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Nr.51041.Jahrgang Ausgabe A nr. 259

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Der., Borwärts" mit der Sonntags beilage ,, Bolt und Reit" mit..Gied. lung und Kleingarten sowie der Unterhaltungsbeilage Heimwelt" und Frauenbeilage Frauenstimme erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags and Montags einmal.

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Sozialdemokrat Berlin  

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

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Mittwoch, den 29. Oktober 1924

Keine Schiebungen.

... sagen die Deutschnationalen!

Die Deutschnationalen veröffentlichen ihren Wahlaufruf Nummer zwei. Es geht bei ihnen eben nichts mehr ganz, sonder: immer nur in zweimal fünfzig Prozent. Einen Auf­ruf haben sie nun, der auf die dümmsten antisemitischen und nationalistischen Instinkte spekuliert, und einen, den sie her­vorziehen können, wenn sie wieder eine Bürgerblockschiebung vorhaben was ihnen freilich der 7. Dezember verderben wird. Nummer zwei ist etwas vorsichtiger formuliert wie Nummer eins, etwas auslegungsfähiger, in den entscheiden­den Punkten aber enthält er dasselbe. Außenpolitisch kommt der Wille zur Sabotierung der Dawes- Geseze in folgenden Sägen zum Ausdruck:

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Die Dawes Gesetze sind jetzt bindendes Recht. Ihre Ausführung, die die Notwendigkeit einer Milderung unserer Lasten erweisen wird, verlangt wa ch same, mannhafte Ber­tretung des deutschen   Standpunktes, damit Reich und Bolt nicht in wirtschaftliches Elend versinken und unsere tapferen Brüder und Schwestern im besetzten Gebiet endlich wieder die Freiheit erlangen."

Die reaktionäre innerpolitische Zielsetzung ist gleich der des ersten Aufrufs. An Verlogenheit läßt auch Aufruf Nummer zwei nichts zu wünschen übrig. Wir heben folgende Glanzfäße hervor:

" Eine Teilung des Volkes in Besigende und Besißlofe ist mit dem Grundgedanken jeder Volksgemeinschaft unvereinbar." Das von der Partei, die im Bürgerblock die Diktatur der Besitzenden über die Besizlosen errichten will und den Brot wucher zur Ausbeutung der Besiglosen propagiert. Weiter: Der Handarbeiter ist für uns gesellschaftlich und poli­tisch vollberechtigter Staatsbürger."

Beweis: sie haben Herrn Windler, einen der ge­hässigsten Berfechter des Dreiflassenwahlrechts in Preußen, zum Parteivorsitzenden   gemacht. Wütender Haß gegen die Sozialdemokratie, Kampf gegen Severing, Bekenntnis zur Monarchie ist der Rest neben einer findlich- naiven Auffassung von Demokratie:

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Nach demokratischem Prinzip, das unsere Gegner hoch und heilig preisen, hatte der Reichspräsident einen der unserigen zur Bildung der neuen Regierung zu berufen. Das hat Herr Ebert nicht getan. Auch in der Zwischenzeit ist uns der ge bührende und zugesicherte Anteil an der Regierung verweigert worden. Das geschah, weil zum Schiedsrichter über unser Recht vom Reichskanzler die kleine sterbende Partei der Demokraten

erhoben wurde."

Sie haben ja nun den höchsten Schiedsrichter nach demo­fratischem Recht für ihr Recht"- das Bolt. Es heißt in diesem Aufruf:

Sowjetrußland von Frankreich   anerkannt.

Paris  , 28. Oktober.  ( Eigener Drahtbericht.) Der an den ruffischen Volkskommiffar für Aeußeres gerichtete Funtspruch, in dem die französische   Regierung die rechtliche Anerkennung der Sowjet­regierung mitteilt, ist am Dienstagnachmittag abgegangen. Die französische   Regierung erklärt darin, die föderative Republit der Sowjets und ihre Regierung de jure anzuerkennen und schlägt die fofortige Aufnahme der diplomatischen Beziehungen durch Ent­fendung von Botschaftern vor. Die Anerkennung ist bedin gungslos ausgesprochen, doch enthält die offizielle Mitteilung eine formelle Rechtsverwahrung zugunsten der aus dem Bertrag mit den früheren Regierungen Rußlands   fich ergebenden franzöfifchen Ansprüche und Rechte. Die ruffische Antwort wird noch im Laufe des Dienstagabend erwartet und soll zusammen mit dem französischen   Telegramm sofort nach ihrem Eintreffen veröffentlicht

werden.

Die dritte Feststellung erfolgt. Paris  , 28. Oktober.  ( WTB.) Die Reparationstom­mission veröffentlicht folgendes kommuniqué: Gemäߧ 3, Ar­fifel 3, Anhang 2b des am 19. August 1924 in London   getroffenen Abkommens hat die Reparationstommission einstimmig be­fchloffen, zu erklären, daß das in Artikel 1 des Anhanges 2b feft­gelegte Programm zur Wiederherstellung der fiska­lischen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands  von der belgischen und französischen   Regierung am 28. Oktober durchgeführt worden ist. Damit ist die vorgesehene dritte Feststellung erfolgt.

Fernwirkung deutscher Revanchephrasen.

Dänischer Faschismus im Grenzgebiet. Kopenhagen  , 28. Oktober.  ( Eigener Drahtbericht.) Nachdem fchon vor einiger Zeit die Kopenhagener Reaktionäre zur Bildung eines freiwilligen Grenzschußtorps in Nordschleswig und Jüt

Der Boltswille darf nicht durch Schiebungen ausgeschaltet werden." Ausgezeichnet: weil sie durch Schiebungen unter Aus­schaltung des Volkswillens zu Ministersesseln gelangen wollten, wird jezt an den Volkswillen appelliert. Was be­schweren sie sich noch?

Heute so, morgen wieder anders.

Die Deutschnationalen und die Wahrheit. Die Deutschnationalen   haben ein besonderes Verhältnis zur Wahrheit. Heute ist für sie Wahrheit, was morgen für fie Lüge ist. Sie wissen am Abend nicht mehr, was sie am Morgen gesagt haben. Man wird bald die alte Redensart: gelogen wie telegraphiert" umändern in gelogen wie ein Deutschnationaler". Ihre Drehungen und" Wendungen seit dem 29. August sind nicht mehr zu zählen. Auf dem Zen­frumsparteitag gab der Abgeordnete v. Guérard eine Dar­stellung der Verhandlungen vom 28. und 29. August. Aus seiner Darstellung ergeben sich folgende Tatsachen:

,, Am 28. August verhandelten v. Guérard und Dr. Lam mers( 3tr.) mit den Deutschnationalen Hergt, Graf Westarp  , von Lindeiner. Hierbei stellte v. Guérard zwei Fragen. Erstens: ob die Deutschnationalen bereit seien, die Führung im neuen Kabinett Marr zu überlassen, zweitens, ob sie bereit seien, die unbedingte Fortführung der Außenpolitit au garantieren und auch Stresemann im Amt zu lassen. Beide Fragen wurden von den deutschnationalen Unterhändlern mit einem unbedingten Ja beantwortet.

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Wahltag in Großbritannien  .

Die konservative Wahlbombe.

E. W. London  , den 27. Oktober. Die vergangene Woche hatte, wie deutlich durch das. Lügengewebe des Wahlkampfes hindurch festzustellen war, eine entscheidende Verschiebung zugunsten der Arbeiterpartei gebracht. Die Aussichten des Labours waren bis Freitag als außerordentlich günstig zu bezeichnen, wenn man das wahre Trommelfeuer in Betracht zieht, das auf die Partei Macdonalds eröffnet worden war. Es war klar geworden, daß es sich als aussichtslos für die beiden bürgerlichen Parteien erwiesen hatte, durch den Kinderschreck des Campbell- Falles oder durch den Hinweis auf die Gefahren des Bolschewismus die Arbeiterschaft vor dem russischen Vertrage bange zu machen. Darüber hinaus aber waren die Aussichten der Arbeiterpartei dadurch vergrößert worden, daß die Konservativen immer deutlicher erkennen ließen, daß sie, falls sie die absolute Mehr­heit wiedererlangen würden, auf die Neuaufrollung der Schußzollfrage nicht verzichten würden. Das hatte auf die echten Liberalen unter den liberalen Wählern einen tiefen Eindruck gemacht, die Neigung überall dort, wo für sie nur die Wahl zwischen konservativen und einem der Labour Party   angehörigen Kandidaten offenstand, konservativ zu wählen, verringerte sich von Tag zu Tag. Es war am Freitag= abend völlig klar geworden, daß dieser Alternative gegen­übergestellt ein großer Prozentsatz der Liberalen sich der Wahl völlig enthalten oder ihre Stimme dem Kandidaten der Arbeiterpartei geben würden. Die konservative Denunziation der Arbeiterpartei als verkappte Bolschewisten", als Werk­ zeuge Mostaus  " war mißlungen. Ganz offen wurde in konfer­nativen Kreisen das mögliche Versagen eines Teiles der Wählerschaft durch Indifferenz am Wahltag zugegeben.

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Am Sonnabend explodierte die große fonser= vative Wahlbombe, die nur mit jenen phantastischen Am nächsten Tage, dem Tage der Abstimmung, kam Graf Höllenmaschinen zu vergleichen ist, die am Vorabend der Westarp zu v. Guérard und erklärte: Wir verlangen den amerikanischen   Präsidentenwahlen zu explodieren pflegen. Sie Kanzlerposten. Von Guérard wies diese Forderung fofort als hat die politischen Haupt- und Nebenquartiere in einen Zu­undisputabel zurück. In dieser Zumutung habe er einen stand geradezu ungeheuerlicher Erregung versetzt. pölligen Bruch dessen gesehen, was am Tage vorher besprochen war. Es war vom ersten Augenblick an flar, daß damit eine Krise In einem Briefe Hergts feien alle die am Tage vorher beim Wahlkampf eintreten würde. Die Konservativen sprochenen Dinge entstellt wiedergegeben worden. In atmeten erlöst auf. Das eine der beiden belangreichen Sonn­einer Besprechung mit dem Abgeordneten We starp und Lind- tagsblätter, der Observer", glaubte geradezu eine Katastrophe einer hat Graf Westarp Herrn v. Guérard, der darauf aufmerksam für die Arbeiterpartei" feststellen zu können, während die machte, daß der Inhalt dieses Briefes unwahr sei, erklärt, daß Sunday Times" fonstatierte, daß überhaupt kein die Ar­beiterpartei mehr schädigendes Dokument hätte publiziert wer seine( Guérards) Darstellung die richtige wäre." den fönnen als das Schreiben Sinowie ws an die englischen Kommunisten. Wichtiger aber als dies ist die Tat­sache, daß am Sonnabend und Sonntag sich auf Grund dieses Briefes eine unbeschreibliche Flut von Verleumdun= gen, Beschimpfungen in Hunderten von Versammlungen der englischen Reaktion auf die Arbeiterpartei ergossen hat in der bewußten Absicht, der Autorität der Labour- Regierung und der Arbeiterpartei einen Schlag zu versetzen, von dem sie sich in den zur Verfügung stehenden drei Tagen nicht mehr würde erholen können.

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Sie haben am 28. August Marg belassen wollen, am 29. August haben sie seinen Kopf gefordert. Am 28. August sind sie einen Handel eingegangen, am 29. August sind sie wortbrüchig geworden und haben sofort durch eine Lüge- die Westarp selbst eingestehen mußte die Unehrlichkeit zu verdecken gesucht. Es ist dieselbe Methode, mit der jegt Westarp den Handel um die Ministersize beschönigen will. Herr von Guérard und das Zentrum haben das besondere Verhältnis schon am 29. August fennen gelernt. Warum haben sie weiter verhandelt?

land aufgerufen hatten. find unfere dortigen Genoffen nun hinter ein chauvinistisches Romplott gegen die sozialdemo= kratische Regierung in ihrer Abrüstungs- und Friedens­politik gekommen. In heimlichen Sizungen in Londern und Ting­ leff   haben dänische Chauvinisten beraten, wie sie der Regierung zu Leite gehen können. Zunächst sammeln sie Unterschriften für einen Aufruf an das dänische Bolt, daß das neugewonnene Nordschleswig eine starke Militärmacht gegen die angeblich bevorstehende deutsche   Revanche erhalte. Die Chauvinisten haben reichlich material in den deutschen   nationalistischen Kreisen gesammelt und führen Stahlhelmreden und andere deutschnatio­nale Drohungen in der Nordschleswigfrage als Beweis für die Erzfeindschaft Deutschlands   an. Den deutschnationalen und deutschvölkischen Revanchephraseuren fann Deutschland   danken, wenn es den dänischen Chauvinisten gelingen sollte, eine Milifarisie rung Dänisch- Nordschleswigs durchzudrücken! In Kopenhagen  herrscht große Erregung über die Berpflanzung faschistischer Metho­den nach Dänemart.

Mussolini   gegen Gewalt..!

Rom  , 28. Oktober.  ( WTB.) Aus Anlaß des 3 weiten Jahres­tages des Marsches auf Rom   hat der Ausschuß für Verfassungs: reform unter dem Vorsitz des Senatoren Gentile, ehemaliger Unterrichtsminister, seine erste Sigung abgehalten. Gentile teilte eine Botschaft Mussolinis mit, in der betont wird, die Ber­faffung solle man nicht gewaltsam ändern(!!), sondern ver­vollständigen und erneuern, da sie schon 75 Jahre alt sei. Er bittet den Ausschuß, er solle bei seinen Arbeiten sich nicht scheuen, sei es in Abänderungen, sei es in Beibehaltung der gegenwärtigen Ber­faffungsbestimmungen.

Die Ermordung des früheren bulgarischen Ministers Daskaloff in Prag  , die mit den Manenmorden an den Bauernparteilern in Bulgarien   innerlich zusammenhängt, hat jetzt zum zweitenmal das Schwurgericht beschäftigt. Der Mörder Citontoff ist zu 20 Jahren schweren Rerters berurteilt worden.

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Der Tatbest and selbst, in eine schier undurch= dringliche Wolfe eingehüllt, sei mit möglichster Kürze festgestellt: Im Besitze des Auswärtigen Amtes befand sich seit einiger Zeit ein von Sinowjew   im Namen der Kommunisti­schen Internationale und dem englischen Mitglied der Mos­teuer Exekutive, Mac Manus, gezeichneter Brief, in dem die Hauptlinien einer großzügigen" fommunistischen Propa­ganda, insbesondere in Heer und Marine, dargelegt werden. Der Brief selbst ist eines jener typischen kommunistischen  Dokumente, wie sie sich zu Dutzenden in den Polizeiarchiven fämtlicher fontinentaler Staaten befinden. Die Echtheit dieses Briefes ist jedoch fragwürdig, verschiedene In­ftitutionen der 3. Internationale find falsch bezeichnet- das fönnte immerhin auf Kosten einer falschen Weitergabe gehen. Der Haupteinwand besteht jedoch darin, daß in diesem Dokument die 3. Internationale ausgerechnet das sagt, was die englische Bourgeoisie von Moskau   hören will, um den Feldzug gegen Macdonald erfolgreich führen zu können. Auf diese Weise stellt der Brief oder angebliche Brief einen lücken­lofen Beweis für alle die bourgeoisen Anschuldigungen über die Abhängigkeit Macdonalds von Moskau", der Moskauer   Illoyalität gegenüber der Propagandaklausel des Vertrages, der bolfchemistischen Gefahr in England selbst dar, und zwar das alles in so tomprimierter und vollständiger Ferm, daß der angebliche Aufgabeort dieses Briefes, nämlich Riga  , fritisch stimmen muß. Die Auffassung maßgebender Personen ist also feineswegs von der Hand zu weisen, daß es sich entweder um eine gekaufte" Arbeit handelt, bei der das Auswärtige Amthereingelegt worden ist, oder, Konservativen bestellte Arbeit handelt, ursprünglich was noch wahrscheinlicher ist, daß es sich um eine von gewissen dazu erzeugt, um Macdonald beim Kampf um die Ratifizie= rung des russischen   Vertrages im Unterhaus zu stürzen, nun­mehr zum ähnlichen Zweck im Wahlkampf verwendet, und zwar, um durch Bloßstellung Moskaus   in diesem Augenblick Macdonalds Kampf um den russischen   Frieden entscheidend zu unterminieren.

Die Daily Mail", die erbittertste Feindin Mac­