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1« Heilage öes
wanüerziele. kreuz an diese Schiacht steht linker Hand der Straße, bei Kilometer- stein 35,6. Das Rhinluch mag in früheren Zeiten ähnlich beschaffen gewesen sein wie das Havelländische Luch. Auch hier werden undurch- dringlich« Sümpfe gewesen sein, die nur an einigen Stellen, wie beim Kremmer Damm, überschritten werden konnten. Gegen End« des 18. Jahrhunderts wurde der Ruppiner Kanal angelegt, der vom Rhin   im Westen von Kremmen   durch den Kvemmer See, den tiefsten Teil des Rhinluchs, zur Havel   nördlich von Oranienburg   führt. Hauptsächlich dient« der Kanal dazu, den im Rhinluch gewonnenen Torf auf dem Wasserwege nach Berlin   zu schaffen. Wir überschreiten
Im Luch
den Ruppiner Kanal, kommen an dem Denkmal vorüber und gelangen zur Langen Horst, einer Erhebung, die sich etwa 2 Kilometer weit gen West erstreckt. Wir können diese bewaldet« inselarlige Landerhebung inmitten des Luchs umwandern. Weit reicht von hier der Blick über die eben« Wiesenfläche des Luchs. Im Norden sehen wir die Dörfer Sommerfeld   und Beetz; gen West ver- schwinden die begleitenden Uferränder der Niederung. Das Rhin  - luch bildet einen Teil des Eberswalder Urstromtals, das im Norden von der Hochfläche des Ruppiner Landes   und im Süden von der des Glien begrenzt wird. Auch die Lang« Horst zeigt Spuren vom Menschen der vorgeschichtlichen Zeit. Einigen Wandergenossen ge- lang es, Geräte aus Feuerstein   hier zu finden, die auf ein Alter von etwa 6 Jahrtausenden zurückblicken, und sie der wiss-nschastlich-n Bearbeitung zugänglich zu machen. Bon der Langen Horst kommen wir nach Sommerfeld  , einem großen Dorf am Nordrand des Luchs. Wir oerlassen den Ort in östlicher Richtung auf der Chaussee nach Hohenbruch, die dicht am Luch entlangführt. Bei Johannis- t h a l wenden wir uns gen Süd, quer durch das Luch noch Döringsbrück. Hier überschreiten wir wieder den Ruppiner Kanal und wandern nur am Rande von Wald und Luch nach Der- l o r e n o r t. einer Siedlung, die in stiller Verlorenheit liegt, um- geben von Wald und Luch und ihren Namen zu Recht trägt. Wohl selten hat ein Ort«inen trefflicheren Namen erhalten als hier. Ver- lorenort! 5)ingestreckt am Waldesrand sdjauen wir über das Luch, über dem wohl einig« Segel ziehen, hin zu den fernen Kirchtürmen im Ruppiner Land  . Gen Süd wandern wir durch den schönen'' Kiefernwald auf demHeuweg" zur Straße nach Kremmen  , der wir in westlicher Richtung folgen. Linker Hand der Straße ziehen sich Hügel hin, Dünen, die in dem sandigen Gelände des Urstromtals am
Sonnabenö, 2S. September 1924
Ende der Eiszeit zusammengeweht wurden und sich in der Ost-West- Richtung des Tals zu langen Zügen aneinanderreihen. Wandern wir auf dem Kamm dieser Dünen entlang, so sehen wir, daß ihr Abhang gen Südwest einen bedeutend flacheren Böschungswinkel zeigt als der entgegengesetzte Abhang. Wir dürfen daraus schließen, daß es südwestliche Winde waren, die den Aufbau der Düne veran- laßten. Am Kremmer Schützenhaus erreicht der Wald sein Ende. Wir wandern wieder durch die Stadt Kremmen  , dessen Kirchturm vor einigen Jahren vom Blitz zerstört wurde, zum Bahnhof zurück. An der Ueberführung der Nauener Bahn ist ein mannshoher Find- lingsblock aufgestellt worden, der beim Bahnbau im Jahr« 1911 gefunden wurde. In sinnreicher Weise hat man ihn als Ortstafel verwandt.(Wegläng- etwa 25 Kilometer.)
Der springende Serg. Auch in der Umgebung Berlins   kann man, wenn man Glück hat, Zeug« eines sogenanntenBruchsturzes" werden, wie sie m den großen Bergwerken zu den Alltäglichkeiten gehören. ImGeologi- sehen Wanderbuch" für die Umgebung Berlins   findet sich folgende Schilderung aus den Brüchen von Rüdersdorf.  ... In den schmalen Stollen, auf deren Grund« sich holzüberdeckte Wasserrinnen hinziehen und von denen die meisten bereits mit Schmalspurgieisen nersehen sind, erblickt man hie und da Arbeiter beim Anbohren der bereits auf das normale Maß geschwächten Pfeiler beschäftigt. In einen jeden werden zehn tiefe, etwa 2 3 Zoll weite Löcher gebohrt, von denen jedes später 1 Kilo Puloer aufnehmen wird. Zum Bruch- stürz bestimmt man ein Feld am äußeren Abhang, das je nach dem Bedarf sechs bis zwölf Pfeiler breit und zwei Pfeiler tief ist, also eine Felsmasse von 200100 Quadratmeter Fläche und 25 Meter Höhe umfaßt. Jeder Pfeiler dieses Bruchfeldes ist bereits gebohrt und mit seiner Ladung von 20 Pfund Pulver gefüllt, an jeder Mine liegt bereits der Zündjjaden, die Mannschaften werden unter der Leitung des Obersteigers verteilt, und die Zündung kann beginnen. Diese Leute, die je nach der Größe des Bruchfeldes 150 300 Mann, sind so verteilt, daß sich zehn Knappen an jedem zum Sturz be­stimmten Pfeiler befinden. An jedem Bohrlochs steht ein Mann mit brennender Lunte. Nun herrscht erwartungsvolle Ruhe, warnend erklingen die Töne der Signalglocke, und alles, wgs sich außer den Zündern in der Nähe des Platzes befindet, eilt schleunigst davon. Selbst die Kähne, welche aus den hundert Schritt« entfernten Kanä- len liegen, weichen zurück. Unheimliche Stille lagert nun vor d-n drohenden Felsmassen, die in den nächsten Minuten zum krachenden Sturz gezwungen werden sollen. Nun ertönt das Kommandos Achtung!" Der Obersteiger überzeugt sich durch Frage, ob alles am Platze, noch zehn Sekunden Stille dann folg! das Koni- mando:Brennt!", und die Katastrophe ist beschworen. Wie der Blitz in sein Opfer, so fährt jede Lunte an ihre Zündschnur, und fast im gleichen Augenblick beginnt auch schon die rasend- Flucht der Scharen, die im Laufichritt dem Freien und der Sicherheit zu- eilen. Zwei Minuten haben sie Zeit, denn so laqge bedarf dos Feuer, um längs der Zündschnur das Pulver zu erreichen. Zuletzt. nachdem auch der letzte seiner Getreuen in Sicherheit, verläßt der Obersteiger den Ort. Zwei Minuten sind verstrichen, da kracht der erste, da krachen auch schon zehn, schon zwanzig Schüsse. Schlag auf Schlag donnern innerhalb dreißig Sekunden Hunderte von Detonationen mit einer Hestigkeit, daß die Erds b:bt. Aus den Pfeilergangert wälzt sich d-r Rauch, sprühend- Blitze durchzucken den wollenden Nebel, Steinmasscn durchfliegen die Luft und stürzen bis in die Kanäle und plötzlich, oft noch während der krachenden Detonationen, bricht unter unbeschreiblichem Eelöse die Felsmasse in sich zusammen, ein Bild der Verwüstung und des Schreckens..." Am Anti-Kriegskag, Sonnlag, den 21. September, vsraustallct der Internationale Gewerkschaftsbund bekanntllick q r o ß e� K u n d g e b u n g e n. Wir geben noibmalS die Tagungs  - lokale für Berlin   bekannt: 1. Viktoriaqartcn. Wilmersdorf  , Wil- helmSaue: 2. PharuSsäle, Berlin   dl, Müllerstraße: 3. Alhambra  , srüber Kellers Festsäle, Berlin   O. Koppenstraßc: 4. Koilsgarten, Neukölln, Karlsgartenstraße. Tie Kundgebungen beginnen um 10 Uhr vormittags.
Nr. 444» 41. Iahrgaag
Sonntägliche Der Sommer scheidet, der Herbst naht! Die Sommerfäden ziehe» durch dos Land, der Altweibersommer ist da! Klar und mild leuchtet die Septembers onnc: den letzten warmen Strohlengruß sendet sie, ehe sie hinabtaucht in die Eisnacht des Winters. Jetzt ist es die recht« Zeit, um die weiten Luchebenen der Heimat zu durchwandern. Bis nah« an die Tor« der Reichshaupfitadt erstrecken sie sich, die in großen Teilen Nordwestdeutschlands meilenweite Moore   und Wiesen bilden. Das havellänüijche Luch. Vom Lehrter Houptbahnhof fahren wir mit den Vorortzügen der Hamburger Bahn nach Nauen  . Wir wenden uns vom Bahn- Hof sogleich nach Norden, auf den Weg nach Börnicke, dem wir etwa Stunden folgen. Nach dem Verlassen eines schmalen westlichen Ausläufers der Nauener Stadtforst, kurz vor dem Gelände der Tele- funkenstation, wandern wir von der Straße auf dem Nauener Damm links ab. Der Damm führt durch das Kleine Teufelsbruch gen Nord- west bis zum Dreibrücken-Krug. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde das Land urbar gemacht. Die angestellten Untersuchungen ergaben, daßdie Anlage von Entwässerungsgräben möglich, das Werk der Urbarmachung also tunlich sei und dem Lande großen Nutzen bringen werde. Dann könnten in dieser Gegend einige Kuhmelkereien angelegt werden, dergleichen hier zu Lande noch nicht vorhanden wären". Vor der Urbarmachung war das Havelländische Luch eine Wildnis, durch die nur wenige Dämme und Wege führten. Der Nauener Damm war in jener Zeit so schmal, daß nur drei Menschen zu Pferde nebeneinander reiten konnten; rechts und links versank alles im Morast. Wo jetzt fruchtbar« Dorffluren und üppige Wiesen sind, war damals olles struppiges Sumpfland, in dem noch bis in das 18. Jahrhundert Wölf« vorkamen. Mit der Entwässerung des Luchs allein war es nicht getan; neu« Ortschaften und Siedlungen wurden angelegt, um das gewonnene Ackerland zu bebauen und die Viehhaltung zu ermöglichen. Zu ihnen gehören Dreibrückcn und Herlefeld, das wir auf dem vom Dreibrückenkrug in süd- westlicher Richtung abgehenden Berger Damm erreichen. Diese Sied- lungen liegen auf einem etwas höheren, sandigen, oft bewaldeten Platz inmitten der feuchten Niederung. Solche Stellen werden Horste genannt, und oft hat die Siedlung davon ihren Namen erhalten, wie Königshorst  . Kuhhorst u. a. Hertefeld wurde um 1724 gegründet; es erhielt feinen Namen zu Ehren des Oberjägermeisters von Hertc- feld, der die Urbarmachung des Luchs ausgearbeitet hatte und die Arbeiten leitete. Am Dahnhof Berger Damm der Hamburger Bahn vorüber kommen wir noch dem Dorf Berge. Wir haben die Hoch- fläche erreicht, die das Südufer des Berliner   Urstromtals und somit auch des Havelländischen Luchs bildet. An ihrem Rande führt die Chaussee gen Ost über Lietzow nach Nauen   zurück. Vom Wege schauen wir weit in das Luch hinein, über dem die abendlichen Nebel oufiteigen. Ein Gang durch die Stadt bringt uns zum Vabnhof. Weglänqs etwa 26 Kilometer. Bei der Rückfahrt von Derger Damm wird die Fußwanderung um 9 Kilometer, bei der Rückfahrt von Berge(Kleinbahn) um 7 Kilometer verkürzt. Durch öas Nhinluch. Wir fahren vom Stettiner Vorortbahnhof über Tegel   und Velten nach Kremmen  . Der Bahnhof liegt am Nordrande des Ländchens Glien, das das Rhinluch im Süden' begrenzt. Der Weg führt zur Stadt hinab, die bereits im Tal liegt. Kremmen   wird erstmalig 1217 in einer Urkunde angeführt und schon als ein bekannter Hauptort des Landes Glien bezeichnet. 1298 wurde der Ort zur Stadt erhoben. Sicherlich bestand hier schon in vorgeschichtlicher Zeit eine Siedlung; denn dos Rhinluch verengt sich nördlich der Stadt, so daß hier ein leichteres Ueberfchreiten d:s Luchs möglich war. Auf das Bestell«» des Ortes in der Wendenzeit(vor 1150) deutet die noch heute erhalten gebliebene Bezeichnung eines Teils der Stadt als Kietz hin. Wir verlasien Kremmen   durch die Ruppiner Straße und kommen zum Kremmer Damm. Dieser Damm bildet« wahrscheinlich auch schon in der vorgeschichtlichen Zeit den Uebergang über das Luch. Di« Chronik berichlet von einer Schlacht am Kremmer Damm, die 1334 zwischen den Brandenburgern und den Pommern   entbrannt«. Eine zweite Schlacht fand hier 1412 statt, ebenfalls zwischen den Brandenburgern und den Pommern  , die von den Ouitzows herbei- gerufen waren, um den Kurfürsten zu vertreiben. Ein Erinnerung?-
Die Familie Frank. Roman von Martin Andersen Rexö. Es war, als fielen von ihren Gliedern scharfe Krallen ab. Bogelscheuche! Zankteufe! Verrücktes altes Weib!" Alle diese Schimpfworte hörte sie wieder vor ihrem Ohr, nachdem sie sie zuletzt selber mit einer gewissen Wollust übernommen hatte. Aber sie ertönten nur, um zu verklingen; alles, was zu diesem Namen gehörte, streifte sie von sich ab wie haß- liche Schlangenhäute. So! So! Mit geschlossenen Augen lag sie da und lächelte bei dem Fall jeder Haut. In ihrem Innern brach es auf, schwindelnd warm und weich, und nun löste sich die Magerkeit selbst als die allerletzte Hülle und fiel ab. Und ihre Glieder schwollen, die Brüste füllten und spannten sich, singend und erregend durchrieselte sie das Blut und erfüllte sie mit Wohlbehagen vom Kopf bis zur Zehe, mit summender Freude über das Leben selbst. Ja, leben: jung, blutreich, kräftig, mit vollen Formen, voll Begehren und begehrenswert! Die Sonne schien auf den großen Brauerei- und Acker- bauhof: selbst in ihrem Spiel auf den kleinen Wasserpfützen und ihrem Geflimmer auf dem Pflaster war Lachen und Froh- sinn. Die Eimer sangen, sobald man sie berührte, und ihr reiches Haar, das sie in Scham und Gram ausgekämmt und zum falschen Zopf beiseite gelegt hatte, es stand wieder um ihren Kopf in blondem Gebrause, fiel in sonnenleuchtenden Wirbeln vor ihren Augen herab. Die Knechte machten sich um ihretwillen aus einfältigem Anlaß in Küche und Brauerei zu tun. und sie hatte ihre Not damit, sie sich vom Leibe zu halten. Namentlich war es nicht leicht böse zu werden, wenn sie von hinten kamen, während sie nichts Arges oermutete, sie um die Brüste faßten und kitzelten, so daß sie laut hätte lachen müssen, wäre das andere nicht anständiger gewesen. Am zudringlichsten war der neue Karl Jonas Paulsen, der von der anderen Seite der Insel kam weil er zu Hause vor seinen alten Bräuten keine Ruhe hatte, sagte man. Er war ein Staatsbursch, ausrecht und breifichultrig; die Mütze hatte er schief ruf dem Kopf, seine Bluse umschloß einen runden, roten Hals und pralle Handgelenke; und Schulterblätter und Muskeln zeichneten sich klar und üppig miter der dünnen Sommerlleidung ab. Selbst der Klang
seiner 5)olzschuhe unterschied sich von dem der anderen; und wenn er über den Hofplatz ging, stürzten alle Mädchen ans Fenster. Ihre gute Freundin, die schmächtige, dumme, unansehn- lich? Kristine, die ihn bekam, schnappte ihn allen anderen vor der Nase weg! Madam Frank mußte lächeln sie verstand es noch nicht.' obwohl so viele Jahre seitdem verflossen waren, wie sie jene Niederlage hatte erleiden können. Aber der Brauer und Ackerbauer Dam selber, der sah sie mit solchen Augen an, daß alle Mädchen neidisch wurden und er hatte doch eine schöne Frau und verkehrte mit allen den vornehmen Damen. Wenn er sie ansah, mußte sie lachen, es ging nicht anders, so warm wurde ihr dabei im Halse. Und wenn er sie bc- rührte, bedurste sie all ihrer Ehrbarkeit. Aber Spaß machte es! Und gefährlich war's... pah, so ein Ehemann! Sie hatte ihm denn auch ihrem eigenen Brotherrn eins um die Ohren gegeben. O, wie deutlich sie sich an alles erinnerte. Aber daß er nicht wütend über die Ohrfeige wurde und sie fortjagte das verstand sie nicht. Dann war er ins Städtchen gekommen, der feine Schneidergesell Elias Frank aus Kopenhagen  , und alle Mäd- chen schwärmten für ihn, wie für Jonas Paulsen. obwohl die beiden einander durchaus nicht ähnlich waren. Er hatte auf dem Waldfest mit ihr getanzt auf eine ganz neue Art, ver- kehrt herum, was keins von den anderen Mädchen konnte, nicht einmal Kristine, obwohl sie die Braut des Jonas Paulsen war. Aber sie selber hatte es gleich gekonnt, und dann hat.»: er sie traktiert, und sie hatten sich verlobt. Aber was für einer Elias Frank war! Keine Rede davon, daß er sie anrührte, obwohl er es ja durfte vor Gott   und den Menschen, da sie ja heiraten wollten. Ihm fiel's nicht einmal auf, wie gut sie gewachsen war. Ein Spaziergang über die Straße, Arm in Arm, am Sonntagnachmittag, um die schönen Kleider zu zeigtn, das war alles./ Denn Kleider waren das einzige, wofür er Sinn hatte. Sie hätte ebenso gut ein Besenstiel sein können, der hübsch angezogen war! Und wie dumnr und hölzern er sich benahm, wenn sie oersuchte, Leben in ihn zu bringen! Hatte sie ihn endlich so west. dann kamen seine Liebkosungen wie auf Bestellung,
genau als nähme er Maß für einen Anzug. Aber er trank schon damals gern, obwohl er nicht dem Trunk verfallen war. Madam Franks Mundwinkel zuckten bitter, auf ihrer Lippe schwebte ein Wort, das sie oft gebraucht hatte: Schlapper Kerl! Dann lieber, wenn es schon sein mußte, Jonas Paulsens Braut, mit rotgeweinten Augen und die Hände unter der Schürze. Schon damals war es ihr schwer geworden, die Vcrach- tung zu unterdrücken, und sie hatte Trost suchen müssen in der Erklärung, daß die Männer in seiner Heimat wahrschein- lich alle so seien. Seitdem sie sich aber mit dem fixen Kerl, dem Schneider- gesellen Elias Frank, verlobt hatte, war sie lange nicht mehr so widerstandsfckl)ig gegenüber den zärtlichen Annäherungen ihres Brotherrn: und daran war er schuld, der erbärmlich? Wicht. Konnte sie vielleicht etwas dafür, daß sie ein Mensch war und nicht vom Mondschein zu leben vermochte? Aber schlimm war es trotzdem alles das, was diese Sache nach sich zog. Denn nun kamen die Folgen und die Aussicht auf einen Skandal, und der Brauer gab ihr einen kleinen Wink. Der Schneidergeselle Frank mußte einmal aus feiner Unfähigkeit hervorsteigen und sich so weit als Mann erweisen, um den kleinenFehltritt" begehen zu können, der notwendig mar, damit die Situation sich retten ließ. Früher hatte Madam Frank ihr damaliges Verhalten stets bereut, selbst wenn sie am aufgebrachtesten gegen ihn war, hatte es als Betrug angesehen; jetzt dagegen neigte sie trotz ihrer sanften Stimmung zu der Ansicht, daß sie in ihrem guten Recht gewesen sei, und daß er die ganze Schuld trage. Vielleicht nicht mit Bezug auf den Betrug selbst, in diesen: Punkt war sie ein wenig unsicher; aber was die Untreue be- traf, so hegte sie keinen Zweifel. Was hatte er sich denn mit Frauen abzugeben! Er hätte sich an die Flasche halten können, jawohl, dann hätte keiner von ihnen sich verbrannt. Und wie erbärmlich hotte er sich verhalten! Zuerst hatte er sich gewunden wie ein Wurm und nach allerhand Aus- flüchten gesucht, ja er war schon nahe daran gewesen, ein ärztliches Attest für feine Unfähigkeit beizubringen. Obschon er wohl wissen mußte, daß er sie damit zugleich selbst beschul- digte. Aber sie war auch ernstlich zornig geworden. Und hernach, als der Brauer mit liebevoller Nochsicht die Hand auf seine Schuster legte, da prahste Frank damit, er sei Manns genug, die Folgen auf sich zu nehmen, und spielte sich geradezu aus.(Fortsetzung fertgt)