soll sie wertvoll sein, verankert sein muß. Der leistet dem Recht einen schlechten Dienst, der es vor jeder Berührung mit der allgemeinen Politik fernhalten will. Erörterungen ins- besondere zum öffentlichen Recht können erst aus der be- mußten Verknüpfung mit dem Staatsleben, zu dem nun ein- mal die Politik gehört, Leben und Fruchtbarkeit gewinnen. Eine Rechtslehre, die ihre Aufgabe rein dogmatisch auffaßt, baut ihre Deduktionen in den leeren Raum. Sie verkennt ihre Aufgabe, dazu beizutragen, daß die Rechtsgedanken, die sich in der Gemeinschaft nicht nur des einzelnen Volkes, son- dern der Gesamtheit der Nationen entwickeln verstanden und zu Normen, die eine gesunde Entwicklung des Staates und der Nation sichern, geformt werden. Denn darin liegt die größte Kunst des Gesetzgebers, aus dem Verständnis einer Zeit vorausschauend Formen zu schaffen, die dem Leben zur Verfügung gestellt werden können. Dazu verhilft keine Rechtsdogmatik, sondern allein eine soziologisch-politische Ve- trachtungsweise. Und so ergibt sich der Schluß: Rechts- schöpferisch kann nur der sein, der auch politisch denkt. Die Forderung nach Verbindung von Rechts» und Staats- Politik steht keinesfalls in Widerspruch mit derjenigen nach unparteiischer Rechtssatzung und Rechtsprechung. Denn diese kann nur bedeuten, daß nicht die Interessen einer einzelnen Gruppe oder Klasse innerhalb des Staates die Rechtsgestal- tung bestimmen dürfen und daß die Rechtsanwendung nach allen Seiten gleichmäßig erfolgen muß. Den Juristen über die Politik, die durchaus nicht gleichbedeutend ist mit der Politik einer einzelnen Partei, stellen zu wollen, ist entweder eine Heuchelei oder eine ungeheure Selbstüberhebung, gegen die sich wiederum schon Gneist gewendet hat. Auch der Jurist muß in dem Kampf der Ideen, die die Weltgeschichte und das Staatsleben bewegen und die sich nun einmal, solange es Menschen geben wird, Parteien als Kampfformationen schaffen, destimmte Stellung beziehen: Urteilen vor allem kann man in entscheidenden Fragen nur von einem festen Punkt aus, den niemals die Norm als solche, sondern nur eine klare staatspolitische Einstellung abgeben kann. Nichts hat dem Rechte in den letzten Iahren mehr geschadet, als der Nebel von politischer U n k l ar h e i t, der über seiner Schaf- fung und seiner Anwendung gelegen hat. Gesetzgeber und Gesetzesanwender sind von einer Woge des Mißtrauens um- spült. Der Juristentag ist davon noch unberührt und muß mit allen Kräften danach streben, sich diese Stellung zu er- halten, damit sein Votum über die Parteien hinweg sich Gel- tung verschaffen kann. Das aber ist nur möglich, wenn der Geist der Verschleierung, der die 33. Tagung beherrscht hat, verschwindet und einem bekenntnisfrohen Geiste Platz macht, der die Rechtspolitik einstellt in die Richtung einer klaren Staatspolitik. Nur aus der Synthese kann hier wie anderwärts für unsere Zeit fruchtbares geschaffen werden.
tzergt wirb billiger. Aber er läht sich nicht abschrecke«. Gestern morgen hieß es im„Lokal-Anzeiger": Maß- gebenden Einfluß oder Lahmlegung des Parlaments, schwerste Schädigung des Reichs! Gestern abend hatte sich dasselbe Blatt„in deutschnationalen Kreisen erkundigt" und in Ersah- rung gebracht, daß man nicht beabsichtigt, den Rücktritt von Marx oder von Stresemann zu oerlangen, man wünsche nur eine der eigenen Stärke entsprechende Vertretung.•' Mit dem Zentrum sei man für„eine Fortführung der deutschen Politik, die eine friedliche Entwicklung nach außen und eine ruhige Entwicklung im Innern ge- währleistet". Das ist entweder ein Bekenntnis zur Er- füllungspolitik und zur Republik oder eine auf Täuschung berechnete Redensart. In der Frage des Eintritts in den Völkerbund fei man bereit, sich mit der Formel M a c d o n a l d s abzufinden,
daß das Problem der Kriegsschuld sich erst nach 50 Jahren werde lösen lassen. Also Verzicht auf Notifizierung! Ein- tritt in den Völkerbund! Der Flügel der Deutschnationalen, der hier zu Worte kommt, ist bereit, jedes Opfer der Ueberzeugung— oder der Verstellung— zu bringen, um gewissermaßen auf allen Vieren in die Regierung hineinkriechen zu können. Die„Zeit", das volksparteiliche Organ, nimmt zugleich wohlwollend Kenntnis von einem anderen Produkt des Scherl-Verlags, einem Artikel im„Tag", in dem auseinander- gefetzt war, die Außenpolitik der Deutschnatio- nalen sei eigentlich dieselbe wie die der gegenwärtigen Regierung. Gegen die gleich- zeitige Behauptung desselben Blattes, Herr Stresemann arbeite im Kabinett für den Bürgerblock, findet das volksparteiliche Organ bezeichnender Weife kein Wort der Erwiderung. Inzwischen machen sich auch im Zentrum Anzeichen bemerkbar, daß man bereit ist, sich an dem Werk des „Brückenbaues"—„Kuhhandel" darf man ja in diesem Fall nicht sagen— zu beteiligen. Anders läßt sich nämlich ein Artikel des Generalsekretärs der Zentrumspartei . Dr. Hein- rich Bockel, nicht verstehen. Er läuft auf den grotesken Vorschlag einer Regierungskoalition von den Deutsch - nationalen bis zu den Sozialdemokraten hin- aus. Entweder hat sich der Urheber dieses Vorschlags einen Scherz erlaubt oder aber er verfolgt die überschlaue Zlbsicht, die Sozialdemokratie zuerst zu diesem sonderbaren Geschäft einzuladen, um nach ihrer selbstverständlichen Ablehnung nach der anderen Seite hin die Hände freizubekommen. Die Parteien der Mitte, die nach alledem, was vorge- fallen ist, noch bereit wären, sich mit den Deutschnationalen zu verbinden, würden damit den Beweis ihrer eigenen p o l i- tischen Demoralisation liefern. Sie würden z u- gleich den Klassenkampf des Besitzes gegen die arbeitenden besitzlosen Massen proklamieren. Sie werden sich nicht darüber täuschen, wo in einem solchen Kampf die Sozialdemokratie zu finden sein wird.
„wir verkaufen uns nichts Noch eine falsche Prophezeiung Hergts. Herr Hergt ist vom Kriege her als Prophet berühmt. „Die Amerikaner können nicht fliegen, nicht schwimmen, sie werden nicht kommen." Immerhin, Amerika ist weit, und Hergt kannte, wie er heute wohl selber zugeben wird, die Amerikaner nicht. Aber daß Herr Hergt die Deutsch - nationalen nicht kennt, ist viel merkwürdiger. Auch als Künder ihrer Taten ist er von seinem Prophetenunglllck ver- folgt geblieben, wovon sich jedermann überzeugen kann, der seine Reichstagsrede vom 25. August d. I. im stenographischen Protokoll nachliest. Da heißt es: ... Wir sehen im übrigen, unbeirrt durch Drohungen (Lachen), unbeirrt durch Lockungen, allem, was eintreten kann, entgegen. Wir gehen unseren Weg, wie ihn uns unser G e- wissen vorschreibt.(Andauerndes Lachen links.) Ich möchte bei- nahe sagen: Hier steh« ich, ich kann nicht änderst(Stürmisches Ge- lächter und Händeklatschen links.■— Unruhe rechts.— Glocke des Präsidenten.) Mein« Herren(noch links), Sie scheinen kein Per- ständnrs für,, die tiefen, tiefen Sorgen eines Partei Vorsitzenden zu haben.(Lachen und Zurufe.) Ich bedauere� daß Sie sich mit solchem Gelächter über eine solche/, aus dem Herzen kommende Erklärung hinwegsetzen. H«rzensergüsfe scheinen weiß Gott in diesen traurigen Reichstag nicht Hineinzugehören.(Bravo ! bei den Deutsihnakionalen. — Zurufe liicks: Auflösung!) Ja, wir sind auf die Auflösung durch- aus gerüstet. Wir haben die Zuversicht, daß in den weitesten Volks- kreisen unser mannhaftes Einstehen für unser« Glaubenssätze Achtung und Anerkennung finden wird.(Sehr gut! rechts.) Wenn mir um Einfluß, um Aemker, um Regierungssitze hätten buhlen wollen, wenn wir Srippenjäger wären— sageu Sie sich das
doch selbst!— dann hätten wir jetzt unsere Ueberzeugung sehr leicht um solche materielle Opfer verkaufen können.(Zurufe.) Aber wir verzichten darauf aus höchstem Idealismus, aus vaterländischem Idealismus(Sehr rlchkig! bei den Deukfchnatiooaleu, Lachen links). und wenn die Mehrheit des Kampfes müde, das deutsche Recht auf- geben, den Degen einstecken sollte, dann wollen wir als Triarier übrig bleiben(Lautes Lachen und Zurufe links), die später— wir wollen Politik auf weit? Sicht— mit ungebrochenem Herzen und unbeflecktem Schild den Kampf neu auf- nehmen.(Erneutes Lochen links.) Mein« Herren von der Linken, Sie haben darüber gelacht. Am allerwenigsten lassen wir uns durch Vorwürfe, Beeinflussungsoersuche und Verunglimpfungen imponieren, die aus Ihren Reihen gekommen sind.... Ich denke lsier an die Urheber jenes wahrscheinlich von Ihnen als sehr raffiniert ange- sehenen Systems, gegmüber den Deukschnattonalen immer von ihxem Umfall zu sprechen. Sie haben ja vorhin auch immer vom llmfall gesprochen. Heut« steht gar in den Zeitungen:„Der deutschnotionale Vorsitzende ist selber der erst«, der umfällt!" Nun, Sie hoben ja meine Rede gehört,— bitte, suchen Sie in meiner Red«, wie es damit steht.(Lachen und Zurufe.) Der Herr Abgeordnete Dr. H o e tz s ch hat schon seinerzeit hier ausgeführt: Daß es diesen Zw«. spaltsversuchen nicht gelingen werde, irgendwelche Zwietracht und irgendwelche Unstimmigkeiten in die deutschnationalen Reihen zu tragen.... Sie geben das deutsche Recht preis, wenn Sie das Dawes-Gutachten unverändert annehmen. Sieverzichten dadurch aufdiedeutsche Freiheit---- Wir halten es mit dem guten, alten Deutschlandlied: Wir treten«in für Einigkeit, für Recht und für Freiheit.(Stürmischer Beifall und Händeklatschen bei den Deutjchnationalen. Zischen bei den Sozial- demokraten.) Also am 25. August prophezeite Hergt, die Deutschnatio- nalen würden nicht umfallen, sie würden nicht um Re- gierungssitze buhlen, sie würden keine„Krippenjäger" werden. Am nächsten oder übernächsten Tage aber begann Herr Hergt über den Umfall zu verhandeln, um Regierungssitze zu buhlen und als Krippenjäger zu wirken. Er kannte nicht nur die Amerikaner nicht, er kannte nicht nur die Deutschnationalen nicht, er kannte sogar sich selbernichtl
paraöe vor üer Königlichen Hoheit. Kronprinz Rupprecht bei der Reichswehr . München , IS. September.(Eigener Drahtbericht.) In Sonchofen fand kürzlich eine zweitägige Feier der ehemaligen Gebirgsartille- risten statt. Daran beteilig!« sich auch«ine Kompagnie Reichs- wehr, die als Ehrenwache zum Empfang der Gäste am Bahnhof aufgestellt war. Dem eintreffenden Extrazug entstieg ein junger Major a. D. Adalbert, ehemals PrinzvonBayern, und geruhte in Bertrehmg Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen Rupprecht die Front der republikanischen Soldaten abzu- schreiten. Auch den Parademarsch der Kompagnie am nächsten Tag«, zu dem dieselben Truppen wiederum ausrücken mußten, geruhte der junge Major abzunehmen. Aehnliches ereignete sich auch bei einem Fest der schweren Reiter in Landshut , wozu für ebenfalls zwei Fest- tage die 4. Eskadron des Reichsregiments 17 nach Landshut trans - portiert wurde. Hier erschien ebenfalls eine KöniglicheHoHeit, und zwar Rupprecht in höchsteigener Person in der Tracht des Feld- Marschalls, in der er seinerzeit nach Holland geflohen ist. Er b«- schäftigt« sich. natürlich glcjchfalls intensiv mit der vor ihm para» disrenden Reichewehr. Mit Recht fragt sich die republikanische Be- völkenmg in Bayern , wann das Reichsweh rmlnisterium endlich Vor» sorg« trifft, der Benutzung unserer republikanischen Reichswehr als Staffage für erledigt« Fürstlichkeiten ein Ende zu machen
verichttgung. Wir haben kürzlich einen Artikel des Kasieler Demokratischen Stadtverordneten Dr. Häg ermann über den Abbau Scheidemanns zitiert. Dieser Artikel ist nicht im sozial- demokratischen ZeitungSdienst, sondern im demokratischen Zeitung«- dienst erschienen, worauf Herr Dr.Hägermann un» bittet hinzuweisen.
Polen unö Ruften. Konzerkumschau von Kurt Singer . Mit einem einzigen Satz hat sich das Raubtier„Saison" auf uns gestürzt. Das erste Jahr des stabilen Geldes ruft alle auf den Plan, Große wie Kleine. Ein paar sind da, die kommen nur. um sich nach Amerika zu verabschieden. Da Dollarn die Künstler totmacht, und da die Goldmark wieder«in lochendes Gesicht macht, so wird es sich bald nicht mehr lohnen, drüben für deutsche Kunst Pro- pagonda zu treiben. Dann wird dem Startum, diesem Vernichter aller Kunstgemeiuschast, ballt ein Ende bereitet sein. Aber es gibt noch Künstler, die ausharren, seßhast sind und die, leidenschaftlich einer großen Sacke hingegeben, in den Sielen stocken. Herbert Stock war solch seltener Mann. Fleißig, strebsam begabt, immer zur Stelle, besorgt um das Wohl eines Instituts und seiner Kol- legen, Hot er rühmlich an der Staatsoper gewirkt. Sein Baß-Buffo war nicht gerade von höchstem Adel und' von letzter Edcsheit der Schulung, aber gerade in seiner Rauheit geeignet, humorvoll und grotesk zu wirken. Für die groß anzulegenden Partien des Figaro oder Ochs von Lerche nau fehlt« ihm wohl das Lebensformot, in kleineren, für Pointierungen lauter Art geeigneten Rollen, wie den Kezal in der„Verkauften Braut", den Junker im„Schatzgräber", den«Btto von Signa in Puccinis„Gianni Schicchi " brachte er Talent zum Spiel, Sinzlaune, ansteckende Lustigkeit mit. Dem treu arboi- tenden Mann, der so früh starb, sei die Treue der guten Erinnerung gewahrt. Von Liszts Oratorium„D i e heilige Elisobeth" unter Leitung Zander,(mit dem Berliner Bokkschor) hörten wir zu wenig, um urteilen zu können(Schaljapin rief am gleichen Abend). Bei neuen Taten des rührigen Vereins wollen wir uns wiederseheii. Philip? Scharf geigte die Tartinisch« Teufelstrillersonate ohne die notwendige Virtuosenakkuratesse, die Bachsche Giaconn« mit edlem Ton, doch mehr spielerisch als tief. Der Pole Ossep Gabrilo- witsch war einst als Pianist von Weltruf von uns gegangen: jetzt kehrt er als Dirigent wieder. Zugegeben: dos ist ein höchst begabter, kultivierter, technisch überlegener Mann. Muß er das an Beethovens erster Sinfonie beweisen wollen? Er entkleidet sie jeder dramatischen Haltung, differenziert dynamisch kaum Bläser von Streichern, dämpft nicht, schafft kaum Ueberganasnüancen. In dem freudig hingelegten Finale merkt man: er will uns Mozartisch kom- nwn. Aber dafür fehlt ihm zugleich mit dem Stoff die Leichtigkeit der Hand. Streichest er hier die Oberfläche, so dringt er mit der rornantischsn0-Moll-Sinfoni« Schumanns in Mitteltiefen. Den Ge- sang der Romanze gab der technssch viel weniger berufene Hans Psitzner aus ganz anderen Seelensphären heraus. Das Laute in den lebhaften Sätzen übers-t/reit sich leicht. Maßhalten scheint nicht Gabrilowiffchs Force oder Absicht zu sein. Di« Vornehmheit seiner Gesomthaltmig, die Sicherheit seines Stabs, das Temperament des Mustkcmten zwingen streckenweis mehr als Respekt ab. Ein an- deres Programm wird zu anderer Einstellung zwingen. Seine Diel- seitigteit trägt den Keim auch des vielfästigen Könnens in sich. Der Landsmann Bronislaw Hubermann spielt zum Besten der .Kinderspeisung. Ein edler Zweck«rfülst sich hier in edlem Tun. Ein köstliches Ilchrmnen-t gibt Tö»e her vo« bezwingendem Reiz.
silbern gesponnen, sinnlich getönt. Der Slawe verleugnet sich nicht Der erste Satz des Beethooenschen Konzerts leidet fast an einem Zuviel an Tonausdruck: doch bezwingt selbst diese Spieloirwosnät trotz der gar zu äußerlichen Kadenz. Busch und Flesch treffen den klassischen, herben Stil besser. Im Gesangsteil und im Rondo ist wicder estel Schönheit um uns her, und Meyrowch fängt, auch ohne Borprobe, alle Feinheilen des Meisterspiels im Orchester reibungs- los auf. Dem neuen Namen Ashley Pettis möchten wir gern ein Lorbeerkränzchen winden. Es geht nicht. Die Trockenheit und technische Ungemondtheit, di« absolut« Leblosigkeit dieses Schumann, Spiels ist unerträglich. Konservatorium! Urleben und Nawr schwingt sich aus dem Gesang der 36 Don- Kosaken zu uns herüber. Kosaken : das klingt wahrhaftig nach Krieg und Mord, Ritt und Lanzenwurf. Sie singen die Heimat die Liebe und die Sehnsucht Aus kaum einem einzigen dieser stumpfen Gesichter malt sich innere Musik, in diesen Schädeln hat westliche und südliche Gesangs- kultur nicht Platz. Zu der harmonischen Feinheit russischer Kirchengesänge kontrastiert der primitive, oft brutale Klang dieser Männerstimmen sehr reizvoll. Das Auge hängt am Führer Iaroff, der ein leidenschaftlicher Musikant und ein Erzieher zum fcharfg«. schnittenen Rhythmus ist. Schmetternde Tenöre, effektvoll brummende, wie umsponnen« Saiten rasselnde Bäss«: aus Höllentiefe aufgähnend« Melodien, echohast verhallender Wolaagesang, natura- lfftische Imitation von Marsch und Pferdelauf; Bekreuzigung und Kmefall in der Kirche: das find die elementaren Stimmungen dieses Chorgesangs, In vollendeter Einheit wird selbst ein Drücken, Rollen, Zücken, Grollen des Tons Kunst. Eine Rebellion, die wundervoll im Decrescendo in sich selber zusammen-knickt. Rußland singt Herrliches Bekennwis der einst so ge fürchteten, kriegs frohen Kosaken:„Ich bete an die Macht der Liebe." Ist's ein Wandel der Well? O holde Kunst ich dankte dir!
„Sie wollen Journalist feln!� Zum 1. Oktober erscheinen unter dem Tttel„Aus meinem Leben" im Verlage Grethlein u. Co., Leipzig und Zürich , die Er- innetungen von Adolf Damaschke , dem bekannten Boden- reformer, in denen er von seiner Jugend in Berlin erzählt, von den sozialen Kämpfen der lSSster Jahre, von den Anfängen und der Weiterentwicklung der Bodenreform, die in ihm später ihren Führer fand. Wir sind in der Lage, unseren Lesern schon heute«ine kleine Probe aus dem Buch mitzuteilen,«ine Erinnerung an Franz Mehring , den damaligen Chefredakteur der Berliner „Volks- z e i t u n g", deren Mitarbeiter Damaschke war. Die Zeitung— schreibt Damaschke — war aus dem Besitz der Familie Duncker in den einer Aktiengesellschaft übergegangen. Die Mehrheit der Aktien besaß zu meiner Zeit«in Herr Cohn. Ich hörte in der Redaktion oft Worte des Bedauerns über das Schicffal der Erben der alten Gründer und Leiter des Blattes. Auf die Aktien der„Volkszeitungsgesellschaft", von denen sie ja immer noch«inen großen Teil besaßen, wurde häufig keinerlei Gewinn ansgeschüttet, wähvend die uns beliefernden Papierfabriken, an denen zufällig auch
Herr Cohn beteiligt. war, sich stets über gute Ergebnisse freuen durften. Ich fand wenig Wohlgefallen vor den Augen des Herrn Cohn. Ein Mitarbeiter, wie ich, der ja nur in der von der Schul« freien Zeit in der Rodoktion sein konnte, erhielt für«inen Leitauffatz 15 M. Sonderhonorar. Als ich an einem Wochenschiuß 4ö M. forderte, schüttelte Herr Cohn, der selbst an der Kasse faß. miß. billigend sein Haupt:„Viel Geld!" Ich antwortete:„Sie meinen wohl— viel Arbeit?" Zuerst war es die Berichterstattung über wichtige Tagungen, die ich in ihrem Wert erkannte. Ich hatte es übernommen, üb-r «in« bedeutsame Versammlung bei„Buggenhagen" am Moritzofatz einen kritischen Bericht zu erstatten. Ick, wohnte der Versammlung bei. Noch vor Schluß warf ich mich in eine Droschke und jagt« noch der Redaktion in der Lützowstrah«, Mehring empfing mich mit einem spöttischen Lächeln:„Hm, jetzt bringen Sie den Bericht?" „Nun," sage ich,„ich will ihn jetzt schreiben." „So spät? Der Bericht ist schon seit zwei Stunden hier." Ich starrte ihn an. Er aber gab mir lächelnd einen Bericht, der ganz lesbar war. Di« Berichterstatterfirma hatte einfach die Tages- ordnung genommen und sie zu einem„objektiven" Berichte umge- arbeitet. Die Vorträge waren„anregend", die Stimmung war„gut". di« Reden„fanden Beifall".— Fertig! Daß dabei einmal«in Redner erwähnt wird, der im letzten Augenblick durch einen anderen ersetzt werden mußte, war unerheblich. Franz Mehring blieb in der Regel dem Vereins« und Verfamm. lungsleben fern. Ihm, den, großen Meister des schriftlichen Aus- drucks, war jcde Redegabe versagt Die Fülle von Kenntnissen, über die er frei verfügte, setzt ernste und strenge Arbeiten voraus. Aber die kleinen, wenn auch notwendigen Tagespflichten des Redakteurs langweilten ihn oft. Wenn er nachmittags Dienst hatte und ich mit ihm allein in der Redaktton faß, batfa er wohl ein« größere Arbeit vor, und ich mußte die Zeitung füllen. Ein« solche Zeitungsfüllung läßt sich nicht genau voraussehen, denn ihr Umfang wird naturgemäß im letzten Augenblick bestimmt durch den An,faigent«il. Der Grund« satz gilt wohl für jede Tageszeitung: Lieber die geistreichste Nottz zurück als ein bezahltes Inserat! Eines Nachmittags kam der Faktor aus der Druckerei in aller Eil« und erklärte ziemlich ungeduldig, die Zeitung müsse abgeschlossen werden und es fehl« immer noch Vb Spalt« Text Ich Neuling sah hilflos zum Meister auf, fand aber keinerlei Mitgefühl. Mehring lachte:„Sie wollen Journalist fein und können sich nicht helfen? Schreiben Sie schleunigst«inen interessanten Brief aus Kanada , Afrika oder Australien . Hier haben Sie ein paar Nummern der„Frankfurter Zeitung ". Aber schnell, Sie sehen, di« Maschinen warten." Da galt«s denn, die Zähne zusammenzubeißen und zu schreiben, und zwar einen Stist der Gnade vor den Augen eines Franz Mehring fand.
Goethe im Urteil Metternichs. Es sind jetzt gerade hundert Jahre vergangen, daß G-eche an den Fürsten Metternich, den all- mächtigen österreichischen Minister«ine Eingab« richtet«, in der er die Bitte aussprach, daß seinen Werken in Oesterreich Schutz g«gen m, berechtigten Nachdruck gewäbrt werde. Sein Gesuch wurde auch erfüllt, und der Olympier beeitt« sich, Metternich wff überschwäng-