Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 50341. Jahrgang Ausgabe B Nr. 252

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise sind in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-295 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

NO

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 GoMpfennig

Freitag

24. Oktober 1924

Berlag und Anzeigenabteilung Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-250%

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Schluß des Landtags.

Mißtrauensvotum abgelehnt.

-

Kommunistisch- deutschnationale Einheitsfront.

Der Landtag trat heute zu feiner legten Sigung zu fammen. Vor Eintritt in die Tagesordnung tritt Landwirtschafts­minister Dr. Wendorff den Ausführungen des Abg. v. d. Often über die Stellung des Landwirtschaftsministers zu den 3ollfraget entgegen. Er erklärt, er habe nicht nur an der Abstimmung des Staatsministeriums teilgenommen, sondern auch persönlich seinen Standpunkt eingehend dargelegt und begründet und über seine Auf­fassung feinen Zweifel gelassen. Für das Verfahre des Abg. v. d. Often gebe es nur zwei Möglichkeiten: entweder er habe nicht gewußt, was sich im Plenum abgespielt habe- dann hätte er fahrlässig gehandelt; das wäre für eine Führer der Deutsch­

-

nationalen Bolkspartei höchst eigenartig, eder aber feine Aus­führungen seien un wahr, und der Minister förne ihm dabei nicht

einmal nur objektive unwahrheit zubilligen.( Großer Lärm b. d. Deutsch nationalen.)

Abg. v. d. Often( Dnat.) hält es für unter seiner Würde, auf die letzte Aeußerung des Landwirtschaftsministers einzugehen.( Sehr richtig! b. d. Dnat.) Er müsse bei seiner Behauptung bleiben, daß der Landwirtschaftsminister in der entscheidenden Sigung nicht an­wesend gewesen sei und nicht seine ganze Kraft dafür eingesetzt habe. Er, Redner, habe also durchaus die objektive Wahrheit gesagt.

Ministerpräsident Braun legt die Vorgänge im Staatsmini sterium bei der betreffenden Abstimmung dar. Den Landwirtschafts­minister treffe jedenfalls nicht der geringste Vorwurf.

Er hat

Landwirtschaftsminister Dr. Wendorff: Der Abg. v. d. Often scheint ein sehr turzes Gedächtnis zu befizen. gestern nicht gesagt, der Minister habe an der entscheidenden Sigung nicht teilgenommen, sondern er hat davon gesprochen, daß der Mi­nister in einer so entscheidenden Frage nicht seine ganze Kraft ein­gesezt habe.

Abg. Milberg( dnatl.) tritt den Ausführungen seines Partei­freundes bei. Ministerpräsident Braun wiederholt, daß die Frage des Shuz zolls im Staatsministerium eingehend erörtert wurde.

Nach Ausführungen des Abg. Dr. Meyer- Ostpreußen ( Komm.) hebt Abg. Grze initi( Soz.) hervor, daß sich die sozialdemokratischen Minister wie die sozialdemokratischen Abgeordneten gegen den Schutzoll eingesetzt hätten.

Das Mißtrauensvotum abgelehnt. Darauf wird die Abstimmung über das deutsch natio: nale Mißtrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten Braun, den Innenminister Severing, den Handelsminister Siering und den Landwirtschaftsminister Dr. Wendorff vorgenommen. Bei der namentlichen Abstimmung über das Mißtrauensvolum für den Ministerpräsidenten Braun werden 273 Stimmen abge­

Amerika und der Völkerbund . Zunehmende Annäherung. Washington , 24. Oktober. ( WIB.) Durch Funtspruch. Präsident Coolidge hielt in der Handelskammer eine Rede, in der er feine Stellung zum Böllerbund nochmals betonte und hervor­hob, daß Amerika bisher nicht beigetreten fei, um nicht in internatio­nale Angelegenheiten, an denen Amerika nicht unmittelbar beteiligt fei, verwickelt zu werden. Dies schließe aber nicht aus, daß Amerifa dem Schiedsgerichtshof im Haag beitrete und sich auch an internationalen Konferenzen beteilige, sofern hierdurch nicht eine Einmischung fremder Staaten in innere amerifenische An­gelegenheiten zu besorgen sei.

Völkerbundkundgebung in Paris .

Paris , 24. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) In der Sorbonne findet am Freitag abend in Anwesenheit des Präsidenten der Republik und unter Vorsitz des Ministerpräsidenten eine große Kund­gebung für den Völkerbund statt. Außer dem Rektor der Universität, der zu gleicher Zeit Borsitzender des französischen Aktionsausschusses für den Völkerbund ist, werden die Delegierten, die Frankreich auf der Genfer Konferenz vertreten haben, das Wort ergreifen.

Staatsstreich in China . Peking besett.

Paris , 24. Oftober.( WTB.) Chicago Tribune" meldet aus Tientsin, daß die 11. Divifion der nationalen Armee unter dem Ge­neral Feng Yu Hsiang, dem sogenannten chriftlichen General in Peting gemeutert und die Stadttore besetzt habe. Die Stadt jei vollkommen abgeschnitten.

Peting, 24. Oktober. ( WTB.) General Feng Yu Hsiang, der gestern abend in aller Ruhe und unerwartet Peking befeht hat, besitzt die vollständige Kontrolle der Hauptstadt; alle Verbindungen

find abgeschnitten, die Stadttore geschlossen. Feng Yu Siang ließ

geben. Das Mißtrauensvotum wird mit 192 Stimmen gegen 79 Stimmen der Deutschnationalen und Kommunisten bei zwei Enthallangen abgelehnt.( Beifall b. d. Mehrheit.)

Das Mißtrauensvolum gegen den Innenminister Severing wird mit 205 gegen 80 Stimmen bei einer Enthaltung ab­gelehnt. Das Mißtrauensvolum gegen den Handelsminister Siering verfiel ebenfalls der Ablehnung. Dafür stimmten 79 Abgeord­nete, dagegen 198. Einer enthielt sich der Abstimmung.

Es folgt dann die letzte und vierte Abfiimmung gegen den demo­fratischen Landwirtschaftsminister Dr. Wendorff. Auch dieses mißtrauensvolum wird mit 197 gegen 82 Stimmen bei

drei Enthaltungen abgelehnt.

Damit war die Tagesordnung erledigt. Bizepräsident Garnich stellte das fest und erbat die Ermächti­gung für das Präsidium, den Landtag bis zum 6. Dezember noch einmal einzuberufen, falls die politischen Verhältnisse das erforder: lich machen.

Das Haus stimmte diesem Borschlage zu.

Darauf wurde die Sigung geschlossen. In diesem Augen­blid erhob sich auf der Publikumstribüne ein junger Mann und warf mit lautem Zuruf einen großen Stoß fommunistischer Flugs während der Sigungsfaal fich langsam leerte. blätter in den Saal. Die Tribünen wurden darauf geräumt, Schluß gegen 12 Uhr.

Landtagsschluß in Hessen .

Neuwahl am 7. Dezember. Darmstadt , 24. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Der zweite hessische Landtag hielt am Donnerstag feine I eßte Sigung ab, in der auf sozialdemokratischen Antrag noch der Beschluß gefaßt wurde, die Regierung zu ersuchen, den Fürsorgeverbänden Anweisungen zur Linderung der Not der Fürsorge beregtigten zu geben und die notwendigen Mittel vom Staate zur Verfügung zu stellen. In seiner Schlußansprache faßte der Präfi dent, Genosse Adelung, die wichtigsten Arbeiten, die der Landtag erledigt hat, zusammen und schloß mit einem Hech auf das deutsche Bolt und den Bolksstaat Hessen , in das alle Abgeordneten einstimmten mit Ausnahme der Kommunisten, die sigen blieben und während der Rebe des Präsidenten sich in Zwischenrufen austobten. Der am 7. Dezember neuzuwählende dritte Landtag des Freistaates Hessen wird fraft eigenen Rechts am 28. Dezember zu feiner ersten Sigung zusammentreten.

Schwarz- Rot- Gold in Köln .

|

Geheimnis des Geheimbundes.

Eine Komödie vor Gericht.

Was sich vor dem Staatsgerichtshof zum Schuße der Republik in den letzten Tagen abspielte, be= teinerlei Enthüllungen bringen würde, es sei denn, stätigt unsere Vorhersage, daß diese Berhandlung daß man die Verdienste der Organisation C um das Bater­land" in bengalische Beleuchtung rücken würde. Das ist frei­lich in hervorragendem Maße geschehen. Von einer 3 eugen­pernehmung weiß der Prozeßbericht nichts zu melden. Die ganze Erörterung, die vor Gericht gepflogen wurde, er­streckte sich auf freundschaftliche Auseinandersehungen zwischen dem Vorsitzenden und den Angeklagten. In allen entscheiden­den Buntten beriefen sich die O.C- Männer auf jane Berhand­lungen, die in der Geheimjigung unter Ausschluß der Deffentlichkeit gepflogen wurden. Da diese geheime 2hssprache angeblich erfolgte, um nicht die Sicherheit des Staates zu gefährden, so fann über sie in der Deffentlichkeit nicht ge­fprochen werden. Für die Beschuldigten aber hat das den Var­teil, daß sie sich in den Mantel der Tugend hüllen und den Anschein erwecken fönnen, als ob sie die treuesten und biedersten Beschüßer des Reiches wären, das sich durch seine Weimarer Verfassung zur Republik erklärt hat.

geht zur Genüge hervor, worauf die Angeklagten hinauswollen. Aus gelegentlichen Andeutungen der Verteidiger aber Sie suchen den Anschein zu erwecken, als ob sie auf Ver= anlassung der Regierung oder einer der Regierung nahestehenden Stelle ihren Geheimbund geschaffen hätten aus irgendwelchen wirklichen oder vermeintlichen militärischen Gründen heraus. Der Verteidiger Sad hat gestern ausdrücklich gefagt: 1921 wurde die O. C. von der Regierung, als durch den Bolenaufstand die Minister­feffel madelten, gerufen, um zu helfen." An anderer Stelle der Verhandlung war die Rede von der Gründung eines Regiments Süd" und über Ver­handlungen mit den oberschlesischen Selbstschuhverbänden. Schließlich hat die Berteidigung fogar, beantragt, den Reichs­pressechef Spieler als Beugen zu laden über den Inhalt der Berhandlungen, die mit der Leitung des Geheimburves in Bresian geführt worden seien.

=

=

Der Vertreter der Reichsanwaltschaft schien gegen diese Vorstöße der Berteidiger vollständig in die Verteidis gungslinie gedrängt worden zu sein. Kein Be meisantrag von seiner Seite deutete auf die Verbindun­gen der Rathenau, der Erzberger Mörder und der Scheidemann Attentäter mit der angeklagten " Organisation Consul " hin. Nur in nebelhafter Ferne tauchte die Erinnerung daran auf, daß schon früher die Tätigkeit der Ehrhardt- Banden por Gericht eine Rolle gespielt habe. Rein Wort von all den Fememorden, die im Laufe der Starke Beteiligung aus Zentrum, Demokraten und Johre unter Anklage gestanden haben und zur Verurteilung Sozialdemokraten. führten. Kein Wort von den Feststellungen, die der Staats­Köln, 24. Ottober.( Eigener Drahtbericht.) Das Reichstäter trai. Rein Wort von der Entrüstung, die Oberreichs gerichtshof selbst im Falle Techow und der Scheidemann - Atten­banner Schwarz- Rot- Gold, das bekanntlich im britisch anwalt& bermeyer bei früheren Prozessen zum Ausdruck befeßten Gebiet mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, trat in brachte! Dafür aber überraschte der Vorsitzende den letzten Tagen in Köln mit Propagandaversammlungen zum ersten mit der Verlesung eines Teiles der geheimen" Anlage Male an die Deffentlichkeit in den Versammlungen sprachen Ver­treter der Demofraten, des Zentrums und der Sozialdemokratie. In schrift, eines Teiles, der einem Plädoyer für die O..C. den einzelnen Stadtteilen wurden starte Kameradschaften gebildet. und für die Angeklagten so ähnlich sieht, wie ein Ei dem anderen. Das Reichsbanner wird im kommenden Wahlkampf sich im Kölner Bezirk vor allem den Schuh der Wahlversamm= lungen der republikanischen Parteien zur Pflicht machen, weil gerade hier bei den Wahlen im Mai der Versammlungsterror von lintsradikaler Seite besonders start war.

Die Schutzöllner an der Arbeit.

Tagung des Landwirtschaftsrats.

Der Landwirtschaftsrat setzte seine außerordentliche Plenarversammlung mit einer öffentlichen Tagung fort, auf der der Borsitzende Brandes ein Schußzollsystem forderte, das über das Bülowfche hinausgeht. Als Regierungsvertreter sprach Landwirtschaftsminister Rani 3. Graf Reyserlint trat nicht nur für landwirtschaftliche, sondern auch für Industrieschußzölle ein. In einer Entschließung wurde demgemäß die Wieder­herstellung und Verstärkung des Zollschutzes der gesamten deutschen Arbeit" als ein Gebot nationaler Selbsterhaltung" bezeichnet. Die Resolution läßt deutlich erkennen, daß gewisse Teile der Industrie mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten, um er höhte Zölle durchzusetzen.

11

Einheitsfront der Beamten und Arbeiter.

eine Proflamation anfchlagen, nach welcher er feinen Krieg führen Gestern traten die Vertreter der Spikenorganisatio. will, der das Land ruiniert und den Verlust vieler Menschenleben nen der Beamtenschaft zu einer Konferenz zusammen, in zur Folge hat. Er hat eine Konferenz zwischen der Regierung und der man erneut zur Frage einer Gehaltserhöhung Stellung der Gegenfeite einberufen, um dem Kriege Einhalt zu tun. Seine nahm. Von allen Seiten wurde betont, daß angesichts der fort Truppen liegen als Garnison in Peting, um die Ordnung aufrecht- schreitenden Leuerung und des sich vergrößernden Miß­zuerhalten und die Ausländer zu schützen.

Der Präfident geflohen.

Tokio , 24. Oftober.( WTB., durch Funkspruch.) Nach einer Meldung der Agentur Kofufai aus Tientsin ift Tsaotun, Prä­fident von China , mit unbekanntem Ziel aus Peting geflohen."

Internationaler Stahltruft? Chicago Tribune" meldet aus London , man plane die Bildung eines Verbandes aller Stahl­industriellen Deutschlands , Belgiens , Frankreichs , Englands und Buremburgs.

verhältnisses zwischen den Bezügen der Beamtenschaft und den Lebenshaltungskosten eine durchgreifende Gehaltserhöhung unver­meidlich und unaufschiebbar sei. Es müsse alles geschehen, um in diesem Sinne auf die Regierung einzuwirken. Nach längerer Aus sprache wurde dann der Beschluß gefaßt, eine Deputation zum Reichsfinanzminister zu entfenden, die diesem die Forderung der Beamtenorganisationen auf Anberaumung von Besoldungsverhand lungen unterbreiten soll. Gleichzeitig wurde beschlossen, diese Attion nach Möglichkeit in gemeinsamer Front mit der Ar beiterschaft durchzuführen.

--

Das Gericht hat leider den Antrag der Verteidigung ab­gelehnt, die ganze Antiageschrift oder doch ihre wesentlichen Stellen zu verlesen. Aus der Stellungnahme der Verteidiger aber ist schon zu entnehmen, daß die vom Borsitzenden verlese­nen Teile der Anflage nur ein schwaches Spiegelbild von dem wirklichen Inhalt der Anklagefchrift geben. Wie muß eine Anklage beschaffen sein, deren sich die Verteidigung in einem politischen Prozeß zu Entlastungszweden bedienen tann? Während diese Zeilen geschrieben werden, hält wahr­scheinlich der Verfasser dieser Anklageschrift, Reichsanwalt Niet hammer, seine Anklagerede". Wenn sie in Ton und Inhalt etwa dem entspricht, was die Verteidiger als den Ge halt der Anklageschrift andeuten, so wäre das allerdings ein einziger öffentlicher Standal! Drei Jahre hat man gebraucht, um die Untersuchung gegen die Verschwörer um Ehrhardt sagen wir höflich: hinauszuziehen! Drei Jahre hat geheimstes Seelen- und Geschlechtsleben zu untersuchen, um man gebraucht, um jeden Zeugen, der sich meldete, bis in sein dann schließlich vor der Welt befunden zu können, daß es sich bei der ganzen Femeorganisation um eine aufgebauschte Bagatelle handele. Schon aus dem furzen verlesenen Abschnitt der Anklageschrift kann man entnehmen, daß sie sich in einer Bolemit gegen Abgeordnete, 3eitungs­redaktionen, Länderregierungen und Poli­zeibeamte ergeht, die angesichts des Erzberger - Mordes, des Meuchelmordes an Rathenau , des Mordversuchs gegen Scheidemann und all der völtischen Gewaltaktionen der letzten Jahre sich bemüht haben, Licht in das Dunkel der Landsknechtsverbände zu bringen. Niemand hat annehmen fönnen, daß die Reichsanwaltschaft beim Staats­gerichtshof es als ihre Aufgabe betrachten würde, solche Or ganisationen mit dem Mantel beschönigender Liebe zu um­fleiden, weil diese selbst sich darauf hinausreden, daß sie in einer bestimmten Stunde ihre Landsknechtsdienste zur Ver teidigung Oberschlesiens zur Verfügung gestellt hätten!

Wer sogar bei der Reichsanwaltschaft so liebevolle Auf­nahme findet, wem man mit so viel Glaubensstärke entgegen­tommt, der hat freilich leichtes Spiel. Und ein Reichsanwalt, der sich in diesen Stunden nicht einmal daran erinnerte, daß jder Consul" selbst einmal im Leipziger Untersuchungs­