Zu seinem 75. Geburtstage.
An diesem Sonntag richten wir unsere Grüße an einen unserer Alten, der noch aus der Sturm- und Drangzeit der deutschen Arbeiterbewegung herüberragt in unsere Zeit anders gearteter, wenn auch im Wesen nicht veränderter Kämpfe. Wilhelm Blos blickt heute auf 75 Jahre eines wechselreichen Lebens zurück, von dem nicht weniger als 52 der Arbeit für die Arbeiterklasse, dem Wirken für die Partei der Enterbten gewidmet waren.
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Im Jahre 1849 im badischen Wertheim geboren, hat Wilhelm Blos später den Kaufmannsberuf ergreifen sollen. Aber es hat ihn nicht hinter Kaffeesäcken geduldet, er ging zur Universität, um philosophische Studien zu treiben. Dann wurde er Journaliſt an bürgerlich- demokratischen Blättern. Aber dann wurde er von den sozialisti schen Lehren mit Macht ergriffen, und schon als Dreiundzwanzigjähriger trat er als Redakteur in das Braunschweiger Parteiblatt der Eisenacher" ein, um schon ein Jahr später, als Wilhelm Liebknecht und August Bebel wegen Vorbereitung des Hochverrats" zu mehrjähriger Festungshaft verurteilt weren, die Redaktion des„ BoltsStaats" in Leipzig zu übernehmen. 1875 ging er an die„ Bolks= stimme" nach Mainz , 1876 nach Hamburg , von wo er mit Heinrich Dietz unter dem Sozialistengesetz ausgewiesen wurde. Beide fanden dann in Stuttgart eine neue Heimat. Diez gründete dort seine Druderei und Berlagsanstalt, die für viele Jahrzehnte bahnbrechend für die Parteiliteratur wurde. Wilhelm Blos arbeitete an dem von Die herausgegebenen Wahren Jakob" jahrelang in erster Reihe mit, daneben entfaltete er eine umfangreiche agitatorische und schriftstellerische Tätigkeit. Seit 1877 war Blos mit furzen Unterbrechungen Mitglied des Reichstags, zuletzt- feit 1884 bis 1918für- Braunschweig
Zahlreiche Romane aus der Feder Wilhelm Blos ' zeugen für die Dichtergabe des ausgezeichneten Mannes, seine geschichtlichen Werke- Der deutsche Bauernkrieg, Die französische und Die deutsche Revolution haben seinen Namen in ungezählten Arbeiterfamilien bekanntgemacht.
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Als der Herbst 1918 den Zusammenbruch des alten Deutschland brachte, wurde Blos an die Spitze der Revolutionsregierung in Württemberg berufen und bald, nachdem die Landesverfassung geschaffen, zum ersten Staatspräsidenten gewählt. In seinen Erinnerungen, die vor kurzem erschienen, erzählt er gerade über diese Zeit seines Wirkens mit ihren Hoffnungen und Enttäuschungen mit anschaulicher Lebendigkeit,
Wilhelm Blos war nicht nur ein allzeit opferbereiter Rämpfer für die Sache, der er sein Leben gewidmet hatte. Er war auch allezeit ein liebenswürdiger Mensch und guter Kamerad. Die deutsche Sozialdemokratie wünscht ihm noch viele Jahres eines frohgemuten Kämpferlebens!
Untersuchungsrichter Vogt.
Er will den Verteidiger nicht sehen! As Untersuchungsrichter des Staatsgerichtshofes zum Schutze er Republik fungiert immer noch der deutschnationale Landgerichtsdirektor Dr. Bogt, dessen Maßnahmen schon wiederholt in der Bresse und auch von unserer Reichstagsfrattion fritifiert worden find. Die Kritik scheint aber vergeblich gewesen zu sein. Jetzt hat Herr Bogt sogar dem Genossen Dr. Kurt Rosenfeld, der in einem beim Untersuchungsrichter Vogt anhängigen Prozeß die Berteidigung führt, erklärt, daß er es für beffer halte, mit ihm nicht mehr mündlich zu verhandeln, nachdem er im Reichstag eine Rede gehalten und dort Herrn Bogt fritisiert habe. Das geht denn doch zu weit! Allerdings wird man von Herrn Bogt nicht erwarten dürfen, daß er als deutschnationaler Verfassungsgegner im Geifte der Verfassung handelt, nach welcher bekanntlich fein Mitglied des Reichstages megen der in Ausübung des Mandats getanen Aeußerung zur Verantwortung gezogen werden darf. Aber schon die elementarsten Grundsätze objektiver Ausübung des Richberamts hätten Herrn Vogt gebieten follen, einen Verteidiger nicht deshalb, meil er zufällig Reichstagsabgeordneter ist und als solcher an Herrn Vogt Kritik geübt hai, anders zu behandeln als andere Rechtsanwälte.
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Genoffe Dr. Rosenfeld hat sich beschwerdeführend an den Staats-| freulicherweise ein Teil der Landwirte stth aus dem Berkauf der
gerichtshof und an den Preußischen Justizminister gewandt. Es ist zu erwarten, daß diesen Beschwerden der Erfolg nicht versagt wird.
Agrarische Bestechungsversuche.
Gemeindevorsteher als Abonnentenwerber.
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Ein im Berlage der Deutschen Tageszeitung" für Berlin erscheinendes Nebenblatt hat das Bedürfnis, in der ländlichen Bevölkerung neue Abonnenten zu gewinnen, da ihm die großstädtische Breffe allzu viel Konkurrenz macht. Ganz wie im alten wilhelmint schen Deutschland wendet sich der agrarische Verlag deshalb u. a. an die Gemeindevorsteher in Preußen, um sie aufzufordern, für die Agrarierpresse werbend tätig zu sein. Ein solches Rundschreiben wehte uns der bekannte günstige Wind auf den Redaktionstisch. Es beginnt mit folgendem Eingeständnis:
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Die Not der deutschen Landwirtschaft ist auf den Gipfel gestiegen. Wieder zeigt sich hier, wie empfindlich sich an jeder mirtschaftlichen Organisation das Fehlen einer starten weitverbreiteten Breffe rächt. So eifrig und entschloffen unsere Zeitungen auch für die agrarischen Interessen eintreten gegen die ungeheure Uebermacht der demokratischen Blätter aller Farben tommen sie nicht auf. Es ist oft darauf hingewiesen worden, daß die Demofratie ohne ihre Presse längst zugrunde gegangen wäre, jede Wahlniederlane, jeden Rückschlag überwindet sie mit Hilfe ihrer Zeitungen. Welche unwiderstehliche Macht würde die deutsche Landwirtschaft darsteller, wenn ihre Presse nur halb so start wie die des Feindes wäre!
Nach diesem Eingeständnis der Leistunsunfähigkeit der agrarischen Bresse folgte ein Lobeshymnus auf die Vorzüge des betreffenden agrarischen Blattes und die Versicherung, es sei seine Absicht und Banner zu fesseln und dadurch die Stoßkraft der Bewegung Aufgabe, den gesamten Mittelstand an das agrarische zu erhöhen". zu erhöhen". Zu dem Zwede werden die Empfänger des Rundschreibens gebeten,„ im nationalen Interesse" dem betreffenden Blatt„ Eingang in die ihnen nahestehenden Kreise der kleinen Bandwirte und Landarbeiter(!) zu verschaffen".
Um diese Werbearbeit aber auch einigermaßen verlockend zu machen, wird den Gemeindevorstehern dieses Angebot gemacht:
" Um Ihnen aber für Ihre Mühewaltung wenigstens eine fleine Entschädigung zu bieten, werden wir uns erlauben, Ihnen für jeden Abonnenten, der uns durch Sie überwiesen wird, eine Bergütung von einer Rentenmart zu gewähren."
Dieses Angebot an Gemeindevorsteher bedeutet einen flaren Bestechungsversuch, der hoffentlich von allen Beteiligten entschieden zurückgewiesen worden ist. So wenig dagegen einzuwenden ist, wenn sich Gemeindevorsteher außerhalb ihrer Amtstätigkeit politisch betätigen, so verwerflich ist der Versuch, fie für derartige " Rebenarbeiten" bezahlen zu wollen. Durch die Annahme solcher Bestechungsgelder würden sie, die berufen sind, die Interessen ihrer Gemeinde unparteiisch wahrzunehmen, zu einseitigen Agenten der agrarischen Parteien werden!
Ernte die Mittel beschaffen kann, die zur Abdeckung dieses von vornherein nur kurzfristig gedachten Kredites erforderlich sind.
Leider hat das anhaltende Regenwetter der letzten Wochen in verschiedenen Teilen des Reiches zu erheblichen Ernteverlusten geführt, so daß die von diesen Witterungsschäden auf das härteste betroffenen Landwirte nicht in der Lage sind, die von ihnen in Anspruch genommenen Erntebergungskredite bei der ersten Fälligkeit der Wechsel zurückzuzahlen. Diesem Umstande werden das Reichsbankdirektorium und die Preußische Staatsbant dadurch Rechnung tragen, daß den Kreditnehmern, die durch erhebliche Ernte. verluste in Abzahlungsschwierigkeit geraten sind, auf Antrag wirtschaftlichen Verhältnissen des Einzelfalls angemessenen Weise eine Verlängerung des Erntebergungskredites in einer ten wirtschaftlichen Verhältnissen des Einzelfalls angemessenen Weise gewährt werden wird.
Herriots Vorwärts"-Interview.
Die Wirkung der Antwort Stresemanns. Aus führenden Kreisen der Sozialistischen Partei Frankreichs wird dem„ Soz. Parlamentsdienst" geschrieben: ,, Man begreift in Frankreich nicht, weshalb der deutsche Außenminister auf die letzten Erklärungen Herriots fo zurüdweisend antwortete, warum er darin eine Einmischung in die innerpolitischen Verhältnisse sehen will. Wer Herriot und seine grund. fägliche politische Auffassung fennt, weiß, wie fern es ihm liegt, fich wollen und wie peinlich er bemüht ist, alles zu vermeiden, was in in die innere Politik irgend eines anderen Landes einmischen zu wollen und wie peinlich er bemüht ist, alles zu vermeiden, was in dieser Hinsicht Mißverständnisse hervorrufen könnte." dieser Hinsicht Mißverständnisse hervorrufen könnte."
französische Verhältnisse betrachtet, wenn auf deutscher Seite „ Die französischen Sozialisten und radikalen Sozialisten haben es früher feineswegs als eine unzulässige Einmischung in inner der Wunsch zum Ausdruck gebracht wurde, daß an Stelle des Bloc National eine zur Verständigung bereite Mehrheit ans Ruder kommen müsse, und sie haben es selbst Herrn Stresemann nie vorgeworfen, wenn er ähnliche Wünsche zum Ausdrud brachte, sondern sie glaubten damit den Eindruck der Bercitwilligkeit Deutsch lands zu erkennen, sich mit ihrer zur Abkehr von der Gewaltpolitik bereiten Regierung nun auch wirklich zu verständigen. Deshalb empfindet man es gerade in denjenigen Kreisen, die seit Jahr und Tag am schärfften gegen den Bloc National und gegen den Poincarismus gefämpft haben, als eine für die zukünftige Entwicklung der deutschfranzösischen Beziehungen gefährliche Entstellung des Sinnes der Herriotschen Worte, wenn der deutsche Außenminister fie als eine Einmischung in die innerdeutschen Verhältnisse beinahe grob zurückweift. Herr Stresemann hat damit nicht nur den gegenwärtigen Ministerpräsidenten ganz unnötigerweise brüstiert. Er hat der gesamten Linten gegenüber, die geschlossen hinter Herriot steht, eine Geste gemacht, die das Mißtrauen, die das gesamte Berhalten des Herrn Stresemann schon hervorgerufen hat, nur ver stärken kann."
Im übrigen zeigt das Werbeschreiben des Agrarierorgans auch unseren Lesern recht eindringlich die Bedeutung einer weiten Berbreitung der Presse. Insofern fönnen auch Sozialdemokraten von „ Für die Wirkung der jüngsten Rede des deutschen Außen= der Gegenseite lernen und ihrerseits dafür sorgen, daß die ministers ist nichts charakteristischer als die Zufriedenheit, die in der sozialdemokratische Bresse nicht nur in den Städten, son reattionären Bresse unverhohlen zum Ausdrud kommt. In dern auch auf dem Lande immer neue Leser gewinnt. der Antwort Stresemanns glaubt der Bloc National unwiderlegliche Dadurch wird am wirksamften der bei den Agrariern beliebten Ber- Anzeichen dafür zu sehen, daß die Friedenspolitik, soweit sie von der leumdung und Herabfezung der sozialdemokratischen Arbeit ent- Linksmehrheit und von Herriot geplant ist, nicht durchgeführt wird. gegengetreten und für die Ziele unserer Partei praktische Werbe- Desto besorgter sind diejenigen Elemente in Frankreich , die gehofft arbeit geleistet. haben, daß die innerpolitische Entwidlung Deutschlands eine noch wesentlich raschere Liquidierung der Ruhrpolitik, gls sie in dem Londoner Protokoll vorgesehen, erlauben würde und die den Augenblid für gefomment erachteten, eine wirklich neue Aera in den deutsch - franzöfifchen Beziehungen zu eröffnen. Bon irgend einer Einmischung in innerdeutsche Verhältnisse fann dabei feine Rede sein, wohl aber von der Erkenntnis der engsten. Verknüpfung, die zwischen innen- und außenpolitischen Vorgängen in allen Ländern bestehr."
Die Erntekredite.
Keine allgemeine Verlängerung, aber Hilfe für die Geschädigten.
Eine Verlängerung des Wechseltredits, der burch Vermittlung der Reichsbant und der Preußischen Staatsbank der deutschen Landwirtschaft für die Bergung der Ernte zur Verfügung gestellt worden ist, kann, mie amtlich mitgeteilt wird, nicht allgemein zugesagt werden. Hierfür besteht auch kein Bedürfnis, da er=
führt werden und dort wie außerhalb der Schule dem Fortschritt, der Wölferverständigung, der Annäherung der Nationen, der Organifierung der Menschheit dienen. Man müsse sich nur hinsichtlich des Tempos feiner Wirkung nicht gar zu großen Hoffnungen hingeben. Gut Ding brauche Weile. Das sei( leider) selbst dann der Fall, wenn es sich um etwas so Blizschnelles und fogar in seiner rein technisches sich um etwas fo Blikschnelles und fogar in seiner rein technisch fommerziellen Entwicklung fo Bligartiges handle wie den Rundfunt.
Eine wichtige Erfindung für das Straßenbahnwesen. Eine wich tige Erfindung scheint einem Wiener Technißer geglückt zu sein. Er hat eine zerlegbare Straßenbahnschiene fonstruiert, die aus zwei Teilen besteht. Der eine Teil ist ein Schienenfuß, der für ständig verlegt bleibt, und der andere Teil ein Schienentopf, der nach seiner Abnüßung ohne Lageveränderung des Schienenfußes ausgewechselt werden kann. Die Verbindung der beiden Teile ist derart einfach, daß die Auswechselungen selbst während des Betriebes vorgenommen werden können. Falls die Erfindung bei ihrer praktischen Anwendung sich bewähren follte, würde sie einen wesentlichen Fortschritt auf dem Gebiet des Straßenbahnwesens bedeuten, wenn man bedenkt, daß dadurch die umständlichen Pflasterarbeiten vermieden würden, daß nur ein fleiner Teil der Schiene ausgewechselt werden müßte und die Nachtarbeit vermieden werden könnte.
Was man beim Sturz mit dem Fallschirm empfindet. Der Fall. schirm, dieser letzte Rettungsanfer des Fliegers, zu dem er in höch ster Not greift, ist durch sein Verfagen schon häufig die Ursache furchtbarer Unfälle geworden. So ereignete es fich erst in diesen Tagen wieder, daß eine Fliegerin, deren Fallschirm sich im rechten Moment nicht öffnen ließ, in Gegenwart von 10 000 Zuschauern auf einem franzöfifchen Flugplak in die Tiefe fauste, wo sie zerschmettert landete. Welche Gefühle sie in den entfegensvollen Sekun den, da ihr das Versagen des Fallschirmes zum Bewußtsein fam und sie dem sicheren Tode entgegentrieb, durchstürmt haben, wird ein ewig umgelöstes Rätsel bleiben. Aber ein Einblid in diese Empfindungen erschließt sich dem Flieger, der den Moment des Absprunges, wenn auch mit günstigem Ausgang, durchlebt hat. Ueber diefe in seiner Erinnerung unauslöschlich haftenden Eindrücke berichtet der Führer eines Luftballons in einem englischen Blatte aus feinen in der Kriegszeit gewonnenen Erfahrungen, als er bei dem Serannahen eines feindlichen Aeroplans genötigt war, feine Rettung im Fallschirm zu suchen. Ich fann mich wohl erinnern," so erzählt er, wie ich, über den Rand des Ballonforbes in meiner ganzen Länge hinaushängend, den Bruchteil einer Sefunde lang das Gefühl meines Sturzes vorwegnahm. Dann zwei jähe Atemzüge und und ich glitt hinab durch die Luft. Doch während der Dauer dieser beiden Atemzüge habe ich 200 der tausend Fuß durchmessen, bis zu welchen ich emporgestiegen mar." Der Romanschriftsteller H. G. Wells hat in feinem Roman Joan and Peter" im Hinr feines Helden sich ein ganzes Leben in diesen dem Fall vorausgehenden Sekunden zu sammendrängen laffen. Doch dieser Held muß, nach der Meinung deffen, der selbst jene Gefunden durchlebt hat, mit einem anormalen Gehirn begabt gewesen sein. Denn die zwei Atemzüge des bewußten Falles reichen nur für den Gedanken des Sturzes; dann schwindet der Atem und mit ihm gnädig das Bewußtsein. Der Tod Bafil Hallams, eines der ersten Fallschirmopfer im Kriege, bestärkt die Annahme, daß der Stürzende wenig Gefühl von dem hat, was mit ihm vorgeht. Denn damals mußte noch der Fallschirm mit der Hand offen gehalten werden. Aber Hallam verlor das Bewußtsein und ließ den entscheidenden Griff los; fein Tod wurde die Veranlassung, daß eine Vorkehrung am Fallschirm angebracht wurde, die den Fallenden, ob er bei Bewußtsein war oder nicht, sicher trug. Rundfunk und Erziehung. Der englische Minister Genosse Clynes, der in der gegenwärtigen englischen Regierung das Amt des Lordfiegelbewahrers bekleidet, hat jüngst in der„ Radio- Times" recht bemerkenswerte Ansichten entwickelt. Clynes nennt den Rundfunt einen ebenso wichtigen Erziehungsfattor wie das Schreiben. Das könne man heute schon sagen, obwohl der englische Rundspruch erst ein Kind von zwölf Monaten fei. Es müsse eine besondere Technik der Erziehung durch den Rundfunt ausgebildet werden und das werde auch sicher in ganz kurzer Zeit geschehen. Das Bedürfnis sei da, und der Rundfunt vermöge fich prächtig allen Bedürfnissen anzupassen. Außerordentliche Perspettiven eröffnen sich dadurch für den Erwachsenenunterricht Aber durchaus nicht nur für ihn! Die neueren Errungenschaften der Technik, das Kino z. B., haben zwar bisher so gut wie gar teinen( fyftematischen) Eingang in den Kinderunterricht gefunden, doch ist damit durchaus nicht gefagt, daß es immer und bei allen Erfindungen fo bleiben muß. Der Rundfunk werde, meint Clynes, über kurz oder lang in allen Schulen eingezeichnungen gezeigt wird.
Der späte Wegiug der Störche. Von der Vogelwarte Roffitten wird geschrieben: In diesem Herbste waren abweichende Erscheinungen beim Abzug der Störche zu beobachten. Die Vögel verschoben ihre Abreise nach dem Süden auffallend lange und waren fogar noch auf ihren Nestern an so späten Terminen zu sehen, we fie in anderen Jahren längst in südlicheren Gegenden weilten. Es ist nicht leicht, für solche abweichende Naturvorgänge immer gleich die richtigen Gründe anzugeben, aber man geht wohl nicht fehl, menn man diefes Aushalten in der Heimat mit dem diesjährigen zahlreichen Auftreten der Frösche in Verbindung bringt, die ihre Massenvermehrung wiederum der abnorm naffen Witterung und den großen Ueberschwemmungen verdanken. In manchen Gegenden, auch auf der Kurischen Nehrung, mimmelte es förmlich von Fröschen. So wäre also das Erwachen des Zugtriebes bei einer Bogelart durch Borhandensein reichlicher Nahrung hinausgeschoben worden. Für die Vogelzugforschung eine intereffante Erscheinung. Die Bogelwarte Roffitten wäre dankbar, menn fie Näheres über die Vorgänge er. fahren könnte. Es würde sich namentlich um folgende Fragen han deln: Welches waren die spätesten Abzugstermine? Blieben nur alte oder auch junge Störche so auffallend lange hier? Gab es in Der betreffenden Gegend viele Frösche?
Mascaanis Abschiedskonzert. Pietro Mascagni wird sich nach Be endigung der Berliner Stagione in einem großen Konzert verabschieden, das am 16. Oktober abends im Sportpalaft, Potsdamer Straße , zu Heinen Breisen stattfinden soll. Das nächste Orgelfonzert von Professor Walter Fisher im Dom findet am 9. d. M., abends 8 Uhr, ftatt. Mitwirkende: Wilhelm Guttmann, Bariton( von der Großen Bolfsoper) und Beter Katuar, Bioline. gramm berechtigt zum Eintritt.
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Pro
Galerie Goldschmidt- Wallerstein ( Schöneberger Ufer 36 a). Die Dftober Ausstellung ist dem Andenken an Paula Modersohn gewidmet, von der zum ersten Male in Berlin eine umfangreiche Kollektion von Sands
Rom , 4. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) In Livorno begann heute morgen 10 Uhr der mit Spannung erwartete Kongreß der liberalen Partei, vom Parteipräsidenten Borzino eröffnet. Anwesend sind über 400 Teilnehmer und 100 Journalisten, darunter auch sozialistische und faschistische. Der Kongreß ist von wesentlicher Bedeutung für die Stellungnahme gegenüber dem Faschismus und für die Tattit in den Kammerverhandlungen. Bezeichnenderweise war die erste Handlung des Kongresses ein huldigungstelegramm an den König, den die Liberalen als Hüter der Verfassung betrachten. In der Eröffnungsrede Borzinos fanden besonders begeisterten Widerhall die Worte, daß alle
affen des Vaterlandes ausschließlich der Armee gehören. Dieser Angriff richtet sich gegen die faschistische Miliz.. Ferner betonte Borzino, daß die Rückkehr zum verfassungsmäßigen Zustand, zu Recht, Gesetz und Preßfreiheit die Hauptforderung der Liberalen sei.
Montag britische Kabinettsentscheidung. Ueber den Auflösungstermin.
Die
Condon, 4. Ottober.( Eigener Drahtbericht.) Die Wahrschein lichkeit baldiger Neuwahlen hat sich in den letzten 24 Stunden herauszulommen, um schnellstens Neuwahlen herbeizuverstärkt. Die Arbeiterpartei wünscht aus der latenten Krife führen. Die Meinungen über die Wahlparole gehen auseinander. macdonald soll dafür sein, daß das Parlament schon im Laufe der nächsten Woche aufgelöst wird, wenn der konservative Antrag auf Mißbilligung der Aufhebung der Strafverfolgung des fommunistischen Rebatteurs Campbell zur Verhandlung tommt. Liberalen haben dazu beantragt, eine Untersuchung einzuleiten. Sie werden also wahrscheinlich den konservativen Antrag zu Fall tringen. Der liberale Antrag wird mit den Stimmen der Konfervativen angenommen werden. Macdonald sieht jedoch in unerträgliches Mißtrauen gegen den Generalstaatsaneinem solchen Beschluß auf Untersuchung der Angelegenheit ein malt und ist daher geneigt, daraus die Konsequenzen zu ziehen und beim König die Auflösung des Parlaments zu fordern. Eine starte Gruppe der Arbeiterpartei ist dafür, in dieser Frage dem Konflikt auszuweichen und wünscht, daß der für die Aufhebung der Strafverfolgung verantwortliche Generalstaatsanwalt zurüdtrete. Sie will die Entscheidung erst bei der Berhandlung des englisch russischen Vertrags herbeiführen, weil sie darin eine gute Wahlparole sieht.
Am Montag wird das Kabinett sich endgültig schlüssig werden, ob es am Mittwoch die Entscheidung über die Krise herbeiführen will. Macdonald wird wahrscheinlich am Dienstag vor dem Nationalfongres der Arbeiterpartei endgültige Erklärungen atgeben.