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finb. Mütter hatte sich bis un 9 Uhr abends in der elterlichen Woh mmg aufgehalten. Hierauf hatte er eine befreundete Familie auf gesucht und war mit diefer bis um 1 Uhr in einem Bierlokal zu janmmengewesen. Da der Heimweg der Bekannten an seiner eigenen Tür vorüberführte, hatte Müller seine Freunde begleitet und sich am feiner Haustür von ihnen verabschiedet. Er ist dann offenbar enf der Treppe umgefehrt und hat das Haus abermals verlaffen, Jenn in der Wohnung seiner Eltern ist er nicht mehr gesehen worden. Personen, die Müller fannten und die ihn bei diesem zweiten Fort gange gefehen oder gesprochen haben, werden dringend ersucht, sich zu melden. Alle Mitteilungen, die zur Aufklärung dieses Morbes Bienen förmen, nehmen die Kriminalfommissare Werneburg und Albrecht im Bolizeipräsidium, 3emmer 80, entgegen. Da die zurückhaltende Art und Weise, in der die Zeugenaussagen gemacht wurden, den Anschein erwedien, als ob die ganze Gegend unter dem Terror der Kreise stehe, dem die Trendwald angehört, wurde eine Razzia in der Grotmanstraße veranstaltet, bei der mehrere Berfonen festgenommen wurden.

Das Leben ist schwer.

In den Straßen, zumeist in der Nähe der Bahnhöfe, sieht man Greise, vornehmlich Männer, aber auch Frauen, deren Haltung, auch wenn es der in den Händen gehaltene Hut nicht verdeutlicht, um die Mildtätigkeit der Borübergehenden wirdt. Da strömen die Scharen der Vielbeschäftigten vorbei; faum einer streift mit dem Blid den armen Lazarus. Aber es wandeln auch alle die vorüber, denen der Gang zum Bahnhof den Anfang eines Vergnügens bedeutet, ein Ausflug ins Commentand der Freiheit, will fagen: Landpartie, frohe Stunden unter grünen Bäumen. Die Bergnügungsspesen durch eine Opfergabe an diefes schweigende, mit Bürde getragene Elend zu erhöhen, sollte nicht schwer fallen. Kann man sich in die Seele eines folchen Menschen verfetzen, der öffentlich die Mildtätigteit angeht? Ungehen muß, will er nicht vor Hunger sterben. Das Bild dieser Xrmut ift von erschredender Tragik.

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Im vollbesetzten, ja überfüllten Bahnwagen IV. Klasse. Die Mehrzahl junge Leute, die in die Ferien gehen; in ihrem Kreise hat man fich bald angefreundet, die Scherzworte fallen hageldicht. Dann man fich bald angefreundet, die Scherzworte fallen hageldicht. Dann Ehepaare, auch die quf der Erholungsfahrt begriffen. Und endlich ein Paar Arbeiter, die nach auswärts fahren, um Arbeit zu suchen. Die der raffeln, ihr einförmiger Ton schläfert ein. Da erschallt plötzlich ein Gefang aus einer an der Tür stehenden Gruppe. Wer in der Mitte des Wagens fitt, hört mur fingen, die Worte gehen im Lärm unter. Aber man sieht wenigstens, mer da singt. Ein Mann und eine Frau find es, und zwei Knaben. Alle sind einfach, aber sauber gekleidet; etwas, das ganz leise an Heilsarmee , oder Ertase erinnert, haftet ihnen an. Der Mann schließt die Augen, wenn er fingt, als fei er dieser Walt entrüdt. Jetzt verftummt der Gesang; der Mann schreitet mit der Mühe in der Hand durch den Wagen. Die Spenden fliegen in die Mühe hinein. Auf seinen Stehplat zurückgekehrt unterhäft er sich mit einigen der ihm benachbarten

Fahrgäste. An der nächsten Haltestelle verschwindet die Familie.

Bielleicht fucht sie einen anderen Wagen auf.

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100 Kilometer weiter. Ein großer Teil der Reisenden ist aus­

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gestiegen; andere Familien mit Kindern eingestiegen. Der Mittelgang ist frei. Ein junger Butsch mit einer Tüte geht die Bäufe entlang und steckt jedem ein Pfefferminzplätzchen in die Hand. Dann er­fcheint er gleich wieder mit einem Rorb und preift an: 2 Pfefferminz­rollen 25 Pf. eine Tafel Schokolade 35 Pf. Mutti, mir eine Schokolade", fagen die Kinder, und die Frauen wenden sich an ihre Männer: Du, Kart, es ist eigentlich recht heiß; so'n Pfefferminzding ift nicht zu verachten." Unb alt und jung faufen. Auch meine Nachbarn erstehen die Leckereien. Sie brechen die Hüllen auf: Na, ein Groschen für die Pfeffermingroffen wäre auch genug und gleich darauf: Donnerwetter da ist aber ville Papier um die Schotobade gewickelt" die wie ein schwantes Gerippe einer Tafel aussieht). Der junge Mann wird denn auch direkt interpelliert: Ste, Ihre Preise sind aber' n bißchen hoch."- Ach nee," ant wortet er ,,, mur die üblichen," und er zudt die Achseln. Dann fügt er hinzu: Ja, das Leben ist schwer." So siehste aus" feber die meisten, aber sie simb dech nicht willens, wegen der paar Pfennige Krafet anzufangen. Und das Endgiel, die große Provinz stadt, ist schon in Sicht.

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Für den Burschen ist das schwere Leben ein Vorwand zur Nepperei.

Der prophezeite Einbruch.

| fammelten hatte sich natürlich aufs höchste gefteigert und fand im Gefang der Internationale feinen spontanen Ausdruck. Jetzt ließen sich Schutzpolizisten dazu hinreißen, auf Kinder zu schlagen. Erst auf das Dazwischengreifen der Lehrer hin wurden sie veranlaßt, abzu­fahren, um den Zug, der sich andernfalls längst aufgelöst hätte, zum Auseinandergehen zu bringen. Ein fpöttisches Gelächter der gesamten Menge folgte ihnen. Hat denn die Polizei nicht die Pflicht, genehmigte Umzüge zu schützen?"

Soweit die Zuschrift! Danach hat die betreffende Abteilung der Echupo einen bösen Mißgriff getan, der hoffentlich nicht ungerügt bleiben wird. Die Schupo fann nur dann auf die Unterstützung der Bevölkerung rechnen, wenn sie es versteht, sich in jeder Lage taktvoll und angemessen zu benehmen.

Klar oder unklar?

Noch einmal Köpenider Tannenbergfeier. Als Direktor des Märkischen Museums wurde in unserem Be richt über die Köpenider Tannenbergfeier Dr. Riefebujch ge nannt, der nach dem Wortlaut des Köpenicker " Dampfboots" gesagt haben soll: Heute gibt's fein Recht mehr. Keine Urkunde wird geachtet. Der Beamte wird mit Willkür behandelt." Direktor des Märkischen Museums ist jedoch Professor Dr. Pniower, der den Aeußerungen Dr. Kiefebuschs natürlich vollkommen fernsteht. Dr. R. ist Leiter der vorgeschichtlichen Abteilung des Märkischen Museums und gleichzeitig Borsigender der Brandenburgia" Gesellschaft für Heimatschußes in Berlin erhielten wir eine Zuſchrift, in der es heißt: Heimatkunde und Heimatschutz. Aus den Kreisen der Anhänger des Wiewohl ich nicht Mitglied Ihrer Partei bin, freue ich mich doch, zu sehen, welche Pflege der Heimatschußgedanke und der Heimat sinn bei Ihnen findet. Die Stellungnahme des Herrn Dr. Kiekebusch, den ich bisher als Wissenschaftler wie als Heimatschüßer geschäßt habe, befremdet mich, der ich selber Wissenschaftler bin, schr. Herr Dr. R. täte gut, feine nach dem Wortlaut des" Dampfboots" reichlich verfchwommenen Aeußerungen ganz flarzustellen, damit wir in Bufunft wissen, ob er weiter als Mam der Wissenschaft gelten will oder nicht."

Inzwischen hat Herr Dr. Rietebusch sich gemeldet. Er schreibt uns einen langen, nicht sehr flaren Brief, in dem er unsere richtes, den wir dem Köpnicer Dampfboot" entnommen hatten, Vorwürfe gegen ihn zurückweift und zur Richtigstellung des Be die betreffende Stelle seines Manuskriptes zitiert. Danach hat er folgendes gesagt: Nicht nur bei den Kämpfen an der Front, fondern auch in den Tagen der Umwälzung, der Entwertung und des Abbaues hat es fich gezeigt, wo Männer und wo Menschen standen. Not und Berrüttung haben sich in alle Stände, Berufe und Kreise hineingefressen. Nichts ist vor ihnen heilig geblieben und nichts unantastbar. Vor dieser Not und Berrüttung gitt es feine llr­tunden" mehr und feine wohlerworbenen Rechte". Dem fich durchs Leben darbenden Hausvater, ber sich den Not groschen für sein fraftloses Alter ersparte, haben Not und 3er rüttung den letzten Behrpfennig entwertet. Auch dem in schlichter Bescheidenheit großgewordenen Beamtenstand setzten Not und Zerrüttung das Messer an die Lebensaber."

Aufforderung gerichtet, im Rampfe und in der Arbeit des Alltages Ar diese Schilderung hat Herr Dr. Rietebush barm die ohne Menschenfurcht und Menschenscheu so restlos und raft los unsere Pflicht zu tun, wie unfere teuren Toten sie auch getan haben". Herr Dr. Riefebusch wünscht nicht als übler Hezer te zeichnet zu werden. Wir überlassen es dem Lefer, zu beurteilen, cb seine Ausführungen, zumal in der Köpenicker Umrahmung, fich durch besondere Klarheit ausgezeichnet haben.

Der völkische Volksbetrng.

gut besuchten öffentlichen Bersammlung im Bittoria- Garten zu . Ueber völkische Bewegung und völfischen Betrug sprach in einer Wilmersdorf Genoffe Lüdemann. Er kennzeichnete einleitend die gespannte Lage, die unfere Regierung durch die Aufrollung der Kriegsschuldfrage geschaffen hat. Dann streifte er ausführlich die Zusammenhänge, die zu dem Versailler Friedensvertrag geführt hatten. In der großen Bolitif haben heute die Deutschnationalen den großen Zusammenbruch erlebt und augenblicklich leben davon die Bölfischen. Aber wenn sie ihr Programm, das sie den Wählern bei der Reichstagswahl angepriesen haben, ausführen wollten, dann erginge es ihnen nicht anders. Denken Unter allgemeiner Heiterkeit zer­pflüfte der Rebner das Programm der völfischen Kultur- und Schicksalsgemeinschaft". Wo die Schidfalsgemeinschaft gelandet sei, erfehe man jetzt an dem 3ufammenbruch des Batthaufes Brus. Weit über 10 000 Sparer sind durch diese Schicksals­gemeinschaft um Alles gebracht worden. Die Partei, die die Zinstnechtschaft beseitigen will, läßt ausgerechnet durch ihren Bruß thren Mitgliedern 72 Prozent 3injen zahlen. So sieht bei diesen Bölkischen die Beseitigung der Zinsknechtschaft aus. Bon dem ganzen Programm der Partei bleibt letzten Endes nur der große Bolts betrug übrig. So sehen die Erneuerer des deutschen Volkes aus. Ausgerechnet der Jude Dr. Frankel muß Herrn Bruß, der in das Fränkelsche Sanatorium geflüchtet ift, feine Geistesfrankheit bescheinigen. In der Diskussion beteiligten sich mehrere Nationalsozialisten neben unseren Genoffen an der De batte. Ein Herr Beyer bestritt, daß Bruß Mitglied der Partei fei. Neben anderen Bhrafen behauptete er, daß daß Geld da sei. Gewiß, nur nicht hier. Genosse Lauer ging scarf mit diesen Boltserneuerern ins Gericht und in feinem Schlußwort rechnete Genosse Lüdemann mit einigen Distuffionsrednern gebührend ab. Mit einem Hoch auf die Republik und die Partei schloß die gut verlaufene Versammlung.

Eine ganze Gesellschaft schwerer Jungen hatte sich gestern vor dem Schöffengericht Berlin- Schöneberg wegen eines Einbruchdieb­stahls zu verantworten, der angeblich von einem Karten igger prophezeit worden war. Der Schlächter Lichten stein war eines Tages. von dem Schlächtermeister Frante in der Frobenstraße wegen eines Diebstahls entlassen worden. Am gleichen Morgen suchte Lichtenstein nun eine Gastwirtschaft auf, in ber ihm nach seiner Behauptung von einem Kartenleger aus schwar­zem Kaffee geweisjagt worden war, daß er durch einen Einbruch heute noch viel Marie", das heißt bei den Berbrechern befanntlich Geld, verdienen würde. Anscheinend, um der Zukunft gleich etwas nachzuhelfen, wurden dann von Lichtenstein sechs Männer ge­dungen, die dort umherlungetten und ein Ding drehen" wollten. Das geschah dann auf die Weise, daß sie den Keller des Schlächter­meisters Frante aufbrachen und etwa 15 3entner frisches Fleisch daraus entwendeten und die Beute auf einem Auto, bas fie von der Ecke der Bülowstraße holten, fortschafften. Der Chauf­jeur dieses Autos, Stahl, fuhr jebody später wieder zu dem Be­ſtohlenen hin und machte ihm Mitteilung von dem Einbruch, lo ba Die ganze Gesellschaft bald dingfest gemacht werden fonnte. Wäh­rend nun die Embrecher behaupteten, das der Chauffeur mit dabei gewesen wäre und auch etwas von dem Fleisch abbekommen hätte, gab dieser selbst an, daß er nur etwas Fleisch für das nicht Dollbezahlte. Fahrgeld angenommen habe. Im übrigen

sei er

unter vorgehaltenem Revolver gezwungen morden, die Beute fortzuschaffen. Die übriges Angeflagten be­Pritten dies zwar, jeboch fonnte diese Behauptung nicht widerlegt werden und so beantragte der Verteidiger des Stahl, Rechtsanwalt Dr. Mendel, die Freisprechung, da hier ein Motstand und 3wangslage vorgelegen habe. Das Gericht erkannte auch gegen diesen Angeklagten dann auf Freisprechung. Die Rädelsführer worden zu je 2 Jahren Buchthaus, die anderen Angeflog: sen au je 1 Jahr 6 Monate Gefängnis verurteilt. So wett The fich noch nicht in Haft befanden, wurden sie jetzt in Unter fuchungshaft genommen.

Schupo bei einem Kinderfest.

Man schreibt uns:

Am Sonntag, den 7. September, hatte die 31.( weltliche) Ge­meindeschule in Neukölln em Rinderfest in den Schulräumen und auf dem Hofe des Schulgebäudes. Den Abschluß des Festes sollte ein Seftzug durch die Straßen Neuköllns zum Rathaus bilden. Die Genehmigung des Polizeipräsidiums mit allen Ginzelheiten der zu berührenden Straßen lag vor. Und zur gegebenen Bait setzte sich der Zug mit Fadeln, Lampions und Fahnen in Be wegung. Er fam ungehindert bis zum Rathaus. Ein Lehrer hielt one furze Schlußrede und die Kinder fangen: Brüder zur Sonne...", els ein Trupp Schubpolizei im Auto heranfaufte und, mit Gummifnüppeln bewaffnet, versuchte, die Kinderschar mit den Eltern auseinanderzutreiben. Die Fahnerot, mit schwarzer Schrift und goldener Sonne wurde einem Kinde entrissen, mußte aber dann wieder zurückgegeben werden. Die Erregung der Bér­

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Wieder ein Autounfall. An der Ede Augsburger und Rante straße in Charlottenburg ereignete sich gestern nach mittag ein schwerer Automobilunfall. 3wei in entgegen­gesetzter Richtung fahrende Wagen stießen dort mit voller Wucht zusammen. Der Kaufmann E. Koch aus Hermsdorf, hohe Feldstraße 64, erlitt dabei schmere innerliche unb opfverlegungen. Er wurde mit einem Privatwagen in das Krankenhaus in der Achenbachstraße übergeführt, wo man ihm erste Hilfe leistete. Von dort aus wurde er nach der Karlstraße 26 in eine Privatklinik übergeführt.

Das Rundfunkprogramm.

Tageseinteilung Vormittags 10 Uhr: Nachrichtendienst. Be­Mittwoch, den 10. September. kanntgabe der Kleinhandelspreise der wichtigsten Lebensmittel in der Zentralmarkthalle. Nachm. 12.15 Uhr: Vorbörse. Nachm. 12.55 Uhr: Uebermittelung des Zeitzeichens. Nachm. 1.05 Uhr: Nachrichten dienst. Nachm.-2.15 Uhr: Börsenbericht. 4.30-5.30 Uhr nachm.: Unterhaltungsmusik( Berl. Funkkapelle) 5.45 Uhr nachm.: Märchen", gesprochen von Adele Proesler 7.45 Uhr abends: Vortrag des Herrn Dr. Karl Ludwigs, Direktor der Hauptstelle für Pflanzenschutz der Landwirtschaftskammer Berlin- Dahlem; Bekämpfung von Gartenbauschädlingen im Herbst". 8.30-10 Uhr abends: Shakespeare - Abend. 1. Ouvertüre zu" Coriolan , Beethoven . Die Berliner Funkkapelle. 2. Aus Hamlet ". Monolog des Hamlet . Hans Mühlhofer ( Rezitation). im Aetherblau) Schubert . Else Jülich de Vogt( vom Deutschen 3. a) An Sylvia, Schubert , b) Ständchen( Horch, horch, die Lerch' Opernhaus , Charlottenburg ). 4. Ouvertüre zu Ein Sommernachts­ traum ", F. Mendelssohn- Bartholdy , Die Berliner Funkkapelle. 8. Aus, König Richard III." Haus Mühlhofer( Rezitation). 6. Arie aus, Der Widerspenstigen Zähmung , Götz. Else Jülich de Vogt. 7. Suite zu Was ihr wollt ". E. W. Korngold . Die Berliner Funk­kapelle. 8. Aus den Sonetten. Hans Mühlhofer ( Rezitation). 9. Drei Shakespeare- Lieder, Roger Quilter. Else Jülich de Vogt. 10. Forumszene aus Julius Cäsar ". Hans Mühlhofer und der Sprechchor der Universität Berlin unter Leitung von Dr. Wilhelm Leyhausen. Am Steinway - Flügel: Dr. Felix Günther. An­schließend: Bekanntgabe der neuesten Tagesnachrichten, Zeit­ansage, Sportnachrichten, Wetterdienst.

Der Weg in die Freiheit.

Ein Fluchtverfuch aus Moabit .

In der Nacht zum 1. Mai wurde in dem Zellengefängnis in der Lehrter Straße ein besonders verwegener Fluchtversuch unternommen. Es handelt sich um den Kaufmann Willi Kaßner, der vor einigen Monaten gemeinsam mit dem Kaufmann Plügge und dessen Braut, einer Frau Schwanih, zahlreiche Fuhra werksdiebstähle in den verschiedensten Stadtvierteln Berlins unternommen hatte. Das Kleeblatt schlich sich besonders an Rollfuhr futscher heran, gab ihnen kleine Bestellungen auf, und wenn sich die Kutscher entfernten, verschwanden Kaßner und Plügge mit den meist sehr wertvollen Ladungen; in einigen Fällen nahmen sie auch das ganze Fuhrwert mit den Pferden mit.

Kaßner und Plügge wurden zu längeren Freiheitsstrafen vers urteilt und famen in das Zellengefängnis in der Lehrter Straße . Frau Schwanis wurde auf Antrag ihres Berteidigers, Rechtsanwalt Bahn, auf freien Fuß gesetzt. In der Nacht zum 1. Mai unternahm nun Raßner einen recht verwegenen Fluchtversuch, der ihn über mehrere Korridore und Höfe bis in den Wirtschaftshof fleine Mauer den Weg zur brachte, von wo nur noch Freiheit versperrte. Gerade als Raßner diese Mauer erflimmen wollte, schlugen jedoch die Hunde an, es wurden zwei Schüsse abgegeben und die Alarm glode in Bewegung gesetzt. Raßner Helfer kam man auf den in der Anstalt beschäftigten Wachtmeister wurde in die Zelle zurückgebracht. Bei den Nachforschungen über die Schünemann und den Freund des Kaßner, Plügge. Es wurde festgestellt, daß der Wachtmeister mehrfach mit Frau Schwani, der Braut des Plügge, zusammengekommen war und ihr auch einige Briefe überbracht hatte. Er hatte auch ein Balet von ihr ange­nommen, in dem sich, wie fich später ergab, mehrere Wäscheleinen von 20 Meter Länge befanden und 15 bis 18 Gägen, die dem Plügge übermittelt werden sollten, da auch dieser einen Fluchtversuch plante. Tatsächlich war auch Plügge bereits dabei, die Traillen in feiner Zelle anzufeilen, aber auch sein Versuch, in die goldene Freiheit zu gelangen, wurde rechtzeitig bemerkt. Jeht hatten sich nun wegen des Plüggeschen Ausbruchsmanövers der Wachtmeister Schünemann, Mitte zu verantworten. Die Angeklagten bezichtigten sich gegenseitig Frau Schwanik und Brügge vor dem Schöffengericht Berlin­sehr lebhaft. Schünemann behauptete insbesondere, daß er lediglich aus Gutmütigkeit einmal zu Frau Schwaniß gegangen sei und daß er sich später in einer gewissen Furcht vor dem Plügge und Frau Schwanih befunden habe. Es sei aber von vornherein seine Absicht gewesen, falls Plügge einen Ausbruchsversuch unternehmen sollte, dies mit allem Nachdruck zu verhindern. Er stehe auch der Flucht des Raßner sehr fern, tatsächlich habe er ja auch die beiden Alarmschüsse abgegeben, die das Anstaltspersonal auf den Plan riefen.

Der Staatsanwalt glaubte an diese Darstellung nicht, zumal in der Berhandlung mehrfach erwähnt wurde, daß Blügge dem Be­amten 10 000 Mart für seine freundliche Mithilfe in Aussicht gestellt hätte. Er beantragte gegen den Wachtmeister Schünemann wegen passiver Bestechung in Idealkonkurrenz mit perfuchter Gefangenen­befreiung 9 Monate Gefängnis, gegen Plügge, als den Haupt­bestechung und gegen Frau Schwanis wegen verfuchter Gefangenen­schuldigen 1 Jahr 3 Monate Gefängnis wegen attiver Beamten­befreiung 3 Monate Gefängnis. Die Rechtsanwälte Bahn, Dr. Hein und Dr. Eisenstädt machten verschiedene rechtliche Gesichtspunkte geltend, die zur Freisprechung, mindestens zu einem milderen Straf­maß führen müßten. Der Gerichtshof entsprach auch im wesent­lichen diesen Ausführungen und verurteilte Plugge zu fechs. Monaten Gefängnis, Frau Schwanig nur zu 200 Mart Geldstrafe und sprach den mitangeklagten Wachtmeister Schün e- mann frei.

Die gewerbsmäßige Wohnungsvermittlung. Sur Frage der gemertsmäßigen Bernittlung von Mieträumen feilt dis städtische Zentralant für 28ohaungswesen folgendes mit: Generelle Genehmigungen an gewerbsmäßige Vermittler pon Miet­räumen werden auf Antrag nur dann erteilt, wenn dem städtischen Zentralamt für Wohnungswesen der Nachweis geführt wird, daß der Antragsteller bereits am 1. Januar 1918 berartige ge­werbsmäßige Bermittlungen ausgeführt hat. Diese Anträge sind für den Bereich der ganzen Stadt Berlin schriftlich unter Bei­fügung der erforderlichen Beweismittel an des städtische Zentralomt für Wohnungswesen, C. 2, Parochialstraße 9/18, einzusenden. Bon den erteiften Genehmigungen wird das Zentralamt jämtlichen Woh mungsämtern Berlins Kenntnis geben. Die Anträge der erst nach dem 31. Dezember 1917 entstandenen Vermittlungsbureaus werden grundsäglich und ohne jede Ausnahme ab­gelehnt werden. Derartige Anträge find daher zwecklos. Die Wohnungsämter werden gegen gewerbsmäßige Vermittler, die ohne Genehmigung in Zukunft die verbotene Vermittlung von Mieträumen versuchen, mit Hilfe der Strafbehörden einschreiten. Es tann auf Geldstrafe und auch Gefängnisstrafe oder auf eine dieser Strafen erkannt werden. Besonders wird noch aufmert­fam gemacht, daß auch die Anbietung zur Bermittlung verboten ist.

Widerrechtliche Gadentnahme schwerer Diebstahl. Troß aller Warnungen wird immer wieder in unberechtigter Weise Gas aus dem Rohrnetz der Gaswerte ohne Gasmesser bzw. unter Ausschaltung des Gasmessers entnommen. Diese unrecht­mäßigen Anschlüsse werden fast immer in leichtfinniger weise hergestellt wb beschwören größte Gefahr für eigenes und fremdes Leben herauf. Todesfälle infolge Gasausa feiten. Außer auf die große Gefahr, die die unredytmäßige Gas­strömung bei unrechtmäßig angelegten Leitungen sind nicht entnahme in vielen Fällen mit fich bringt, muß erneut auf die straf­rechtlichen Folgen des Gasdiebstahls hingewiesen werden. Wider­rechtliche Gasentnahme ist Diebstahl, und zwar, wie jetzt auch die Berliner Gerichte annehmen, in den meisten Fällen schwerer Diebstahl. Sc ist in neuerer Zeit erst mieder ein Berliner Einwohner durch rechtsfräftiges Urteil zu einer Gefängniss strafe pon drei Monaten wegen Gasdiebstahls verurteilt worden.

Das Disziplinarverfahren gegen Lehrer Adolf Koch, dessen private Körperkulturbestrebungen den Reaktionären einen er­wünschten Vorwand zu ihrer Heze gegen die Berliner Schulver­waltung gaben, bat, wie wir in Nr. 420 meldeten, einen für Soch follegium hat gegen Koch nur auf einen Verweis erkannt und durchaus ehrenvollen Ausgang genommen. Das Provinzialschul zwar nur wegen eines formalen Verstoßes, der darin be­stand, daß er vor Einrichtung seiner mit schulpflichtigen Kindern außeramtlich veranstalteten Kurse für rhythmisch- gymnastische lebungen sich nicht mit der Aufsichtsbehörde in vorgeschriebener Form in Verbindung septe. Wir erfahren jetzt, daß noch vor diesem Ausgang des Disziplinarberfahrens das Provinzial i hul follegium in dem Streit Kochs mit der Berliner Schul­verwaltung, der seinen Anspruch auf Beschäftigung im Schuldienst Berlins betraf, fich a ugunsten Kochs ausgesprochen hat. Es hat entschieden, das lediglich das feine während der Dauer der Untersuchung gelöst worden ist Tätigkeit bei der 240. Gemeindeschule regelnde Vertragsverhältnis Lehrer Koch ist also, wie uns sein Rechtsbeistand schreibt, nicht ent Tassen oder abgebaut", sondern tann nach der erfolgten Beendigung des Verfahrens wieder im Berliner Schuldienst iätig fein".

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Meine Brauf Deine Braut" fpielt jetzt das Rose­Theater. Die Erlebnisse der Freunde Lamm und Löwe, die zuerst ihre Kleider und ihren Charakter wechseln, um den Schwieger­vätern zu gefallen und hernach sich in ihr Selbst zurückfinden, damit fie den Töchtern zusagen, enthalten manche Szenen, die zum Lachen zwingen. Diese beiden Freunde werden von Hans und Willi