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Nr.528 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 268

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Telegramm- Abreffe: Sozialbemotrat Berlin

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Sonnabend, den 8. November 1924

Unsere Kandidaten.

Die Vorschlagslisten für Berlin   und Potsdam   II.

Der gestrige außerordentliche Berliner   Bezirks. parteitag widerspiegelte das Bild der inneren Geschlossenheit und Festigkeit der Berliner   Parteiorganisation. In einer knappen Stunde wurden die Kandidaten für den Reichs- und Landtag aufgestellt. Während die Sieger von gestern, die Deutschnationaien, nicht nur Tage, sondern Wochen zu benötigen scheinen, um aus der Menge der Ja- und Neinsager diejenigen auszuwählen, die im fünftigen Reichstag   vielleicht Gelegenheit haben sollen, mannhafte teutsche Politit nach berühmten Vorbildern zu treiben ,, steht die Sozialdemokratie, von altem Kampfgeist beseeit, in geschlossener An­

grijfsfront.

Bor Eintritt in die Tagesordnung sprach die Bersammlung den Genossen Hirsch und Heimann durch den Vorsitzenden, Genossen Künstler, ihren Glückwunsch zu ihrer bisherigen 25jährigen erfolg­reichen Arbeit aus, die sie zum Wohl der Einwohner Berlins   in der Stadtverordnetenversammlung und ihren Ausschüssen geleistet hatten.

Die Reichstagskandidaten.

Genosse Künstler berichtete dann über die Vorarbeit des er­weiterten Bezirksvorstandes zur Aufstellung der Reichstags- und Landtagskandidaten. Er betonte dabei insbesondere, daß diese Bors fchläge vom engeren Bezirksvorstand und den Vorsitzenden der Ber­ liner   Kreise einstimmig angenommen wurden. Nach kurzer Aus­iprache, die sich insbesondere auf die Doppelfandidatur der Genoffin Ryned bezog. wurden folgende Listen für den Reichstag per Attlamation gemäß den Vorschlägen des erweiterten Bezirksvor= standes angenommen.

Vorschlagsliste für den Wahlkreis Berlin  .

1. Artur Crifpien

2. Hugo Heimann

3. Clara Bohm- Schuch  

4. Siegfried Aufhäuser  

5. Richard Fischer  

6. Dr. Julius Mojes

7. Hermann Wäger  

8. Corenz Breunig

9. Adolf Hoffmann  

10. Minna Todenhagen  .

Vorschlagsliste für den Wahlkreis Potsdam II.

( Teltow  - Beeskow  ):

1. Fritz Zubeil  

2. Eduard Bernstein  

3. Franz Künstler  

4. Elfriede Ryned

5. Dr. Kurt Löwenstein

6. Kurt Heinig  

7. Richard Krille

8. Hans Holtz

9. Ella Seger

10. Wilhelm Reimann.

Eisenbahnerstreik in Deutschösterreich. Rücktritt der Regierung und des Generaldirektors der

Bundesbahuen.

Wien  , 7. November.  ( Eigener Drahtbericht.) In den heutigen entscheidenden Verhandlungen über die Forderungen der Eisen­bahner drohte die chriftlichsozial- großdeutsche Regierung wiederholt mit ihrem Rüdiritt, wenn die Forderungen aufrechterhalten würden. Die Bertreter der Eisenbahner erwiderten, daß sie für wirt­schaftliche Ziele fämpfen und sich nicht unter politischen Druc stellen lassen. Während die Forderungen für das affive Personal so ziemlich bewilligt wurden, lehnten Regierung und General­direktion der Bundesbahnen eine genügende Erhöhung der Bezüge der Pensionisten ab. Daran scheiterten schließlich die Berhandlungen. Die Regierung erklärte, daß sie nunmehr dem Bundespräsidenten   und dem Hauptausschuß des Nationalrats ihren Rüdtritt anzeigen werde. Auch Generaldirektor Günther ift zurückgetreten.

Die Richtlinien für den Streit, die von dem sozialdemokratischen, dem christlichsozialen und dem großdeutschen Eisenbahnecverband bereits vor mehreren Tagen gemeinsam herausgegeben worden waren, sollten im Fall der Einigung widerrufen werden. Da es nicht zur Einigung gefommen ist, erfolgt auch ein Widerruf nicht und das Gesamtpersonal der Bundesbahnen trift heute nacht 12 Uhr geschlossen in den Streit.

Im weiteren Verlaufe des Abends find inoffizielle Ber­handlungen mit der Generaldirektion der Bundesbahnen wieder eingeleitet worden, jo daß es nicht ausgeschlossen ist, daß der Streit nur furze Zeit dauern wird.

Auch diese Nachverhandlungen sind, wie spät nachts aus Wien  amilich gemeldet wird, gescheitert.

Wien  , 7. November.  ( WTB.) Die Generaldirektion der öfter­reichischen Bundesbahnen veröffentlicht eine längere Mitteilung, worin sie zunächst die den Angestellten zugestandenen Lohnaubesse­rungen aufführt. In den Verhandlungen über die von den Gewert.

Die Landtagskandidaten.

ein Antrag Berlin- Mitte eine furze Aussprache hervor, der forderte, Bei der Aufstellung der Kandidaten zum Landtag rief daß Genossen, die in verantwortlichen Verwaltungsstellen der Gee meinde tätig sind, nicht als Reichs- oder Landtagskandidaten benannt werden sollten. Der Antrag wurde alsdann abgelehnt. In der wei­teren. Aussprache wurden einige Aenderungen in der Stellen­befehung vorgeschlagen, die jedoch durch die Annahme der vom Bezirksvorstand vorgelegten Wahlvorschläge ab­gelehnt wurden. Folgende Listen wurden für den Landtag auf 1. Wahlreis, Berlin  .

gestellt:

1. Paul Hirsch  

2. Karl Leid

3. Gertrud Hanna  

4. Otto Meier  

5. Hermann Lüdemann  

6. Dr. Weyl

7. Erich Kuttner  

8. Gustav Sabath

9. Eduard Zachert

10. Helene Schmih 11. Emil Klenz 12. Karl Weiner 13. Willi Marste 14. Paul Hennig

15. Auguft Gebert.

2. Wahlkreis, Potsdam II ( Teltow  - Beeskow  ):

1. Friedrich Bartels

2. Georg Klaußner

3. Luife Kähler

4. Emil Klodt

5. Willi Drügemüller

6. Hermann Harnisch

7. August Heitmann

8. Albert Horlih

9. Franz Czeminsfi

10. Georg Wendt

11. Hedwig Wachenheim  

12. Hans Woŋwod

13. Georg Richter

14. Richard Draemert  15. Georg Oppel.

Ferner beschloß der Bezirksparteitag, dem Parteivorstand zu. empfehlen, die Gen. Adolf Hoffmann  , Marie Kunert   und Dr. Herz- Spandau an sicherer Stelle auf die Landestifte zu setzen. Der zweite Vorsitzende. Genosse Müller, schloß den Partei­tag mit einer furzen Ansprache, in der er auf die Einigkeit und Ge­schlossenheit hinwis, die der Parteitag durch seine fajnelle und er= erfolgreiche Arbeit befundet hatte. Mit einem begeistert aufgenomme nen Hoch auf die Sozialdemokratie erreichte der Berliner   Bezirks­

parteitag fein Ende.

schaften ultimativ mit dem 7. November befristeten Forderungen erklärte die Bundesbahnverwaltung, einen Betrag von 42 Mil liarden( 2,82 Millionen Mart) zur Ausschüttung einer unmittel­baren Teuerungszumendung und 25 weitere Milliarden für andere Forderungen zuzugestehen. Zum Schluß hebt die Mitteilung hervor, daß die Bundesbahnverwaltung trotz der bereits zugestandenen Aufbesserungen im Ausmaß von 892 Milliarden( 55,3 Millionen Mark) auch diesmal zu schwer ins Gewicht fallenden Opfern be­reit sei.

Massenflucht der Fremden.

Wien  , 7. November.  ( TU.) In Wien   hat eine Maffenflucht der Fremden eingefeßt. Die abgehenden Züge wurden gestürmt, ohne daß annähernd alle Passagiere mitfahren fonnten. Die vor nehmen Stadthotels leerten sich schon nachmittags, und es blieben nur wenige Fremde, die über Autos verfügen, zurüd.

Nordamerikanisches Gesamtergebnis.

Zwei Sozialisten im Repräsentantenhaus. Washington  , 7. November.  ( WTB.) Die Republikaner  erlangten im Repräsentantenhaus 246 Size, also einen Zu­wachs von 21 Sigen, wodurch sie eine Mehrheit von 28 er­halten. Die Demokraten haben 173, die Farmerlabour- Partei 3 und die Sozialisten zwei Site. Die Demokraten nahmen den Republikanern vier Site ab und verloren 27. Die zwei Sozialisten find die wiedergewählten Victor Berger  . Wisconsin   und Cag­mardia- New York  . mardia- New York  . Sie werden dem Cafollette- Blod angehören. Die drei kandidaten der Farmerlabour- Partei wurden in den Kongreßdistrikten von Minnesota   gewählt, wo die Republi­faner einen Sit verloren.

Jm Senat erhöhte sich die Zahl der Size der Republikaner  con 49 auf 52, abgesehen von Jowa und Minne, ota, wo die Senats­wahl noch unentschieden ist, die Demokraten 39, die Farmerlavour­Parteien einen. Die Republikaner nahmen den Demokraten vier Senatssige ab.

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Kriegsschuld- Taktik.

Stammtischpolitik oder wissenschaftliche Forschung

Es ist bezeichnend für das beschämend niedrige Niveau der deutschnationalen Gesamtpolitik, wie entsetzlich wenig man gerade im Lager der Hergt, Winckler und Genossen von der Kriegsschuldfrage weiß. Von dieser Seite ist am allerwenigsten geschehen, um die Klärung der Schuldfrage vorwärtszu­bringen. Die wichtigsten Beiträge, die auf diesem Gebiete von bürgerlichen Politikern und Forschern geliefert wurden, stammen von Leuten wie Delbrück   und Montgelas  , die von der Reaktion entschieden bekämpft werden. Als die deutsch­nationale Fraktion nach den letzten Maiwahlen vorübergehend. gestärkt in den Reichstag zurückkehrte, setzte sie die Besprechung einer Interpellation über die Schuldfrage durch. Der für diese große, langersehnte Aktion" von ihnen vorgeschickte Frat­tionsredner Berndt entwickelte in einer wohl seit Wochen und Monaten vorbereiteten anderthalbstündigen Rede einen Gemeinplatz nach dem andern und brachte auch nicht einen halben neuen Gedanken zum Ausdruck. Er offenbarte dabei eine absolute Untenntnis der wichtigsten internatio­nalen Kriegsschuldliteratur und seine ganze Wissenschaft schien sich auf die Lektüre des 1916 erschienenen E. D. Morelschen Buches zu beschränken.

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Mit Recht hat Macdonald in einer vielbeachteten Stelle seiner Genfer   Rede vor dem Bölkerbund erklärt, daß die Prüfung der Schuldfrage eigentlich den Historikern über­lassen werden sollte, und daß man zu einem endgültigen und ficheren Urteil erst in 50 Jahren kommen dürfte. Aber die­felben rechtsstehenden Leute in Deutschland  , denen diese Aeußerung fo gut gefiel, weil sie darin wohl mit Recht- ein Abrücken von der Schuldlüge erblickten, wollen die Behand­lung der Schuldfrage zu einem großen Boltsrummel ge­stalten, veranstalten in Berlin   und München  , in Hamburg   und Breslau   immerfort Massenfundgebungen, in denen Bier­banfreden geschwungen werden, deren geistiger Inhalt womöglich noch tiefer steht als die langweilige Interpellation des Herrn Berndt.

Für dieses Verhalten gibt es nur zweierlei Erklärungen: Entweder sie haben nicht begriffen, daß es bei der Behandlung der Schuldfrage ausschließlich darauf ankommt, einen Um- schwung in der öffentlichen Meinung des Auslandes herbeizuführen und daß solche vaterländi­schen" Rundgebungen jeden derartigen Umschwung nicht nur nicht fördern, sondern sgoar bis zur Unmöglichkeit erschweren, erstens ihres deutsch  - monarchistischen Charakters wegen und zweitens, weil sie meist in der Ableugnung einer deutschen  Reparationspflicht ausklingen. Oder es kommt den Herr­schaften gar nicht auf die Befehrung des Auslandes und auf die Revision des Schuldurteils von Versailles   an, sondern sie erstreben lediglich innerpolitische Propagandavorteile zugunsten der Monarchie.

In Wahrheit ist ein solcher Umschwung in der öffentlichen Meinung des Auslandes, namentlich in Frankreich  , bereits seit langem im Werden. Macdonald sprach eigentlich nur das offen aus, was von Millionen von Franzosen, Engländern, Amerikanern, Italienern bereits gedacht wird, was aber nie­mals laut verkündetes Gemeingut bei unseren früheren Gegnern sein wird, solange die Möglichkeit besteht, daß die deutsche Reaktion zugunsten eines mit Recht verhaßten und gestürzten Regimes davon Nuzen zieht. Wir hatten die Hoff­nung niemals aufgegeben, daß das französische   Volk die Kriegssschuld eines Boincaré einmal erkennen würde. Diese Hoffnung verwirklicht sich seit einiger Zeit in immer stärkerem Maße, nicht dank der vaterländischen" Kund­gebungen, sondern trotz dieses störenden Rummels. Einmal ist es die Mentalität der Bölker, die sich in der Richtung einer um so stärkeren Fähigkeit zur kritischen und unpartei­ischen Stellungnahme entwickelt, je mehr man sich von den Ereignissen zeitlich entfernt, und außerdem sind es die Er­gebnisse der historisch wissenschaftlichen For­schung, die alle Vor- und Fehlurteile zu korrigieren helfen.

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Allein in den allerletzten Monaten sind z. B.   in Frank­ reich   mehrere Arbeiten erschienen, die aus dem bisherigen Stand der Kriegsschuldforschung das Fazit ziehen, und zwar in einer Weise, die für Poincaré   geradezu vernichtend ist. Lange Zeit hatte die französische   Presse die Taktik befolgt, die Beröffentlichungen der Gesellschaft für das dokumentarische Studium der Kriegsursachen" totzuschweigen. Das lag viel­leicht auch daran, daß die meisten Autoren dieser kleinen Gruppe- Demartial, Pevet, Morhardt, Gouttenoire de Toury gewissermaßen zu umge­lehrten Grelling wurden und mit einem Fanatismus alle Fragen behandelten, der es selbst dem unparteiischen Deutschen  manchmal schwer macht, ihnen beizupflichten. Alles, was von Ententeseite im Juli 1914 geschehen ist, trägt in ihren Augen verdächtigen, wie nicht gar verbrecherischen Charakter; alles, was deutscher  - oder gar österreichischerseits damals geschah, wird dort begründet und gerechtfertigt. Ist es nicht einem dieser Autoren sogar eingefallen, gegen die Randbemerkung Wilhelms II. zu dem Wortlaut der serbischen Antwort auf das 1 Wiener   Ultimatum, wonach Desterreich nunmehr alles erreicht