Nr.516+ 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 262
Bezugspreis:
Böchentlich 70 Goldpfennig, monatlich 8,- Goldmark voraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutschland . Danzig , Saar- und Memelgebiet, Desterreich, Litauen , Luxemburg 4,50 Goldmart, für das übrige Ausland 5,50 Goldmark pro Monat.
Der ,, Borwärts" mit der Sonntags. beilage Bolt und Beit" mit..Gied. lung und Kleingarten" fowie der Unterhaltungsbeilage Heimwelt" und Frauenbeilage Frauenstimme" erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal,
-
Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Goldpfennig
Anzeigenpreise:
Die einfpaltige Nonpareille. geile 0,70 Goldmark, Reflamezcile 4- Goldmart. Kleine Anzeigen bas fettgedruckte Wort 0,20 Gold. mart ( auläffig zwei fettgedruckte Borte), jebes weitere Wort 0,10 Goldmart. Stellengesuche das erste Wort 0,10 Geldmark, fedes weitere Wort 0,05 Goldmart. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 0.30 Goldmark. Cine Goldmark- ein Dollar geteilt burch 4,20.
Anzeigen für die nächste Nummer milfsen bis 4% Uhr nachmittags im Hauptgeschäft, Berlin SW 68, Linden. Araße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 9 Uhr früh bis 5 Uhr nachm.
Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Dönhoff 292–295
Verlag: Dönhoff 2506-2507
Sonnabend, den 1. November 1924
Prüfung des Sinowjew - Briefs.
Die letzte Arbeit des Kabinetts Macdonald.
London , 31. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Das Kabinett| Amtes sich selbst und seinen Prinzipien treu. So meint die„ Ere hat am Freitag eine Sihung abgehalten und beschlossen, die Ge- Nouvelle", die englische Politik habe in Frankreich in ben een schäfte noch einige Tage weiterzuführen. Der Hauptgrund Jahren einen solchen Wechsel von Hoffnungen und Befürchtungen diefes Entschlusses liegt darin, daß die Regierung zunächst mehr Licht erzeugt, daß man dem neuen Umschwung mit einer gea in die mysteriöse Angelegenheit des Sino wjew- Briefes wissen Ruhe entgegensehen könne. Man dürfe mit bringen will. Die Regierung hofft, daß die Untersuchung bis nächste Bestimmtheit erwarten, daß die neue Regierung sich von den bisWoche abgeschlossen werden kann. Sie wird dann wahr- herigen Richtlinien der englischen Diplomatie nicht allzu weit entscheinlich zurüdfreien. Die Entscheidung darüber wird erst der fernen werde. Die Entente fei nicht das Ergebnis einer willkürlichen Ministerrat am Dienstag fällen. Der König kommt am Montag Rombination, sondern das logische Produkt jeder auf Befriedung zurück und wird wahrscheinlich am Ende der nächsten Woche Ge- Europas gerichteten internationalen Politik. legenheit haben, eine fovative Regierung zu berufen. Der Untersuchungsauschuß für den Sinowjew - Brief hat mit feinen Arbeiten begonnen. Macdonald hat beschlossen, falls der Brief sich als Fälschung herausstellt, eine Entschuldigung an die Sowjeíregierung zu richten.
Das Gesamtwahlergebnis. London , 31. Oktober. ( WTB.) nach den letzten Feststellungen über die gestrigen Wahlen haben die konservativen 407, die Arbeiterpartei 152 und die Ciberalen 40 Site erhalten; anderen Parteien fallen 4 Sitze zu.( Die Mandate der Universitäten dürften noch ausstehen. D. Red.)
Frankreich zum englischen Wahlausfall.
Paris , 31. Oktober. ( Eigener Drohtbericht.) Die Kommentare des größten Teils der Pariser Presse zu dem Ausfall der englischen Wahlen sind am Freitag morgen, nachdem die erste Ueberraschung sich gelegt hat, erheblich philosophischer als am Tage zuvor. Ziemlich allgemein kommt die Auffassung zum Durchbruch, daß die englische Politik gegenüber Frankreich durch den Sieg der Konservativen faum allzu erheblich geändert werde. Denn im Grunde bleibe, gleichgültig, ob Lloyd George , Macdonald oder Baldwin Premierminister seien, die äußere Politik des englischen Auswärtigen
Reaktion und Nachrichtenwesen. Weitere Rechtsschwenkung in der Telegraphenunion.
Der gewaltige Einfluß, den das Industrie- und Finanzfapital fich durch Zeitungserwerbungen und durch Ankauf von Nachrichtenagenturen gesichert hat, soll neuerdings weiter ausgedehnt werden. Es ist noch erinnerlich, wie die Telegraphenunion früher ein neutrales Unternehmen, den Presseverlag Dr. Dammert angekauft hat, um so die Organi sation des Artikeldienstes über die ganze deutsche Provinzpresse hin sich anzugliedern. Die Ehe dauerte nicht lange. Eines schönen Tages maßte sich die geschäftliche Leitung das Recht an, das Unternehmen schwerindustriellen Geld. gebern auszuliefern. Dr. Dammert, der Inhaber der Artifelforrespondenz, zog daraus die Folgerung, aus dem Betriebe auszuscheiden. Trotzdem gab der schwerindustrielle Berlag eine ganze Reihe von neutral oder politisch gemäßigt erscheinenden Artikel- und Informationsforrespondenzen heraus, bei deren Bearbeitung die Schriftleiter einige Selbständigkeit hatten. Infolgedessen war es auch linksgerichteten Schriftstellern möglich, an dem Unternehmen mitzuwirken. Das
wird jetzt anders.
Es erregte bereits Aufsehen, als mit dem 1. Juli d. J. der Leiter der Telegraphenunion, der volksparteiliche Abgeordnete Dr. Cremer, seine leitende Stellung in der Agentur aufgab, deren Finanzierung in der Hauptsache durch den Hugenberg Konzern erfolgte. Dieser schwerindustrielle besitzt außerdem die Ala, ein weitverzweigtes Annoncenbureau, und ferner verfügt er über die geistige Freiheit des ScherlVerlages, deffen Blätter, der ,, Lokal- Anzeiger" und der ,, Tag", seitdem ihren Radaunationalismus noch um einige Grade vertärkt haben. Schließlich waren ja Rüstungen seit jeher das einträglichste Geschäft der Schwerindustrie. Es lohnt sich des halb schon, ein paar Jahre hindurch einige Blätter und eine Nachrichtenagentur durchzuhalten, weil man mit nationalistischen Phrasen den Profitabsichten der beteiligten Gruppen
die besten Dienste leistet.
In den reaktionären Blättern kommt die Hoffnung zum Ausdruck, daß der Wahlausfall in England nicht ohne Rückwirkung auf die Innenpolitit Frankreichs bleiben werde. So schreibt die„ Journée Industrielle":" Der fonfervative Sieg ist im höchsten Grode heilsam für das Kartell der Linken, das vielleicht nunmehr die Realitäten der Politik beffer be greifen wird. Herriot hat bisher in einem Traum gelebt und dieser Traum hätte, wenn die Politif der Arbeiterpartei noch einige Monate fortgedauert hätte, mit einem sehr schlimmen Erwachen sein Ende gefunden. Nachdem die auf den Internationalismus gesetzten Hoffnungen enttäuscht worden sind, ist zu hoffen, daß die Mehr heit des 11. Mai nunmehr endlich anfängt, eine nationale Realpolitik zu treiben."
Herzog nnd die Südafrika - Deutschen . Kapstadt , 31. Oftober.( Reuter) Die deutschen Einwohner in Südwest afrifa bereiteten General Herzog , der eine Rund reise durch das Land machte, einen herzlichen Empfang. Herzog erfärte, er schäme sich seiner deutschen Abstammung nicht. Er verspreche eine sympathische Erwägung der verschiedenen Beschwerden einschließlich der Beschwerde über ungenügenden Schulunterricht im Deutschen und er gebe der Hoffnung Ausdruck, daß die Deutschen beginnen würden, ihr Schicksal an das der übrigen Völker Südafrikas zu knüpfen.
Jetzt hat also die geschäftliche Leitung die Möglichkeit, das Gift reaktionärer Berhebung und nationalistischer Propaganda durch die verschiedenen Kanäle gaben in die Provinz preffe zu leiten, ohne von republiseiner mehr oder minder ,, farblosen" und neutralen" Auskanischen Elementen darin gestört zu werden. Die große Masse der Stinnes- Zeitungen wird dabei tüchtig mithelfen. Die Journalisten aber, die sich nicht dazu hergeben, willenloses ihre politische Ueberzeugung oder ihre wirtschaftliche Werkzeug der Reaktion zu sein, stehen vor. der Frage, ob sie Gristenz opfern wollen. So droht der deutschen Presse eine weitere Korruption der Meinungsäußerung durch das schwerindustrielle Kapital- ein Beweis mehr, wie notwendig tratie sich einseht und das die berufstätigen Schriftleiter vor ein Journalistengeset ist, für das die Sozialdemoderartigen Konflikten und ihren Folgen schüßt.
Gewerkschaften gegen Lafollette?
New York , 31. Oktober. ( Kabeldienst der TU.) Der Bollzugsausschuß der New Yorker Gewerkschaften ist von Lafollette abge: rückt, den sie unter Gompers Führung im letzten Herbst unterstützten, und stellt sich jetzt hinter den Demokraten Davis. Dieses Vorgehen ist allein darauf zurückzuführen, daß die New Yorker Gemertschaften die progressive Kandidatur als aussichtslos ansehen. In der Entschließung wird ausdrücklich festgestellt, daß die Stimmabgabe für Lafollette, da er nicht über genügend Anhang perfüge, gleichbedeutend mit einer Stimmabgabe für Coolidge , den größten Feind Davis' und der Arbeiter, sein würde. Deshalb müßten alle Gegner Coolidges einheitlich zusammengefaßt werden. Diese Entschließung ist außerordentlich wichtig, weil in New Dort ort 700000 Gewertschaftsmitglieder wohnen. Aus Chicago liegt eine ähnliche Entschließung der dortigen Arbeiter. partei vor. Die Demokraten hoffen, dadurch die gesamte Arbeiterschaft zu sich herüberziehen zu können. Die Aussichten Las follettes werden auch durch das englische Wahlergebnis stark beeinträchtigt, da die große Presse den Wahlsieg der Konser
vativen überhaupt nur in diesem Zusammenhang bespricht und
10. Januar Räumung der ersten Zone?
=
Dorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Poftscheckfonto: Berlin 375 36- Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depofitenkaffe Lindenstraße 3
Labour auf dem Vormarsch.
Die Zukunft gehört der Arbeiterpartei!
Die Presse der Rechten ist voll lärmender Freude über den Ausgang der englischen Wahlen. Diese Freude zeigt weniger politischen Verstand als den ungeheuren Haß gegen näre beseelt. In ihrem Freudengeheul vergessen sie ganz, wie die Arbeiterbewegung und den Sozialismus, der die Reaktiosie bisher den deutschen Sozialisten gegenüber Macdonald als den großen Führer, als den national gesinnten Engländer, bezeichnet und mit falschem Lob überschüttet haben. Nun zeigt sich, wie verlogen und gemacht diese Art der Bolemik der Rechtspresse gegen die deutsche Sozialdemokratie war. Das Pressegeheul der Rechten überschlägt sich: gewaltige. Niederlage des Sozialismus, das englische Bolt gegen die rote Seuche! Rechner! Sie sehen nicht, was ist, fie erkennen nicht die Aber die Deutschnationalen sind schlechte Rechner! Sie sehen nicht, was ist, sie erkennen nicht die Beichen der Zeit, sie stecken den Kopf in den Sand! Sie rechnen so schlecht, wie sie nach der Hamburger Wahl gerechnet haben. Der Wahlausgang in England ist ein Menetekel für die Reaktionäre in der ganzen Welt, die sich in dem Glauben wiegen, daß die Welt unverändert stillstehe und daß die heutigen politischen Machtverhältnisse und die Klassenverhältnisse unabänderlich seien. Die Wahl in England zeigt der Wlte, daß der Sozialismus in unaufhalifamem Vormarsche ist.
nalen das Schicksal, das ihnen am 7. Dezember bevorsteht. Hamburg und England zeigen den Deutschnatio
Jawohl England! Die Arbeiterpartei hat sich glänzend geschlagen. Stolz fann sie sagen: Noch eine solche Niederlage und wir haben gewonnen! Troß der vereinigten Angriffe der Konservativen und Liberalen, trotz des heftigen Wahlkampfes der Bürgerblodfront gegen den Sozialismus, trotz aller Wahlmachenschaften hat die Arbeiterpartei ihre Stimmenzahl von 4 780 000 auf 5 502 000 Stimmen gesteigert.
Das ist die Abkehr vom Sozialismus, über die die deutschnationale Presse jubelt, das ist die Niederlage der Arbeiterpartei. In diesen Stimmzahlen tritt die Tatsache hervor, daß die Arbeiterpartei in England, daß dei Idee des Sozialismus im Vormarsch begriffen ist. Dieser Vormarsch wird in der Zukunft weitergehen, stetig und unaufhaltsam. Günstiger als in Deutschland ist in England der Kampfboden für die Arbeiterpartei. England hat nicht gelitten unter den furchtrung hat die enijeglichen Leiden der Inflationszeit nicht erbaren Nachwehen eines verlorenen Krieges. Seine Bevölke fahren. Ein gesundes Bolt, das von der geistigen Bergiftung verschont geblieben ist, die die deutsche Bevölkerung in der Inflationszeit erlitten hat. Dort ist kein Boden für den erleben, dort richtet sich nicht franthafter, fiebriger Haß der Wahnwiz der extremen Parteien, den wir in Deutschland durch die Leiden des verlorenen Krieges elend Gewordenen und geistig Zermürbten gegen jede Regierung schlechthin, sei es selbst die freiheitlichste und wohlmeinendste Regierung. Berantwortung für die Leitung des britischen Weltreiches geZehn Monate lang hat die Arbeiterpartei in England die tragen, zehn Monate lang hat sie mit gewaltigen Problemen der inneren und der äußeren Bolitik gerungen. Sie hat sich trozdem im Bertrauen der Maffen behauptet, sie hat trotzdem vermocht, bei den Wahlen ihre Stimmenzahl um mehr als Unter der Führung ihrer großen Persönlichkeiten, geftügt auf 20 Broz. zu steigern. Diese Entwidlung wird weitergehen. den gesunden Menschenverstand des englischen Bolkes, der die finnfällige Notwendigkeit der Entwicklung zum Sozialismus hin immer mehr erfaßt, wird sie weiter vorwärtsschreiten zum Sozialismus.
wirken wie bisher. Wohl verfügen die Konservativen über Auch in der Opposition wird die Arbeiterpartei weiter eine gewaltige Mehrheit, aber sie müssen damit rechnen, daß steht, die zahlenmäßig fast so start ist wie die ihre, daß die. hinter der Opposition der Arbeiterpartei eine Wählermasse Oppofition aus Arbeiterpartei und Liberalen die Mehrheit Wege, die die Regierung der Arbeiterpartei eingeschlagen hat, des Landes repräsentiert. Sie können nicht die politischen jäh und schroff verlassen. Sie können namentlich der englischen Außenpolitik nicht schroff eine grundsätzlich andere Richtung geben. Wollten sie ihre gewaltige Unterhausmehrheit dazu ausnutzen, der Mehrheit des Landes eine Politik aufzuzwingen, wie sie in ähnlicher Situation die Deutschnationalen brutal und berniert einleiten würden, so müßten fie
Jetzt wird der Kurs der Telegraphenunion noch weiter gegen ihn ausspielt. Die Wetten für Lafollette werden täglich un nach rechts gedreht. Die deutschnationale Clique, die in günstiger. An der New Yorker Börse stehen die Wetten 1:15 fürchten, daß das nächstemal das merkwürdig reaktionäre enger Zusammenarbeit mit dem Scherl- Verlag den maßgeben gegen Lafollette. Die Republikaner rechnen mit einem Wahlsystem ebenso oder noch stärker gegen sie ausschlagen den Einfluß auf die Agentur gewann, macht sich jetzt dort glatten Siege Coolidges. derart breit, daß eine Reihe von Mitarbeitern demokra = tischer Richtung aus der Telegraphenunion ausschied. Es sind dies Dr. D. E. Hesse, der Leiter des Feuilletons, Dr. Räuscher, der Chefredakteur der Ausgabe B. des Berliner Dienstes. einer mehr demokratisch gerichteten Korrespondenz, Wilhelm Vogel, Chefredakteur des Deutschen Handelsdienstes, Dr. Klein vom Nachrichtendienst und Dr. Rückert, der für das Kommunale Leben" verantroortlich zeichnet. Die Umgruppierung der Redaktion scheint damit noch nicht vollendet zu sein.
Köln , 31. Oftober.( TU.) Der Kölnischen Boltszeitung" wird aus Düsseldorf gemeldet, daß nach Mitteilung von zu ständiger belgischer Seite die belgischen Truppen am 10. Januar die erste 3 one des bejegten Gebietes räumen werden. Das Bingtieme Siecle" richtet an die belgische Regierung die Frage, ob tatfächlich schon Maßnahmen eingeleitet würden, um die belgischen Truppen am 10. Januar hinter die Linie Düren- Sinzig zur zuziehen.
"
würde, wie es jetzt gegen die Arbeiterpartei ausgeschlagen ist. Die Zeit ist mit der Arbeiterpartei! Bleibt jenes Wahlsystem, das den demokratischen Anschauungen als veraltet, als ungerecht, als reaktionär erscheint, als Ausfluf eines traditionellen, echt englischen onservatismus, bis zur nächsten Wahl unverändert, so winkt der Arbeiterpartei nicht nur neuer Stimmengewinn, sondern ein gewaltiger Sieg, der ihr eine machivolle Unterhausmehrheit und die unabhängige Regierungsgewalt in die Hand gibt wahrscheinlich für immer. Wird inzwischen das Wahlsystem in England modernen demokratischen Anschauungen angepaßt, verschwindet das
-