Nr.498 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 253
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Mittwoch, den 22. Oktober 1924
Ein Aufruf der Reichsregierung.
Entschlossen auf dem Boden der Verfassung.
Die Reichsregierung wendet sich mit der folgen-| Bürgerblock mitmachen wollte, war bekannt. Wenn zwischen den Rundgebung an das deutsche Volk: ihr und der Mehrheit der Schnitt vollzogen wird, so kann das nur zur Klärung der Verhältnisse dienen.
Nach kurzer Zeit steht das deutsche Bolt wiederum vor der Aufgabe, einen neuen Reichstag zu wählen. Im alten Reichstag hatte die Regierung keine feste arbeitsfähige Mehrheit. Die mannigfaltigen ernstesten Bemühungen, eine solche zu schaffen, führten nicht zum Ziel. Letzten Endes scheiterten fie deshalb, weil die noch unter den Nachwirkungen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs getätigte Wahl vom 4. Mai die radikalen Elemente allzu sehr gestärkt und dadurch eine aufbauende Arbeit der übrigen Parteien außerordentlich erschwert hatte. Das Wohl des deutschen Volkes fordert, daß dieser Mangel durch die Neuwahlen beseitigt wird. Nachdem der Londoner Patt angenommen und feine Durchführung bereits eingeleitet ist, muß die unter schweren Opfern, aber mit sichtbarem Erfolge geführte Politik der Regierung folgerichtig fortgesezt und für die Zukunft gesichert werden. Auch der wirtschaftliche Wiederaufbau hat eine ruhige Fortentwid lung der deutschen Politik nach außen und im Innern zur Voraussetzung. Sie ist aber nur dann gesichert, wenn sich alle am Wiederaufbau beteiligten Parteien entschlossen auf den Boden der Verfassung stellen und diese gegen jeglichen ungesetzlichen Angriff, gleich, von welcher Seite er fommen mag, verteidigen.
Im neuen Reichstag müssen die einigenden Kräfte stärfer fein als die entzweienden. Die radikalen Elemente follten durch die Neuwahl ausgeschaltet werden. Ist es nicht eine Schande, daß der Deutsche Reichstag mit polizeilicher Hilfe tagen muß und sich Extreme von rechts und links die Hand reichen, um seine Arbeit zu fabotieren? Soll das deutsche Volk im Innern weiter gefunden und soll nach außen die neugewonnene Gel tung erhalten und gemehrt werden, so muß die Regierung fich auf eine feste Mehrheit stügen können. Auch die Parteizersplitterung der letzten Wahlen steht dem entgegen. Es dürfen nicht, wie am 4. Mai, nahezu eine Million Stimmen vergeblich abgegeben werden. Nicht in der Zersplitterung liegt das Heil, sondern im Streben zum Ganzen und zur Einheit. Möge sich das Deutsche Bolt von diesen Gesichtspunkten leiten lassen, wenn es bei der kommenden Wahl über feine Zukunft entscheidet.
Der Aufruf der Reichsregierung erweckt den Anschein, als ob die Wahlen gegen den Bund von Ludendorff und Katz gingen. Aber war dieser Bund mit seinen 94 Abgeordneten wirklich so start, daß seinetwegen aufgelöst werden mußte? Jedermann weiß, daß das nicht der Fall war!
Die Kernfrage des Wahlkampfes wird in dem Aufruf vollständig umgangen, es wäre denn, daß der Passus, der vom Boden der Verfassung spricht, als eine Erklärung gegen die Deutschnationalen aufgefaßt werden sollte.
Es versteht sich aber von selbst, daß eine Regierung, die nicht mehr geschlossen genug war, um noch vor den Reichstag treten zu fönnen, zum Wahlkampf nicht viel mehr als einige allgemeine Redensarten beitragen fann.
Schiffer geht. Geßler auch? Abschied der Bürgerblöckler von den Demokraten.
und
Von den bei der Entschließung über die Regierungsbildung in der Minderheit gebliebenen demokratischen Abgeordneten sind, wie WTB. meldet, die Reichstagsabgeordneten Schiffer, Gerland und Reinath, sowie die preußischen Landtagsabgeordneten Dominicus Grund aus der Demokratischen Partei ausgeschieden. Dem Parteivorstand ist hiervon in einem gemeinsamen Schreiben Kenntnis gegeben worden. Die bayerischen Abgeordneten Dr. Geßler und Sparrer, die gleichfalls zur Minderheit gehören, treffen ihre Entscheidung nach Fühlungnahme mit ihren heimatlichen Organisationen.
Dazu bemerkt eine Erklärung der Demokratischen Partei: „ Das Ausscheiden dieser Herren werde natürlich bedauert, da die anderen Fraktionsmitglieder mit ihnen in langer Gemeinschaftsarbeit manche persönlichen Beziehungen gewonnen hätten. Erklärlich macht den Schritt die Tatsache, daß die sämtlichen in Frage tommenden Herren bei der Neuaufstellung der Kandidas nlisten voraussichtlich nicht mehr berücksichtigt worden wären, da ihre Ansichten von den Meinungen ihrer Wahlkreisorganisationen abwichen und die Wahlkreise sich in voller Uebereinstimmung mit der Politik der Reichstagsfraktion befänden. Die Herren entgingen da her dem Mißtrauensvotum ihrer bisherigen Parteiorganisationen, indem sie ihren Austritt vorher
vollziehen.
Schließlich sei noch festgestellt, daß die bayerischen demofratischen Organisationen zu den Streitfragen ebenfalls bereits Stellung genommen hätten, und zwar gleichfalls im Sinne der Reichstagsfraktion."
Daß eine kleine Minderheit der demokratischen Reichstagsfraktion aus den berühmten taktischen" Gründen den
Bauernbund und Demokratie.
Der Brief, in dem der Bauernbundführer Böhme seinen Austritt aus der Demokratischen Partei mitteilt, ist typisch für die innere Einstellung eines Teils des Bauernbundes. Dr. Böhme fagt, die Mehrheit des Bauernbundvorstandes sei mit der Haltung der Demokraten in der Schutzzollfrage nicht einverstanden. Außer dem seien die Mitglieder des Deutschen Bauernbundes monatela.ng Angriffen und ironischen Aeußerungen seitens ihrer Berufskollegen ausgefeßt, ein Zustand, der angesichts der Uebermacht der auf dem Lande verbreiteten groß agrarischen Bresse fich zur Unerträglichkeit steigert". monarchistischen Bresse als Grund für den Austritt aus der DemoDie Angst vor der deutschnationalfratischen Parteiman darf der Demokratischen Partei gratulieren, daß sie nicht in die Verlegenheit versetzt wurde, mit solchen Aufrechten" in den Wahlkampf zu ziehen.
Der Aufruf der Demokraten.
erfassen, in dem sie mit aller Schärfe für Republik und DemoDie Demokratische Partei hat einen Wahlaufruf tratie eintritt und der Volkspartei den Vorwurf macht, daß sie infolge ihres Anlehnungsbedürfnisses an die Deutschnationalen die Politik der Mitte verlassen habe. Ueber die Deutschnatio nalen heißt es u. a.:„ Wer jetzt die Monarchisten zur Regierung ruft, zerstört alle Möglichkeiten. Die Partei der jungen demofratischen Republit tonn nicht der monarchistischen Reaktion in den Sattel helfen.... Angesichts des Borstoßes der Reaktion ist die Republit in Gefahr. Sie foll ausgehöhlt, sie soll unter miniert werden. Die Nation soll durch innerpolitische Kämpfe zerminiert werden. Die Nation soll durch innerpolitische Kämpfe zerrissen und geschwächt werden."
Gegen Demokratie und Liberalismus.
Das Ziel der Volkspartei.
Die Verhandlungsführer der Deutschen Volkspartei , gezeichnet Scholz, 3apf, Curtius, wenden sich in einer erregten Kundgebung gegen die deutsch- demokratische Partei, der man heftige Vorwürfe darüber macht, daß sie der Bildung schließt: des Bürgerblocks nicht zugestimmt habe. Die Kundgebung
,, Sachliche Gründe für die Haltung der deutsch - demokratischen Fraktion waren hiernach nicht gegeben. Barlamentarische Kurzsichtigkeit, Parteidottrinarismus sowie Gin flüffe linksradikaler und internationaler Kräfte haben in ihr eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Diese Kräfte, die letzten Endes die Reichstagsauflösung verschuldet haben, gilt es im Wahlkampfe beiseite zu schieben, um das unverrückbar fiststehende Ziel der Deutschen Volkspartei innerer Festigung zur Fortführung bewährter Außenpolitik im
tommenden Reichstag zu erreichen."
Die Deutsche Volkspartei hat den Deutschnationalen ZuDeutschnationalen in den Wahlkampf, trotzdem die Deutsch treiberdienste geleistet. Sie geht als getreuer Knecht der nationalen erkennen lassen, daß sie nicht an die Fortführung der bisherigen Außenpolitik denken. Sie wollen die bürger liche Demokratie ausschalten, den Liberalismus in Deutschland vernichten das ist ihr Ziel.
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Mörderzentrale OC.
Geheimorganisation Consul- Ehrhardt unter Anklage. Bor den Schranken des Staatsgerichtshofes zum Schuhe der Republik " soll heute nach mehrjähriger Untersuchung endlich der Prozeß gegen die Mitglieder der deutschnationalen Geheimorganisation, die unter dem Namen ,, Consul" geführt wurde, zur Berhandlung kommen. 26 Anhänger und zum Teil engste Mitarbeiter Ehr= hardts find unter den vielen Beteiligten auserwählt, um bündelei begeht nach dem Strafgesetzbuch, wer einer Bereinisich wegen ,, Geheimbündelei" zu verantworten. Geheimgung oder Verbindung angehört, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheimgehalten werden soll. Jeder, der der bewußten Beteiligung an einer solchen geheimen Verbindung überführt wird, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten, die Stifter und Vorsteher der Berbinbung mit Gefängnis von einem Monat bis zu einem Organisation C. gilt nicht etwa der aus dem Leipziger UnterJahre bedroht. Als„ Stifter und Borsteher" der ausgebrochene Häuptling Ehrhardt, sondern sein Komsuchungsgefängnis mit Hilfe seines Geheimbundes plice, der frühere Kapitänleutnant Alfred Hoffmann, der, wie selbstverständlich, in München seinen Wohnsiz hat. Die Mitglieder des Geheimbundes, zu denen u. a. auch der bekannte Kapitänleutnant v. Killinger und der ebenso bekannte Ver= trauensmann Ehrhardts, Kautter, gehören, setzten sich zusammen aus ehemaligen Angehörigen der Ehrhardt- Brigade. Schulz und Tillessen , die im August 1921 Erzberger Man erinnert sich, daß die beiden Mordbuben meuchlings erschossen, zu dieser Geheimorganisation in engster Verbindung standen, und daß der badische Staatsanwalt, der die nach München weisenden Spuren dieser Meuchelmörder verfolgte, in der Wohnung von Killinger und Hoffmann Haussuchungen vornehmen ließ, wobei ihm das gefamte Material der Geheimorganisation in die Hände fiel. Unter anderem fand er die Satzungen der Organisation C., in denen ausdrücklich mit dürren Worten ausgesprochen wird, daß die Organisation C. eine Geheimorganisation" sei, daß die Mitglieder sich ,, verpflichten, untereinander ein Schuh- und Truzbündnis zu schließen, wodurch je der Angehörige der Organisation der weitestgehenden Hilfe aller anderen Mitglieder sicher sein fann". Weiter sieht die Sagung vor, daß die ,, Mitglieder sich verpflichten" müssen, ein Machtfattor zu fein, unbedingten Gehorsam gegen die Führer" zu üben, strengstes Stillschweigen zu bewahren und zu diesem Zweck eine förmliche Verpflichtung einzugehen. Um gar keinen Zweifel über die Sache aufkommen zu lassen, bestimmt der§ 11 der Sagungen außerdem, daß heimmis möglichst vollständig zu machen, wurde eine GeVerräter der Feme verfallen". Um das Geheimschrift eingeführt, die durch Zahlen gewisse Worte erfekte, die sich in einem bestimmten, den Eingeweihten bekannten Wörterbuch auf den durch die Ziffern angedeuteten Seiten befanden. Ueber den 3 wed der ganzen Organisation läßt die Sagung auch keinen Zweifel, insofern sie erklärt, daß ihr Bestreben dahin gehe, durch Einsegung einer nationalen Regierung die Wiederkehr der heutigen Verhältnisse unmöglich zu machen".
Es handelt sich also ganz offensichtlich um eine Ver= Wortes. Und es hat niemanden überrascht, als festgestellt schwörerorganisation im schlimmsten Sinne des wurde, daß zu dieser Verschwörergesellschaft nicht nur die Schulz und Tillessen und die Scheidemann - Attentäter, sondern auch die Rathenau - Mörder Fischer und Kern und deren Helfershelfer Techow und Konsorten in engstem Berhältnis als Mitglieder oder doch als Ver= trauenspersonen standen. In dem Prozeß gegen Techom und Genossen hat der Oberreichsanwalt Ebermayer die Zusammenhänge furz und bündig dargestellt,
In dem an anderer Stelle zitierten Aufruf der Fraktion Halb als er u. a. ausführte: und Halb" findet sich diese liebliche Blüte:
Führende Regierungsparteien haben uns Deutschnationalen Ende August feierlich ihr Wort verpfändet. Die Deutsch nationale Volkspartei war zum Regierungseintritt unter Hintanfegung schwerer Bedenken im.Interesse des Vaterlandes bereit. Das gegebene Wort wurde nicht eingelöst...
Ich hatte es aber auch für meine Pflicht zu sagen, daß sich gewisse Umstände herausgestellt haben, die erkennen lassen, daß die Täter mit gewissen Organisationen in Verbindung gebracht werden können und daß diese Organisationen den Tätern den Gedanken zur Tat eingegeben haben. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Ich sage, daß diese Organisationen ihnen bei der Tat behilflich gewesen sind. Bei allen Attentaten auf Erzberger, Rathenau , Scheidemann sind es immer dieselben zurücverfolgen lassen. Es ist ein Unsinn zu glauben, daß alle Angeklagten nach Berlin gekommen seien, jeder zu einem anderen 3wed. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß fie alle vorher wußten, was geschehen sollte, daß sie sich planmäßig verab redeten, und sich in Berlin getroffen haben. Deshalb liegt auch die Vermutung nahe, daß der Mord von den Angeklagten planmäßig organisiert war, daß er nicht ein dem Zufall entsprungenes Verbrechen gewesen ist, daß nicht Kern und Fischer allein die Urheber des Mordes waren. In den Kreisen der Nationalsozialen hat Rathenau feineswegs einen guten Namen gehabt, ebensowenig in der Organisation Conful". Ernst
Doch kaum war deth Lindeiner das Wort entfahren, da verriet sein schreckensbleicher Mund, daß er eine Dummheit gemacht habe. Wie fonnte er die Verbündeten, die Bolkspartei, so mit dem Ber- Kreise, sie haben alle gemeinsame Beziehungen, die sich lange liner Baft vor den Bauch stoßen! Er läßt deshalb durch die ihm dienst willige Telegraphenbureaus schleunigst erklären, daß der Vorwurf gegen führende Regierungsparteien", sie hätten ihr Wort gebrochen, sich nicht gegen die Stresemänner richte, sondern gegen eine andere Seite"! Da außer dem Zentrum und der Deutschen Bolkspartei taum noch andere führende Regierungs parteien" vorhanden gewesen sind, so richtet sich der Vorwurf der Deutschnationalen allein gegen das Zentrum, wenn er nicht bis morgen überhaupt zurückgenommen ist. Denn es ist die Eigentümlichkeit der Ja- Neinfager, daß die Linke nicht weiß, was die Rechte schreibt.