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Die vereinigten Staaten Europas  » Eine Kundgebung im Herrenhause.
Anläßlich des 23. Weltfriedenskongresses fand gestern abend im ehemaligen Herrenhaus« eine eindrucksvolle Kundgebung für die Schaffung der Bereinigten Staaten von Europa   und den Völkerbund statt. Vor überfülltem Saal eröffnet« Professor O e st r e i ch die Veranstaltung. Für den durch Krankheit ver- hinderten italienischen Redner Francesko Crestano verlas Dr. Kawerau dessen eingesandtes Manuskript über das Thema des Abends. Nach dem Weltkrieg stellt er fest, haben die demokratischen Kräfte in Europa   sich allgemein verstärkt, während die oristokra- tischen zurückgedrängt worden sind. Diese Erkenntnis macht jeden Krieg nicht nur zu einem sittlichen Verbrechen an der Menschheit, sondern auch zu einem absoluten Widersinn. Da durch Krieg« keinerlei Existenzfragen gelöst werden, ist es von höchster Bedeutung zu wissen, ob es denn keine anderen und besseren Möglichkeiten gibt, um allen Völkern die Lebensfähigkeit zu sichern. Die fort. geschrittenen technischen Verhältnisse der Neuzeit lassen den Weg aus dem heutigen Chaos zu, und außer Kant ist es ein Italiener ge- wesen, Guiseppe Mazzini, der die Schaffung der Dereinigten Staaten von Europa   als einer der ersten, und zwar nach amerika- nischem Vorbild, vorgeschlagen hat. Der Weltkrieg lehrt«, daß eigen« Wohlfahrt sich nicht durch den Ruin anderer erreichen läßt, und daß jede Schwächung Europas   höchstens zugunsten der außer- europäischen Staaten geschieht. Schlug man vor dem Krieg« bereits vor. gegen die drei Großmächt« Rußland  , England und die Ver» «inigten Staaten ein mitteleuropäisches Bündnis unter Führung Deutschlands   zu gründen, so ist die Lösung bei der heutigen poli- tischen Konstellation nur in noch größerem und schönerem Sinne mpglich, eben durch die Gründung der Dereinigten Staaten von Europa  . Die nachfolgenden Ansprachen waren alle von tiefem Ver- ständnis für die Not der Gegenwart erfüllt. Lydia Stöcker betont« die hohe Aufgabe, die die Frau bei der Erziehung der Jugend zu Weltbürgern zu erfüllen hat. Dr Wolter Fabian stellte unter stürmischem Beifall fest, daß nur ein« reine Rechts- pflege im eigenen Staat Gewähr für«in reines Völkerrecht gibt, weshalb es notwendig ist, dem Fechenbachskandol, der für tausend andere juristisch« Skandale in Deutschland   typisch ist, ein sofortiges
Ende zu bereiten. Hans Schwann führt« aus. daß ohne den Freihandel nicht an«ine Pazifierung der West gedacht werden kann. H. v. G e r l a ch machte einige Gesichtspunkte gegen die Schaffung der Vereinigten Staaten   von Europa   geltend, da ja der Völkerbund  den ungeheuren Vorzug der Existenz besäße. Heinrich Strö> b e l stellte dieser Aufsassung durchaus richtig die Meinung enl- gegen, daß der Völkerbund   auch bei einem Pan-Europa möglich fei, und daß eine große Zokfl brennender sozialer Probleme nur durch die europäischen   Staatenzusammenfassung gelöst werden könne. Senatsprästdent F r e y m u t h konstatierte, ebenfalls an das himmelschreiende Fechenbach-Urteij anknüpfend, daß unser« deutschen  Richter zwar ein ausgebildetesRechts empfinden, aber durchaus keinLinks"empsind«n besitzen. Toni Psülf behandelt« die Not- wendigkeit, der Jugend nun auch endlich den ideologischen Heber- bau zu verschassen, den die heutig« Oekonomie oerlangt und Pastor F r o n ck e wies an einem treffenden Beispiel aus der deutschen   Völkerbundpolitik noch, wie das Dogma eines selbst sach- lich unklugen Egoismus noch das Denken und Handeln der meisten deutschen   Politiker beherrscht. Professor Lt u i d d e führte zum Schluß aus, daß der Gedanbe der überstaatlichen Organisation sich durchsetzen müsse, wenn der Friedensgedanke Realität werden soll. Die pazifistischen Fragen sind heute nicht mehr Fragen der Weltanschauung, son- dem Problem« des gesunden Menschenverstandes, denn daß ein künftiger Krieg jede Kultur und Zivilisation bei dem bereits jetzt erreichten Stand« der Technik zerstören würde, gibt selbst ein Mann wie General Foch zu. Das Leben der Menschheit steht aus dem Spiele, in der Hand der heutigen Generation liegt die Ent- scheidung. Der International« der Dummheit will die heutige Jugend die Internationale der Vernunft und des Glaubens entgegensetzen, ergänzte Professor O e st r e i ch. In letzter Minute kam noch, mit lebhaftem Beifall empfangen, Professor Bäsch zu Wort. Auch diesmal riß er die Anwesenden mit sich fort, und sein Bekenntnis zur Aktivität und zur Jugend entfesselte Stürme reger Begeisterung. Einstimmig wurde«ine Resolution, die die Befreiung Fechenbächs und aller politischen Ge- songenen fordert, angenommen.
Luöenöorffs �lletter-Kreuz. Noch ein völkischer Ordensschwindel. Ludendorff   Ist jetzt in«inen neuen Ordens- schwindet verwickelt, nachdem er erst jüngst durch sein Marschall­amt beim Vertrieb der Ehrendenkmünz« des Hauptmanns Hering bloßgestellt wurde. Im Jahre 1E19 wurde«t München   der Vater­ländische Verband, der Frontkriegerbund, auf satzungs- gemäß parteipolitisch neutralem Boder gegründet mit der Aufgab«, seinen Mitgliedern wirtschaftlich zu helfen und in ihnen außerdem da? vaterländische Empfinden wachzuhalten. Anfang 1923 nistet« sich aber Hitler   in diesem Bund ein und erreicht« alsbald, daß Ludendorff   zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde. Vom Sommer 1923 an wurde dann der Bund ausschließlich für innerpolitische Zwecke im Geiste Ludendorffs und Hillers mißbraucht, und zwar unter der Führung eines gewissen Alletter. Vor«inigen Tagen hat sich nun eine Reihe an der Spitze stehender Mitglieder von Alletter losgesagt und«ine Menge von Freunden in München  , Augsburg   und anderen bayerischen Städten mitgerissen. Di« Spal- tung im Frontkriegerbund ist also komplett. Was die Sezessionisten zu ihrem Schritt veranlaßte, gaben sie im einzelnen in einer Bundesausschußsitzung bekannt, und hier erfuhr man, wie skrupel- los der Despot Alletter unter der Billigung Ludendorffs fein Ge- ichäft betrieb und den ganzen Frontkriegerbund zu einer rein nallo- nalsozialistischen Vereinigung radikalster Richtung gemacht hat. Sein« Arroganz ging schließlich so weit, daß er kürzlich ein Ver- sammlungsinserat des Bundes in Bamberg   mit der Worten unter- zeichnete: Hugo Alletter aus München  , Bundesleiter des Front- triegerbundes, genannt der zweit« Hitler  (l). Wie er in Wirklichkeit die Leitung ausübte, ersieht man dar- aus, daß er in erster Linie die Kassengeschäfte an sich riß in einer Weise, so daß der eigenlliche Kassenwart sieben Monate lang überhaupt kein« Beiträge mehr sah. Irgendwelche Abrech- nungen waren niemals zu erlangen. Dos genügte aber dem Herrn Bundesleiter noch nicht. Mit Zustimmung des Ehrenprä- sidenten Ludendorff führte er ein sogenanntes Alletter» Kreuz em, das den Mitgliedern verliehen wurde, nicht um sie zu lluen, sondern um mit dem dafür zu bezahlenden Entgelt die Bundeskasse zu füllen. Die Verleihung dieses Kreuzes, dos nach Anweisung Alletters vor dem Eisernen Kreuz   1. Klasse zu tragen war, weil es der Silberne', Tapferkettsdemaille gleichkäme, sollte so viel Geld einbringen, daß die ganze Verwaltung des Front- lriegerbundes in glänzender Aufmachung davon bezahlt werden konnte. Ob dieses Geschäft geblüht hat, teilte der Vorsitzende de: Ortsgruppe München   des Fronttriegerbundes, von dem dies« An- gaben stammen, nicht mit. Jedenfalls ober brachte es dem Alletter so viel ein, daß er auf einen anständigen bürgerlichen Beruf und Erwerb verzichten und ausschließlich den Geschäften eines zweiten Hillers nachgehen konnte._ Er will nur bitten, nicht forüern. Zu dem bei uns am 2S. September veröffentlichten Auftuf der Arbeiterkommunisten, in dem verlangt wird, daß die In Rußland cingekerkerten Arbeiterkommunisten befreit werden, sendet uns einer der Unterzeichner. Kurt Steinbrecher(Deutschland  ), unter Be- rufung auf ss 11 des Preßgefetzes, eine..Berichtigung", in der er erklärt, daß sein Name zu Unrecht unter diesem Ausruf stehe und daß er schon vor einem halben Jahr gegen den Mißbrauch seines Namens bei den betreffenden Stellen prot«st»xt habe.IH� habe lediglich", fährt er fort,einem Freund des Mjasnikow bei einem. gemeinschaftlichen Mittagsmahl, wo die Rede auf Mjasmtow kam, den ich auch persönlich linat, i>i� Lage des alten Botschewisten be­dauert und auf Ersuchen des Freundes von M. meinen Nmnen her. gegeben zu einem Gesuch an das Volkskommissariat der U. d. S. S. R. und zu diesem Zweck« meinen Namen in das Notiz- buch dieses Freundes eingetragen, ohne jegliche Kenntnis dieses Aufrufes, welcher nicht meinen politischen Tendenzen entspricht." Sln dem Inhalt des von uns wiedergegebenen Auftuses wird natürlich nichts durch dies«Berichtigung" Steinbrechers geändert, der offenstchllich auch den Terror gegen die Arbeitertommunisten rerurteilt. aber lediglich dafür zu haben ist, ein Gesuch an die russische   Sowjetregierung zu richten.
Ein« Vombenpost. In der heutigen Zeit des Luftverkehrs ist es vieil-icht interessant, daraus hinzuweisen, daß der unglücklich« Dichter Kleist bereits vor mehr als hundert Jahren den Gedanken ber Beförderung der Post auf dem Luftwege durch nachstehend ge. schilderte Erfindung verwirklichen wollte. Er schrieb in seinen Ver- lincrAbendblättern" vom 19. Oktober 1819: Nützliche Erfindungen. Entwurf einer Vom- benpost. Man hat in diesen Tagen zur Beförderung des Der- kehrs innerhalb der Grenzen der vier Weltteil««inen elekirischen Telegraphen erfunden: einen Telegraphen der mit der Schnelligkeit des Gedankens, ich will sagen, in kürzerer Zeit, als irgendein chrono- metrisches Instrument angeben kann, vermittelst des Elektrophors und des Metalldrahts Nachrichten mitteilt, dergestalt, daß, wenn jemand, falls nur sonst die Vorrichtung dazu getroffen wäre, einen guten Freund den er unter den Antipoden hätte, fragen wollt«: Wie gehts dir?.derselbe, ehe man noch ein« Hand umkehrt, ohngefahr so, als ob er in einem und demselben Zimmer stünde, antworten könnt«: Recht gut So gern wir dem Erfinder dieser Post, die auf rcchr sigentliche Weis« aus Flügeln des Blitzes reitet, die Krone des Verdienste» zugestehen, so Hot doch auch diese Fernschreibekunst noch di« Unvollkommenheit. daß sie nur. dem Interesse des Kaufmanns wenig ersprießlich, zur Persendtmg ganz kurzer und lakonischer Nach. richten, nicht aber zur Uebcrmachung von Briefen, Berichten, Bei- lagen und Paketen taugt. Demnach schlagen wir, um auch diese Lücke zu erfüllen, zur Beschleunigung und Vervielfachung der fMdels- kommumkvtionen. wenigstens innerhalb der Grenzen der kultivierten Weit,«in« Wurf, oder Bombenpost vor: ein Institut das sich mik zweckmäßig innerhalb des Raums einer Schußweit« angelegten Zlrlilleriestationen, aus Mörsern oder Haubitzen, hohl«, statt des Pul- vers, mit Briefen und Paketen angefüllte Kugeln, die man ohne all« Schwisriakeittn mit den Augen verfolgen und, wo sie hinsallen, folls es ein Morastgrund ist. wieder auffinden kann, zuwürfe: der- gestalt. daß die Kugel auf jeder Station zuvörderst erössnet, die re'pektiven Briefe für jeden Ort herausgenommen, die neuen hinein- aeleat. das Ganze wieder verschlossen, in unen neuen Mörser ge- laden und zur nächsten Statton weiter kpediert werden könnt«. Den Prosp-kttis des Ganzen und die Beschretbunq und Auseinandersetzung der Anlagen und Kosten behalten wir einer umständlicheren und weitläufigeren Abhandlung vor. Da man auf diese Weise, wie eine kurze inalhematilihe Berechnung lehrt, binnen Zeit eines halben Tages, gegen gering« Kosten von Berlin   nach Stettin   oder Breslau  würde schreien oder respondieren kömmen und mithin, verglichen mit Miseren reitenden Posten, ein zehnfache? Zeitgewinn entsteht, oder e? ebensoviel ist. als ot em Zauberstob diese Orte der Stadt Berlin   zehnmal näher gerückt hatte so glauben wir für das burger- liche sowohl als das Handel tt«' den de Publikum ein« Erfindung von dem gröhesten und entfcheidensten Gewicht, geschickt, den Verkehr auf den höchsten Gipfel der Vollkommenheit zu treiben, an den Tag ge- legt zu haben."_____ «aokole Aravce» Zustand bedenMch. Au» Tour« wird gemeldet, bah im Gesundheit», ustand von Anatole France   eine Verschlechterunq«in- getreten sei. Der arets« DiSter befind« sich in«rnem dauernden Zchwäche. zustand, der namentlich seit 48 Stunden erheblich zugenommen habe. Lucy Sieselhoosen veranstaltet am 8. im Blüthnersaal einen Tanzabend out teilivelse neuem Programm.
der /lbbau von Wahlbeamten. Einigung im Landtag. Die Fraktionen der Demokraten, de» Zentrum» und der Sozial- demokraten im Landtag haben sich aus einen gemeinsamen Antrag geeinigt, der die Personalabbauverordnung dahin ab- ändern will, daß der Beschluß, durch den ein M a g i st r a t s m i t- g I i e d einstweilig in den Ruhe st and versetzt wird, zu seiner Rechtswirksamkeit der Znstimmung der AufsichtS- b-Hörde bedarf. Versagt diese die Znstimmnng. so entscheidet auf Antrag der Stadtverordnetenversammlung das Staatsmini- sterium. Das Gesetz soll rückwirkende Kraft ab I.September 1924 erhalten. Die Abstimmung des preußischen Landtags über die einstweilige Einstellung des Abbaue» der Wahlbeamten konnte be­kanntlich infolge zweimaliger Beschlutzunfähigkeit des Hause» noch nicht erfolgen._ Die Arbeit ües Staatsgerichtshofs. Wieder drei Kommunisten verurteilt. Leipzig  . 3. Ottober.(WTB.) ver Staatsgerichtshvf zum Schutze der Republik   verurteilte heute den Arbeiter Adolf Groß aus Horburg, der im Mai dieses Jahres an Polizeibeamte Flugblätter verhetzenden Inhalts verteilt hotte, wcgen Beihilfe zur Vorbereitung des Hochverrats w Tateinheit mit einem Bergehen gegen§ 7 Ziffer 4 de? Repnbllkschutzgesetzes zu zwei Iahren Gefängnis und 59 M. Geldstrafe Sodoitn verhandelte der Slaatsgcrichtshof gegen den 18 Jahre alten Ausläufer Werner Z s ch o ch e r und den gleichfalls 18jährigen Hilfsarbeiter Otto Gröninger, beide aus Stuttgart  , die der kommunistischen   Ju­gend in Stuttgart   angehören. Bei ihnen wurden Flugschriften und Plakate revolutionären Charakters, bei Gröninger auch ein« Pistole und Infanteriemunitton sowie 2 Handgranaten beschlagnahmt. Das Urteil lautet« gegen Zschocher wegen Beihilfe zur Vorbereitung des Hochverrots in Tateinheit mit einem Bergehen gegen 8 Ziffer 4 des Republikschutzgesetzes auf« i n I a h r G e f.ä n g n i s und 59 M. Geldstrafe, gegen Gröninger zugleich auch wegen Vergehens gegen da, Sprengstoffgesetz und die Wafsenverordnung ans 9 Monat« Gefängnis und 59 M, Geldstrafe. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, die Kommuntsttsche Partei Hab« ihr Ziel des gewaltsamen Umsturzes mwerrückt im Aug« behalten, uttd jede Tätigkeit, di« dazu dienen soll«, dieses Ziel vorzubereiten und die Voraussetzung für seine Erreichung zu schaf- fen, stelle ein« Handlung zur Vorbereitung des Hochverrats dar.
Wahlangft ües britischen   öürgerblocks. London  . 3. Ottober.(Eigener Drahtbericht.) All« Parteien rüsten sich für Neuwahlen zum Parlament für Mitte Novem. der. Die Arbeiterpartei hat soeben ihre Funktionäre im ganzen Land angewiesen,, spätestens Ende Oktober die Wahl- bewegung zu eröffnen. Auch die Konservatwsn und Liberalen haben Wahlvorbereitungen angeordnet. Zweifellos sind die bürger- lichen Parteien von Neuwahlen in dieser Zeit nicht erbaut und Einflüsse am Werk, um den König zu bestimmen, im Falle eines Mißtrauensvotums für das Kabinett das Ersuchen Macdonalds, die Wähler zu beftagen, abzulehnen. Wenigstens soll der König die Parlamentsauflösung nicht früher unterzeichnen, bevor Baldwin, der Führer der Konservativen, und Asquith  , der liberal« Parteichef, oder irgendwelche anderen Politiker eingeladen werden siitt», ein neues Kabinett zu bilden. Di« Konservativen rechnen damit, daß der Rücktritt der Arbeiter- regierung schon am nächsten Mittwoch erzwungen wird, wenn sie den Generalstaatsanwatt, der Mitglied der Regierung ist, angreifen, weil er die Strajoerfolgung eines kommunistischen   Führers auf. gehoben hat. Immerhin ist vorläufig sicher, daß di« Liberalen ein« Untersuchung beantragen werden, der sich die Regierung nicht ver- schließen wird. Eine Verzögerung der Krise ist also nicht unwahr- scheinlich. In der Frag« des englisch  -russifchen Vertrage-, der vom Parlament nach dem 28. Ottober behandelt wird, ist aber kaum damit zu rechnen, daß die Liberalen zur Arbeiterpartei halten. Kommt es zur Wahl, so Verden   die Kämpfe viel heftiger als je zuvor werden: denn nicht nur die Arbeiterpartei hat ihren Organisationsopparat mit großem Eifer ausgebaut, sondern auch die Konservativen haben, um die Scharte der letzten Wahlen aus. zmvetzen, ihren Parteiapparat vollkommen neu durchorganisiert. Der liberale Lord Birkenhead   hat Fühlung mit den Kon- servativen aufgenommen, um eine liberal-konservatwe Koali- tion zustande zu bringen und dadurch im Falle des Kabinetts- sturzes die Neuwahlen zu vermeiden. Wenn diese Koalition zu- stand« käme, werden sowohl Birkenhead   wie Churchill   und Lloyd George   in dem Koälittonskabinett lettende Posten be- kommen.
Verlängerung üer Dawes-ßriften. Varl». 3. Oktober.  (Eigener Drahtbericht.) Am S. Ottobcr sollten laut Dawes-Plan   drei Feststellungen von der Reparvtions- kommission gemacht werden: 1. die Einrichtung sämtlicher Organis- men, die im Londoner   Abkommen vorgesehen waren, 2. die end- gültige Bildung der neuen Reichsbank und der Reichsbahngesellschaft und 3. di« Uebergabe der Obligationszertifikate an die Treuhänder. Außerdem sollten die Verträge abgeschlossen sein, die di« Anleihe von 809 Millionen gewährleisten sollten. Es hat sich aber herausgestellt, daß es materiell unmöglich sein wird, an dem betreffenden Tag diese Feststellung restlos zu machen. Insbesondere hat sich ergeben, daß die endgültig« Bildung so komplizierter Organismen wie di» neue Reichsbahngesellschaft und die neu« Reichsbank sowie der Abschluß von Verträgen für die Placierung der Anleihe eine ungeheure Vorarbeit vorausgesetzt, di« nicht in den in London   vorgesehenen Fristen vollzogen werden tonnte. Unter diesen Umständen hat dar Reparationsagent D o u n g«rm Freitag nachmittag bei der Reparationskommission beantragt, daß die im Dawes-Plan   vorgesehene Frist vom 6. Oktober um einig«: Tage verl.äNLert wird. Poris, 3. Oktober.  (WTB.) Die Reparalionskommission ha». auf Anrrog des Generalagenten Owen Uoung beschlossen, an- gesichts des Umstände,, daß die schwebenden Verhandlungen noch nicht beendet werden konnten, die im Londoner Zahlungsplan vor- gesehene Frist für die zweite Feststellung, di« am 6. Oktober statt- finden sollte, um sieben Tage, bis zum 13. Oktober, zu ver- längern. England gegen Genfer   Protokoll: London  , 3. Oktober.  (Eigener Drahtbericht.) In England erhebt sich, namentlich in konservativen Kreisen, eine sehr scharfe Kritik der Genfer   Abmachungen über die Schiedsgerichtsbarkeit, ins- besonder« auch deswegen, weil die E i n w a n de r un g« frag« n unter die Konttoll« des Völkerbundes gestellt werden können. Wie di« Vereinigten Staaten  , so sind auch di« britischen Dominions Australien  , Kanada   und Neuseeland   ausgesprochen gegen die japa- nische und chinesische Einwanderung. Der konservativeEoening Standard" weist darauf hin, welche unmögliche Situation für England sich ergeben würde, wenn z. B. Australien wegen seiner bekannten Haltung gegen die Einwanderung Farbiger durch dos Schiedsgericht des Völkerbundes ins Unrecht gesetzt werde und di« britische Flott« dann aufgefordert würde, im Namen des Völkerbundes Australien   zu blockieren.Evening Stan- dard" erklärt ferner, daß die englischen Dominions nicht das mindest« Interesse hätten, sich durch den Völkerbund evtl. in europäische Streitigkeiten verwickeln zu lassen. In dtesen Fragen bestehe in England so gut wie kein« Meinungsverschiedenheit und es besteh« deshalb nicht di« geringst« Aussicht, daß das Schlußprotokoll des Völkerbundes vom englischen Parlament ange- nommen werde. ®enf. 3. Oktober.  (Eigener Drahtbericht.) Der Völkerbund  - rat hielt am Freitag sein« zwei letzten öffentlichen Sitzunaen unter dem Vorsitz de« belgischen Außenministers H y m a n s ab. In der Dormittagssitzung wurde zur Frage der albanischen Grenze gegen Südslawien   und Griechenland   beschlossen, ein Rechtsgutachten über das Kloster Naoum, das Albanien�   zugesprochen wurde, der Botschafterkonferenz zu übermitteln. Dann wurde das italienische Angebot des Privatrechtsinstituts in Rom   angenommen: der Rat wird dessen Organisation mitbesttmmen. Weiter beschloß man,«ine juristtsche Kommission zu ernennen, die die Entschließungen über das Schiedsgerichtsverfahren, das Sicherheitsproblem und di« Abrüsttmgsfrage formal endgültig feststellen soll, um sie als Zusatzanträge zum Völkerbundpakt zu fasse m In geheimer Sitzung berichtete Benesch übe: die kommende Abrüstungskonferenz und den Artikel 12 des Protokolls über die wirtschaftlichen und finan- zielten Sanktionen. Es wurde«in« Refoluiion angenommen, die folgendes vorschlägt: Der Rat behält sich die Entscheidung und allge- meine Leitung vor. Angesichts seiner anderen Amtsoerpflichwngen und der Unmöglichkeit, sofort zu tagen, wie es notwendig wäre, wird der Rat ein« Kommission bestimmen, an der all« seine Mitglieder teilnehmen oder durch Teilnehmer sich vertreten lassen können. Diese Kommission wird Sachverständig« wählen, aber keine endgülttgen Entscheidungen tteffen. Ihre Hauptaufgabe wird sein, die Zu- sammenfassung der Arbeiten aller zuständigen Völterbundorgani- sationen zu regeln und deren Berichte zu sammeln: ihre erste Sitzung ist für den 17. November geplant. Die erwähnte Kommission wird vorläufig bestehen aus: t. dem Ratskomitee mit 19 Mitgliedern, 2. dem Präsidenten oder 2 Mitgliedern jeder der drei wirtschaftlichen, finanziellen und Transittommissionen, also 9 Mitgliedern, 3. 6 Mit- gliedern, die durch di« ständig« beratend« Kommission bestimmt werden, 4. se 2 Mitgliedern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer- gruppe des Derwaltungsrats des Arbeitsamts, 5. gegebenenfalls aus vom Rat ernannten juristischen Sachverständigen.