Nr.458+ 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 233
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Der ,, Borwärts" mit der Sonntags beilage Bolt und 8eit" mit., Gied. Jung und Aleingarten", sowie der Unterhaltungsbeilage Heimwelt" and Frauenbeilage Frauenstimme erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.
Sonntagsausgabe
Norwärts
Berliner Volksblatt
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Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Rebattion: Dönhoff 292-295 Verlag: Dönboff 2506-2507
Sonntag, den 28. September 1924
Zur Begrüßung!
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenste. 3 Posticheckkonto: Berlin 375 36 Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft. Devojitenkasse Lindenstraße 3
Meine Herren!
Sie sind zu Ihrer diesmaligen Tagung in einer Stimmung Sie sind zu Ihrer diesmaligen Tagung in einer Stimmung erschienen, wie sie sonst nur in einer Trauerversamm= Iung zu beobachten ist. Tiefe Niedergeschlagenheit drückt sich in Ihren Zügen aus. Wenn sonst alte politische Freunde sich nereinigen, um ernste Beratungen zu pflegen, so hallt der Saal in der Stunde der Eröffnungsversammlung von freudigen, herzlichen zurufen wider. Männer, die die Erinnerung an vergangene Rämpfe und die Hoffnung auf kommende Siege verbindet, die das Bekenntnis zu gemeinsamen Idealen einigt, begrüßen sich überschwenglich wie Jünglinge. Parteitage gehören zu den schönsten Erinnerungen politischer Kämpfer. Bon der Wiedersehensfreude ist Ihnen heute nichts anzumerken. Ein jeder von Ihnen betrachtet, je nachdem er den Flügel der Umgefallenen oder der sogenannten Aufrechten verstärkt, den anderen mit der unausgesprochenen Frage:„ Heißt er auch den Verrat gut?" oder hält er dich auch für einen Berräter? Jeder von Ihnen wird erst wieder froh werden, wenn er der Heimat zueilen wird. Sie sind zufammengetreten, um der Feststellung des moralischen Todes, der Aufnahme der Sterbeurkunde Ihrer Partei beizuwohnen. Die Freude, die aus Ihren Reihen gewichen ist, herrscht in den unserigen. Wir rufen Ihnen zu: Sie haben Ihr Schicksal durch die Sünden, die Sie am deutschen Bolte begangen haben, verdient! So wie Sie gehe jeder zugrunde, der handelt, oder richtiger: der Handel treibt, wie Sie!
Bir Sozialdemokraten haben Sie lange Zeit hindurch zumohlwollend beurteilt, bis Sie uns über unseren Irrtum aufgeklärt haben. Wir waren der Ansicht, daß eine jahrzehntelange uneingeschränkte Herrschaft Sie mit Stolz und Kraft erfüllt habe, und daß Sie zur Verteidigung Ihrer Macht position das Leben einzusehen bereit seien. Lassalle hat einst ausgerufen: ,, Und wenn wir Flintenschüsse mit Herrn v. Bismard wechseln, unter den Salven müssen wir bekennen: er ist ein Mann." Dieses Wort waren wir geneigt, auf Sie alle anzuwenden. Wir haben uns in Ihrem Geschlecht geirrt. Sie haben sich in der Stunde, wo Sie Tapferfeit zeigen fonnten und mußten, jämmerlich feige gezeigt. Keiner von Ihnen hat, als das Land an Ihren Freveln zusammenbrach, dem Zorne des Volkes standgehalten. Fast alle Ihre Führer verbargen fich in Schlupfwinkeln, soweit sie es nicht vorzogen, der neuen Regierung Treue zu verfichern, und von den Köpfen Ihrer Zeitungen wurden die stolzen Worte entfernt, die Ihr Programm verkündeten. Wir haben Sie zittern sehen, meine Herren, und nicht zuletzt daher rührt Ihr Haß gegen uns, der uns zur Ehre gereicht. Die französischen Aristokraten des ancien régime verstanden, für ihre Sache zu sterben; Sie wurden von feiner Guillotine bedroht, aber Ihre Feigheit und Ihr böses Gewissen spiegelten Ihnen Schreckensbilder vor, denen Sie zu entgehen suchten, indem Sie sich tot stellten. Als Sie aber den Sturm beendet glaubten, tamen Ihre führenden Männer wieder zum Vorschein. Sie erschienen, als e ihr armseliges Leben nicht mehr bedroht wähnten, alle wieder auf dem Schauplatz; aus Schweden , aus Bommern , aus Best preußen, aus dem badischen Ländchen strömten sie herbei, um noch einmal unserem armen, schwergeprüften Bolte ihre Dienste zur Verfügung zu stellen, um es noch einmal zugrunde zu
richten.
Können Sie leugnen, daß Ihre Partei die alleinige Schuld an dem Zusammenbruch Deutschlands trägt? Es ist nicht wahr, daß wir dem angeborenen Haß und Neid fast aller Völker der Welt erlegen sind. Ihre unsinnige Bolitit, Ihr ständiges Säbelraffeln, Ihre wahnwikige Geringschäzung aller anderen Nationen, Ihre auf allen Gassen ausgebrüllte Anbetung der brutalen Kraft hat es Hegern im Auslande ermöglicht, für die Behauptung Glauben zu finden, daß das friedliche deutsche Volk das sich nur vorwerfen muß, Sie zu lange am Werte geduldet zu haben, Welteroberungspläne pinnend. Ihre Politik hat die furchtbare Koalition geschmieDet, der Deutschland erliegen mußte und erlegen ist.
Es war ein Kunststück, die Interessengegensäge zwischen England und Rußland , Frankreich und Italien , Japan und Amerita soweit auszugleichen, daß alle diese Länder Berbündete gegen uns wurden. Sie haben es zustande gebracht! Grenzenlose Borniertheit war erforderlich, um nicht zu erfennen, daß der Eintritt Ameritas in den Krieg unseren Untergang herbeiführen mußte. Ihnen war sie eigen. Zu Ihnen gehörte der Mann, der sich über die Kriegserflärung der Bereinigten Staaten mit dem Troste hinweg feßte, daß dieses fraftftrogende 100- Millionen- Bolt militärisch eine dreifache Null sei, an Ihrer Spize steht der urteilsunfähige Mann, der sich durch die Prophezeiung lächerlich gemacht hat, daß niemals eine amerikanische Armee auf dem europäischen Kriegsschauplag erscheinen werde. Sie haben es darauf an
gelegt, immer neue Länder aus der Neutralität heraus und auf die Seite unserer Feinde hinüberzuziehen. Friedrich II. , von dessen Geist Sie mehr als einen Hauch verspürt zu haben vermeinen, wußte, daß Preußens Kriege furz und vit fein müffen". Sie haben diese Wahrheit nicht erkannt und haben frivol jede Möglichkeit eines Verständigungsfriedens unter
bunden.
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Und auf der Höhe Ihrer auswärtigen stand Ihre innere Politik. Jeder finanzwissenschaftliche Abcschüße weiß, daß Die Einnahmen des Staates sich nach seinen Ausgaben richten müssen. Sie haben es, damit Ihr Geldbeutel geschont wurde, verhindert, daß fräftige Kriegssteuern ausge schrieben wurden, Sie haben sich als Schildwachen vor die Geldschränke der Schieber gestellt, deren Wahlspruch war: Wer diesen Krieg nicht auszunuzen versteht, ist nicht wert, ihn erlebt zu haben." Sie haben, bis es zu spät war, jede Reform verhindert, die den bedrückten, unter den Qualen der Gegenwart leidenden Volksmassen die Aussicht auf ein fünftiges Dasein in Freiheit eröffnet haben würde. Kurz, Sie haben feine Gelegenheit unbenutzt gelassen, die Kraft der Feinde Deutschlands zu mehren und die unserige zu schwächen. Aus unserem furchtbaren Schicksal haben Sie nichts gelernt. Immer noch wähnen Sie mit Hilfe der verjährten Methoden, die uns in den Sumpf gebracht haben, den Gipfel erffeigen zu können, von dem Sie auf die zu Ihren Füßen liegende Welt herabblicken wollen. Betrogene Betrüger! Empfinden Sie nicht den Gegenfäß, der zwischen Ihren verstiege nen Ansprüchen und Ihrem jammervollen Verhalten in der Stunde einer noch dazu eingebildeten Gefahr besteht? Wir wollen zu Ihrer Ehre annehmen, daß Ihr Intelligenzgrad Ihnen nicht gestattet, zu erkennen, daß Ihre Pflicht Schweigen ist. Seit wann gibt aber Dummheit einen Anspruch auf Leitung des Staates?
Gelingt es Ihnen, noch einmal ans Ruder zu kommen, so ift Deutschland verloren. Sie gestehen ja offen ein, daß Sie die Borkriegspolitik der Abenteuer in vermehrter Auflage erneuern wollen. Wir würden Sie Don Quichotes
nennen, wenn der spanische Ritter nicht tapfer und von vornehmer Gesinnung gewesen wäre. Donquichoterie fann nur durch edle Gesinnung erträglich gemacht werden. Sie aber suchen Abenteuer, die andere bestehen sollen, und verschwinden, wenn das Unternehmen einen schlimmen Ver
lauf nimmt.
Seitdem Sie, die sich stets die Triarier der Monarchie nannten, im Herbststurm von 1918 versagten, haben Sie feinen Ruf mehr zu verlieren. Sie haben von der so erlangten Freiheit des Handelns einen verschwenderischen Gebrauch gemacht. Ihre politische Tätigkeit in den letzten Jahren war von einer grandiosen Gewissenlosigkeit und Unehrlichkeit. Sie wissen, daß das deutsche Volf im Weltkieg an der ungeheuren feindlichen lebermacht, an Hunger und an schweren strategischen Fehlern der Obersten Heeresleitung zugrunde gegangen ist. Sie wissen, daß Ihr hervorragendster Führer, Herr v. Heydebrand, als Ludendorff die Fortfehung des Kampfes für aussichtslos und den sofortigen Abschluß eines Waffenstillstandes für das Gebot dringender Notwendigkeit erklärte, unter Tränen ausgerufen hat:„ Wir sind vier Jahre lang belogen und betrogen morden!" und gleichwohl wagen Sie es wider besseres Wissen, den Dolch stoß von hinten als die Ursache der Niederlage Deutschlands zu bezeichnen, und haben von dieser schamlofen Berleumdung gelebt.
Der furchtbare Friedensvertrag von Versailles ist in den Bedingungen des Waffenstillstandes von Compiègne bereits enthalten. Sie wissen, daß Hindenburg deren Annahme für geboten erachtet hat. Und gleichwohl erdreisten Sie sich, jeden, der mit schwerem Herzen, in der Ueberzeugung, nur so feinem Bolke dienen zu fönnen, fich zur Unterwerfung unter den Friedensvertrag entschloß, des Baterlandsverrates zu zeihen! Sie verschweigen dabei, daß Ihre Partei selbst die Unterzeichnung des Friedensvertrages bewußt erst möglich ge= macht hat durch das in der Sitzung der Nationalversammlung abgegebene feierliche Anerkenntnis der Vater landsliebe der dem Vertrag zustimmenden Mehrheit. Sie
Südwestdeutscher Republikanertag.
Auftakt zur Einweihung des Ludwig- Frank- Denkmals.
Mannheim , 27. September. ( Eigener Drahtbericht.) Der große| nicht nur in der Verfassung, sondern im Herzen von Millionen Südwestdeutsche Republikanertag, verbunden mit der Deutscher leben und daß Millionen Männer zur Verfügung stehen, Enthüllung eines Denkmals für den gefallenen Republikaner und um die Republik zu schüßen. Die badische Regierung wird das Sozialisten Ludwig Frant begann mit einem mächtigen Auf- Reichsbanner mit allen Kräften fördern." taft. In den ersten Nachmittagsstunden rollten die Sonderzüge mit Tausenden von Reichsbannerleuten aus ganz Südwestdeutschland nach Mannheim . Die Zugangsstraßen zum Rosengarten, dem größten Saale der Stadt, waren reich beflaggt. Aber auch die Beflaggung der Privathäuser hat im Vergleich zum Verfassungstage
eine erfreuliche Zunahme aufzuweisen.
funden, außerdem bemerkte
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Genosse Löbe spricht als eine ernste Gefahr für die Republik den Bürgerblod an. Deffen Bäter wollen nicht zu dem Namen Bürgerblock stehen. Sie haben recht. Es ist weder ein Bürgerblock, noch eine Volksgemeinschaft. Die Werber für ihn, die Deutsche Volkspartei , wollen einen Besitz blod,
die Geworbenen, die Deutschnationalen, würden daraus einen Monarchisten blod machen. Nur fehlt vom ersten Tage an die Festigkeit eines Blocks. Er sieht viel eher einer Gipsfigur ähn lich, die das deutsche Bolk in wenigen Wochen zertrümmern würde. Denn. an der Wiege des sogenannten Bürgerblocks steht der Be= trug der Deutschnationalen an ihren Wählern, an seinem Biele steht der Betrug der Partner des Londoner Ab= fommens und der Erfüllungspolitik.
Der frühere Reichskanzler Dr. Wirth führte unter anderem aus:„ Die Aufgabe des Reichsbanners ist, die Republik zu schüßen und zu wahren gegen jeden putschistischen Gedanken und gegen jede Aushöhlung. Die Republik muß mit einem Geist erfüllt werden, der versucht, jeden edlen großen und
Um 6 Uhr abends fanden sich die Mitglieder der Reichs banner Organisation in Vertretung des noch immer erfrantfen Hörjing war Kamerad Kunzemann gekommen und die Vertreter der badischen Landesregierung und ber republikanischen Parteien zusammen. Von der badischen Regierung hatte sich Staatspräsident Dr. Koehler eingeMüller, Stampfer- Berlin , Löbe, Stadtrat Marum. die Genossen Hermann Karlsruhe, Dr. Wirth, General Deimling, Oberbürger meister uppe- Nürnberg, den demokratischen Abgeordneten Dr. Haas. Um 8 Uhr formierte sich der Fackelzug durch die Straßen der Stadt, an dem nach oberflächlicher Schätzung 10 000 Bersonen teilnahmen. An der Spike marschierte eine Abordnung nationalen Sinn zu pflegen. Der Grundgedanke muß eine Soder Bonner Studenten. Beim Vorbeimarsch vor dem Part- zialreform sein und eine Idee der Gerechtigkeit auf allen hotel, wo die Vertreter des Bundespräsidiums und die geladenen Gebieten. Auch heute ist die deutsche Republik noch die einBäfte den Zug erwarteten, fam es zu lebhaften Ovationen für 8ig mögliche Staatsform und das Lebenselement des Reichsbanner und Republif. deutschen Volfes, fie wird die Führerin für den deutschen Wiederaufstieg sein. In der Republik gibt es nur Staatsbürger und feine Bürger erster und zweiter Klasse. Die Republik verachtet nicht den Befiß, aber Eigentum verpflichtet zum Dienst am Staat. In der Republik ist ein Bürgerblod mit der Vorherrschaft privilegierter Schichten antirepublikanisch. Wer der Republik aufrichtig dient, sieht in einem reaktionären Bürgerblod, wie er auch dekoriert sein mag, ein politisches Gebilde, das bewußt herbeigeführt wird, um die Republik auszuhöhlen und ihres Charafters zu berauben. Die Fahne schwarzrotgold ist ein Zeichen der Republikaner und die Nationalfahne der deut fchen Einheit
Gegen 10 Uhr begann im überfüllten Nibelungensaal unter Anteilnahme von Taufenden von Republikanern der Begrüßungsaft. Nach den Begrüßungsreden des Gauvorfizenden des Gaues Baden, Dr. Claus, und Runzemann vom Bundesvorstand sprach der badische Staatspräsident Dr. Koehler, der der Parteirichtung nach den Demokraten angehört:
,, Die badische Regierung sieht es als ihre vornehmste Aufgabe an, die republikanische Verfassung mit allen Mitteln zu schützen, vor allem deshalb, weil die Regierung felbft fest und unentwegt auf demokratisch republikanischem Boden steht. Die Welt foll wijen, daß die demokratischen Gedanken in Deutschland