regung so außerordentlich steigerte, der Kampf um die Tattit, berührt uns heute viel weniger. Denn die politischen Probleme der Gegenwart sind nach den Erschütterungen des Weltkriegs ganz anderer Natur, müssen das ist heute die gemeinsame Anschauung von Kautsky und Bernstein- neu untersucht und neu gelöst werden. Auch ist in diesem Zusammenhang ein ausführlich begründetes Urteil über den Zusammenstoß der verschiedenen taktischen Strömungen und ihrer theoretischen Begründungen weder möglich noch nötig. Wir sind auch heute der Meinung, daß Kautsky bei der damaligen Lagerung der Machtverhältnisse der Klassen, bei der Starrheit des durch Militarismus und Bureaukratie geftügten Regierungssystems der meisten Großfstaaten die Möglichkeiten und Richtungen der Entwicklung im wesentlichen richtig gesehen hat. Wir sind auch überzeugt, daß gegenüber den Versuchen, die marxistische Theorie sei es durch philosophische Anschauungen zu ergänzen" oder durch wesensfremde, anderen ökonomischen Systemen entspringende Gedankengänge zu erweitern, Kautsky die prinzipiellen Grundlagen der Theorie mit vollem Erfolg gewahrt hat. Aber wie immer man darüber urteilen mag, sicher ist, daß gerade der Streit um die Grundlagen der Theorie und der Praxis, vor allem auch dank der Art, mit der Kautsky die theoretischen Probleme herausarbeitete und Klarstellte, außerordentlich viel zur Schulung und zur Erkenntnis beigetragen hat. Großen Anteil hatte daran eine wesentliche Art des Kautskyschen Denkens. Man hat Kautsky oft öffentlich und privat vorgeworfen, daß er den erfenntnis kritischen und methodologischen Problemen zu wenig Aufmerksamkeit schenke. Es ist richtig, den endlosen, namentlich in den beiden legten Dezennien sich immer mehr ausbreitenden methodologischen Diskussionen hat Kautsky wenig Beachtung geschenkt. Er hat es vorgezogen, die Erkenntnis zu mehren und den anderen den Streit über die Möglichkeiten der Erfenntnis zu überlassen. Aber gerade dadurch hat er zugleich auch der Methode des Marrismus den besten Dienst erwiesen, indem er im Marrismus immer nur die Sozial wissen= schaft gesehen hat, die Lehre von der Determination, der Bestimmung des in der Geschichte wirkenden Willens der großen fozialen Klaffen durch die sozialen Verhältnisse, die die Wirtschaftsgeschichte beschreibt und die Nationalökonomie gefeßmäßig erfaßt. Er hat dadurch die Theorie immer wieder vor den zahllos versuchten Einbrüchen der Metaphysit, sei es der materialistischen oder der idealistischen, bewahrt, in einer Zeit immer neuer Berwischung der Grenzen zwfchen Wissenschaft und Philosophie ein nicht genug hoch zu schätzendes Berdienst.
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Der Streit um den Revisionismus ebbte allmählich ab, da eine neue Aera revolutionärer und friegerischer Katastrophen sich immer deutlicher anfündigte. Kautsky hatte unterdessen in der Herausgabe der Theorien über den Mehrwert", in der Untersuchung über den Ursprung des Christentums" neue wissenschaftliche Arbeit geleistet. Jegt legte er in der Neuen Zeit" die imperialistischen Tendenzen bloß, sagte das Kommen der russischen Revolution mit Sicherheit voraus und zeigte im ,, Weg zur Macht", in der Sozialen Revolution" die taftischen und sozialistischen Probleme auf, die die geänderte Situation der Arbeiterbewegung stellen würde. Der Krieg fam. Acerba fata Romanos agunt Scelusque fraternae necis.
grenzen.
über die der Bolschewiki sehen konnte, das sieht er selbst als Krönung seines Lebens an.
In einer prächtigen, liebenswürdigen und liebenswerten autobiographischen Stizze, die er für die von Dr. Felig Meiner herausgegebene Sammlung Die Volkswirtschaftslehre der Gegenwart in Selbstdarstellungen" geschrieben hat und die in einem gleichartigen Auffah von Eduard Bernstein ihre glückliche und interessante Ergänzung findet, spricht Kautsky zum Schluß von dem ungeheuren Wandel in seiner Situation, die sich binnen eines Jahres aus der größten Isolierung in das gerade Gegenteil verwandelt habe. Die Achtung, die Sympathie, das Vertrauen meiner Parteifreunde hatte ich auch in der Zeit unserer schwersten Differenzen nie verloren. Aber nun
Bezirksverband Gr.- Berlin SPD .
dem Führer des internationalen Proletariats
Zur Feier seines siebzigsten Geburtstages versammeln sich die Parteifunktionäre Dienstag, den 21. Oktober, abends 7 Uhr, in der Schulaula, Mittenwalder Straße 37 Orgelmusik:: Internationale Lieder Genosse Dr. Hilferding spricht über: KAUTSKY UND SEIN WERK
Karten im Bureau des Bezirksverbandes, Lindenstr.3, 2.Hof
hatte ich endlich wieder einmal auch ihre allgemeine Zuftimmung gewonnen, vielleicht in höherem Ausmaße, als ich sie vor dem Kriege besessen. So verspricht nach allen Irrungen und Wirrungen seit dem August 1914 mein Lebensabend in einem flaren und heiteren Sonnenuntergang einen verföhnenden Abschluß finden zu wollen."
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Groß, folgenreich und bedeutsam ist das Werk, das Karl Kautsky vollbracht hat. Daß er es vollenden konnte, das dankt er nicht nur den Umständen, nicht nur seiner großen Begabung, das dankt er dem, was wesentlich ist im Menschen: seinem Charakter. Einfach, gerade und wahrhaftig ist dieser Mann, List und Schlauheit sind ihm wesensfremd. Er gehört zu jenen Naturen, die nie nach Persönlichem gestrebt, denen es gegeben ist, im Erforschen der Dinge, im Erschauen der Außenwelt sich selbst zu vergessen, die der objektive Zusammenhang in Natur und Gesellschaft mehr interessiert, als ihre subjektive Stellung zu diesen Zusammenhängen. Was Marg einft von sich fagte, man müsse leben, um schreiben zu können, man dürfe aber nicht schreiben, um zu leben, war auch für Kautsky eine Selbstver ständlichkeit. Persönliche Ehrung, Streben nach materiellen Gütern fam ihm nie in den Sinn. Was er tat, empfand er als selbstverständliche Betätigung, als jein Lebensgefeß, wie die Biene Honig sammelt. Daher die Bescheidenheit dieses Mannes, der im Verkehr mit anderen schüchtern wird, er, deffen Wirder im Verkehr mit anderen schüchtern wird, er, deffen Wirtung sich so weit und tief erstreckte; wie seit dem Tode von Mark und Engels kaum die eines anderen Denters.
Aber dieser Mann ist zugleich mit dem leidenschaftlichen Temperament des Kämpfers erfüllt gewesen. Das verband ihn erst ganz und unauflöslich mit der kämpfenden Arbeiterschaft. Das ließ ihn auch sein Werk erst vollenden, das durchgekämpft und verteidigt werden mußte gegen die nie aufhörenden AnKlinge geschlagen. So gütig, von Humor erfüllt der Privat mann ist, im Kampfe ist er ein gefürchteter Gegner. Aber nie hat er aus persönlichen Gründen und in persönlicher Weise Rämpfe gesucht oder geführt. Als der Revisionismusstreit ihm seinen alten Kampfgefährten entfremdete, trauerte er lange dem Verlust des Freundes nach. Freudig war das Wiederfinden mit Bernstein, als sie im Kriege sich näherten. So verband ihn auch mit den Großen des Sozialismus, mit Friedrich Engels noch, mit Bebel vor allem und Bittor Adler innige Freundschaft.
Hart suchte das Geschick die Arbeiterbewegung heim und Brudermord zerriß fie. Die Einheit der Partei, die Möglichfeit der Internationale zu erhalten, war Kautstys, ihn tief er regende Sorge. Das war nur möglich, wenn feine fozialistische Partei Eroberungszielen zustimmte. Dies als Bedingung von der Regierung zu verlangen, erschien ihm wichtiger als die Frage der Kreditbewilligung. Er blieb mit seinem Standpunkt zunächst isoliert. Je flarer aber der imperialistische Charakter des Krieges in den verschiedenen Ländern hervortrat, desto stärker fühlte Kautsky die Notwendigkeit, die Stellung des Sozialismus gegenüber diesen Bestrebungen scharf abzugriffe einer feindlichen Welt. Kautsky hat stets eine scharfe Der Konflikt innerhalb des Sozialismus verschärfte sich immer mehr. Kautsky mußte zu feinem großen Schmerz die Spaltung der Partei, der er bis zuletzt widerraten und entgegengewirkt hatte, mit all ihren Folgen erleben. Hart traf es ihn, als ihm 1917 die Neue Zeit" genommen wurde und immer mehr steigerten sich die Konflikte. Hatte ihn der Sieg der russischen Revolution zunächst mit Jubel erfüllt, so erfüllte ihn die Revolution der Bolschewiki mit schwerer Sorge, die bald zu leidenschaftlicher Abwehr wurde. Das schuf ihm nicht nur in den Bolschewifi und den Kommunisten heftigste Feindschaft, die nur allzu rasch in unwürdige Beschimpfung ausartete, sondern trug ihm auch heftige Angriffe bei einem Teil der Unabhängigen Partei ein, die bis zur Stellung von Ausschlußanträgen führte. Kautsky fühlte sich immer mehr isoliert. Aber feineswegs war er des Kampfes müde. Mit dem Ende des Krieges schien ihm jeder Grund der Spaltung weggefallen zu sein. Leidenschaftlich strebte er zur Einigung; für fie zu wirken erschien ihm jetzt seine wichtigste, wie er mit glücklicherweise unbegründeter Melancholie hinzufügte, letzte politische Aufgabe. Die Einigung der Partei in Deutschland war ihm zugleich Bedingung und Gewähr für das andere hohe Ziel: der Einigung der Internationale, der ja seine Lebensarbeit stets gegolten hatte und nicht am wenigsten während des Krieges. Daß er für diese Einigung der Partei noch wirken fonnte, indem er ihr in seinem jüngsten Buch die„ Brole tarische Revolution und ihr Programm" die theoretische Grundlage zu schaffen fuchte, ließ ihn jede Bitterfeit überwinden. Daß er die Einigung der Partei, die Wiederherstellung der Internationale erleben, den Sieg seiner Auffassung
Unermüdlich hat Kautsky seit seinen Jugendtagen für den Sozialismus gearbeitet. Wie er als Jüngling sich systematisch und planmäßig vorbereitete, um an die Eroberung des marristischen Ideenreichtums gehen zu fönnen, so ist auch seine Arbeit um die Verbreitung, die Fortführung und Vertiefung der Theorie, um ihre Anwendung für die Politik der Arbeiterklasse unermüdlich und ohne Unterbrechung. Heut danken die zahllofen Schüler, die er zum Verständnis des Sozialismus geleitet, heut danken die Sozialisten überall ihm für die Früchte dieser Arbeit und grüßen das Vorbild, das er im Leben und Forschen ihnen gegeben. Möge unser Gruß Karl Kautsky sagen, daß ihn heute nicht nur beglückwünschen, die stets bei ihm waren, sondern daß auch diejenigen ihn wiederfanden, die in unheilvollen und dunklen Tagen fich von ihm getrennt haben. Wir grüßen ihn um so freudiger, als wir wissen, daß diese fruchtbare Arbeit noch nicht beendet ist, daß wir noch manche Bereicherung unserer Erkenntnis und Förderung unseres Kampfes von ihm erwarten dürfen.
Zur Ehrung des Siebzigjährigen.
Zum 70. Geburtstag des Altmeisters des internationalen So zialismus, Karl Kautsky , den feine zahlreichen Freude und Schüler heute feiern, sind eine Reihe Schriften erschienen, die nicht nur seine 50jährige Tätigkeit im Dienste der sozialistischen Arbeiterbewegung würdigen, sondern auch wertvolle Beiträge enthalten, die die Forschungsmethoden Kautskys auf den verschiedensten Gebieten zur Anmendung bringen. Durch diese Zusammenfassung soll die Person wd das Lebenswert des großen Denkers und Kämpfers der Arbeiterklasse den vielen Hunderttausenden seiner Anhänger nähergebracht werden.
Unsere wissenschaftliche Zeitschrift Die Gefellschaft" hat zu Ehren Kautskys ein 160 Seiten startes Sonderheft herausgegeben, in dem Kautsky als Theoretiker und Führer der sozialistischen Inter. nationale gewürdigt wird. Die foziologischen und philosophischen Ideen in den Schriften Kautskys werden von Mag Adler, Karl Borländer und J. Marsch at analysiert. 2. Boudin u.id Bittor Tschernom unterfuchen die Revolutionstheorie Rautstys und seinen Standpunkt in der Sozialisierungsfrage. Die parteigeschichtlichen Beiträge eröffnet Adolf Braun mit der Darstellung ber Rolle Kautsfys in Desterreich und Ed. Bernstein mit Rautstys erstem Wirken in der deutschen Sozialdemokratie. Her mann Müller, Friedrich Stampfer und Paul Rampff. meyer geben ihre persönlichen Erinnerungen an Kautsky wieder. Besonders reichhaltig find die Beiträge, die die Bedeutung Kautstys in den verschiedenen europäischen Ländern schildern. Johann Pollach schreibt darin über die Tschechoslowakei , Jakob Pistiner über Südost- Europa , Janto Satasoff über Bulgarien , J. W. Keto über Finnland , Theodor Dan und Nikolajewski über Rußland und Noé Jordania über Georgien . Ein Beitrag Richard Seidels über die Rolle Kautskys in der GewerkschaftsEewegung und eine umfangreiche Karl- Routsfy- Bibliographie von Karl Huber beschließen das Sonderheft, das für jeden theoretisch interessierten Genossen eine willkommene Gabe sein dürfte.
Auch die wissenschaftliche Zeitschrift der österreichischen Sozial demokratie„ Der Rampf" hat ihre letzte Nummer als Feſtausgabe für Karl Kautsky ausgestattet. Sie enthält neben Beiträgen, die Kautsky gewidmet sind, eine Anzahl wertvoller politischer und wissenschaftlicher Abhandlungen, die an die Schriften Kautskys anknüpfen. Wilhelm Ellenbogen gibt darin ein lebendiges Bild des Wirkens Kautskys. Alfred Braunthal und Zoltan Ronal behandeln Kautskys Revolutionstheorien. Otto Jensen schildert Rautsty als marristischen Geschichtsforscher. R. Abramowitsch, Alexander Brade und Morris il quit würdigen die großen Berdienste Kautskys um die sozialistische Bewegung in Rußland , Frankreich und Amerika . Abhandlungen von Helene Bauer , Odo Olberg, Julius Braunthal , Zioto Topalowitsch, Fried rich Adler , Therese Schlesinger , 3. Hannat und Mag Adler ergänzen das Heft, das in feiner Arbeiterbibliothek fehlen sollte.
Einen weiteren Rahmen als die beiden genannten Festgaben steckt sich ein Sammelwerf,„ Der lebendige Margismus", das in unserem Jenaer Parteiverlag( Thüringer Berlagsanstalt und Druderei) von Otto Jensen herausgegeben worden ist. Als Ehrung Rautskys gedacht, stellt sich dieses Werk die Aufgabe, durch eine Reihe gründlicher wissenschaftlicher Abhandlungen den Nachweis zu erbringen, daß die von Stautsty popularisierte und ausgebaute marxistische Theorie in der mannigfaltigsten Arteiten der jüngeren fozialistischen Kräfte ihre lebendige Fortentwidlung gefunden hat Das Wert, an dem u. a. Otto Bauer , Mar Adler, Hermann Wendel , Oda Wendel, Oda Olberg , Professor Tandler, Profeffor Schagel, G. E. Graf mitgearbeitet haben, stellt in der Tct eine außerordentliche Bereicherung der Parteiliteratur dar. Seine Ein teilung in vier verschiedene Lieferungen, in denen Sozialisierungs fragen, Politik und Geschichte, historischer Materialismus und Nationalökonomie gesondert behandelt werden, erleichtern die Anschoffung des Werkes feitens interessierter Genossen.
Zur weiteren Verbreitung ist schließlich eine fleine Schrift
bestimmt, die der Verlag J. H. W. Diez Nachf., Berlin , zum heutigen Tage herausgebracht hat. In diesem mit einem Bilde Kautskys ge schmüdten Schriftchen findet jeder Leser neben einer liebevollen Lebensschilderung Kautskys ausführliche Hinweise auf seine bedeutendsten Schriften, die noch heute zum Studium der praktischen und theoretischen Probleme der Arbeiterbewegung umentbehrlich find. Möge diefes Schriftchen neben den vorher geschilderten dazır beitragen, die theoretische Vertiefung in den Kreisen der foziclistischen Arbeiterschaft zu fördern. Dies wäre die beste Ehrung, die die deutsche Arbeiterschaft ihrem Führer und Lehrmeister Kautsky
bereiten könnte.
Wirtschaft
Zu den deutsch - franzöfifchen Vertragsverhandlungen. Der Abschluß des deutsch - französischen Handelsvertrages ist eines der wichtigsten Probleme für die Zukunft der deutschen Volkswirtschaft. Ein solcher Vertrag würde erst die wirkliche Liquidation des Ruhrkampfes bedeuten. War doch der Kampf um das Ruhrgebiet nicht nur durch die finanziellen Forderungen Frankreichs veranlaßt, sondern er galt zugleich den franzöfifchen Imperialisten als ein Mittel zu dem zweck, den Kohlenbedarf der französischen Schwerindustrie sicherzustellen, deren Export nach dem bisher besetzten Gebiet zu erleichtern und Einfluß auf die deutsche Wirtschaft zu gewinnen. Der deutsch - französische Handel ist nach dem Kriege außerordentlich zusammengeschrumpft. Die statistiichen Zahlen, die darüber vorliegen, fönnen zu einem Vergleich nicht herangezogen werden, da nur ein Teil des deutsch - französischen
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