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fe.494 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 251

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Der., Borwärts mit der Sonntags. beilage Bolt und Reit" mit Gied. lung und Kleingarten". sowie der Unterhaltungsbeilage Seimmelt und Frauenbeilage Frauenstimme ericheint wochentäglich aweimal, Gonntags und Montags einmal,

-ANO

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Sozialdemokrat Berlin

Sonntagsausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Donhoff 292-295 Verlag: Dönhoff 2506-2507

Sonntag, den 19. Oftober 1924

Die Woche fängt gut an!

Die Krise dreht sich weiter.

WTB. meldet am Sonnabend- Abend:

Die Verhandlungen, die der Reichstanzler heute über die Erweiterung der Reichsregierung geführt hat, haben noch nicht ein abschließendes Ergebnis gezeitigt. Der Reichstanzler beabsichtigt, die Verhandlungen bis Montag abend zu Ende zu führen.

Solche Endtermine find schon oft genannt worden, ohne eingehalten worden zu sein. Die von der Volkspartei frivol herbeigeführte Krise geht trotzdem weiter und macht Deutsch­ land zum Gespött der Welt.

Der Tag" wußte gestern von Differenzen zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler zu melden. WTB. bezeichnet das mit Recht als tendenziöse Erfindung". Man wird daraus vielleicht wieder umgekehrt zu folgern ver suchen, daß das Vorgehen des Reichskanzlers auf das Konto des Reichspräsidenten zu buchen sei. Auch das ist natürlich voll­tommen falsch. Die Berantwortung trägt der Reichskanzler, fie kann nicht auf das Staatsoberhaupt abgewälzt werden, das man durch Verbreitung aller möglichen und unmöglichen Ge­rüchte aus seiner Zurückhaltung hervorzulocken versucht.

Mit welchen Mitteln alberner Stimmungsmache ge­arbeitet wird, geht auch daraus hervor, daß das Gerücht ver­breitet wird, die Sozialdemokratie habe resigniert", sie habe fich mit der Unvermeidlichkeit des Bürgerblocks abgefunden", bie Schwierigkeiten lögen nur noch bei den Demokraten ". Die Sozialdemokratie hat unzählige Male in ihrer Presse und durch ihre Bertreter bei offiziellen Unterhaltungen erklärt, daß nach ihrer Ueberzeugung der Bürgerblock das Verderben Deutschlands ist, und daß fie gegen ihn, möge er nun mastiert oder unmastiert in Erscheinung treten, einen un erbittlichen Kampf führen werde. Sie hat unzählige Male erklärt, daß sie in der Befragung des Boltes das einzige Mittel erblickt, um den Skandal dieser Krise zu beenden.

Im übrigen wurde gestern im Reichstag zur Abwechslung erklärt, daß die Verhandlungen über den Bürgerblock aussichts­Los seien, und daß daher morgen, Montag, die Auflösung des Reichstags erfolgen werde. Soweit es in Deutsch­ land überhaupt noch Wahrscheinlichkeiten gibt, ist dies auch wahrscheinlich.

Die Deutschnationalen erlaffen folgende Erklärung: Der Vorschlag der deutschnationalen Ministerliste ist dem Herrn Reichskanzler Mart nicht überreicht worden, weil die Voraus­fegung dazu noch nicht gegeben war. Die in der Presse bisher ge­brachten Bermutungen über die Ministerliste entbehren jeder Grund Sonnabendnachmittag machte sich eine steigende Befrem lage. In der Sitzung der deutschnationalen Reichstagsfraktion am dung(!) über die insbesondere durch das Verhalten der Demo­fratischen Partei nochmals verursachte Hinauszögerung einer Ent­fcheidung deutlich bemerkbar.

Die Armen erleiden Tantalusqualen. Sie riechen schon das Leder der Portefeuilles. Und können sie noch immer nicht ans Herz drücken.

*

Eine Parlaments- Korrespondenz macht über die Er­flärungen, die von den demokratischen Vertretern dem Reichs­fangler Mary abgegeben wurden, folgende näheren Angaben: Die Demokraten halten unbedingt an ihrem früheren Be­schluß fest, daß sie feinem Mitglied ihrer Partei die Zugehörig keit zu einem durch Deutsch nationale ergänzten Kabinett feit zu einem durch Deutsch nationale ergänzten Kabinett gestatten fönnten. Es sei keine Rede davon, daß die demo­fratische Fraktion einer solchen Regierung etwa mit wohlwollender Neutralität begegnen werde. Sie werde zwar nicht sofort auf den Sturz eines solchen Kabinetts hinarbeiten, werde auch ihren polis tischen Grundsätzen getreu eine Außenpolitik unterstüßen, die sich in der bisherigen Richtung bewegt. Die demokratische Fraktion be halte sich aber in der Innenpolitik volle Handlungsfreiheit vor und fühle fich als Gegnerin des Rechtskabinetts, wie es nach den bis herigen Mitteilungen geplant ist.

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Von anderen Dingen.

Nur nichts davon...!

3. R. 3, der nun unter dem Namen ,, Los Angelos" in die amerikanische Luftflotte eingereiht ist, hat die Welt ver fleinert. Neue Perspektiven des Weltverkehrs haben sich er öffnet. Die Kontinente rücken näher aneinander. Der Atlan­ tische Ozean , einst die unüberbrückbare Scheide zwischen Europa - Asien und den unbekannten und unerforschten Län­dern der Neuen Welt, dann die große Verbindungsstraße zwischen den Kontinenien, wird nun in rasender Fahrt von mit donnernden Motoren, die den Triumph der Technik in Schiffen überquert, die stolz über den Wolken dahinsegein brausender Sinfonie verkünden. Triumphgesang Technik, Triumphgesang der Naturbeherrschung, Triumph­gesang von Geist und Arbeit! Alle Wege des Weltverkehrs werden fürzer. Die Völker rücken näher aneinander. Was die Politik und der Krieg auseinanderreißt, das führen Technik und Arbeit wieder zusammen. Technik und Arbeit gehen voran und weisen den Weg.

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Der Schrei der Uebergroßstadt New York , der millionen­fach zu dem deutschen Luftschiff emporstieg, war eine grandiose Herrscherwillens. Ein Rausch riß die Millionenmenge in Manifestation menschlichen Lebenswillens und menschlichen fiebernder Erwartung und brausendem Ausbruch zusammen mente, das Bewußtsein der gigantischen menschlichen Macht, - das Hochgefühl menschlichen Herrschertums über die Ele­die aus dem gemeinsamen Wert erwächst, an dem Tausende von Hirnen und Händen durch Generationen arbeiteten. Ueber den Ozean hinweg, über alle Grenzen, über alle Politik hinweg rüttelte mit elementarer Gewalt ein menschliches Ge­meinschaftsgefühl an den Menschen, die emporblickten zu dem Uebersegler des Ozeans und in fieberhafter Spannung seinen Flug verfolgten. Auch in England, auch in Frankreich ! Schon läßt sich fühlen, wie die technische Großtat an völterhemmenden politischen Verträgen rüttelt, stärker als es Politit bisher ver­mochte. Schon hängt das Geschid weniger drohend über den Wertstätten, die das stolze Schiff schmiedeten.

Das Zentrum hat am Dienstag beschlossen, nur dann in den Bürgerblock zu gehen, wenn auch die Demokraten mit machten. Es hat dann am Donnerstag die Feststellung ge= Ein Weltenverbinder, ein Bölterverbinder, ein Weg­troffen, daß die Erweiterung der Regierung nach rechts geweiser, ein Bahnbrecher! Nicht Herrschaft von Völkern über fcheitert sei. Die Demokraten beharren bei ihrem alten Völker, von Menschen über Menschen Beschluß, nicht mitzumachen, das Zentrum hat noch feinen Bölkern, Gemeinschaft von Menschen, um in der Gemeinschaft Gemeinschaft von neuen gefaßt. das Leben zu erkämpfen und zu erhöhen im Ringen mit den Elementen, in der Ueberwindung und Beherrschung von Raum und Zeit das ist der Gesang seiner brausenden Motoren hoch in den Lüften. Ein Symbol menschlicher Frei­heit, ein Symbol kommender Bölkerfreiheit in der Gemein­fchaft, ein Symbol unserer eigenen fommenden Freiheit. Aus unferen Hirnen, aus unserer Arbeit wird sie emporsteigen! Seht das Symbol! Da stellt es Deutschland mitten hinein in die Völkergemeinschaft, da weist es unserer Politik die Wege zur fommenden Freiheit.

Herr Wallraf hat die nächste Sigung des Reichstages end gültig" auf Mittwoch, den 22. Oktober, angesetzt. Auf der Tages ordnung stehen Beamtenfrogen, außerdem Wohnungs- und Sied Auch die geftrige Sigung des Reich stabinetts hatte lungsfragen, eventuell eine Erklärung der umgebildeten Regierung. fein Ergebnis. Dienstag 5 Uhr nachmittags tagt der Aeltestenrat.

Sozialdemokratische Regierung in Schweden von Anatole France spreche ich Ihnen unseren lebhaftesten Dank aus

Das dritte Kabinett Branting .

Stodholm, 18. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Genosse Hjalmar Branting , der die Kabinettsbildung übernahm, hat rasch seine Ministerliste zusammengebracht. Das neue kabinett er­häit folgende Zusammensehung:

Präsidium: Branting .

Inneres: Möller( auch Soziales).

Aeußeres: Prof. Undén.

Juffiz: Nothin.

Militär: Hansson.

Finanz: Thorison.

Handel: Sandler.

Berkehr: Carison.

Acerbau: Cinders.

Ohne Reffort: Wigfors und Levinson. Prof. Undén ift Völkerrechtslehrer und Mitglied der bisher von Branting geleiteten schwedischen Böfferbundsabordnung. Möl­ler und Hansson find leilende Redakteure des Stockholmer " Socialdemokraten". Thorsson war auch schon im früheren Kabinett Branting Finanzminister, Levinson war bisher Staats­fefrefär im Wehrminifterium und wird der Sprechminister in den bevorstehenden Militärdebatten sein. Alle Minister sind altbekannte Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei.

Chefredakteur des Stockholmer Zentralorgans unserer Partei wird Abg. Genosse Engberg.

Zum Tode von Anatole France .

Die Vorsitzenden des Deutschen Friedensfartells haben anläßlich des Todes Anatole Frances folgendes Telegramm an den Präsidenten der französischen Kammer, Herrn Painlevé , ge­

fondt:

Als Vorsitzende des Deutschen Friedenstartells noch erfüllt von den Eindrücken des hier abgehaltenen 23. Weltfriedenskongresses, sprechen wir herzliche Teilnahme aus an dem Verlust, den Frankreich und die Welt erlitten haben durch den Tod des großen Dichters, der so ganz Franzose und zugleich so gang Weltbürger war."

Dem Deutschen Friedenskartell ist darauf sceben vom Rammer präsidenten Bainlevé folgendes Antworttelegramm zugegangen: Im Namen der Verwandten, der Freunde und der Bewunderer

für die wertvolle Sympathiekundgebung, die Sie uns freundlichst haben zukommen lassen. Painlevé."

Das Begräbnis.

Paris , 18. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Unter Beteiligung des gesamten offiziellen Frankreich wurden am Sonnabendmittag die Sterblichen Ueberreste Anatole Frances zur letzten Ruhe gebracht. Am Quai Malaquais, in unmittelbarere Nähe des Geburtshauses des großen Toten, vor dem Institut de France ", das in ihm feier Ledeutendstes Mitglied verloren hat, war der Sarg auf einem Kata­falt mit schwarzen und violetten Behängen und reichem Blumen­schmuck aufgebahrt worden. Abordnungen wissenschaftlicher, litera rischer und politischer Gesellschaften und Vereine hatten zu beiden Seiten der Bahre Aufstellung genommen. Auf der Tribüne hatte sich der Präsident der Republik, umgeben von fämt lichen Mitgliedern der Regierung, eingefunden. Unter den geladenen Gästen bemerkte man neben den Präsidenten con Kammer und Senat u. a. den ehemaligen Ministerpräsi­denten Caillaux , der, durch Spruch des reattionären Staatsge: richtshofs unter Clemenceau von Paris verbannt, von der jetzigen Regierung die Erlaubnis erhalten hatte, nach Paris zu kommen, um feinem persönlichen Freunde die letzte Ehre zu erweisen. Reden wurden gehalten von Painlevé im Namen des Parlaments, von dem Unterrichtsminister Albert für die Regierung, dem Hiftoriter Hanotaur für die Akademie, dem Schriftsteller Lecomte im Hanotaur für die Akademie, dem Schriftsteller Lecomte im Namen der literarischen Verbände, von Buisson für die Liga für Menschenrechte, von Léon Blum für die Sozialistische Partei und von Jouhaug für den Allgemeinen Ge­wertschaftsbund. Die Ueberführung des toten Dichters auf den Friedhof von Neuilly fand unter ungeheurer Beteiligung der Pariser Bevölkerung statt.

Die ersten Unterhausmandate besetzt. Kampflos gewählt: 10 Arbeiterparteiler, 30 Konservative London , 18. Oktober. ( Eige ter Drahtbericht.) Am Sonnabend find offiziell für die 615 Siße des Unterhauses rund 1400 Randi daten nominiert worden. Der einzige Arbeiterminifter, der ohne Gegenfandidaten als gewählt zu betrachten ist, ist der Postminister Hartshorn. Wahrscheinlich werden noch neun andere Ar beiterkandidaten ohne Wahlkampf ihren Abgeordnetenfig erhalten. Die Konservativen erhaltet über 30 Sige ohne Wahlkampf, auch ihr Führer Baldwin.

Und wir? Die deutsche Politif? Aber nein, nichts von Politif, nichts von dem politischen Deutschland !

Reden wir von England! Das traditionelle Parteien- und Herrschaftssystem des Mufterlandes des Barlamentarismus erfährt eine Revolution von weltgeschichtlicher Bedeutung. Der traditionelle Wechsel der Herrschaft zwischen Liberalen und Konservativen ist vorüber: gemeinsam haben Liberale und Konservative auf den Sturz der Arbeiterregierung hin­gearbeitet, gemeinſam ziehen sie in den Wahlkampf gegen die Arbeiterpartei. Die klassische Form des Herrschaftswechsels im parlamentarischen System, der Wechsel der absoluten Barla­mentsmehrheit, wird abgelöst durch den Wechsel der relativen Mehrheiten. Die Probleme der Koalitionspolitik werden brennend. Die Zeit des Uebergangs ist gekommen, in der nichts beständig ist als der Wechsel, das Hin- und Herschwanken der Macht und des Einflusses der Parteien, bis eine von ihnen am Ende so fest und so dauernd und so mächtig im Bolte verwurzelt sein wird, daß eine neue Zeit der Stabilität und der Kontinuität der Staatsleitung beginnt. Die großen Faktoren der Geschichte und der Wirtschaft setzen sich nicht schlagartig und gradlinig durch, es bedarf menschlichen Rin­gens und menschlichen Irrtums von Generationen, um neue Systeme durchzusehen.

Ein Volk aber lebt auch in der Uebergangszeit, die zwei Systeme des staatlichen Lebens verbindet. Die hemmenden Probleme seines Lebens sind in der Uebergangszeit nicht aus der Welt. Sein inneres staatliches Leben, die Grundlage ge­ordneten Wirtschaftens, muß in Ordnung und im Gange ge­halten werden, die notwendige Arbeit von Gesetzgebung und Berwaltung muß weitergehen, bie notwendige Regelung seiner Beziehungen zu anderen Völkern darf nicht vernach lässigt werden. England erlebt die Uebergangszeit gerade in einer Epoche, in der brennende aktuelle Probleme gelöst werden müssen. Die sozialen Verhältnisse in England, das Arbeitslosenproblem, die Regelung der Beziehungen zu Frankreich , zu Deutschland , zu Rußland , die Regelung der Beziehungen zu den neuerworbenen und neuprotegierten Teilen des Weltreiches, die Entwicklung Indiens eine Fülle grandioser Probleme harri der Lösung. Sie vernach