allmählich erdrosseln, und Ludendorff hofft, auf diese Weise allmählich maßgebenden Einfluß auf die Deutschnationalen zu gewinnen. Was Wunder, wenn den Deutschnationalen an- gesichts dieser Tatsachen etwas blümerant zumute wird! Und mit diesen Deutschnationalen, die den Spaltpilz im Leibe und die deutschvölkische Pest im Rücken haben, sollten die Mittelparteien einen Block zwecks Durchführung der Dawes- Gesetze bilden? Ein bißchen Naivität ist ja ganz schön, aber das Ausmaß, das hier oerlangt wird, ist polizeiwidrig. Warum? Deutschnationale Elegien. Worauf ein findiger Deutschnationaler nicht verfällt! Zumal wenn er zu den 49 Proz., der Beinahehälfte gehört, di? auf Kommando und durch das Schicksal des blinden Loses be- stimmt, auch anders können und Jafagen mußte. Denn nun, nach geschehener Tat, kommen die gemeinen Parteisoldaten und fragen: warum? Warum habt ihr mit Ja gestimmt, mit Ja für das zweite Versailles ? Soll er sagen: ich gehorchte dem' Los, wie es mich traf! Das muß verschwiegen sein, und darum Gründe her! Gründe erzählen sie nun, und die lind danach. Zuerst Herr Strathmann, Theologe und Univer- sitätsprofessor aus Erlangen . Der sagt— in der„München- Augsburger Abendzeitung"—, seine Ueberzeugung und sein Urteil über die Dawes-Gesetze habe sich in keinem Punkte ge- ändert, aber— und nun kommt das Aber—, aber er habe Angst gehabt, ganz einfach Angst: „Die Wahlen hätten unter dem Druck des Fortdauerns der Pe- fatzuügsqualen, der Micum-Verträge, der innerdeutschen Verkehrs- fchikanen, der Beibehaltung der Regie, der Richtbefreiung unserer Gefangenen, der Gefahr neuer separatistischer Bewegungen im Rhein - land gestanden. Dafür hätte man die Deusschnationalen verant- wörtlich gemacht. Auch im übrigen Deutschland hätte ihre Sache schlecht gestanden. Denn man hätte sie verantwortlich gemacht für die Fortdauer und Steigerung der Kreditnot, der Arbeitslosigkeit, des Elends oller Art. Di« Angst vor dem Kommenden und die Hoffnung auf Besserung bei Annahme der Gesetze hätten zwar nicht unser« Organisation gefährdet, wohl ober die Stimmung der Masse beherrscht." Angst ist immerhin noch ein Grund, der sich hören läßt! Aber nun die, die sich nicht auf die Angst herausreden wollen! Für die hat ein gewisser Prinz Friedrich Wilhelm zur Lippe in der„Deutschen Zeitung" eine wunderbare Erfindung gemacht. Er hat nämlich plötzlich entdeckt, daß es in Deutschland außer Deutschnattonalen auch noch andere Menschen gibt und findet darin einen herrlichen, wenn auch etwas metaphysischen Entschuldigungsgrund für die Beinahe- Luther-Nachahmer der deutschnationalen Reichstagssraktion: „Wenn irgendein Ereignis, so hat die Abstimmung vom 29. August gezeigt, wie dringend notwendig es ist, daß di« Deutsch - nationalen bestimmenden Einfluß in der Reichsregierunz erhalten. Denn die geteilt« Abstimmung dieser Fraktion ist nich's anderes als«in Spiegelbild des deutschen Volkes." Was die Regierungsschmerzen der Deutschnationalen mit dem deutschen Volke zu tun haben, ist eine Sache für sich, aber die Abstimmung der Deutschnationalen als Spiegelbild des deutschen Volkes ist wirklich eine ganz wunderbare Erfindung und eröffnet die herrlichsten Aussichten. Zum Beispiel: wenn nächstens über einen kommunistischen Antrag im Reichstag abgestimmt wird, werden von den
anerkennenswert. Aber Dülberg geht von falschen Voraussetzungen aus und kommt dadurch zu falschen Schlußfolgerungen. Es mag dahingestellt bleiben, wie weit sein« Vorwürfe gegen den„Bühnenvolksbund" zutreffen, der ja selbst„glaubwürdig ver- sichert, auf chnstlich-nationalem Boden" zu stehen. Verfehlt sind sie aber unbedingt gegen die Volksbühne. Schon die dreieinhalb Jahrzehnte alt« Geschichte der Volksbühne dürfte erkennen lassen, daß der Zweck dieser Organisation nicht di>z dramatische Verherrlichung des„Befreiungskampfes des Proletariats" ist, und daß in den Darbietungen der Volksbühne nicht die Pflege einer bestimmten Gesinnung an Stelle reiner Kultur angestrebt wird. Abgesehen davon sind aber auch unter den Mitgliedern der Volksbühne die verschieden. sten Gesellschastsschichten, Weltanschauungen und politischen Richtungen vertreten. Das Ziel der Volksbühne ist vielmehr der Kampf gegen das im wesentlichen von Geschäftsinteressen bestimmte Theater, dessen Unter- nehmer in vielen Fällen nur sehr geringe innere Beziehungen zur Kunst hat. Das sollte gerode ein Dichter wie Franz Dülberg b-:- grüßen und unterstützen. Für die Dolksbühnenorganisation ist die Kunst keine Handelsware, für sie ist die Schaubühne eine moralische Anstalt im Sinn« Schillers, aber kein Institut für die Propaganda politischer und sonstiger Ideen. Bietet nicht auch der Spielplan der Berliner Volksbühne eine Bestätigung dieser Feststellung? Wird das von Dülberg gefurcht«!- „Gesinnungstheater" etwa durch Stücke wie Strindbergs„Ostern " oder„vasarnasena" oder Schillers„Don Carlos" gepflegt? Weiß Dülberg nicht, daß dm Mitgliedern der Volksbühne auch Aufführun- gcn in andern Theatern als dem eigenen Heim am Bükowplatz oc- boten rverden, darunter sein eigenes Schauspiel„Korallenkcttlin? Und wenn auch der ebenfalls von der Volksbühne aufgeführte draina- tische Roman„Fahnen" von Alfons Paquet Sympathien für den „Befreiungskampf des Proletariats" zeigt, so oerdankt doch gerade dies Werk seine Aufführung seiner starken künstlerischen Eigenart. Gesinnung und Kunst schließen einander doch nicht aus, und ein Drama ist doch noch nicht deshalb ohne weiteres unkünstlerisch, weil in�ihm auch eine Gesinnung zur Geltung kommt. Im tiefsten Gninde drückt sogar jeder echte Dichter, der eigenes Erleben gestaltet, in seinem Werke auch eine Gesinnung aus. Gerade die von Dülberg geforderte Organisation derjenigen, „die vom Bühnendichter nicht Gesinnung sondern Persönlichkeit verlangen", hobm wir in der Volksbühne. Di« Dichter-Persönlichkeit, die von den Geschäftsinteressen eines Thcaterunternehmers unab» hängig fein will, braucht die Volksbühne zur freien Entfaltung ihres künstlerischen Schaffens. Es wäre wünschenswert, die Münungs- Sicherung eines Dichters darüber zu hören. W. B.
ver Völkerbund kagkt Genf Hai feine Sasson. Auf den großen Hotels wehen die Flaggen aller Länder, um die Jniossen zu ehren. Die kleinen Mädchen gehen unermüdlich auf dem Quai du Löman spazieren und sind-noch mehr bemalt als gewöhnlich, was übrigens bei der Atmosphäre hier netter wirk: als auf der Friedrichstraße. — und die Ehauffeur« nehmen doppelt« Taxe . Es ist erstaunlich, wie viele politisch begeisterte Menschen auf der Welt sind. Cook bringt jeden Tag neue Karawanen Engländer