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gerichts dem Redakteur den Schutz des§ 193 zugebil| erregte allgemeines Aufsehen; sie ist von einer seltenen Vollständig­ligt hatte.

Wir wollen uns nicht dagegen wenden, daß diese 3u billigung erfolgt ist. Wir zitieren nur noch einmal, wie schon in unserer gestrigen Morgenausgabe die Begründung des Stralsunder Urteils gegen den Genossen Dr. Bolze in einer Privatbeleidigungsklage. In der Begründung der Verurtei­lung des Genossen Dr. Bolze hieß es: Denn, wie schon das Oberlandesgericht in Stettin im Urteil vom 12. Mai 1924 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Reichsgerichts ausgeführt hat, sind berechtigte Interessen des Angeklagten nicht darin gegeben, daß er als Celler des fojial­demokratischen Parteiblattes die Interessen dieser Partei wahrnehmen wollte. Denn die Bresse nimmt, me das Oberlandesgericht aus­führt, bezüglich des§ 193 StGB. teine Sonderstellung ein, und die Zugehörigkeit zu einer Partei begründet nicht ein den Täter nahe angehendes Interesse. Im übrigen ist aber ein eigenes Interesse des Angeklagten nicht ersichtlich, zumal er selbst durch den Artikel des Privatfägers nicht angegriffen ist."

Klarer fann das zweierlei Maß, mit dem die deutsche Justiz in politischen Dingen zu meffen pflegt, nicht illustriert werden. Der Sozialdemokrat vertritt teine be rechtigten Interessen, wenn er seine Partei ver­teidigt. Der deutschvölkische Redakteur der vaterländischen Breffe" hat selbstverständlich das Recht, von berech tigten Intereffen zu reden, wenn er einem Minister den un­erhörten Borwurf macht, an der Ermordung eines Deutschen mitschuldig zu sein. Das ist deutsches Recht, und da sollte fich niemand wundern, wenn diese deutsche Rechtsprechung mit Mißtrauen vom Volfe angesehen wird.

Seinem Richter.

Erich Lindström- Ludendorff.

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München , 18. Oftober.( WTB.) Die Münchener Boft" richtet in ihrer heutigen Nummer eine Anfrage an das Justizministerium folgenden Inhalts: Ist es richtig, daß General Ludendorff einem Mitglied des Gerichts, das über ihn wegen seines Ber­brechens des Hochberrats au urteilen hatte, sein Bild mit einer Widmung überreichte? Hat dieser unparteiische Richter das Bild angenommen? Kann das bayerische Staatsministe­rium der Justiz über diese Frage Auskunft geben?

feit. Die Aufdeckung der Paßzentrale wird von der Polizei als eine sehr wichtige Sache argesehen. Das dort vorgefundene Material gibt offenbar die Möglichkeit, den Kommunisten das Leben etwas schwerer zu machen. Allerdings steht es feineswegs feft. ob nicht eine zweite Sentrale besteht, und als sicher fann mon amehmen, daß, wenn sie nicht besteht, sie bald beschafft fein wird. Schließlich etwas müssen die Kommunisten doch verstehen, und menn man Geld hat und die Bellen" in allen Behörden funttio­nieren, warum foll man nicht bald eine neue Poßzentrale schaffen fönnen? Es wäre auch verkehrt, sich über diese Dinge moralisch zu entrüften, bie Revolutionsromantit der Kommunisten richtet sich politisch ja von selber. Nur werden sie sich nicht wundern dürfen, wenn nach dieser Ausstellung, die man eigentlich einem Re­volutionsmuseum einverleiben sollte, fein Mensch die wütenden Dementis der" Roten Fahne" nocy ernst nimmt.

Das Material" gegen Loeb. Die Blamage des thüringischen Finanzministers. Jm thüringischen Landtag tam vorgestern wie wir schon furz meldeten, der Fall Loeb" zur Sprache. Das Belastungs­material", bas der Finanzminister v. Klügner vorbrachte, war geradezu fläglich.

Hartmann, in der er den sozialdemokratischen Antrag auf Gin­Das Ereignis des Tages war die Rede unseres Genossen fetzung eines Untersuchungsausschusses begründete. Er Berantwortung des Präsidenten oder eines einzelnen Mitgliedes stellte zunächst fest, daß weder Gesetz noch Geschäftsordnung die des Direktoriums tennt, und daß infolgebeffen die Revision gefezwidrig erfolgte. Darauf befoßte fich Hartmann mit dem Hauptgewährsmann des Finanzministers, dem zweiten Di­rettor der Staatsbant Grempel. Grempel machte bei seiner Einstellung über seine persönlichen Verhältnisse unwahre An= gaben. Von verschiedenen Seiten wurde Loeb vor ihm als einer nicht vertrauenswürdigen Persönlichkeit gewarnt. Wenn die Ein­stellung dennoch erfolgte, so geschah das, weil er im Augenblick infolge gewiffer Lofalkenntnisse nicht zu umgehen war. Infolge finanzieller und familiärer Schwierigkeiten geriet er im Laufe der Zeit unter den Einfluß des Alkohols. Als bei einer Re­vision festgestellt wurde, daß Grempel ohne Wissen Loebs sein Konto nicht nur erheblich überzogen hatte, sondern so­gar 5000 m. aus der Kasse auf sein Separation to hatte eintragen laffen, griff Loeb durch und veranlaßte, daß das Konto durch regelmäßige Abdeckung in Ordnung gebracht wurde. Das ist Die Paßzentrale der KPD. der Grund für die Denunziation des Herrn Grempel. Wie es mit Papiere von der Wiege bis zur Bahre. der Glaubwürdigkeit Grempels bestellt ist, geht daraus hervor, daß er bereit war, dem Staatsbankpräsidenten gegenüber das Gegen. Die von der politischen Polizei vor einigen Tagen ausgehobene teil von dem zu beeiden, was er 8 Wochen vorher über eine Baßzentrale der Kommunistischen Partei wurde am Sonnabend den Sigung im Finanzministerium zu Protokoll gegeben hatte. Vertretern der Berliner und der auswärtigen Presse im Polizeipräsi­Eine ähnliche Gestalt ist ein anderer Denunziant Loebs, ein dium in natura vorgeführt. Es handelt sich bei dieser Zen- stellvertretender Direktor, dem die Kreditgabe trale, die von zwei Angestellten der Kommunistische Partei in übertragen war. Dieser Herr denunzierte Loeb beim Finanzminister einem illegalen Bureau in Neukölln betrieben wurde, um einen großen Attenschrank, der alle Utensilien zur Herstellung wegen feines angeblich leichtfertigen Berhaltens in der jedes beliebigen Passes fast aller Länder und jedes belie- Gewährung von Krediten. Tatsächlich steht es aber so, daß alle Kredite, die Verluste brachten, von Loeb nicht genehmigt waren, bigen deutschen amtlichen und privaten Ausweispapieres er fondern von eben diesem Denunzianten verausgabt wurden! Es ist möglichte. Mit erstaunlicher Sorgfalt haben die beiden Facharbeiter überhaupt ein eigentümliches Bild. Der Finanzminister fagt aus, der KPD , alles nötige Material zusammengetragen und mit daß ein Direktor nach dem anderen getommen sei, um sich über Loeb burecufratischer Sorgfalt übersichtlich zusammengestellt. Der vor= tragende Referent fonnte mit Recht fagen, daß manche Behörde sich über ben anderen beschwert. zu beschweren, und bei Loeb wieder hat sich ein Direktor fortgesetzt die Arbeit der Kommunisten wenigstens in diesem Punkte zum Was die Revision anbelangt, fo hat einer der Ren foren, Herr Borbild nehmen tönne. Eine vorgefundene Lifte gibt eine Bastian, nachdem er einfah, wozu er benutzt werden sollte, Uebersicht über die zahllosen Pässe, die die KPD. für ihre Führer Grempel gegenüber erklärt: Wenn ich gewußt hätte, wozu ich hier ausgestellt hat. Der Reisepaß, mit dem Ruth Fischer im Gebenuht werden joilte, dann hätte ich diesen Auftrag nicht an­wonde einer Schweizer Lehrerin aus Basel seinerzeit nady England genommen. Herr Schulze- Robft, der andere Revisor, aber hat zum Parteitag ber Kommunistischen Partei Englands gefahren ist, einem hochstehenden Herrn in Berlin auf dessen Frage, ob denn Herr zirtulierte ebenso wie die Bäffe Koenens, Rilians rib anderer Loeb irgendwie seine Pflicht perlegt habe, geantwortet: fommunistischer Größen. Die Stempel und Unterschriftensammlung, nein, feinesfalls. die in nicht weniger als 27 großen Schubfächern untergebracht war,

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ferum , bie ausgezeichnete Erfolge hatte. In den behandelten Fällen endete die Krankheit nur zu 4 Proz. tödlich; wo fein Serum an gewandt worden war, sind 80 Proz. Todesfälle zu beklagen ge­wesen.

Wie schon erwähnt, hatte die Regierung die Epidemie ängst­lich verheimlicht. An einen ähnlichen Fall erinnert Dr. Noir in einer der legten Nummern des ,, Concurs Médical". In diesem Auffah wird eine Anekdote aus" Napoleons ägyptischem Feldzug wiedergegeben. Im Juli 1799 begann in der franzö­fischen Armee bei den Pyramiden die Beft aufzutreten. Um feire Truppen nicht zu beunruhigen, verlangte Bonaparte von den Mit gliedern des Aegyptischen Instituts" in Kairo eine Bekanntmachung, die den Soldaten einreden sollte, daß die Pest nicht anstecend sei. Die Aerzte, insbesondere Desgenettes, erhoben lebhaften Einspruch. 3ormig antwortete Napoleon : So feid Ihr eben alle, Ihr Dottoren, Chirurgen und Heilfünstler, mit Eurer Schulweisheit". Dr. Pugnet, ein Mitglied des Aegyptischen Instituts, schrieb damals tem General: Sie sind ein Eroberer, d. h. ein Mensch, der alles feinen eigenen Interessen opfert, wenn er nur Ruhm und Ansehen er­ringen tann. Bleiben Sie dabei, fehen Sie Ihre zerstörende Lauf­bahn fort. Aber haben Sie Achtung vor den Männern, die keinen anderen Ehrgeiz als das Wohlergehen der Menschheit haben, und die ihre Lebensaufgabe darin sehen, die Wunden zu heilen, die Sie und Ihresgleichen schlagen." Die Offenherzigkeit des Arztes muß Napoleon offenbar gefallen haben, denn er lud ihn zum Bantett ein und bat ihn, den Zwischenfall zu vergessen. Buguet wurde später nach Martinique entsandt, um dort das Gelbe Fieber zu studieren. Der Name dieses Helden der Wissenschaft", so fügt Dr. Noir hinzu, ist heute fast unbekannt. Das Enzyklopädische Wörterbuch der medizinischen Wissenschaften widmet ihm nur fünf oder sechs Zetlen. Das ist alles. Der Ruhm Napoleons und das Dunkel, das den tapferen Gelehrten bis heute umgeben hat, sind Tatsachen von gestern. Das Ansehen und die öffentliche Anerkennung der Gelehrten, die die Wohltäter der Menschheit sind, werden die Tatsachen von morgen fein".

Die Herbstausstellung der Akademie, die gestern mittag am Barifer Blaz eröffnet wurde, umfaßt Zeichnungen, Graphit, Aqua. relle, Pastelle, Gouachen und Kleinplaftit, im ganzen ungefähr 600 Nummern. Ihren akademischen Charakter erweist sie in dem foliden Durchschnittsniveau und in dem Fehlen aller Senfationen. Arbeiten minderen Wertes find eigentlich nur von ein paar älteren Mitgliedern der Atademie beigesteuert worden, denen man wohl die Pforten nicht ganz verschließen tonnte. Daß man einigen von ihnen aber die Bevorzugung einer Sonderausstellung zuteil werden ließ, war überflüffig. Die Ausstellung, die täglich von 10 bis 5 Uhr geöffnet ist, wird im Zusammenhang mit der Jurnfreien noch aus­führlich gewürdigt werden.

3. S.

Konzert der Typographia". Die Typographia", Gefangverein Berliner Buchdruder, veranstaltet unter Leitung ibres Chormeisters Alexander Weinbaum am Dienstag, den 28., abends 8 Uhr, mit dem Sinfonie ( Blüthner-) Orchester im Konzertaal der Hochlaule für Mufit ein Konzert, in welchen unter Mitwirkung von Adelheide Bickert, Baula Weinbaum und Professor Albert Fischer Werte von Brahms , d'Albert , Berr und Bruch zu Gehör fommen.

Humboldt- Hochschule. Fräulein Dr. Michaelfen bält am Mittwoch, abends 8, Ubr, in der Aula Dorotheenſtr. 12 einen Lichtbildervortrag über , Die Romantit in ber bildenden Kunst".

Das sind die Hintergründe, die zu der Amtsenthebung Loebs führten. Sie zeigen deutlich, daß es sich lediglich um eine politische 2ftion handelt, und man fann sagen, daß mit größerer Strupel losigkeit selten vorgegangen worden ist, obwohl man sich in den Tezten Jahren an mancherlei gewöhnt hat.

Die Räumung Dortmunds . Ein Aufruf des Oberpräsidenten von Westfalen . Münster , 18. Oftober.( TU.) Der Oberpräsident von Westfalen hat anläßlich der bevorstehenden Räumung des Dortmunder Gebietes an die Bevölkerung von Dortmund- Hörde folgenden Aufruf gerichtet: Am 22. Oftober 1924 werden die französi fchen Befotungstruppen einen Teil des Gebietes von Dortmund­Hörde räumen. Mehr als 21 Monate hindurch mußte eine fremde militärische Besagung mit all ihren Folgen von der deutschen Be­völkerung ertragen werden Groß waren Bedrüdung und Ent­behrung, größer noch die Seelennot im befekten Gebiet. Allen, die behrung, größer noch die Seelennot im befeßten Gebiet. Allen, die in der Not der Zeit in ihrer Liebe und Treue zum deutschen Bater­land nicht werkten und nicht wichen, gebührt aufrichtige Anerkennung und herzlicher Dant. Die Bewohner der jetzt freiwerdenden Gebiets teile und wir mit ihnen sind erfüllt von tie finnerliner Freude über die endlich wiedererlangte Freiheit. Diese Freude zu äußern, wird ihnen niemand wehren. Ich bitte aber die Bevölkerung ernst und dringend, immer und überall eine würdevolle Zurüdhaltung zu bewahren, insbesondere bei und nach dem Abmarich der Besagungstruppen jede Sundgebung zu unterlassen Kein Wort darf gesprochen oder geschrieben werden, das die Entspannung und die Freiheit der Zukunft gefährdet. Alles, aber auch alles, muß vermieden werden, was die Bage der noch un­erlöften deutschen Bolfsgenossen nachteilig becinfluffen könnte. Gerade in diesen Tagen muß uns der Gedanke einer gefunden Boltsgemein­fchaft und Schicksalsverbundenheit davor bewahren, in der Freude des Augen.blics über Maß und Ziel hinausgehen. In dieser Ge finnung rufe ich dem Bezirk Dortmund- Hörde nochmals ein dank­bares und herzliches Glückauf zu."

Seit Ausgang August find bis jetzt die nachstehenden Gemeinden vollständig von der Befagung geräumt worden:

Die entlarvten Lügner.

Was kommunistische Dementis wert find.

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Als wir am 27. September auf Grund der Mitteilungen der russischen sozialdemokratischen Auslandsdelegation die Nachricht brachten, daß auf den Soloweski- Inseln ein Hungerstreit der politischen Gefangenen aus­gebrochen sei, leugnete die Sowjetregierung auf das ent­fchiedenste. Die Rote Fahne " brachte am 1. Oktober unter der Ueberschrift Vorwärts 2ügen" eine offiziöse Er­flärung der Russischen Telegraphenagentur. daß die Mittei lungen über den Hungerstreit in Berlin erfunden sind und eine Lüge darstellen". In den bürgerlichen englischen und französischen Zeitungen erschien am 3. bzw. am 4. Oftober eine ähnliche sowjetamtliche Erklärung. Und noch am 6. Oktober hatte ein offizieller diplomatischer Vertreter Sowjetrußlands den traurigen Mut, auf eine diesbezügliche Anfrage einer europäischen sozialistischen Partei die Tatsache des Hunger streits fategorisch zu leugnen. Demgegenüber erklärt die Aus­landsvertretung der Sozialdemokratischen Partei Rußlands , daß sie nunmehr authentische sowjetamtliche Dokumente, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind, besigt, in denen die Sowjetregierung den Hungerstreif von 105 russischen Sozialisten auf Solowegti bestätigt und mit­nach Solowegti entsandt worden sei, um die Angelegenheit an teilt, daß der Staatsanwalt am Obersten Tribunal, Ratanjan, Ort und Stelle zu regeln".

Sowjetregierung in fcha miofer Weise gelogen und Es fann danach festgestellt werden, daß die russische die öffentliche Meinung in Rußland und im Auslande fowie die kommunistische Arbeiterschaft bewußt irregeführt hat, als sie die Nachricht über den Hungerstreit auf den Soln­wetzki- Inseln dementierte und noch jetzt öffentlich leugnet. Der Kongreß der Radikal- Sozialen.

Eine bürgerlich- demokratische Internationale? Paris , 18. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) 3m Rahmen des Parteitages der Radikalen und Radikaljozialen Partei in Boulogne fand am Sonnabend eine internationale& onferenz von Delegierten der demokratischen Parteien aus elf Ländern statt, die den Zusammenschluß dieser Parteien in einer neuen Jnter. nationale vorbereiten soll. Bisher sind folgende Länder ver­freten: Frankreich , Deutschland ( Abg. Heile), Tschechoslowakei , Polen , Bulgarien , Belgien , Holland , Dänemark , Litauen , Griechen­ land und Ungarn . Die Ankunft von Delegierten aus anderen Län­dern wird erwartet. Der Parteitag selbst, der am Freitag u. a. eine Entschließung zugunsten der Einführung der weiflichen Einheits­schule angenommen und die innere volitif der Regierung rückhalt­los gebilligt hat, ist am Sonnabend nachmittag in die Besprechung der Finanzpolitit des Kabinetts Herriot eingetreten. Herriot , der sich schon am Sonnabend zur Teilnahme an dem Parteitag nach Boulogne begeben hat, unterbreitete vor feiner Abreise die Richt­linien seiner Rede, die er am Sonntag dort zu halten gedenkt, dem ministerrat zur Billigung.

Paris , 18. Oktober. ( WTB.) Der Kongreß der rabitalen Partei in Boulogne- sur- Mer beschäftigte sich in seiner gestrigen Nachmittagsfizung mit dem Geschäftsbericht. Im Berlaufe der Dis­tussion erklärte der Abgeordnete Bhiffon, die Regierung Herriot habe außenpolitisch ihre Aufgabenn glänzend durchge­führt. Man müsse, was die Innenpolitit anbetreffe, ihr noch einige Zeit Kredit gewähren und nicht so sehr Ungeduld an den Tag legen. Die radikale Partei sei eine Regierungspartet, die feine extreme Politik betreiben tönne. Sie trenne sich von den Sozialisten, weil sie das Brivateigentum schützen wolle. Man dürfe aber diesen Schutz angesichts der augenblicklichen Notlage nicht über. treiben. Ein anderer Redner, der Abgeordnete Borrel, be­grüßte befonders, daß seitens der franzöfifchen radikalen Bartei der Versuch zu einer internationalen Verständigung mit außerfranzösischen Parteien gleicher Tendenz gemacht werde. Schließlich wurde die Resolution der radikalen Frauen, die das Stimmrecht verlangt, einem besonderen Ausschuß übermittelt. Der Tätigkeitsbericht des Parteivorstandes wurde genehmigt.

Im Laufe der gestrigen Nachmittagssigung legte der Abgeordnete Montigny die Politik der Regierung Herriot dar. Er erinnerte an die Schwierigkeiten der inneren Politif. Die Regierung, die sich einen ungeheuren Kredit durch ihre Außenpolitit erworben habe, tönne wieder alles wagen, denn sie werde von der Mehrheit der Rammer unterstüßt. Vor allem erwarte man, daß der Senat die Amnestie bewilligen werde, die gewisse ungerechtigkeiten wieder gut machen müsse Ueber 100 Delegierte erhoben sich in diesem Augenblid und riefen Bive Caillaug. Der Abgeordnete Montigny erinnerte noch daran, daß noch zu viel Posten von Anhängern des nationalen Blods bescht seien und daß es vor allem erforderlich sei, auf finanziellem Gebiet halbe Maß­nahmen zu vermeiden. Nach dieser Nede wurde eine Resolution an genommen, die Herriot den Dont und das Bertrauen des Parteitages ausspricht. Ferner wurde eine Entschließung an­genommen, in der die Einführung der französischen Gesetzgebung in Elsaß- Lothringen , die öffentliche Abstimmung bei den Wahlen des Präsidenten der Republik und der Präsidenten von Kammer und Senat an Etelle der geheimen Abstimmung, sowie end­lich das Koalitionsrecht für sämtliche Beamte gefordert wird. Einberufung des sozialistischen Parteiausschusses.

Paris , 18. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Der Partei. ausschuß der Sozialistischen Partei Frankreichs ist für den 1. und 2. November zusammenberufen worden. Auf der Tages­ordnung stehen vor allem bie Fronen der Fortsetzung der tell politik und der Budgetbewilligungen.

Völkerbundrat 27. Oktober in Brüssel .

Paris , 18. Ottober.( Eigener Drahtbericht.) Der Völkerbund­rat ist zur Beilegung des englisch - türkischen Streitfalles um Mofful Spedhorn, Der, Sinsen, Lenkerbed, Asen, Flaesheim, sämtlich von seinem Präsidenten, dem belgischen Minister Hymans, für im Kreise Recklinghausen , Niederbonsfeld und Weiper im Kreise den 27. Oftober nach Brüssel zufammenberufen worden. Hattingen , Berghofen und Höchsten im Kreise Hörde, Gruiten und Hardenberg- Meviges im Kreise Mettmann . Bei diesen Gemeinden handelt es sich meist um 30llpostierungen, die nur mit fleinen Bosten von Gendarmeriebeamien und Zollbeamten befeßt

waren.

Dr. jur. Robert Faber , Seniorchef der Faberfchen Druckerei in Magdeburg , Herausgeber der Magdeburgischen Zeitung" und Ehren­vorsitzender des Vereins deutscher Beitungsverleger". ist an Herzschwäche plöglich gestorben. Der preußische Minister. präsident Braun hat aus diesem Anlaß dem Verein deutscher Beitungsverleger" namens der preußischen Staatsregierung sein Beileid ausgesprochen.

Die Ausweisung von Schulz- Förster aus Ungarn erleidet, da der Ausweisungsbescheid noch nicht Rechtstraft erlangt hat, eine Berzögerung um einige Tage.

De Margerie bleibt in Berlin .

Paris , 18. Oftober.( Eigener Drahibericht.) Unferen Melbun gen über die in Aussicht genommenen Berjonalveränderungen auf den wichtigsten diplomatischen Bosten Frankreichs ist noch nachzu­tragen, daß eine der wenigen Botschaften, die von einer Umbelegung nicht betroffen werben, diejenige in Berlin ist. Der Berliner Botschafter de Margerie war zwar ursprünglich als Nach­folger Barrères für Rom ausersehen und an seiner Stelle follte Loucheur die Vertretung Frankreichs übernehmen. Nachdem dieser nunmehr endgültig abgelehnt hat, wird Herr de Margerie in Berlin bleiben. Wie einige Morgenblätter in Ergänzung der gestrigen Informationen mitzuteilen in der Lage find, foll als fünf­tiger Botschafter in Moskau Jean Herbette, der frühere Leit. artikler bes Temps", in Aussicht genommen sein