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Abendausgabe

Nr. 429 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 215

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise sind in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-295 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

5 Goldpfennig

50 Milliarden

Donnerstag

11. September 1924

Berlag und Anzeigenabteilung:

Geschäftszeit 9-5 Uh Berleger: Borwärts- Berlag Emby. Berlin Sw. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Hilfe für Georgien !

Jordania an die Sowjetregierung.

Das kleine Georgien , in dem sich das Volk spontan gegen feine russischen Unterdrücker erhoben hat, ist gegenwärtig der Schauplatz fürchterlicher Mezeleien und Racheafte der fom­munistischen Gewalthaber. Selbst die offizielle russische Tele­graphen- Agentur teilt mit, daß 24 angebliche Organisatoren des georgischen Aufstandes, darunter Mitglieder des Zentral­fomitees und des Auslandsbureaus der Menschewiften, zum Tode verurteilt und hingerichtet worden sind. In Wirklichkeit dürfte die Zahl der Hingemordeten weit größer sein, und es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß der Blutdurst der bolschewistischen Gewalthaber feinen der noch am Leben befindlichen georgischen Sozialisten verschonen mird, wenn nicht der ein mütige Protest der Kultur­welt diesem blutigen Treiben rechtzeitig ein Ende setzt. Der fommunistische Hinweis, daß man Aufrührern" gegenüber feine Gnade und kein Mitleid kennen dürfe, er= ledigt sich dadurch, daß es die Sowjetregierung ist, die vor mehr als drei Jahren die von einer sozialistischen Re­gierung verwaltete demokratische Republik Georgien mit Waffengewalt überrannt und durch ihre brutale Gewalt herrschaft das georgische Boit nun zum Aufstand gegen feine riffischen Bedrücker getrieben hat. Doch nach wie vor ist die vom Bolle frei gewählte rechtmäßige Regierung Georgiens bereit, sich mit Moskau zu verständigen. Der Vor­sitzende der georgischen Volksregierung, Genosse Noe Jordania , richtete gestern an den Vorsitzenden der Mos­fauer Sowjetregierung folgendes Telegramm:

Jm Jahre 1921 eroberten Ihre Truppen, unter Mißachtung des zwischen uns geschlossenen Vertrages, nach fünfwöchigem Kampf

Abmarsch aus Dortmund .

Die Erzberger- Mörder.

Werden fie ausgeliefert werden oder nicht?

Die ungarische Nationalversammlung hat ihre Sommer ferien unterbrochen, um einige dringende Angelegenheiten zu beraten. Auf der Tagesordnung steht auch eine sozialdemo­fratische Interpellation über die Verhaftung bzw. die neuer­liche Flucht der Erzberger- Mörder. Aus dieser Tatsache geht schon hervor, eine wie große Bedeutung man in Budapest den mysteriösen Vorgängen beimißt, die mit der Festnahme des angeblichen Förster alias Schulz und dem Verschwinden seiner beiden Spießgesellen zusammenhängen. Presse und Barla­mentsfraktionen der Linksparteien werden nicht müde, die Rolle des Abgeordneten Gömbös und die mehr als zweideutige Hal­tung der Behörden aufs schärfste zu brandmarken.

das von Ihnen felbst als unabhängig anerkannte Georgien . Seifdem erträgt das georgifche Bolt unerhörte und in seiner Geschichte unge­tannte Verfolgungen. Jetzt tämpft es, zur Verzweiflung getrieben, gegen Ihre Macht. Georgien fämpft nicht für die Einrichtung irgend­einer Verwaltungsform, sondern für sein Recht auf Selbst­bestimmung und für Wiederherstellung seiner un­abhängigkeit. Sie wiffen felbft, daß Georgien sich niemals einer Fremdherrschaft unterwerfen wird. Im Namen des georgischen Voltes mache ich Ihnen den Borschlag, die militärischen Aktionen einzustellen und den russisch- georgischen In Deutschland hat die ganze Affäre meniger Staub auf­konflitt friedlich beizulegen, indem wir uns auf die am gewirbelt. Der deutsche Gesandte in Budapest hat im Auftrage 7. Mai 1920 gefchloffenen Verträge stützen. feiner Regierung formell um die Auslieferung des verhafteten Ich erkläre gleichzeitig, daß wir bereit sind, Ergänzungs. Deutschen nachgesucht, und dieser Schritt sowie die weitere Ver­verträge zu schließen, die Ihre ökonomischen und Handelsinter- folgung der Angelegenheit durch das Auswärtige Amt werden essen sichern." hoffentlich dazu angetan sein, ein für allemal die in ungarischen nicht im Ernst darum zu tun, der Schulz und Tillessen habhaft bringen, die davon sprachen, der Reichsregierung sei es gar Streifen im Umlauf gewesenen Gerüchte zum Verstummen zu lichen deutschen Stellen hat natürlich lebhaftes mißfallen in zu werden. Das vollkommen begründete Vorgehen der amt völkischen Kreisen hervorgerufen. Die" Deutsche Zeitung" nahm gegen den deutschen Standpunkt in dieser Angelegenheit Stellung und versuchte in einem Artikel aus der Feder des Reichsgerichtsrates a. D. Wittmaad die völkerrechtliche Unmög ist es ja einigermaßen verständlich, wenn die deutschvölkischen lichkeit der Auslieferung der Erzberger- Mörder darzulegen. Nun mordbuben von ihren Gesinnungsfreunden in Schutz genom werden, daß in der neuesten Nummer der ,, Deutschen Juristen­men werden. Als geradezu unerhört aber muß es bezeichnet zeitung" der Kammergerichtsrat und Justizrat Delius den gleichen Standpunkt einnimmt wie das genannte rechtsradikale Organ. Dieser Versuch eines Juristen von Rang, ein Auch sind heute Sie ersten Zahlungen der franzöfifchen und bel- fchwebendes Rechtsverfahren durch öffentliche Ruhreinnahmen ergeben.

und Herriot sowie an die sozialistischen Delegierten auf der Gleichzeitig hat sich Genoffe Jordania an Macdonald Gleichzeitig hat sich Genoffe Jordania an Macdonald Genfer Tagung des Völkerbundes mit der dringenden Bitte gewandt, der Moskauer Regierung vorzuschlagen, das Blut­vergießen in Georgien einzustellen und den russisch- georgischen Konflikt durch internationalen Schiedsspruch zu regeln. Dieser Weg ist in der Tat der einzig mögliche, um der Mezzelei in Georgien schleunigst ein Ende zu sehen. Die Arbeiter Energie unterstützen, um der Welt das schändliche Schauspiel zu in allen Ländern müssen diesen Vorschlag mit aller ersparen, daß eine angeblich kommunistische Regierung, die im Namen des russischen Proletariats zu handeln vorgibt, gegen­über einem unterdrückten Volke Methoden anwendet, wie sie mur unter Abdul Hamid in der Türkei üblich gewesen sind.

Essen, 11. September. ( WTB.) Gemäßz einem Befehl des gischen Regierung an die Reparationskasse fällig, die sich aus den Stellungnahme in einer angesehenen Zeitschrift zu beeinflussen,

tommandierenden Generals des 32. Armeekorps foll die dritte französische Division, die den Dortmunder Bezirk belegt hat, aus der Bejagungszone herausgezogen werden. Das 24. Infanterieregiment in Recklinghausen soll bis zum 27. Sep­tember abgezogen sein. Für diese Truppen kommen diejenigen Teile des 18. Dragonerregiments nach Recklinghausen , die zurzeit in Dort­ mund

liegen. Die Zivildienststellen, wie Regiebahnen ufw., follen im Recklinghausener Bezir? bis zum 20. Oftober vollständig abgebaut

werden, während der Abbau der Zollverwaltungsstellen vom 15. September ab erfolgt.

Die Amnestie.

Die ersten politischen Gefangenen entlassen. Dortmund , 11. September. ( WTB.) Auf Grund der Verfügung des fommandiererden Generals der Rheinarmee find gestern die ersten politischen Gefangenen entlassen worden. Die übrigen noch in haft befindlichen Personen sehen in den näch­ften Tagen ihrer Entlassung entgegen. Diese erfolgt von Fall zu Fall nach Prüfung der Akten.

Essen, 11. September. ( TU.) In Ausführung der Londoner Bereinbarungen ist auch in Essen gestern mit der Freilassung der politischen Gefangenen begonnen worden. Die Entlassungen, die auch heute fortgesetzt werden, erfolgen in einzelnen Trupps. An hiesiger zuständiger Stelle rechnet man damit, daß mit den etappenweisen Entlaffungen der Gefangenen fortgefahren wird, bis alle in Haft befindlichen Personen auf freiem Fuße sich befinden. Zweibrüden, 11. September. ( WTB.) Die ersten poli tischen Gefangenen sind gestern aus dem hiesigen Gefängnis entlassen worden und in ihre Heimat zumeist nach dem Rhein­und Ruhrgebiet - zurückgekehrt.

-

Der Ertrag der Ruhrbesehung. Baris, 10. September. ( TU.) Das Auswärtige Amt veröffent licht in Beantwortung einer Anfrage eines Barlamentariers eine Statistit über Einnahmen und Ausgaben im Ruhrgebiet während der Zeit vom 11. Janaur 1923 bis 30. Juni 1924.

Franto- belgische Einnahmen:

1. Franko belgische Bargeldeinnahmen.

2. Einnahme der franto- belgischen Eisenbahnregie

3. Noch ausstehende Beträge.

Die Gesamteinnahmen betragen

.

Die Ausgaben sind:

1. Untosten bei der Erhebung der Steuern und Beamtenentlohnung

2. Bestreitung von Kohlentransporten und die dirette Grubenausbeutung

3. Besatzungsuntoften

Gesambetrag

Der verfügbare Ueberschuß beträgt

°

9

Deutschlands Eintritt in den Völkerbund.

Die Entscheidung hängt von Berlin ab. Paris , 11. September. ( Eca.) Der sozialistische Abgeordnete Brumbach beschäftigte sich in einem längeren Genfer Artitel mit den Bedingungen, unter denen Deutschland in den Völkerbund ein treten tönnte. Es stehe fest, daß die Wünsche zugunsten einer 3u­laffung Deutschlands in Genf Fortschritte gemacht hätten, und die Erklärung des französischen Delegierten Paul Boncourt im dritten Ausschuß, in der es heißt, daß auch Frankreich es für not­wendig erachte, daß alle Völker einschließlich Deutschlands dem Böllerbunde angehörten, habe dazu geführt, daß französischerseits dem demnächstigen Eintritt Deutschlands teine Hindernisse entgegengestellt würden. Immerhin frage man fich augenblicklich, wie man es vermeiden könne, daß die interalliierte Militär kontrolle, die augenblicklich in Deutschland stattfindet und die zweifellos in drei bis vier Monaten beendet sein werde, ein Hindernis für die Zu­fassung Deutschlands werde, und mit welchen Mitteln man evtl. die Frage dieser Zulassung noch im Verlaufe der augenblicklichen Tagung lösen könne, ohne die Artikel 8 und 9 des Paktes zu verletzen, die die Abrüftungsverpflichtungen, die den einzelnen auferlegt find, be­treffen.

Man faßt verschiedene Lösungen ins Auge, fchreibt Grumbach , durch welche die Zulassung Deutschlands in einer fürzeren Frist, als man bisher annahm, gestattet wird. Grum­bach meint aber, daß natürlich legten Endes alles von der Ber liner Regierung abhängen werde. Es sei klar, daß, wenn die Reichsregierung die Berwirklichung gewisser Versprechungen, die den Nationalisten und Monarchisten gemacht worden sind, als wichtiger anfehe als den Eintritt in den Bölferbund, und wenn die Reichs­regierung infolgedessen ihre Note über die Kriegsschuld den fremden Regierungen zugehen laffe, fo, wie dies angekündigt 3ulaffung sich ganz anders gestalten werde. Hierüber worden sei, dann sei es flar, daß in diesem Falle die Frage der hätten sich auch Henderson, Benesch und der belgische Dele gierte de Brudere vollkommen einig gezeigt.

verdient schärfste Zurückweisung.

Solange die Frage der Auslieferung Gegenstand von Ver handlungen zwischen den beiden beteiligten Regierungen ist, follten u. E. juristische Auseinandersetzungen über das strittige Problem vor der breiten Deffentlichkeit möglichst vermieden des zu bemerken: Das Asylrecht für politische Verbrecher muß werden. Rein prinzipiell aber ist zu der Angelegenheit folgen­unbedingt gewahrt werden. Aus diesem Standpunkt, der im übrigen selbstverständlich keine Billigung des polis tischen Mordes darstellt, ergibt sich aber von selbst, daß der Flüchtling des Schuh es würdig sein muß, und daß das Asylrecht, das dem politischen Idealisten zusteht, fein schir mendes Dach für den feilen Meuchelmörder sein darf. Nun liegen die Dinge in der Praxis so, daß sich die Grenze zwischen politischem und gemeinem Mord nicht immer haar­scharf ziehen läßt. Es gibt Grenzfälle, in denen ein sogenanntes friminelles Verbrechen mit politischem Einschlag vorliegt. Und in dieser Beziehung ergeben sich gerade im Falle der Erzberger­Mörder sehr interessante Vergleiche.

Ablehnung der deutschen Auslieferungsforderung auf Präze­Die ungarische Regierung beruft sich nämlich bei ihrer denzfälle, bei denen von Deutschland politische Verbrecher nicht der Tisza- Attentäter Lékai- Leitner und Chernyak, die vor an Ungarn ausgeliefert wurden. Es handelt sich um die Fälle übergehend in Deutschland verhaftet waren. Der Bergleich dieser beiden Affären mit der Angelegenheit Schulz- Tillefsen fällt zunächst in formeller Hinsicht nicht gerade so aus, daß die ungarische Regierung darauf stolz sein könnte. Die deutschen Behörden haben in den genannten Fällen vollkommen forrett gehandelt und die Verhaftung sowie die Untersuchung dar­über, ob die Auslieferung statthaft sei, in anerkannt einwand freier Weise durchgeführt. Im Gegensatz dazu haben die ungarischen Amtsorgane jetzt Vertuschungs- und Ver­zögerungsmanöver übelster Sorte angewendet, die einer Vor­fchubleistung an die Flüchtigen fast gleichkommen. Sie haben dächtigen dingfest gemacht, während der andere Gelegenheit mit der Festnahme gezögert und schließlich nur einen der Ber­zur weiteren Flucht erhielt; sie haben ferner die Feststellung der Identität des Verhafteten erschwert und alle möglichen Borwände zur Verschleppung der Angelegenheit gefunden. Erschwerend fällt weiter ins Gewicht, daß der Abgeordnete Julius Gömbös, einer der einflußreichsten Politiker des Landes und persönlicher Vertrauensmann des Staatsoberhauptes ,, die Verfolgten in seinen eigenen Schuh genommen und sie monatelang be­herbergt und verborgen hat. Wie ganz anders ist Deutsch­ Nach fünf Jahren ist es gelungen, in London eine Verständi- fand in den Fällen Lékai- Leitner und Csernyat vorgegangen! 38 900 000 Fr. gung über den Wiederaufbau herbeizuführen. Die Hoffnungen des deutschen Volkes, endlich in friedlicher Entwickelung zu menschen- sondern Mordversuch vor. In sachlicher Hinsicht liegt bei Lékai- Leitner nicht Mord, Der Genannte hat im Oktober würdigen Zuständen zu kommen, werden mehr und mehr von 1918, wenige Tage vor Ausbruch der Revolution, mehrere ernsten Besorgnissen verdrängt. Kaum begonnen, wird Revolverschüsse auf den früheren ungarischen Ministerpräsi­die Berständigung durch die deutsche Regierung bedroht, in- denten Grafen Stephan Tisza abgefeuert, die sämtlich fehl dem sie ebenso unzeitgemäß wie plump die Kriegsschuldfrage zur gingen. 3u einer Auslieferung lag um so weniger Anlaß internationalen Debatte stellen will. Es darf nicht die Aufgabe einer vor, als das Verfahren gegen den Attentäter unmittelbar verantwortungsbewußten Regierung sein, der deutschnationalen nach der Revolution von der ungarischen Regierung selbst Demagogie Vorspanndienste zu leisten. Die Versammlung fordert niedergeschlagen wurde. Bei Csernyat soll es sich um einen von der Regierung völlige und endgültige Abkehr von der unbekannten Soldaten handeln, die am 31. Oftober 1918 jeder nationalistischen Hez- und Katastrophenpolitik. Die Ver- einen Anschlag auf den Grafen Tisza ausführten fammlung fordert ferner, daß die Regierung unverzüglich den Einmit tötlichem Erfolg. Ein Vergleich zwischen der Ermordung Diesmal tritt Deutschlands in den Völkerbund in die Wege Tiszas und dem Morde an Erzberger führt aber zu ganz leitet." anderen Schlußfolgerungen, als die ungarische Regierung an

1588 100 000 Fr.

197 900 000 150 500 000

"

17

1 936 500 000 Fr.

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191 700 000 415 800 000 646 400 000 Fr. 1 290 100 000 Fr.

Zahlung der zweiten Reparationsrate. Wie die Telegraphenunion erfährt, wird die laut dem Londoner Protokoll fällige 3 weite Reparationsrate von 20 Millionen Goldmart noch im Laufe des heutigen Tages an den Agenten für Reparationszahlungen abgeführt werden.

Gegen die Bürgerblockdiplomatie! Breslau , 10. September. ( Eigener Drahtbericht.) In einer fehr start besuchten öffentlichen Versammlung, in der Genoffe Crifpien referierte, wurde folgende Resolution angenommen: