Mit dem Bttttd der Landwirthe geht es sichtbarbergab. Am 9. Mai 1894 gab die„Korrespondenz des Bundesder Landwirthe" die Mitgliederzahl des Bundes auf genau201 736 an. Die„Deutsche Tages-Zeitnng", die erst später(1. Oktober) begründet wurde, berichtete eines Tages übereinen weiteren thatsächlichen Zuwachs von 30 000 Mitgliedern,macht also 231 736 Mitglieder. Jetzt wagt man im Bunde vonhöchstens 180 000 Mitgliedern zu reden, da wären also schon30 000 dersertirt; in einem Jahre schon eine ganz hübscheZiffer. Jedenfalls hat die Mitgliederzahl die Tendenz,zu sinken. Und wo das Ausreißen erst einreißt, da istkein Halten mehr. Von Eingeweihten wird die Mitglieder-zahl heute schon ans nur 140 000 angegeben und davonsollen noch sehr viele die Beiträge schuldig sein.Die Regierung, die den Antrag K anitz schnödezurückwies, arbeitet'jetzt fieberhaft in„Hilfe für die Landwirth-schaft". Die bereits angekündigten Verhandlungen der Regie-rang mit den Vertretern der sieben östlichen Landschaften habenam 19. d. M. unter Leitung des Landwirthfchaftsministers undunter Betheiligung des Finanzministers, des StaatssekretärsGrafen Posadowsky und eines Kommissars des Ministers desInnern stattgefunden.� Sie haben, nach dem offiziellenBericht, ergeben, daß eine erhöhte Nutzbarmachungder Landschaften für den bäuerlichen Realkredit wünschens-werth und ausführbar ist. Abgesehen davon, daß beieinzelnen Instituten eine Erweiterung des Kreises derbeleihungsfähigen Besitzungen und eine Vereinfachung derfür den bäuerlichen Besitz geltenden Beleihungsvorschriftenangezeigt erscheint, wird, wie berichtet wird, es vor allem daraufankommen, Einrichtungen zu treffen, welche dem Kleingrund-besitzer die Regulirung seiner Hypothekenverhältuisse und dieBenutzung des landschaftlichen Kredits bequem machen und ihnzur Abstoßung der hoch verzinslichen Privat- und Sparkassen-Hypotheken bestimmen. Die nähere Ausgestaltung dieses Planesmuß bei der Verschiedenheit der Verhältnisse und satzungsgemäßenGrundsätze den Verhandlungen innerhalb der einzelnen Instituteüberlassen werden. Die landwirthschaftliche Verwaltung wird indieser Beziehung die weiteren Anregungen geben.Von besonderer Bedeutung ist, schreibt der offizielle Bericht,daß sänimtliche Vertreter der Landschaften in Uebereinstiimuungmit den Organen der Staatsregierung den hier und da befürworteten Gedanken einer provisorischen Suspendirung derAmortisatiouszahlungen der Schuldner mit Entschiedenheit zurück-wiesen.—Auf dem Slllgemeiuen(!) deutschen Handwerkertage, der in Halle zusammengetreten ist, wurde die folgendeResolution einstimmig gefaßt:„Der VIII. Allgemeine deutsche Handwerkertag hat nicht diemindeste Veranlassung, von den auf oen bisherigen Handwerker-und Jnnungstagen gefaßten Beschlüssen Abstand zu nehmen.Er verlangt vielmehr nach wie vor eine gründliche Aenderungder Gcwerbe-Ordnung, und erwartet, daß den Wünschen derHandwerker in folgenden Punkten Rechnung getragen werde:1. Einführung der obligatorischen Innung und Handwerker-kammer, sowie des Befähigungsnachweises;2. Gesetzliche Festlegung der Begriffe Handwerk und Fabrik;3. Beseitigung der Militärwerkstätten und äußerste Ein-schränkung der Gefängnißarbeit;4. Verbot des Haustrens der Ausländer, und möglichste Be-schränkung des Hausirhandels der Inländer durch Prüfungder Bedürsnißfrage, sowie Verbot des Detailreisens beiPrivaten;V. Beseitigung der Konsumvereine, insbesondere der Offiziers-und Beamten-Konsumvereine und-Waarenhändler;L. gänzliches Verbot der Wanderlager und aller Arten vonVersteigerungen neuer Handwerks-Erzeugnisse, sowie dosJilialgeschäfts-Unwesens, eventuell progressive Besteuerungdieser;7. Regelung des Submisfionswesens;L. Vorzugsrecht für die Forderungen der Bauhandwerker;9. Zugängigmachung der Reichsbank für das Handwerk;10. Beseitigung des Firmen- und Reklamenschwindels(un-lauterer Wettbewerb);11. Weitere Erschwerung von Gründungen nach dem Aktien-gesetze;IL. Aenderung der Konkursordnung;13. Gewährung von Reichstagsdiälen.Der Handwerkertag beschwört die verbündeten Regierungen,endlich diesen Wünschen mehr als bisher Rechnung zu tragenund so das deutsche Handwerk vor dem Ruine zu bewahren."Wir kommen auf die Verhandlungen des Kongressesnoch zurück.Die Petroleuuipreise sind in jüngster Zeit reißendemporgeschnellt und haben jetzt eine Höhe erreicht, wie niezuvor— doppelt so hoch als vor Jahresfrist. Es ist dasnicht, wie man den Leuten vorredet, die Folge eines Ver-siegens der Oelquellen, sondern das Werk eines O e l-k a r t e l l s, der die russischen und amerikanischen Oel-quellen monopolisirt hat, und nun, nachdem durch Schleuder-preise_ die Konkurrenz niedergeschlagen ist, das Publikumkaltblütig und methodisch schröpft. Wie man uns mittheilt,will� die russische Regierung dem Ring durch eineAusfuhrsteuer auf Petroleum zu Hilfe kommen, eine Prozedur,die nicht blos in die leeren Staatskassen, sondern auch ingewisse Nimmersatte Privattaschen Geld bringen wird.—Der Fuchsmiihler Prozeß beginnt am Dienstag, den23. d. M. Am Sonntag fand in Fuchsmühl durch dieVertheidiger Rechtsanwälte Bernstein und Schmitt in An-Wesenheit der Einwohnerschaft und der Vertreter der Presseeine Angenscheinnahme des Schauplatzes der Vorgänge vom30. Oktober 1894 statt unter Markirung der Szenerie nachAngabe der Fuchsmühler Einwohner.—Die württembergische Stände- Versammlung ist durchkönigl. Dekret auf den 15. April wieder zusammenberusenworden.—Von der Pflichttreue der österreichischen Polizeiberichtet der offiziöse Draht aus Prag vom Sonntag, 21. April.In der vergangenen Nacht wurden hier etwa 2000 Plakateaufreizenden Inhaltes verbreitet, in welchen zur Theil-nähme an der Maifeier aufgefordert wird. Die Plakatewurden beschlagnahint> fünf Personen wurden verhaftet.— Dieösterreichische Polizei scheint überhaupt etwas reizbar zu sein.Wenn die Plakate übrigens vielleicht auf r o t h e m Papiergedruckt gewesen sind, dann wäre die Sache ja klar. Denn dierothe Farbe wirkt„ausreizend" überall.—Ein neuer Kämpfer für die Sozialdemokratiewird am 1. Mai 1893 in Ungarn erstehen. Von diesemTage ab wird das erste sozialdemokratischeTageblatt in Ungarn erscheinen. Die nun im 23. Jahr-gange stehenden Wochenblätter„Nöpszawa" und„Volks-stimme" werden verschmolzen und unter dem Titel„Nspszawa"(Volksstimme), Zentralorgan der ungar-ländischen Sozialdemokratie, achtmal wöchentlich erscheinen.Wir wünschen dem neuen Kampfgenossen bestes Gedeihen.Hoffentlich ist das Unternehmen bald redaktionell undfinanziell so gefestigt, daß es von Bourgeoisie und Re-gierung in Ungarn gefürchtet wird und unter den ArbeiternUngarns die Lehren der Sozialdemokratie mit vollem Er-folge verbreitet.—Zum Prozeß gegen Giolitti. Der Kaffationshof berielham 22. d. Mts. über die Berufung Giolitti's in den bekanntengegen ihn schwebenden Prozessen. Der Staatsanwalt führte aus,für einige Fragen müsse vor Durchführung des Verfahrens dieMeinung der Deputirlenkammer eingeholt werden, während fürdie anderen die Gerichtsbehörde zuständig sei. Die VertheidigerGiolitti's bestritten die Zuständigkeit der Gerichte für sämmt-liche Fragen und forderten die Anrufung der Kammer. DerKassationshof vertagte feine Entscheidung auf die Sitzung vomMittwoch.—Deutsche in Frankreich. Unter dieser Rubrik finden wirin verschiedenen französischen Blättern eine Notiz des Inhalts,daß deutsche Arbeiter in Rive-de-Gier, dem Schauplatzedes großen Glasarbeiterstreiks, mit französischen in Streitgerathen seien und diese mit Revolvern bedroht hätten.Die Erbitterung wachse und es sei nothwendig, den Ar-beitern das Tragen von Revolvern zu verbieten. Wie esscheint, sind trotz der Warnungen deutsche Arbeiter als Streik-brecher nach Rive-de-Gier gegangen, und haben von den Unter-nehmern, nach amerikanischer Bourgeoissitte, Revolver er-halten, um auf die Arbeiter zu schießen, deren Plätze sie weg-genommen haben. Die Sache bedarf der Ausklärung, die wir vonunseren französischen Genossen erwarten.—Chanviniste» in Paris. Dem Heroldbureau wird tele-graphirt:Paris, 20. April. Gesteru Abend fand im 8. Bezirk derStadt ein großes Protestnieeting statt, welches die sozialistischenParteien gegen die Abfindung der französischen Flotte nach Kieleinberufen hatten. An demselben nahmen mehrere Abgeordneteund Munizipalräthe theil.Natürlich handelt es sich um eine boulangistische Hans-wurstiade, sür welche die wirklichen Sozialisten nicht zu habensind.—Der 1. Mai in Spanien. Die Vertreter der großen Ar-beiterverbindung haben sich in einer Konferenz mit den Vor-bereitungeu zur Feier des 1. Mai beschäftigt. Es sollen inmehreren Städten große Meetings abgehalten und im ganzenLande ein Manifest verbreitet werden.—Die Entwickelung der dänischen Sozialdemokratie. Alsdie dänischen Sozialdemokraten im Jahre 1872 zum ersten Maleeigene Kandidaten aufstellten, erhielten sie, woran die„Franks.Zeitung" erinnert, nur 315 Stimmen; bei den Wahlen von 1334wurde der Sozialist Holm mit 5390 Stimmen gewählt; 1892wurden 10 sozialistische Kandidaten aufgestellt, welche über17 000 Stimmen erhielten. Jetzt, drei Jahre später, wurden fürsozialdemokratische Kandidaten fast 26 000 Stimmen abgegeben.Wenn die Sozialdemokraten auch in der Hauptstadt ihren größtenSieg errangen, so haben sie doch in den Provinzen eben-falls bedeutende Erfolge erzielt, denn die radikalenKandidaten sind dort nur mit Hilfe der Sozialdemokraten ge-wählt worden. Dazu kommt, wie bereits erwähnt, daß dieOpposition im Folkething nur mit den acht sozialdemokratischenStimmen die Majorität erlangen kann, da sonst 53 gegen 53stehen.—Parsamentarisches ans Dänemark. Vor Schluß desReichstages traten am 20. April sämmtliche Äusgleichsgegner imFolkething zu einer Partei, welche den Namen„Linken-Resorm-partei" trägt, zusammen. Die neue Partei zählt 53 Mitglieder,zum Obmann wurde der Folkethings-Präsident Sofus Hoegsbrogewählt; der Vorstand besteht aus Mitgliedern aller bisherigenGruppen der Ausgleichsgegner. Ferner konftituirte sich heutedie 27 Mitglieder zählende ausgleichsfreundliche Linkenpartei desFolkethiugs; der frühere Vorstand wurde wiedergewählt.—Der Konflikt zwischen Schweden nnd Norwegen scheintkaum mehr vermeidbar. Auf norwegischer Seite glaubt man imInteresse einer friedlichen Lösung alles gethan zu haben, wassich mit der Ehre verträgt, und in Schweden drängt diechauvinistische Partei, welche in dem Kronprinzen ihr Haupt hat,mit allem Eifer zum Krieg und hat auch trotz der Mahnungender sozialistischen Partei, einen großen Theil der öffentlichenMeinung mit sortgerissen. Die schwedischen Sozialisten werdenfür ihre Bemühungen, den Frieden zu erhalten, nach bekanntenMustern des Mangels an Vaterlandsliebe, ja des Landesverrathsbeschuldigt, und sind schweren Verfolgungen ausgesetzt. DerKronprinz, welcher im Fall des Krieges, den Thron besteigensoll, will selber an der Spitze der Armee gegen die Norwegerins Feld ziehen und hofft binnen wenigen Wochen den„militärischenSpaziergang" beendigt zu haben. Worin der schneidige Herrsich geirrt haben könnte.—Von russischer Freiheit. Aus Petersburg wird berichtet:Die Zollbehörden konsiszirten kürzlich eine Menge von Flugschriften,welche aus Königsberg zum Zwecke der Vertheilung im InnereRußlands gesandt wurden. Die Broschüren beschäftigen sich mit derrussischen Regierungsform und dem Schisma der orthodoxen Kircheund suchen das russische Volk sür den Stundismus(Wiedertäufern)zu gewinnen. Als Verfasser wird- der angebliche preußischeUnterthan August Tyrbach bezeichnet, welcher seit langer Zeitheimliche stundistische Propaganda in Rußland betreibt. Gegen-wärtig wird seitens der Regierung eifrig nach den an der Ver-breitung der Schriften betheiligten Personen geforscht; biS jetztwurden deren zwei ermittelt, ei» gewisser Friedrich Werner inNeu-Rudin und Karl Schwanebach, ein deutscher Ansiedler inden Kolonien an der Wolga.—Rußland. Professor Mendelejew(dessen Name inunserer letzlen Nummer durch einen bedauerliche» Druckfehlerentstellt ward) hat sich, wie uns mitgetheilt wird, entschlossen,den Staub Rußlands von seinen Füßen zu schütteln und wirdvermuthlich nach Paris übersiedeln, wohin er einen Ruf erhaltenhat. So treibt der Despotismus die Wissenschaft aus demLande.—Der Friede zwischen Japan und China ist jetzt vonden beiden kontrahirenden Mächte» ralifizirt. Am vorigenSonnabend konnten wir melden, daß eine Verständigungzwischen der deutscheu, der französischen und der russischenRegierung in beziig auf die Wahrung gemeinsamerInteressen in Ostasrika erfolgt sei. Gegen eine solche Ver-ständigung ist an sich gewiß nichts einzuwenden, und sie wider-spricht auch an sich"keineswegs den Prinzipien der von derdeutschen Regierung proklamirten Neutralität. Ein etwasbedenkliches Aussehen erhält aber die Sache dadurch, daßrussische Blätter das Einverständniß der drei genaunteuRegierungen als gegen England gerichtet auffassen. Wenn dieswahr wäre, so hätte die deutsche Regierung entschieden dasPrinzip der Neutralität verletzt, und könnten die Folgen sehrschlimme sein. England läßt sich nicht vergewaltigen, und wenndie Reichsregierung sich zu einem solchen Versuch hergäbe, würdedas Deutsche Reich als Schildknappe Rußlands und Frankreichseine traurige Rolle spielen— von den schweren Gefahren ab-gesehen, in die ein Konflikt mit England uns stürzen würde.—Die Expedition nach Tschitral hat ihr Ziel erreicht. Diehartbedräugie englische Garnison ist entsetzt; der Beherrschervon Tschitral, Schar Aspul, entflohen. Es fragt sich nun, ob dieEngländer das für sie so wichlige Gebiet direkt dem indischenReich einverleiben, oder ob sie es durch einen von ihnenganz abhängigen Häuptling verwalten lassen wollen.—Die Verschwörung ans Korea. Die Untersuchung gegenLiyoshun, den koreanischen Gesandten in Japan, der in dervorigen Woche verhaftet wurde, hat begonnen. Liyoshun ist desMordes und des Verrathes angeklagt. In die Angelegenheitsind noch andere Beamte verwickelt.—Der argentinische Kongreß wird in der zweiten Wochedes Monats Mai zusammentreten.—PavleinatfitJldjfiMt;Parteiliteratur. Wohl keine Schrift unserer Partei hat inbürgerlichen Kreisen so großen Absatz gesunden als B e b e l'sBuch:„Die Frau und der Sozialismus". Der allgemeinen Verbreitung in Arbeiterkreisen stand bisher der Preisdes Buches entgegen. Verfasser und Verleger lassen nunmehr die25. Auflage als Jubiläumsausgabe in 10 Wochen-l i e f e r u n g e n k 20 Pf. erscheinen; sie kommen damit demWunsche vieler Arbeiter und Arbeiterinnen nach, die sich gleich-falls in den Besitz des Buches setzen möchten. Diese Lieferung--Ausgabe des Buches ist um ein Fünftel des früheren Umfangesvermehrt worden und bedeutet somit eine erhebliche Bereicherungseines Inhalts an thatsächlichem Material, das der Verfasser sürseine Beweisführung auf den einschlägigen Gebieten gesammeltund aufgenommen hat. Insbesondere sind auch die statistischenAngaben und Milthcilungen bis auf die neueste Zeit weiter-geführt und alle veralteten Angaben ausgemerzt worden. Dase r st e H e f t ist soeben erschienen.*•Aus Mainz wird uns vom Sonntag geschrieben: Von derauf dem Frankfurter Parteitag gewählten Ägrarkom Missionhielt heute die süddeutsche Sektion im„Weißen Rößchen"eine Konferenz ab. Den Vorsitz führte V o l l m a r, außerdemwaren anwesend Birk« München, B a ß l e r- Stuttgart, Ehr-Hardt- Ludwigshafen, Dr. David- Gießen, Dr. Q u a r ck«Frankfurt, I ö st- Mainz, Ulrich. Offenbach, ferner die Ver-trauensleute von Frankfurt und Mainz und die Redakteure der„Mainzer Volkszeitung" und der Frankfurter„Volksstimme".Die Berathung nahm den ganzen Tag in Anspruch.Von der Agitation. Eine Agitationstour von Schiersteinbis Rüdesheim führte am 2. Osterfeiertage Dr. Quarck inGemeinschaft mit Wiesbadener, Biebricher und SchiersteinerGenossen aus, während eine weitere Anzahl Genossen an beidenOstertagen im AmtZSchwalbach erfolgreich thätig waren. Be-arbeitet wurden Schierstein, Unter-Walluf, Eltville, Erbach,Oestrich-Winkel, Geisenheim, Rüdesheim; in allen Arbeiter-quartieren dieser Orte wurde die Frankfurter„Volksstimme" unddie Broschüre„Umsturzvorlage und Zentrum" verbreitet.Maifeier. Eine Volksversammlung in Dresden, in derDr. G r a d n a u e r die Bedeutung der Maifeier unter lebhaftemBeifall geschildert hatte, nahm einstimmig einen Antrag an,wonach dahin gewirkt werden soll, daß die Parteigenossen undihre Familien am I. Mai keine Einkäufe machen, damit denHandlungsgehilfen Gelegenheit gegeben ist, den Tag mitzufeiern.Aus Rom wird in der bürgerlichen Presse berichtet: DieLeitung der Arbeiterkanimer beschloß, ihre Mitglieder aufzufordern.am 1. Mai die Arbeit ruhen zu lassen, den Tag durch Abhaltenvon Vorträgen über die Arbeiterfrage zu feiern und den Lokal-und Provinzialbehörden, sowie der Regierung die Wünscheder Arbeiterklasse zu unterbreiten. Nach Nachrichten ausden Provinzen sind nirgends lärmende Demonstrationen fürden 1. Mai geplant; gleichwohl untersagte die Regierung alleAufzüge und Versammlungen im Freien.In Spanien hat der Minister des Innern ebenfallsalle Arbeiterumzüge am 1. Mai verboten.* mTodtenliste der Partei. In Zittau ist der Fischwaaren«Händler H o l l ä n d l e r, einer der ältesten und tapfersten unterden dortigen Parteigenossen, durch einen Unglücksfall ums Lebengekommen. Er stürzte infolge seiner Kurzsichligkeit in einen mitSchlamm gefüllten Graben und ertrank darin. Die ZittauerParteigenossen rühmen von ihm, daß er, trotzdem er selbst einerder ärmsten der Armen war, doch jeder Zeit, wenn es galtdie Parteiinteressen zu wahre», sein Scherflein zur Hand hatte.<Polizeiliches, Gerichtliches»e.— Aus dem b a d i s ch e n Musterländle meldet der Offen-burger„Volksfreund", daß der Amtmann bei einer Flugblatt-vertheilung im Amtsbezirk Stockach sogar verlangte, daß dieFlugblattvertheiler 21 Jahre alt sein müßten. Und wasnoch schöner ist: wer Flugblätter vertheilen wolle, müsse erstein ärztliches Attest darüber beibringen, daß er mit keiner an-steckenden Krankheit behaftet sei! Noch empörender aber ist derVersuch, die Preßdelikte dem Schwurgericht zu entziehen und sieder Strafkammer zu überweisen. Nach der bisherigen Auslegungdes badischen Einsührungsgesetzes zum Reichspreßgefitz müssenPreßvergehen, sobald sie von der Staatsanwaltschaft im öffent-lichen Interesse verfolgt werden, durch Geschworenengerichte zurAburtheilung gelangen. Bisher ist es auch immer so gehaltenworden. In einer Anklagesache gegen Redakteur Zielowskiaber beantragte die Staatsanwaltschaft die Sache vor dieStrafkammer des Offinburger Landgerichts zu verweisen. DieSache, um die es sich handelt, betrifft eine angebliche Be-leidigimg der Leiter des ehemaligen Konsumvereins der kaiser-lichen Arlillerie-Werkstätte in Straßburg i. E. und dort hat dieStaatsanwaltschaft die angeblich Beleidigten— einen Lieutenantund einen Schreiber— auf den Weg der Privat klageverwiesen. Das Offenburger Landgericht hat sich wirklich, trotzdes Hinweises auf die Kompetenz des Schwurgerichts, für zu-ständig erklärt und den Redakteur Zielowski zu 50 M. Geldstrafe verurtheilt, gegen welches Urtheil wegen der Wichtig-keit der Kompetenzfrage Revision beim Reichsgericht eingelegtwerden wird.— Gegen den Redakteur Hermann Keßler und Genossenin Mannh e im ist wegen der Veröffentlichung eines Briefes,den seinerzeit der Pater Sziegienny an die Arbeiter Polensgerichtet hat, Untersuchung eingeleitet. Durch die Veröffentlichungdes Briefes soll die„Volksstiuime" verschiedene Klaffen der Be-völkerung zu Gowaltthätigkeiten gegen einander öffentlich an»gereizt und damit Z 130 des Strafgesetzbuchs verletzt habe«. Daaber der genannte Pater in seinem Briefe die unterdrückten Polennur auffordert, ihre Feinde, die Kapitalisten, nicht mehr z»wählen, sondern sich den sozialistischen Organisationen anzu«schließen, so würde sicherlich selbst dann Fresiprechung erfolgenmüssen, wenn nicht der Brief schon vor 14 Monaten von der.Volksstimme" veröffentlicht, die Sache also nach dem Preßgesetzlängst verjährt wäre. Bemerkt sei noch, daß nach der betreffendenNummer, worin der Brief stand(Nr. 3 vom März 1894),.inden Lokalitäten der„Volksstimme" eine polizeiliche Haussuchungvorgenommen wurde, die trotz aller Emsigkeit vollständig resnltat-los blieb..— Das Landgericht in Gießen sprach den ParteigenossenHeinrich R e u tz e l aus Jckartshausen und die Frau des Gast»wirths H e ii s e l ans Rommelhausen von der Anklage der An-stistung zum Meineid kostenlos frei. Die Sache, um die es sichhandelte, war folgende: Vor einigen Monaten hielt der Arbeiter-schutzvmin in Rommelhausen an einem Sonntag Morgen ineinem besonderen Zimmer bei Gastwirth Hensel eine Sitzung ab.Bei dieser Gelegenheit soll seitens der Gastwirthschaft das Ver»bot überschritten worden sein, während der Kirchzeit an Orts-eingesessene Getränke w. zu verkaufen. Die Familie Henselsowohl wie sämmtliche Anwesende, bis auf einen gewissen AdamRack, bestritten entschieden, daß außer an Genosse Reutzel undeinen anderen auswärtigen Theilnehmer seitens der GastleuteGetränke zur verbotenen Zeit verabfolgt worden seien. Im gutenGlauben an sein Recht legte darum auch Gastwirth Henselgegen das Strafmandat von 3 Mk. wegen Uebertretung jenesVerbots Berusung ein, ließ jedoch vorher Adam Rack in ftinHaus rufen, um von ihm zu erfahren, ob ihm wirklich Getränkeverabfolgt worden seien. An dem Gespräch waren GenosseReutzel und Frau Hensel betheiligt, und Rack behauptete nun,diese hätten ibm zu einer falschen Aussage vor Gericht zu be-stimnien gesucht. Diese Behauptung wurde von den Beschuldigtenaus das enlschiedeiiste in Abrede gestellt, gleichwohl genügte sie