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fie.446+ 41.Jabegong Ausgabe A nr. 227

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

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Sonntag, den 21. September 1924

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Friede, Völkerbund und Internationale.

Zum Kampf gegen den Krieg.

Wenn wir absehen von fonfusen Jünglingen und ge­wiffenlosen Verbrechern, die hoffen, sich durch Raub und Mord zu bereichern, will heute alle Welt den Frieden, bangt jedermann vor dem Krieg. Und doch taucht immer wieder das Gespenst eines neuen Krieges auf, der uns droht, ob wir wollen oder nicht. Die Logit der Tatsachen ist eben stärker als unsere Wünsche.

Die Kriegsgefahr von heute ist eine Folge der Friedens­schlüsse von gestern. Seit jeher irug jeder Gewaltfriede den Keim zu neuen Kriegen in sich. Das gilt heute mehr denn je. Denn die letzten Friedensverträge wurden von den Siegern den Besiegten, nicht nur diftiert, ohne diese anzu­hören, sie regelten auch eine solche Fülle der mannigfachsten Berhältnisse, wie fein Friedensvertrag vorher. Die Sieger, noch verblendet vom Kriegsrausch, aufs äußerste unwissend über die Berhältnisse in den Ländern der Besiegten, viel­fach auch getrieben von furzsichtigster Demogogie, haben ein Werk geschaffen, das weit mehr Gegenfäge und Probleme hervorrief, als es aus dem Wege räumte und daher zu un­erträglichen Verhältnissen führte, die dem Sieger nichts nüßten, die Besiegten zur Berzweiflung trieben und sogar Differenzen zwischen den Siegern selbst hervorrufen mußten. Daher die erschreckende Erscheinung, daß Kriegsgefahr jetzt schon wieder auftaucht, lange bevor die schweren Wunden des legten Krieges vernarbt sind. Mit größter Energie wenden sich die Arbeiter aller­orten gegen diefes entfeßliche Gefpenft. Das stärkste Mittel, mit dem sie es zu bannen fuchen, ist der Entschluß, durch einen Maffenstreit einen ausgebrochenen Krieg im

neue

Die Absicht ist eine höchst begeisternde. Aber auf die Ge­fahr hin, mich unpopulär zu machen, muß ich gestehen, daß ich heute an der Wirksamkeit des Mittels, wenn für sich allein angewendet, ebenso zweifle, wie ich vor dem Krieg von 1914 im Gegensatz zu vielen meiner Freunde, nicht nur Rosa Luxemburg , sondern auch Jean Jaurès , Baillant ,. Keir Hardie , daran zweifelte.

Das Mittel fönnte erst zur Anwendung kommen, wenn es zu spät ist: ist einmal der Krieg ausgebrochen, dann er­faßt die Kriegspanit die Massen, dann werden fie ganz von dem einen Gedanken beherrscht, die feindliche Invasion, die eigene Niederlage zu verhindern. So war es 1914 und so würde es wahrscheinlich wieder sein.

Besitzen wir nicht die Kraft, die Politik zu hindern, die zum Kriege führt, dann vermögen wir auch nicht, ihn selbst zu hindern. Unsere Abwehr muß lange vor dem Kriegsausbruch, nicht erst nach diesem einsetzen.

Der Massenstreit zur Abwehr des Krieges ist aber auch darin unvollkommen, daß er im besten Fall Kriegshandlungen lähmen tann, nicht aber den Gegensaz aufzuheben vermag, der den Konflikt hervorruft. Und das zu bewirken, ist die Hauptsache.

Bir müssen uns vor allem fragen: Wie ist es möglich zu verhindern, daß Gegenfäße zwischen den Staaten auftauchen, und zu bewirken, daß, wo solche trotzdem emportommen, fie durch andere als friegerische Methoden überwunden werden? Wir müssen trachten, den Krieg überflüssig zu machen. Dann ergibt sich seine Verhinderung von selbst..

Das fann nicht durch den proletarischen Massen ftreit geschehen, sondern nur durch einen zweckmäßig einge­richteten Bölferbund.

Der im Bertrage von Versailles 1919 eingerichtete Bölter­bund wurde anfangs vielfach, nicht nur von Reaktionären, sondern auch von Sozialisten, mit Geringschäßung und Miß­trauen betrachtet. Trotzdem hat er an Bedeutung und An­sehen von Jahr zu Jahr gewonnen, obwohl die an ihm geübte Kritik sehr berechtigt war.

Er litt vor allem darunter, daß er ein Werk der Sieger von 1918 war, das der Welt von ihnen im Diftatfrieden von Bersailles auferiegt wurde, dessen Zustandekommen einen Hohn auf die Idee eines Bölkerbundes darstellte. Der Bund gebärdete sich in seinen Anfängen auch dementsprechend bloß als Werkzeug der Sieger. Die Vereinigten Staaten blieben ihm fern, weil sie von ihm nicht die Herstellung eines dauernden Friedenszustandes, sondern neue Berwicklungen er warteten. Die russische Sowietre publit verlangte nicht nach Frieden, sondern nach Krieg, allerdings in erster Linie nach dem Bürgerkrieg in ganz Europa . Deutsch land war vom Bunde zunächst ausgefchloffen und nicht ge= neigt, ihm beizutreten, solange eine geschloffene Front der Sieger ihn beherrschte.

So ist der Bölferbund bisher ein Rumpf geblieben und schon dadurch darin behindert, feine Aufgabe vollständig zu erfüllen alle Gegensäge zwischen den Nationen in fried­

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licher Aussprache aus dem Wege zu räumen oder durch einen objektiven Schiedsspruch erledigen zu laffen. Heute haben die Hindernisse aufgehört, die Deutschlands Beitritt zum Bölker­bund verhinderten. Nur dessen Nationalisten stehen dem noch im Wege. Deutschlands Beitritt dürfte Amerita ermuntern, ihm zu folgen. Damit wäre eine große Lücke im Völkerbund ausgefüllt.

Dieser leidet jedoch auch daran, daß er bisher bloß ein Bund der Regierungen ist, nicht der Völker. Es ist demgegenüber auf die technische Unmöglichkeit hingewiesen worden, ein Völkerparlament direkt zu erwählen. Das ist richtig. Aber das Völkerparlament könnte noch auf anderem Wege zustandekommen, auf dem Wege indirekter Wahl durch die Parlamente der einzelnen Staaten. Das wäre nicht das­selbe, wie die Erwählung der Delegierten durch die Regie­rungen.

Schon vor drei Jahren, im September 1921, fchrieb ich darüber in meinem Borwort zur deutschen Ausgabe des Buches des Professors Gilbert Murray über Probleme der Außenpolitik", in dem ich für den Völkerbund eintrat:

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,, Eine direkte Wahl der drei Abgeordneten, auf die jede Nation Anspruch hat, dürfte faum zweckmäßig fein. Es würde genügen, wenn sie vom Parlament des Staates nach Proportionalwahlrecht gewählt würden, so daß aus jedem Lande seine größten Parteien im Bunde ihre Bertretung fänden, also auch die Sozialisten in manchem heute bürgerlich regierten Staate.

Würde dann noch die Bestimmung beseitigt, daß jeder Staat nur eine Stimme hat, bürfte jeber der drei Vertreter nach seiner Ueberzeugung reben und stimmen, dann hörte die Geschlossenheit der einzelnen Nationen im Bunde rasch auf, und das ist höchst wichtig für die Annäherung der Nationen."( S. 23/24.)

In einer jeden Regierung lebt der Drang nach Erhaltung ihrer Souveränität. Bleibt der Bölkerbund eine Bertretung von Regierungen, dann besteht die Gefahr, daß er nichts wird als ein riesiges Intrigenneft, in dem jede Regierung um die Gunst der anderen buhlt, um ihre eigenen Sonderzwecke durchzusetzen.

Wählen dagegen die Parlamente die Delegierten, dann werden sich die Vertreter der verschiedenen Klassen, Me­thoden, Weltanschauungen leicht zusammenfinden zu gemein famem Borgehen. Sicher werden die Sozialisten da eine geschlossene Phalang bilden, wenn die Internationale ihre Schuldigkeit tut. Sollten die Bertreter bürgerlicher In­tereffen den Sozialisten gegenüber nicht ihre nationalen Diffe renzen vergessen fönnen und gespalten bleiben, so müßte das den Einfluß der internationalen Sozialdemokratie im Bölfer bund noch steigern. Dann wird er mit größtem Erfolg an eine wahrhaft internationale Reuordnung der Welt heran­gehen fönnen.

Heute schon ist der Völkerbund ein wichtiges Zentrum internationaler Politik geworden. Regierungen und Parteien,

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die ihn ablehnen, erschweren sich damit ihre eigene Lage in der Welt. Aber Gewaltiges wird er erst leiften, wenn er in dem hier angedeuteten Sinne reformiert wird. Was kein anderer Fattor vermag, vermag dann er: jegliche Kriegs­ursache friedlich aus dem Wege zu räumen. Aber wenn er dabei Widerstand bei einzelnen Nationen findet, wie diesen

überwinden?

Man spricht davon, dem Völkerbund eine st a r fe mili­tärische Macht zur Verfügung zu stellen, die ihn instand fetzen würde, jede widerspenstige Nation zur Raison zu brin gen. Aber hieße das nicht, an Stelle der bisherigen Arten von Kriegen eine neue zu sehen, den Krieg des Bundes der Völker gegen ein einzelnes Volt? Das wäre eine schlechte Methode, den Krieg aufzuheben.

Sicher ist es, daß eine starte Macht hinter dem Völkerbund stehen muß, fonft tann er durch jeden kriegsluftigen Staat lahmgelegt werden. Aber diese Macht braucht nicht notwendigerweise eine militärische zu sein. Sie fann eine ökonomische sein. Und vor allem kommt hier die ökono­mische Macht der Arbeiter als des energischsten Friedens­faktors in Betracht.

Wenn ein einzelner Staaf trotz der friedlichen Intervention des Bölferbundes Kriegsgelüfte zeigt, die das Proletariat miß­billigt, dann dürfte es wohl gelingen, ihn zu Baaren zu treiben, wenn die gesamte Arbeiterschaft der Welt außerhalb jenes Staates fich weigert, ihm Mittel zum Kriege zu liefern, und die eigene Arbeiterschaft diesen Bontott durch ihren Massenstreit unterstützt.

Unter den bisherigen Verhältnissen mußte es hoffnungs­los fein, nach ausgebrochenem Kriege Kriegshandlungen durch Massenstreits zu stören, da die Furcht vor der Invasion und der Niederlage jedesmal überwog. Ganz abgesehen davon, daß dabei gar fein Unterschied gemacht wurde zwischen den verschiedenen Arten von Kriegen, daß der Angegriffene ebenjo lahmgelegt worden wäre wie der Angreifer menn der Streit gelang.

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Aber so wenig der isolierte Massenstreit den Krieg zu verhindern vermag, fo wichtig fann er werden zur Unter­ftügueg der Tätigkeit des Bölkerbundes gegen einzelne Gewalttäter. Hier fallen die psychologischen Hem­mungen weg, durch die das Birken des isolierten Massen­streits gegen den Krieg paralysiert wird. Man kann auch die durchtriebenste Regierung den Massen nicht mehr weismachen, daß das Baterland durch den Antikriegsstreit bedroht wird.

Der Bölfer bund allein vermag den Frieden ebenso­wenig zu sichern wie die Internationale der sozial­demokratischen Parteien oder die der Gewerkschaften allein. Wohl aber vermögen sie einander gegenseitig so start zu stüßen, daß sie vereinigt ein unüberwindliches Boll­wert des Friedens werden. Dahin zu streben ist unser aller Pflicht. Karl Kantsty.

Die Völkerbundfrage vor der Entscheidung

Genf , 20. September. ( Eigener Drahtbericht.) Ein hervor-| Antrag auf Einführung der Beschlußfaffung durch einfache ragendes Mitglied der englischen Delegation äußerte sich gegenüber dem Genfer Korrespondenten des So3. Parlamentsdienstes, daß ohne den Eintritt Deutschlands in den Bölferbund die Arbeit dieser Tagung umsonst gewesen sei. England jei nach Genf getommen, um Deutschlands Eintritt zu fördern. Macdonalds Rede fel die deutlichste Einladung. England wolle, daß Deutschland als Großmacht in den Bölkerbund aufgenommen werde. Deutschland , das natürlich freie Entscheidung habe, müsse jetzt fagen, was es wolle. Ein Hinauszögern würde von allen Böllerbund staaten als eine Ablehnung des Bölferbundes und Anschluß an Rußland aufgefaßt werden.

Mehrheit in den Rommissionen zur id gewiesen wird. Des gleichen wurde ein weiterer Bericht des ersten Ausschusses ange­nommen, der zum Zwecke der Neuregelung der fostenlosen Rechts­hilfe für bedürftige Ausländer das Generalsekretariat beauftragt, sich an alle Staaten, auch die Nichimitglieder des Bölterbundes, mit der Anfrage zu wenden, ob sie an einer neuen internationalen Kon­vention, die auf den Artikeln 20 bis 23 der Haager Konvention vom 17. Juli 1905 aufgebaut wäre, teilnehmen werden. Ein vom fünften Ausschuß vorgelegter Bericht über die Arbeiten der Opiumfommission und über die für November dieses Jahres vorgesehene Einberufung einer zweiten internationalen Konferenz über den Handel mit Opium und anderen schädlichen Drogen fand ebenfalls die Billigung der Versammlung. Ferner genehmigte die Verjamem­lung den vom fünften Ausschuß erstatteten Bericht, der die enge 3usammenarbeit der Großstädte aller Bölfer im Polizei­sprechende Resolution zu allgemein gehalten sei. Nach debatteloser An­

wesen anregt, gegen den Hymans jedoch einwandte, daß die ent­

Paris, 20. September. ( Eigener Drahtbericht.) Sämtliche Blätter verzeichnen, zum Teil in großer Aufmachung, aus Genf das bestimmte Gerücht, daß im Laufe der tommenden Woche Deutschland ein Gesuch um 3ulaffung in den Böl. terbund einreichen werde. Man bringt diese Behauptung in Zu­fammenhang mit der Reise des norwegischen Delegierten Nansen zum Reichsfanzler Marg nach Sigmaringen , wobei Nansen Deutsch- nahme des vom zweiten Ausschuß vorgelegten Berichts der Transit­land die 3 usicherung eines ständigen Sizes im Bölfer­bundrat überbracht haben foll.

Abschlußarbeiten in Genf .

Genf , 20. September. ( WTB.) Entsprechend der Tagesordnung genehmigte die Völkerbundsversammlung in ihrer heutigen Sigung zunächst den Bericht des ersten Ausschusses, durch den der holländische

organisation fand auch der Bericht über die Hygieneorganisation die Zustimmung der Bersammlung. Die Beratung der noch auf ber Tagesordnung stehenden Berichte des sechsten Ausschusses über die Mandatsfrage und die Sklaverei wurde dann auf Montag vertagt, da der Berichterstatter Fritjof Nansen zurzeit von Cenf abwefend ist.

Weitere Meldungen auf der britten Seite.) Intuch dau