Nr.454 41.Jahrgang Ausgabe A Nr. 231
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Freitag, den 26. September 1924
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Die Volkspartei macht Krise.
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Die Deutsche Volkspartei , die von sozialdemokratischer Krisenmache" sprach, als der Vorwärts " nach der Rückkehr Stresemanns der Kaze die Schellen umhängte, hat jetzt selbst in aller Form die Regierungsfrise eröffnet, indem sie an den Reichskanzler mit dem Verlangen nach der Aufnahme der Deutschnationalen in die Reichsregie rung herantrat. Der Reichskanzler hat sie mit einer elastisch diplomatischen Antwort beschieden, die alle Wege offen hält. Die Bolkspartei hat diesen Schritt, seiner inneren Logit oder Unlogit folgend, mit einer Kriegserflärung an die Sozialdemokratie verbunden, die zugleich eine Kriegserklärung an die geschichtliche Wahrheit ist. Der Beschluß des Vorstandes der volksparteilichen Reichstagsfraktion steht auch im Widerspruch zu den Erklärungen, die die volksparteiliche Presse bis in die letzten Tage hinein abgegeben hat. Die Presse berief sich darauf, daß die Gewährung von Miniſterſizen an die Deutschnationalen von der Uebernahme der Verantwortung für den Londoner Vertrag abhängig sei. Ob die Deutschnationale Partei aber tatsächlich bereit ist, diese Verantwortung zu übernehmen, Ponnte nur der deutsch nationale Bertretertag
ergeben, der am 30. September beraten soll.
Im Gegensatz zu dieser Auffassung hat sich der Fraktionsvorstand ohne weiteres die Meinung der Deutsch nationalen zu eigen gemacht, wonach durch die ruhmreiche Abstimmung vom 29. Auguft der Preis voll gezahlt, also die Ware sofort zu liefern ist. Er übernimmt damit vor aller Welt offen die Berantwortung für das fch mußigste Geschäft, das jemals die innere Geschichte Deutschlands befleckt hat.
Was bezweckt die Volkspartei mit ihrer Liebeserklärung an die Deutschnationalen und ihrer Kriegserklärung an die Sozialdemokratie? Und warum hatte sie mit der Beröffentlichung ihrer Erklärung solche Eile?
Sie wollte den Jasagern in der Deutschnationalen Partei auf dem kommenden deutschnationalen Parteitag den Rücken Stärken. Sie wollte Herrn Hergt retten, der die Jaſtimmen während er selber einen Reinzettel abgab gegen Mi nifterportefeuilles an die volksparteilichen Seelenkäufer verhandelte. Diesem taktischen Schachzug zuliebe hat die Bolkspartei die innerpolitische Krise mit überſtürzter Eile eröffnet und die sagenhafte Arbeitsgemeinschaft der Mitte", auf der die gegenwärtige Regierung beruht, vollends in die Luft geSprengt
Als Regierungspartei hat sie eigenmächtig alle Brücken, die nach links führen, zerstört. Denn daß durch diesen Schritt einer der Parteien, auf die sich die gegenwärtige Regierung stützt, das Gesamt verhältnis dieser Regierung zur Sozialbemokratie entscheidend beeinflußt wird, hat selbst ihrem ge ringen politischen Scharfblick nicht entgehen fönnen.
Eine so schlechte Sache gut zu vertreten, wäre feiner Rabulistik der Welt möglich gewesen. Die ganze Erklärung der Volkspartei ist daher auch eine einzige Ber logenheit.
Berlogen und allen Tatsachen ins Gesicht schlagend ist die Behauptung, zwischen den Deutschnationalen und den Mittelparteien sei eine gemeinsame außenpolitische Basis her gestellt. Daß die Linke den bedingungslosen" Einfritt in den Bölkerbund gefordert habe, ist eine bewußte unwahrheit. Die Fittion, daß demgegenüber die Deutschnationalen mit den Mittelparteien gemeinsam für den beding ten Eintritt feien, ist frei aus der Luft geholt.
Umgekehrt ist die Forderung, das Dames- Gutachten be= bingungslos anzunehmen, von der Regierung und den Mittelparteien nicht abgelehnt, sondern erfüllt worden. Denn das Dawes- Gutachten war ein untrennbares Ganzes, das nur ,, bedingungslos" abgelehnt oder ,, bedingungslos" angenommen werden konnte. Nach der„ bedingungslosen" Annahme des Gutachtens unterhandelte die Regierung über seine Ausführung. Daß sie sich dabei bemühte, Erleichterungen durchzusetzen, ist selbstverständlich und wurde allgemein gebilligt nur von den Deutsch nationalen, Bölkischen und Kommunisten nicht, die ja das ganze Gutachten bedingungslos" verwarfen und noch verwerfen.
So sieht die gemeinsame außenpolitische Grundlage" aus. Was anders ist auf diefer verlogenen Grundlage möglich, als eine Politik der Verlogenheit, die von Widerfpruch zu Widerspruch und darum von Mißerfolg zu Mißerfolg taumelt?
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Aber so schwankend die gemeinsame außenpolitische Grundlage" ist, fo festgefügt und solide ist das sei gerne zu geftanden die gemeinsame innenpolitische Grundfage zwischen Deutschnationalen und Volksparteilern. Sie verbindet die gemeinsame Gegnerschaft gegen die bestehende re
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wenn es wirklich kommt, bis zum äußersten bekämpfen um des arbeitenden Volkes willen und um Deutschlands willen.
Die Bürgerblockentschließung der Volkspartei.
publikanische Staatsform, gegen die Besteuerung des Befißes, gegen den Achtstundentag, gegen jede Erweiterung der Arbeiter rechte, die gemeinsame Liebe zu Schwarz- Weiß- Rot, Klassen herrschaft und Hochschutzzoll. Deutschnationale und Boltsparteiler, Konservative und Nationaliberale, wie sie sich vor dem großen Firmenwechsel nannten, haben gemeinsam das persönliche Regiment gestützt, das gleiche Wahlschen Volkspartei hat, wie die Nationalliberale Korrespondenz recht bekämpft, sich jedem sozialen Fortschritt widersetzt und noch jahrelang nach der Marneschlacht jeden für einen Berräter erklärt, der weniger als halb Europa annettieren wollte. D, sehr viel verbindet Deutschnationale und Bolksparteiler, unendlich viel!
Nach einem furzen hilflosen Verfuch, den veränderten Berhältnissen Rechnung zu tragen und republikanische Mimikry zu üben, ist die Volkspartei in ihre alte Bahn zurückgekehrt. Schon jener Versuch begegnete von vornherein dem entschlof ſenen Widerstand des schwer industriellen Flügels. mit welchen Mitteln dieser Flügel im vorigen Jahre gegen das eigene Kabinett Stresemann gearbeitet hat, darüber wird noch ausführlicher zu reden sein, da die Bolkspartei jezt die Stirne befizt, die Schuld am Scheitern der sogenannten großen Koalition der Sojzialdemokratie zuzuschieben.
Die Volkspartei wird sich noch davon überzeugen können, daß der Streit über die Vorgänge des vorigen Jahres, den sie mutwillig vom Zaun gebrochen hat, nicht zu ihrem Vorteil ausgehen wird.
Gerade das, was die Volkspartei angeblich nicht will, den Berfall des Volfes in 3 wei Teile, von denen der eine herrscht und besigt und der andere ar= beitet und bezahlt", das hat fie innerhalb der großen Koalition zu betreiben versucht. Daran und an der jeder Gerechtigkeit hohnsprechenden ungleichen Behandlung der Butschgefahren von rechts und links ist die große Koalition gescheitert.
Hier gilt das Wort: ,, Wer sich entschuldigt, flagt sich an". Mit vorsichtiger Perfidie oder perfider Borsicht versucht die voltsparteiliche Erklärung das, was sie als Folge der polksparteilichen Politit tommen sieht, die Trennung der Nation in zwei sich hemmungs los bekämpfende Teile", auf das Schuldkonto der Sozialdemokratie abzuschieben.
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Die Sozialdemokratie hat aus den Trümmern des an einem Uebermaß von eigener Schuld zusammengebrochenen Kaiserreiches die deutsche Republik geschaffen. Sie hat die Staatsordnung, die allein noch die Einheit Deutschlands verbürgt, in harten Rämpfen gegen links und rechts auch gegen die Deutsche Volkspartei verteidigt. Sie hat die Last der Unpopularität auf sich genommen zur Durchführung einer von bitterer Notwendigkeit diktierten Außenpolitik und sie hat diese Außenpolitik konsequent und führend vertreten bis zur An nahme der Dames- Gefeße, von denen die Volks partei jetzt mit starter Uebertreibung stolz behauptet, daß durch fie Freiheit, Ehre und Eristenzmöglichkeit" des deut schen Volkes gesichert seien. Die Volkspartei erklärt nach alles dem, die Sozialdemokratie habe sich der wirtschaftlichen Gesundung des Reiches und der Wiederherstellung seiner inneren Ordnung widersetzt und damit wirtschaftliche und staatliche Intereffen der Parteipolitik geopfert". Und indem sie mit weitausholender Gebärde die sechs Millionen deutschnationaler Wähler" in ihre Bolksgemeinschaft" einschließt, weist fie sogleich sechs Millionen jozialdemokratischer Wähler aus dieser Volksgemeinschaft hinaus.
Auch diese Geste ist von einer lächerlichen Berlogenheit. Noch haben die Herren Stresemann und Scholz nicht zu entscheiden, wer zur ,, Bolfsgemeinschaft" gehört und wer nicht. Aber wir können diese Geste nicht anders auffaffen, denn als eine beabsichtigte Beleidigung und Bedro hung, und wir können in diesem Augenblick nicht die Erinnerung daran unterdrücken, daß die Partei Stresemanns jahr zehntelang ein System stützte, das die Partei Bebels und Ludwig Frants rechtlos machte und ächtete.
Die Herren sehen also, daß wir im Bilde find. Wir wissen, worum es geht. Den Handschuh, den man uns hin
wirft, heben wir auf.
Die Dames- Geseze sollten dem gequälfen Land wirtschaft: liche Erholung und Beruhigung verschaffen. Die Boltspartei entfacht mit ihrer Erklärung die schwerste innerpolitische Krise und den schärfften innerpolitischen Kampf. Um die Diktatur des Bundes zwischen Grundrente und Kapitalprofit neu zu stabilisieren, foll Deutschland nach dem Willen der Volksparteiler noch einmal einem tonservatio national. liberalen Regiment unterworfen werden. Wir werden ein solches Regiment, dessen Phrasen wir fennen, dessen Methoden wir kennen und deren Erfolge wir fennen,
Der Vorstand der Reichstagsfrattion der Deut
meldet, in feinen Sizungen vom 24. und 25. September über die politische Lage beraten und ein stimmig die nachstehende Ent
fchließung gefaßt:
Die Außenpolitik des Reiches ist durch die Annahme des Londoner Pattes, die Erklärung der Reichsregierung zur Kriegsschuldfrage vom 30. August und den Beschluß des Kabinetts über den Eintritt in den Völkerbund vom 25. September festgelegt. Ueber=
nahme der Reparationslasten nur gegen Sicherung von Freiheit, Ehre und Eristenzmöglichkeit. Eintritt in den Völkerbund nur nach Garantierung formeller und materieller Gleichberechtigung mit den Hauptmächten find die Richtlinien. Die Forderung der Linken auf alsbaldigen bedingungslosen Eintritt in den Völkerbund ist vom Kabinett mit Recht ebenso zurückgewiesen worden wie feinerzeit die bedingungslose Annahme des Dawes- Gutachtens. Damit ist die Fortführung der bisherigen Außenpolitik im Sinne nationaler Realpolitit gesichert.
Nunmehr handelt es sich um die innere Konsolidierung
auf gemeinsamer außenpolitischer Grundlage. Wir haben seit langem
das Ziel einer
3ufammenfaffung aller staatsbejahenden und aufbaubereiten Parteien
verfolgt und der Notwendigkeit, die wertvollen politischen sozialen und wirtschaftlichen Kräfte der Deutschnationalen Boits. partei aus außen- und innenpolitischen Gründen zur verantwort lichen Mitarbeit in der Reichsregierung heranzuziehen, in unserer Entschließung vom 28. Auguft erneut Ausdruck verliehen. Wir halten an dieser Entschließung fest. Nachdem der Reichstag am 29. Auguft mit der erforderlichen verfassungsmäßigen Mehrheit den Londoner Abmachungen zugestimmt hat, wobei die Deutschnationale Frattion die Annahme mit ermöglichte, ist die Durchführung der dadurch erforderlichen Maßnahmen Sache aller Parteien und des großen Werkes.
Wir glauben zu der Annahme berechtigt zu sein, daß die Deutschnationale Partei auch ihrerseits nunmehr die Durchführung der entstandenen Aufgaben mit sichern wird. Dadurch wird die Bahn frei für eine Erweiterung des Reichskabinetts, entsprechend der Bedeutung und Stärke der Partei.
Unser Ziel ist nicht die Schaffung eines Bürgerblocks. Das deutsche Volk darf nicht in zwei Teile zerfallen, von denen der eine herrscht und befitzt und der andere arbeitet und zahlt. Wer uns ein folches Ziel unterlegt, der will selbst die Trennung der Nation in zwei sich hemmungslos befämpfende Teile herbeiführen, um hieraus parteipolitischen Nutzen zu ziehen. Die teitende Idee unserer Innenpolitik die Herbeiführung der Bottsgemeinschaft. unter Zurückstellung aller Bedenken hatten wir uns deshalb auch im Reiche bereit gefunden, mit der Sozialdemokratischen Bartei zusamenzuarbeiten.
mar
Dieses Zusammenwirken ist durch die Schuld der Sozialdemotraten gescheitert, welche sich den Maßnahmen des Kabinetts Streje. mann zur wrifchaftlichen Gefundung des Reiches und zur Wiederherstellung feiner inneren Ordnung widersetzten und damit wirtschaftliche und staatliche Notwendigkeiten der Innenpolitik opferten. Die Sozialdemokratie hat das kabinett der Großen Koalition zu Fall gebracht. Sie hat sich mithin für die Cöfung der jetzigen großen Aufgaben auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet felbft ausge schaltet. Unser Ziel bleibt die Bolksgemeinschaft. Für sie haben wir mit den übrigen Koalitionsparteien nicht ohne sichtbaren Erfolg gearbeitet. Diese Erfolge müssen durch ruhige und stetige Arbeit fortentwickelt und ausgebaut werden. Sie dürfen nicht infolge einer Reichstagsauflösung, die übrigens feine vefentliche Verschie bung der parlamentarischen Mehrheitsverhältniffe bringen würde, gestört werden. Die Cöfung ist nach unferer festen Ueberzeugung nur nach Einbeziehung von sechs Millionen deutschnationaler Wähler in die Volksgemeinschaft und Sicherung ihrer Mitarbeit möglich. Nur so ist eine Beschränkung der unvermeidbaren parteipolitischen Kämpfe auf ein erträgliches Maß und die Herstellung der für jeden Erfolg umentbehrlichen gemeinsamen außenpolitischen Front zu er reichen.
Marx zu Verhandlungen bereit. Amflich wird gemeldet:
Im Auffrage des Borstandes der Reichstagsfraktion der Deutfchen Boltspartei gaben geffern mittag die Reichstagsabgeordneten Dr.Zapf und Dr. Curtius dem Reichstanzler Kenntnis von der Entschließung des Borstandes über die Erweiterung des Reichskabinetts durch