Nr.518 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 263
Bezugspreis:
Böchentlich 70 Goldpfennig, monatlich 3,- Goldmark voraus zahlbar. Unter Areuzband für Deutschland , Danzig Gaar- und Memelgebiet. Defterreich, Litauen , Buzemburg 4,50 Goldmart, für das übrige Ausland 5,50 Goldmar! pro Monat.
Der., Borwärts" mit der Gonntags. beilage Bolt und geit mit., Gied. lung und Kleingarten". fowie der Unterhaltungsbeilage Heimwelt" und Frauenbeilage Frauenstimme erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.
Telegramm- Abreffe: Sozialbemotrat Berlin
Sonntagsausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
15 Goldpfennig
Anzeigenpreise:
Die einfpaltige Nonpareille. geile 0,70 Goldmart, Reflamegeile L- Goldmart. leine Anzeigen das fettgebrudte Wort 0,20 Goldmark( auläffig awei fettgebrudte Worte), febes weitere Wort 0.10 Goldmart. Stellengefuche das erste Wort 0,10 Goldmart, fedes weitere 0,05 Goldmart. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Boste. Familienanzeigen für Abonnenten Beile 0.30 Goldmart. Eine Goldmart ein Dollar geteilt burch 4,20.
12085
Anzeigen für die nächste Summer müssen bis 4½ Uhr nachmittags im Sauptgeschäft, Berlin G 68, Lindenftraße 3. abgegeben werden. Geöffnet von 9 Uhr früh bis 5 Uhr nachm.
Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Donhoff 292-295 Verlag: Dönboff 2506-2507
Sonntag, den 2. November 1924
Debatten im französischen Parteiausschuß.
Paris , 1. November. ( Eigener Drahtbericht.) 3m Nationalrat der sozialistischen Partei referierte Léon Blum über die ließ. Tätigkeit der Fraktion seit den Sammerwahlen, besonders über die Frage der Wiedereinstellung der Eisenbahner und erklärte, daß die Sozialisten die Abmachungen Herriots mit den Eisenbahngesellnügend erscheinen. Die Sozialisten beständen auf vollständi. schaften nicht volt annehmen können, weil sie als unge
ger Wiedereinstellung der entlassenen Eisenbahner.
3yromsti fritisierte die Politik der Partei, die mehr und mehr zu einer Politik der Zusammenarbeit mit der Regierung Herriols werde. Die Partei dürfte sich nicht treiben laffen. Die Abgg. Lévy und Renaudel sprachen sich für die Fortfehung der bisherigen Politif aus. Renaudel erklärte, daß die Partei sich dieser Politit nicht zu schämen habe. Allerdings habe die Regierung es bei verschiedenen Gelegenheiten an Energie fehlen lassen.
Der Nationalrat richtete eine Botschaft an die engTische Arbeiterpartei, worin er sie dazu beglüdwünscht, bei den Unterhauswahlen einige Millionen Stimmen gewonnen zu haben. Die Partei sei dem Ansturm einer bürgerlichen Koalition ausgesetzt gewesen und sei gestärkt aus dieser Feuerprobe hervorgegangen. Dies beweise, daß frotz der überlegenen mittel der kapitalistischen Reaktionäre die Arbeitermaffen in der ganzen Welt mehr und mehr für den Sozialismus, für Befreiungs- und Fortschrittspolitik und Bölkerfrieden gewonnen fei.
Gemeindewahlen in England.
London , 1. November. ( Eigener Drahtbericht.) Heute Sonnabend finden in über 300 Wahlkreisen in England und Wales, ausgenommen London , Gemeindewahlen statt. Dabei find 1017 Size zu befehen. Es find im ganzen 1700 Kandidaten aufgestellt. 125 Sonfervative, 70 Liberale, 47£ abour- Mitglieder und 55 Verschiedene find, weil unbestritten, fofort als gewählt erklärt worden.
Englische Universitätsmandate.
Condon, 1. November. ( WTB.) Die Universität Cambridge hat zwei Konservative, die Universität London einen Unabhängigen in das Unterhaus gewählt.
Szabo- Nagyatad gestorben.
Budapest , 1. Nedvember.( WTB.) Der frühere Aderbaumi nister Szabo Nagnated ist heute nochmittag in Erdösokonyn infolge Herzschlags gestorben.
=
Der Vorwärts" hat erst vor. furzem einen Artikel über die Agrarfrise in Ungarn veröffentlicht, der insbesondere auch die wichtige Rolle des Führers der Kleinbauernpartei, des Abg. Szabo darstellte. Man kann wohl sagen, daß dieser Mortimer der ungarischen Regierung des Grafen Bethlen sehr gelegen gestorben ist.
Generalsattentat auf Primo?
Spanische Generäle verurteilt. Budapest , 1. November. ( WTB.) Der frühere AckerbaumiGerücht, daß in Maroffo vor einiger Zeit durch einen General ein Attentat auf Primo de Rivera verübt worden sei.. Primo de Rivera habe diesen General einen Feigling genannt, worauf er einen Revolver gezogen und Primo de Rivera am Arm leicht vers letzt habe. Der betreffende General ist darauf zum Tode ver urteilt worden, aber schon kurze Zeit später im Gefängnis, an Lurigenentzündung gestorben.
Jmmunitätsaffären in Polen . Auslieferung dreier deutscher Abgeordneten abgelehnt. Warschau , 1. November. ( Mtb.) In der Sejm- Kommiffion murde über die Auslieferung dreier deutscher Abgeordneten beraten. Die Auslieferung des Abg. Graebe( wegen eigenmächtiger Entfernung der Amtssiegel von den Räumlichkeiten der deutfchen Bereinigung in Bromberg ) wurde mit acht gegen sieben Siimmen abgelehnt. Der polnilch- nationale Referent Marweg wollte auch die Auslieferung der deutschen Abgg. Morig und Bankr az( S03.) wegen angeblicher Aufforderung zur Nicht bezah fung der Steuern befürworten, doch gelang es, dies zu verhindern. In beiden Fällen wurde die Auslieferung abge
lehnt.
Der Skandal an der polnischen Grenze. Warschau , 1. November. ( Mtb.) Die sozialistische Presse hatte schon vor einiger Zeit festgestellt, daß die Polizei im Binster Gebiet, nur um überhaupt Verhaftungen vorzunehmen, Leute perhaftete, die in gar feiner Beziehung zu den Bandenüber fällen standen. Diese Tatsache bestätigt sich jetzt dadurch, daß das Kriegsgericht in Pinst die ingelegenheit des Ueberfalls bei Lunipies dem ordentlichen Gericht übergeben mußte, da
eismaterial gegen die Angeklagten sich nicht zusammenbringen Die Bandenüberfälle dauern an.
Herbette wird Botschafter in Moskau . Paris , 1. November. ( WTB.) Ministerpräsident Herriot Es handelt sich, wie man annehmen darf, um eine Besprechung hat den politischen Schriftsteller Jean Herbette empfangen. hinsichtlich der bevorstehenden Ernennung Herbettes zum Botschafter in Moskau . Beruhigung für Polen .
Paris , 1. November. ( WTB.)„ Petit Parifienne" glaubt zu wissen, daß Herriot in Warschau den Vorschlag habe unterbreiten laffen, die französische Gesandtschaft in eine Botiaft umzuwandeln. Dann werde die polnische Regierung für Paris ebenfalls einen Botschafter ernennen.
Tschitscherin- Herriot.
Russisch - französischer Telegrammwechsel.
fischen Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten Tschi Paris, 1. November. ( Eig. Drahtbericht.) Zwischen dem ruf tfcherin und Herriot hat am Donnerstag ein persönlicher Telegrammwechsel anläßlich der Wiederaufnahme der ruffisch- französischen Beziehungen stattgefunden. Tschitscherin beglückwünscht darin den französischen Ministerpräsidenten zu seinem Entschluß und gibt der Freude darüber Ausdrud, daß die persönliche Freund fchaft, die ihn mit Herriot verbinde, sehr wesentlich zu diesem Er gebnis beigetragen habe. Herriot spricht in seiner Antwort die Hoff ung aus, daß der vollzogene diplomatische Alt zur Wahrung und Festigung des Friedens in Europa und der Welt beitragen merde.
Der boshafte Kyrill.
Witwe
Paris , 1. November. ( WTB.) Großfürst Kyrill von Rußland hat angesichts des Widerspruchs der Kaiserin, it we Maria gegen feine Erklärung zum Zar aller Reußen an diese, wie der„ Gaulois" mitteilt. gefchrieben, deß er seine Thronkandidatur men der Kaiserin- Witwe, wenn solche vorhanden seien, als berechaufrechterhalte; er erklärt sich aber bereit, dirette Nachfom tigte Thronfolger anzuerkennen. Die Söhne der Witwe Alexanders III. um diese handelt es sich find tot. Der gute Kyrill scheint in seiner Wut über den Widerspruch der alten Frau anzudeuten, daß sie allerhöchstselbst eheliche Kinder zu haben geruhen fönnte.
-
-
- unt=
#
New York , 1. November. ( Eigener Drahtbericht.) In Peking ist die neue Regierung unter General Huangfu gebildet. In Tientsin sind englische Truppen eingetroffen, die die alten russischen Konzessionen schügen, während die alten deutschen Konzessionen von Amerikanern geschützt werden. Im Hafen liegen amerikanische. englische und japanische Kriegsschiffe. Nach einem von Tschangtfolin veröffentlichten Kommuniqué haben feine Truppen die Städte Shanghaitwan, Chinwang und Peitaiho erobert, 30 000 Tschili- Anhänger gefangen und 100 Kanonen erbeutet.
New York , 1. November. ( Eẞ.) United Breß" meldet aus Shanghat, daß die Armee upeifu fapituliert habe.
Brüffel, 1. November. ( Eig. Drahtb.) Der Wehrminister hat die Schleifung eines Teils der Forts von Namur beschlossen. Die Forts Marchovelette und Malonne dürften aus historischen und ästhetischen Gründen erhalten bleiben.( Wenn sie ästhetischen Wert erlangt haben, dürfte ihnen der militärische wohl abbanden gekommen sein. Red.)
Oberbürgermeisterwahlen.
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3
Boitschecktonto: Berlin 375 36 Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depofitenkane Lindenstraße 3
Die Charakterlosen.
Stumpffinnig und wahlmüde, aber monarchistisch und konfliktlüftern.
Man tennt aus dem Versammlungsleben die Gestalt des hysterischen Jünglings, der bei der geringsten Bewegung durch feinen frampfhaften Schrei„ Ru- hee!"" Ru- hee!" erst recht den größten Tumult hervorruft. Jetzt wird im Lager der Rechten nach Einigteit geschrien mit dem Erfolg, daß die dort herrschende Uneinigkeit nur noch vermehrt wird, zum noch viel zu reden, lohnt sich faum. Sie sind so völlig in der mindesten noch deutlicher in Erscheinung tritt. Bon den Nationalsozialisten und Bölkischen Bersetzung begriffen, daß sie als ernste Gegner ausscheiden nicht nur für uns Sozialdemokraten, sondern auch für die Deutschnationalen. Deren Umfall vom 29. August war für die um Ludendorff geradezu ein Geschenk des Himmels, sie konnten aber damit nichts anfangen, weil sie mit ihren eigenen inneren Streitigkeiten zuviel zu tun hatten. Es bestätigt sich die Erfahrung, die man auch außerhalb der Politik, an stilleren Orten, machen kann: Wo ein Hakenkreuz auftaucht, da stintt's. Es stinkt so sehr, daß selbst der völkische Flügel der Deutschnationalen teine Neigung zeigt, in diesem Umkreis dauernden Aufenthalt zu nehmen.
Dies vorausgefchickt, mag man die Auseinandersehungen mit Behagen genießen! zwischen den patentierten Trägern des ,, nationalen Gedankens"
" P
"
treterin der Deutschnationalen Partei schlechthin", zugleich als In Berlin erscheint jeßt, wie schon bekannt, als VerBeweis dafür, daß die nach ihrer eigenen Meinung zur Regierung berufene Partei feine Zeitung machen kann, die Nationalpost". Sie bringt die innere Wochenbeschauung des Grafen Weft arp, die außerdem noch in der„ Kreuzzeitung " erscheint, als einen Roman in Fortsetzungen. Wer als Leser der Nationalpost" es durchaus nicht aushalten, tann, auch gleich die nächste Fortsetzung zu genießen, fann sich also die ,,, Kreuzzeitung" taufen. Da fann er nun gleichen sehen, wie der Graf als schüchterner Liebhaber um die Gunst der nationalsozia= liftischen Schönen wirbt. Wie einen, der an Körbe schon gewöhnt ist, hört er ihn stöhnen:
Der erste Wahlaufruf der Reichsführerschaft der nationalsozialistischen Freiheitsbewegung" beschränkt sich, was die DeutschnatioTaffif" vorzuwerfen; abgesehen hiervon schlägt er nicht alle Türen zu. nolen betrifft, darauf, ihnen eine schein- nationale charakterloje
Der Vorwurf der Charakterlosigkeit wird also von den Deutschnationalen nicht mehr als beleidigend empfunden. Sie beweisen auch damit, wie sehr sie ihn verdienen.
Gegen den Nationalsozialisten Stelter freilich, der da sagt, die Deutschnationalen hätten seit der Annahme der„ Berstlavungsgesehe" aufgehört, eine nationale Partei zu fein", bemerkt der Graf mit gewohnter journalistischer Schlagfertigkeit: Es lohnt sich nicht, auf diese Anwürfe einzugehen." Wirklich nicht?
Entweder der Ausdruck nationale Partei hat nie einen Sinn gehabt und war nur ein demagogischer Schwindel, oder es steht ein Begriff dahinter- dann aber hat die Deutschnationale Partei tatsächlich am 29. August aufgehört, eine nationale Partei" zu sein. Denn daß nur Landesverräter das tun können, was sie an diesem Tag getan hat, das hat sie selber zuvor tausendmal durch alle Gaffen geschrien.
Einen Ruf zur Einigkeit der Rechten erlassen auch die Deutschnationalen Freiherr v. Wangenheim, Franz Behrens und F. C. vom Brud in der Deutschen Tageszeitung"." Durch die Zerrissenheit der Parteien", so liest man dort ,,, haben wir es in dumpfem Stumpfsinn mit ansehen müssen, daß wir von Stufe zu Stufe seit dem Umsturz gesunken find." An einer anderen Stelle bricht der Aufruf in die Klagelaute aus:„ M anklagt über Wahlmüdigkeit, und mit Recht." Die Charakterlosen attestieren sich also felber" dumpfen Stumpffinn" und" Wahlmüdigkeit". Und aus diesem Zustand wollen fie zur Einigkeit empor".
Auch hier ist es wieder so: Je lauter das Geschrei nach Einigkeit, desto schlimmer das Durcheinander!
Während Westarp noch immer das Zentrum für den Essen, 1. November. ( WTB.) In letzter Zeit haben unter den Bürgerblod einfangen will, ergeht sich die deutschnationale Fraktionen des Rathauses erneut Beratungen über die Be Provinzpresse in unflätigen Beschimpfungen dieser Partei. sezung des Essener Oberbürgermeisterpostens und der Kreuzzeitungs"-Graf selbst kann trotz seiner Sehnstattgefunden. Danach ist die Wahl des Staatssekretärs Bracht, sucht, Minister der Republik zu werden, die Bemerkung nicht Chef der Reichskanzlei, vorbehaltlich seiner Zustimmung zum Ober- unterdrücken, die Deutschnationalen betrachteten es als eine bürgermeister der Stadt Essen gesichert. Es fann angenommen ihrer Aufgaben, das Volk der dem deutschen Wesen entwerden, daß die Wahl im Lauf der nächsten Woche vorgenommen sprechenden monarchischen Staatsform entgegenzuführen". Es ist hübsch, wenn so deutlich gesagt wird, zu welchem Bochum , 1. November. ( WTB.) In der heutigen Stadtverweck die Deutschnationalen den ministereid auf dic ordnetenfißung wurde in der Stichwahl Ministerialrat Dr. Republik zu schwören bereit sind. Ruer- Berlin ( Demokrat) mit 19 von 49 abgegebenen Stimmen zum Oberbürgermeister gewählt. 16 Stimmen erhielt der Kandidat des Zentrums Bürgermeister Dr. Gener Bochum. 13 Bettel waren weiß.
wird.
=
*
Sie werden in die Berlegenheit nicht kommen! Aeußerlich geschwächt, innerlich gebrochen, wird die Deutschnationale Partei nach dem 7. Dezember noch weniger imstande sein, den