große Bevölkerung zusammen. Rußland, das vorläufig keinen weltwirtschaftlichen Faktor bildet, und sich aus dem europäischen Kulturkreis selbst ausgeschaltet hat, muß zunächst außer Betracht gelassen werden. Dieses Europa ist in 27 große and kleine Staaten zersplittert, die sich gegenein- ander durch Grenzmauern absperren. Seit 10 Iahren herrscht hier Raub und Gewalt, die bisherigen Friedensschlüsse schienen nur dazu zu dienen, um künftige Kriege vorzubereiten. Die Produktionsmittel sind heruntergewirtschaftet, die Konsum- kraft der Mehrheit der europäischen Bevölkerung ist ge- brachen, nationalistischer Haß vergiftet die Seelen, das kapita- listisch orientierte Bürgertum, statt die wirtschaftlichen Gräfte zu wecken und zu stärken, versucht durch Niederhaltung des Proletariats seine Existenz zu sichern. Es ist klar, daß Europa dem Untergange ge- weiht ist, wenn es nicht den Mut zu neuer Gesinnung findet. Die europäischen Nationen müssen sich endlich desien bewußt werden, daß sie eine Schicksalsgemeinschast bilden, aus der sich höchstens England retten kann, indem es sich vom Kontinent abwendet und ganz in dem britischen Imperium aufgeht. Aber keines der anderen europäischen Völker kann sich dieser Schicksalsgemeinschaft entziehen. Die Zahlen des weltwirtschaftlichen Verkehrs, die Tatsachen des weltpolitischen Lebens reden eine deutliche Sprache für alle europäischen Völker! Nach 10 Iahren der Verwirrung ist endlich in London der Weg beschritten worden, den Europa gehen muß, wenn es nicht dem Schicksal der alten versunkenen Weltreiche ver- fallen will. In Genf ist man ein Stückchen dieses Weges weiter gegangen. Es scheint, als ob die anderen Nationen bereit sind, den Geist politischer und wirtschasllicher Ver- ständigung zu fördern. An Deutschland liegt es nun- mehr, durch unmißverständliche Handlungen den Willen zu bezeugen, an seinem Teil an der Rettung Europas vor dem Untergang mitzuwirken. Eine dieser Handlungen muß der Beitritt zum Völkerbund sein. Den zweiten Beweis seiner guten Ab- sichten kann Deutschland bei der Neuregelung seiner Handelsbeziehungen zu den anderen Staaten liefern, indem es den Versuch zu einer allgemeinen Bereini- gung und Vereinfachung der wirtschaftlichen Grenzoerhält- nisse in Europa unternimmt. Die deutsche Sozialdemokratie, die sich mit der Arbeiterschaft des übrigen Europa eins suhlt, verlangt von der Reichsregierung, daß sie mit der Reaktion von rechts breche und nichts unversucht lasse, um gemeinsam mit der Demokratie der übrigen Länder an dem Neuaufbau Europas , der zugleich der Neuaufbau Deutschlands fein wird, zu arbeiten. Deutschnationale gegen Marx. Ablehnung der„Volksgemeinschaft�'. Die Deutschnationalen lehnen die Volksgemeinschaft, wie sie Marx auffaßt, ab. Sie ist ihnen zu—„marxistisch". Die „Kreuzzeitung " schreibt: D i e Art der Volksgemeinschaft, wie sie sich Dr. Marx denkt, lehnen wir für unseren Teil ob. Für uns kann die Zusammenarbeit mit einer nationalen und einer international eingestellten, m a r x t st i- schen Partei selbstverständlich nicht in Frage kommen. Sie ist eine glatte Unmöglichkeit. Di« Deutschnationale Volkspartei müßte ihre Grundsätze völlig verleugnen, wenn sie sich zn- sanmien mit Vertretern der Sozialdemokratie an den Regierungs- tisch fetzt«. Ueber Grundsätze wollen wir uns mit den Deuffchnatio- nalen nach dem 29. August nicht mehr unterhalten, aber daß die Gefühle, die sie gegenüber der Sozialdemokratie hegen, auf Gegenseitigkeit beruhen, können wir ihnen aus "Ehre versichern. Ein Unterschied besteht nur darin, daß die Deutschnationalen die Sozialdemokraten fürchten, während die Sozialdemokraten die Deutschnationalen mit etwas mehr Humor betrachten.
Die„Kreuzzeitung " bemerkt schließlich: Die Absichten des Reichskanzlers, wie sie von ihm in der„Ger- mania" dargelegt werden, müssen unseres Erachtens, vorausgesetzt. daß das Herantraten an die Sozialdemokratie ernst gemeint ist, von vornherein den Einritt der Dentschnationalen in das Kabinett Marx unmöglich machen. Die„Kreuzzeitung " unterstellt damit dem Reichskanzler hypothetisch, daß sein Herantreten an die Sozialdemokratie nicht ernst gemeint sein könnte. Mit dieser Unterstellung sich auseinanderzusetzen, ist Sache des Herrn Marx selbst. Für den Fall jedoch, daß der Reichskanzler alsehrlicherMann handeln sollte, kündigt sie ihm den Kamps an. Herr Marx wird damit vor die Alternative gestellt, entweder nicht als ehrlicher Mann zu handeln und sich damit die Sympathie der Deutschnationalen zu verdienen oder aber den Kampf gegen sie aufzunehmen. In der demokratischen und der Zentrumspresse findet eine Aeußerung starke Beachtung, die der deutschnationale Führer Schlange- Schöningen erst kürzlich bei einer Tagung der „Bismarck-Jugend" in Braunschweig getan hat. Sie lautet: Wir bleiben die Alten! Bevor die Sozialdemokrafte nicht besiegt ist. können wir die Front nicht nach außen richten. Durch das Parlament wird Deutschland niemals gerettet werden. Wenn der geeignete Augenblick kommt, ist hoffentlich ein Volk da, das querdurch über alle Bedenklichkeiten das tut, was zur Rettung des Reiches notwendig ist. Dann wird man das Leben«in- setzen müssen, um dem Volk.und dem Staat das Leben und die Zukunft zu geben. Wir alle glauben, hoffen und kämpfen für den Tag, wo unter den wehenden schwarz-weiß-rolen Fahnen unsere verlorenen Brüder heimgeführt werden in ihr Vaterhaus. Das Heer wird dann nicht als ein Heer der Republik zurückkommen, sondern an seiner Spitze uns den deutschen Kaiser wiederbringen. Das ist, wie man zugeben wird, eine sehr klares Pro- gramm, mit dessen Verkündung Herr Schlange offenbar seine Anwartschast auf das Reichsministerium des Auswärtigen anmelden wollte. Vor dem Empfang der Parteiführer. Der angekündigt« Empfang der Fühver der Regierungsparteien beim Reichskanzler findet nun bestimmt heute nachmittag um 165 Uhr in der Reichskanzlei statt. Im Laufe des Vormittags tagten die Fraktiionsvor stände der Regierungsparteien in getrennten Sitzungen, um die Besprechungen vorzubereiten. Wie die TAegraphen-Union erfährt, entsendet das Zentrum zu den Be- sprechungen die Abgeordneten Fehrenbach, Becker- Arnsberg und v. Guerard, die Deutsche Nolkspartei wird durch die Abge- ordneten Dr. Scholz, der heute vormittag von feinem Erholungs- urlaub zurückgekehrt ist, Dr. Zapf und Dr. C u r t i u s vertreten. Die Demokraten werden die Abgeordneten Erkelenz , Dr. Haas und K e i n a t h entsenden. Die Besprechungen mit den Sozial- demokraten und den Dentschnationalen werden dos Ende der Woche ausfüllen. Der Reichskanzler wird bestimmt« Richtlinien vor- legen, die die Grundlage der Politik einer„Regierung der Volks- gemeinfchaft" bilden werden, wie sie ihm vorschwebt. Der Kernpunkt dieses Programms wird in der Durchführung des Londoner Paktes liegen. Ein Teil der Morgenpress« findet es auffällig, daß der Reichskanzler die Führer der Sogialdemotraten v o r den Deutsch - nationalen empfangen will. In der Umgebung des Reichskanzlers legt man Wert auf die Feststellung, daß alle Vermutungen, die sich an diese Tatsache knüpfen, durchaus verfehlt feien. In Anbetracht der Totsache, daß die Sozialdemokraten lange Zeit die Politik der Regierung unterstützt haben, sehe es der Reichskanzler als seine Pflicht an, auch die Sozialdemokraten zur Mitarbeit wieder aufzufordern. Das Ziel des Reichskanzlers,«ine„Regierung der Volksgemeinschaft" herbeizuführen, stehe unverrückbar fest. Richkigslellunq. In� unsere Kritik der Getreidepreise unter der Ueberschrift.Könitz' Erfolg" haben sich einige Versehen eingeschlichen. die der ausnierksame Leser an.Hand der Tabelle bereits festgestellt haben wird: Die Börsenpreise beziehen sich nicht auf den Doppel- zenlner, sondern auf die T o n n e zu 1000 Kilogramm. Im ersten Absatz muß es demnach überall, wo von Doppelzentnern die Rede ist. Tonne heißen. De? Zentner Getreide ist während der letzten Monat« um rund 5 M.— nicht wie fälschlich dasteht SO M.— im Preise gestiegen.
«.Der heißerfehnte Zreiheitskampf". Deutscher Offiziersbuud gegen Reichsregieruug. Der Vorsitzende der Ortsgruppe Koburg des Deutschen Offiziers- bundes, Generalmajor a. D Schneider, teilt in einem vertrau. lichen Schreiben mit, daß die Bundesleitung„die anfangs eng ge- steckten Grenzen ihrer Tätigkeit erweitert und sie nunmehr auf alle vaterländischen Fragen ausgedehnt hat und zur Erlangung ihrer Ziel« zur Kampfstellung gegen die R e i ch s reg i e r u n g übergegangen ist". Ueber das Deutsch , das der ehemalige General- major verzapft, wollen wir nicht streiten. Wenn aber die Bundes- leitung des Deutschen Offiziersbundes der Reichsregierung den Kampf ansagt, so trilt sie damit aus ihrer politischen Neutralität heraus, und das Reichswehrministerium wird genötigt fein, sich einmal etwas genauer mit dem Offiziersbund zu beschäftigen. Wie wir hören, beabsichtigt der Deutsche Offiziersbund mit seiner Schwenkung, sich der Gruppe Ludendorff-Hitler zu nähern. Ludendorff ist im Begriff, sich durch den„Frontring" eine neue militärische Orgo- nisation zu schaffen. Daß er daran denkt, sich hierbei auch der aktiven Mitwirkung einzelner Reichswehroffiziere zu versichern, geht aus einer Erläuterung zum Frontringausruf vom 2. September aus der Feder des ehemaligen Hauptmanns Röhm hervor. Die Reichswehr ist, wie die Vorfälle vom 9. November vorigen Jahres beweisen, gegen derartige Zersetzungsversuche nicht ohne weiteres gefeit. Der Verlauf des Münchener „Frontbann"-Skandals läßt darauf schließen, daß sich Ludendorff auch mit dieser Neugründung gewaltsame politische Ziele gesetzt hat. Will das Reichs- wehrministerium dulden, daß die Putschpropaganda auf dem Wege über den Deutschen Offiziersbund von neuem m die Reichswehr getragen wird? Es ist traurig genug, daß es sich der Offiziersbund erlauben darf, sich zum offiziellen Träger der Hetze gegen die Reichs- regierung herzugeben. Der„heiß ersehnte Freiheit?» kämpf", von dem in dem Schreiben die Rede ist, erscheint dem- gegenüber lediglich als Atrappe, um Dumme zu täuschen. Geisler kneift— und beschimpft die Deutschnatiouale». Der deutschnationale Reichstagsabgeordnete G e i s l e r zieht es vor, auf den offenen Brief des Genossen H ö r s i n g zu kneifen. Als Antwort läßt er durch fein«„Vaterländischen Verbände" eine Notiz verbreiten, die lediglich besagt. Geisler halte es für unter seiner Würde, der Einladung des Reichsbanners zu folgen, seine unwahren Behauptungen in öffentlicher Versammlung durch Beweise zu erhärten. Darum handelt es sich in dem offenen Brief gar nicht mehr. Genosse Hörsing ist an den Abgeordneten Geister mit der Aufforderung herangetreten, sein« Angaben vor Gericht zu be- weisen. Um ihn zu einer gerichtlichen Austragung der Angelegenheit zu zwingen, nannte er ihn, falls er den gerichtlichen Weg nicht be- schreite, einen bewußten Verleumder und Ehrabschneider. Indem er kneift, unterstellt Herr Geisler diese Charakteristik als wahr, er gibt zu, daß er ein bewußter Verleumder und Ehr- a b f ch n e i d e r ist. Aber er begnügt sich nicht mit diesem Selbstporträt. Er begibt sich auch auf das Gebiet der Polemik, indem er sein« Haltung dem Reichsbanner gegenüber mit dem Einwand zu decken oersucht, die Gründer des Reichsbanners hätten durch ihr Eintreten„für die Ausführungsbestimmungen des verfailler Dikkotes. des Dawes-Gu!- achtens, bekundet, daß sie gegen das bodenständige deutsche Kavnd und gegen die deutsche Arbeit de« Interessen des ausländischen Kopi- talismus dienen". Diese Gründe mögen an sich sehr ehrernverl[ein, aber Tatsache ist es, daß die Deutschnationolen durch ihren mannhaften Umfall die Annahm« der Dawes-Gesetz« erst ermöglicht haben, und daß sich dieselben Deutschnationalen jetzt dazu drängen, an der„loyalen Durchführung" der Gesetze durch ihren. Eintritt in die Regierung mitzuarbeiten. Wie wäre es mit einem Austritt aus der deutschnationalen Partei, Herr Geisler? Ober glauben Sie, daß«in« Partei wie die deutschnai!ona>e auf ein« ehrenwert« Persönlichkeit wie die Ihr« nicht verzichten kann? Der Landtag setzte heut« die zweite Beratung des Haushalts �er landwirtschaftlichen Berwaltung fort. Minister W« n n d o r f nimmt Stellung zur Siedlungsfrage und weist auf die statistischen Ergebnisse hin. Man dürfe die Ergebmsi« der Siedlung nicht zu gering einschätzen.
Kirschkerne. Bon Hans Bauer. Ein Mann ging auf der Straße, in tiefes Nachdenken versunken, spazieren, als plötzlich' hiniter ihm fein Name gerufen wurde. Er schreckte aus feinen Gedanken auf, drehte sich um und--- warf die Hände in die Luft und stürzte länglings hin. Der Arme war bei der schnellen Drehwendung auf einen Kirschkern getreten und aus- gerutscht. Die Folg« dieses Unglücksfalles war ein außerordentlich schmerzhafter Beinbruch. Als der Verunglückte wieder einigermaßen hergestellt war, sah man ihn nur noch mit einer Kirschtüte auf der Straße, aus der er eine ZÄrfche nach der anderen nahm und deren Kerne er emsig auf die Straße spie. Em Freund ftagte ihn, warum er dos tu«.„Haben Sie schon einmal durch die Unvorsichtigkeit anderer das Bein ge- krochen?" ftagte ftner zurück. „Nein." „Dann kennen Sie diesen Schmerz auch nicht." „Und dann..." „Und dann verstehen Sie es freilich auch nicht, warum ich nun meinerseits Kirschkerne streue." Dann ging auch ein anderer Mann auf der Straße. Hörte auch seinen Namen. Dreht« sich auch schnell um. Glitschte auch auf einem Kirschkern aus. Broch auch das Bein— und ward einige Monate später gesehen, wie er jeden Kirschkern entzweitrat, desien er irgendwo auf der Straße ansichtig wurde. Ein Freund ftagte ihn, warum er das tue.„Haben Sie schon einmal durch die Unvorsichtigkeit anderer das Bein gebrochen?" fragte er zurück. „Nein." „Dann kennen Sie auch diesen Schmerz nicht." „Nun dann.. „Und dann verstehen Sie es fteilich auch nicht, warum ich jedem mein Geschick ersparen möchte." Was noch zu sagen bleibt: daß dieser sich einen Friedensfreund nannte, während jener schon vor seinem Beinbruch unabkömmlich war.
Oer unwiüerstehliche kajyan. «nes Oberlehrers in drei Akten" ist kein „Stuck. Ez tst in feines der dramatischen Gattungsfächer einzu- reihen. Es rft nichts, als ein Abenteuer in drei Akten. Ein allen Gesetzen der dramatischen Ueberlieferung, des Handwerks des „Baues" Hohn sprechendes„Stück". Jede Pointenmöglichkeit wird ausgenutzt. Man geht auch dem billigsten Witz nicht aus dem Weg. Um das dürre Gerüst einer s-hr schwächlichen Handlung hängen Witz«. Es ist, als hätte man an einem kleinen, ärmlichen Weih- nachtsbäumchen unzählige Nüsie und Pralinees angebracht— guter und schlechter Qualität. Die Erfinder, dieser unoerdlent aber mit
rücksichtsloser Witzigkeit behängten Handlung sind die beiden B r ü- der Golz, die in Wien und Umgebung bekannten und mit ver- dienter Liebe behandelten. Sie sind eine Besonderheit, eine Speziali- tät des Jroniebegabten, ftuchtbar-geistigcn, sich selbst und die anderen karikierenden Judentums. D«r Oberlehrer, dem im„Komödienhaus" das„Aben- teuer" zustoßt— eine junge Frau flieht mit ihm, um ihren Mann eifersüchtig zu machen, flieht avcr gerade mit ihm, um den Mann n, ch t eifersüchtig zu machen— ist Ralph Arthur Roberts . Dieser Komiker, in der Maske eines jener Affenmenschen die>n den höheren Lehranstalten so oft und so redlich Naturgeschichte unterrichten� mit rötlichem Bart und spärlichem Haupthaar, einer noch nicht entschiedenon Glatze, behaftet mit sächsischem Dialekt und jungfräulicher Männlichkeit, sieht sich durch allerlei unwahrscheinliche Begebenheiten plötzlich als einen von vier Frauen heißbegehrten Mann und glaubt mit der Zeit selbst an den„Zauber", der von ihm ausgehen soll. So lange ist er grotesk-lyrisch, von der Romantik eines verhinderten Don>Juantums überweht, lächerlich ohne es zu wissen und also: lächerlich. Wie sich aber zum Schluß herausstellt, daß kein Zauber von ihm ausgeht, wandelt sich das Groteske ins Tragische. Dann ist es das Trauerspiel eines enttäuschten Menschen, der die traurigste Enthüllung erlebt: daß er lächerlich ist. Der dort verletzt wird, wo sogar die Männer, nicht nur die Oberlehrer aus dem Geschlecht dieses„Dornbusch", am verletzbarsten sind: in der Region der Eitelkeit. Wie Roberts zum Schluß auf die Verlegen- heitsentschuldigung der jungen Frau reagiert, wie er zugibt, daß er das ganz« Spiel von vornherein durchschaut und nur aus Gut- mütiokett mitgemacht hat. während er den tiefften Schmerz, den der Selbsterkenntnis, erlebt-- dieser Augenblick ist der Punkt, an dem der höchste Schmerz gleich wird dem Gelächter, dem oerstumm- ten und als stille Klage fortwirkenden. Es ist der Meifteraugenbück eines starken Komikers.__ th. Die kammerspiele warteten gestern mit einem köstlichen Gericht auf.„Die tote Tante und ander« Begebenheiten" nannte sich das Menü, von Kurt Götz mit allen Finessen zubereitet und von ihm selbst serviert. Diese drei Einakter des kultivierten und amüsanten Schauspielers und Autors find ebenso genußreich wie ein« Portion Kaviar. Man wird nicht satt davon, ober der Feinschmecker hat seine Freude daran. Nach dem Vorgong Bernhard Shaws, der einigen seiner Stück« den Obertitel„Erquickliche und unerquickliche Stücke" gab, nennt Herr Götz seine Einakter„Aergerliche und erbau- liche Begebenheiten". Sein Witz ist nicht so geistvoll und so spitz wie der Shaws, aber dafür leichter, spielerischer, tändelnder, mit Bravour und Virtuosität an der Oberfläche bleibend. Der erste Einakter „Der Mörder" macht den Zuschauer bis zur Asngsttichkeit ge- spannt. Die etwas leichte Gattin fürchtet und muß nach den vor- liegenden Umständen annehmen, daß ihr Mann ihren Liebhaber auf der Jagd erschossen hat. Die Spannung steigt auf den Höhepunkt, als der Gendarm erscheint. Aber olle- löst sich in der liebens- würdigsten Weise auf. Es war ein für die Gattin heilsames Miß- Verständnis. Der Gendarm wollte den Gutsherrn nur um einen Zenlner Kartoffeln bitten. Im zweiten Einakter„D a s M ä r ch« n", das Herr Götz bescheiden eine„kitschige Begebenheit" nennt, spielt
er leicht ironisch mit der Blasiertheit eines Gesellschaftsmenschen Fangball, der sich aus lauter Langeweil« um 1 Uhr erschießen will, wenn nicht bis zu diesem Zettpunkt die Frau in sein Leben tritt. Er hat nur noch 14 Minuten Zeit. Die Türen des Schloßparks sind fest geschlossen, doch siehe da, aus dem Baum vor seinem Fenster steigt in sein Zimmer ein« niedliche klein« Zigeunerin. Ein anderer als Kurt Götz hätte aus diesem Stoff wirklich eine kitschig« An- gelegen hei t gemacht, er aber versteht sein« grazilen Miniaturen so pikant zu untermalen, daß kleine Kunstwerke aus ihnen werden. Der spaßigste Einakter ist„Die tote Tante". Hier«rschent der teuffche Schukprofessor, dessen Gattin nach der Geburt des 12. Kindes sich dahingehend äußert, daß das Wochenbett die einzige erfreuliche Zeit für sie sei, in der sie von dem Trubel der Wirtschast«in« Zeit lang befreit ist. Herr Oberlehrer Nägler Hat seine Schwester aus feinem Leben gestrichen, weil sie ein uneheliches Kind bekommen hatte,— die Dirne, die schamlose. Sie hat ihm indessen ihr gesamtes Vermögen im Betrag« von 230 000 Dollar Htnterlossen. oder vielmehr feiner ältesten Tochter Jnnocenzia. Auf diese Nachricht hin beginnen die festen Moral- anschauungen des teutschen Oberlehrers bereits ins Wanken zu ge- raten und werden es noch mehr, als er von einer kleinen, verzwickten Klausel des Testaments hört. Dos verführerische Vermögen soll nämlich nur dann seiner Jnnocenzia zufallen, wenn sie— hi, hi— bis zu ihrem 17. Lebensjahre ein uneheliches Kind zur Welt bringt. Dieser Einfall scheint nicht ganz originell. Man denkt an„Lottchens Geburtstag" des Ludwig Thoma , an„Erziehung durch Colibri" von Hans I. Rehfisch und dennoch hat Götz den Bourgeois in ebenso feinsinniger wie spaßhafter Weise verulkt. Wie sich mit Hilf- des schüchternen Herrn Heinrich Kraft(von Eugen Rex famos dar- gestellt) alles zugunsten der 250 000 Dollar und ohne wesentliche De- schädigung der teutschen Moral zum Guten wendet, das ist subtilste Kleinkunst eines bühnengewandten Schriftstellers. Die Vorstellung, an der sich die zierliche frische und anmutige Valerie v. Martens und Leopold v. Ledebour beteiligten,' wird den Zuschauern in angenehmster Erinnerung bleiben. Dgr. Das neu« deutsche Gold. Seit längerer Zeit sind, wie man weiß, Erwägungen im Gong«, um eine Rückkehr zu deutscher Gold- Währung zu ermöglichen Ohne daß diese schon abgeschlossen wären. sind aber auch schon Vorbereitungen für die Formgebung eines etwaigen deutschen Goldgeldes getroffen« worden. Ein« Reihe von Hervoragenden Künstlern, di« in Münz- und Medaillenfragen bc- sondere Leistungen auszuweisen haben wurden zur Ausarbeitung von Entwürfen aufgefordert. Es sind dabei, wie wir hören, der Berliner Professor Emil Rudolf Weiß , Lehrer an den Dereinigten Staatsschulen für freie und anaewandte Kunst und der Münchener Medailleur Oberregierungsrat Professor Maximilian Dasio. der dem bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus an- gehört. _ Iwan Gilkin, Direktor der französischen Sprache und Literatur an der königlichen Akademie zu Brüssel , ist gestorben. Er war 1858 in Brüs!-l geboren, gehörte der Richtung.J-une Beige" an und war mit Emile Verhaeren und Albert Gtraud einer der charatterillijchcu Vertreter der belgischen zettgeuöjstschea Dtchttuust. �