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Nr.534 41. Jahrgang Ausgabe A nr. 271

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Ferniprecher: Redaktion: Donhoff 292-295 Verlag: Dönboff 2506-2507

Mittwoch, den 12. November 1924

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Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft. Depofitentasie Lindenstraße 3

Mussolini und sein Rumpfparlament. Beamte und Reichstagswahl.

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Mehrheit und Minderheit tagen getrennt. Kampfanſage der Opposition. Der seit der Ermordung Matteottis streng durchgeführte| Verwaltungsmaßnahmen und sonstiger immerpolitischen Pläne feiner Bontott des italienischen Parlaments durch die gesamte Regierung. Opposition Sozialisten, Marimalisten, Demokraten, Wie der offiziöse Bericht meldet, wurde Mussolini am Schluß Katholische Volksparteiler und Republikaner hat Musso- seiner Rede von seinen Ministerkollegen und von den anwesenden lini in die größte Berlegenheit gebracht. Ein Teil der Libe- Abgeordneten( etwa 300) lebhaft beglückwünscht. ralen unter Führung von Giolitti und Orlando , der sich noch bei den Wahlen in völliger Abhängigkeit der faschisti - Einstimmiger Kampfbeschluß der Opposition. ichen Regierung befand, hat sich von der sogenannten Mehr­Rom, 11. November .( WTB.) Die Abgeordneten der Oppo. heit die doch nur das Produkt eines schwindelhaften Wahl­systems ist- losgesagt und sympathisiert mit der Opposition versammelten sich in der Kammer unter dem Vorsitz des sition. Letzteres ist jedenfalls ein sicheres Symptom da- katholischen Volksparteilers Rodino. Dieser hielt eine Rede, in für, daß das led gewordene faschistische Schiff von den Ratten verlassen wird. Die Rebellion der Frontkämpferver= einigung, die lange Zeit das Rückgrat des Faschismus bildete, hat elektrisierend auf die Massen gewirkt.

In dieser Krisenatmosphäre tritt nun das italienische Rumpfparlament zusammen, das nur noch aus mehr oder minder begeisterten Anhängern Mussolinis besteht. Es ist für die politische Unsicherheit des Diktators bezeichnend, daß er seine große" Eröffnungsrede, in der er mit der Opposition abrechnen wollte, außerhalb des Parlaments hielt: darin liegt das Eingeständnis, daß die von der Opposition gemiedene Deputiertenkammer von der Bevölkerung nicht mehr als ein Barlament angesehen wird. Hoffentlich wird sich auf diese Weise der Faschismus bald totgelaufen und so lächerlich ge­macht haben, daß ihm nur noch das schleunige Berschwinden von der politischen Bildfläche übrig bleibt.

angenommenes

Die Tatsache, daß gleichzeitig die Abgeordneten der Opposition zusammentraten und ihre Geschlossenheit und Entschlossenheit durch ein ein einstimmig Rampfmanifest vor aller Welt befundeten, dürfte auf das italienische Volk und nicht zuletzt auf den wankelmütigen König einen starken Eindruck machen.

Damit ist die Krise des faschistischen Regimes in eine entscheidende Phase gefreten.

Die Eröffnungsrede des Diktators. Rom , 11. November.( Stefani.) An Stelle der gewöhnlich bei Wiederzusammentritt des Parlaments abgegebenen Regierungs­erklärung hielt Mussolini in einer Versammlung von Abge­ordneten der Mehrheit eine Rede, in der er hinsichtlich der Lage im Innern betonte, daß die Ordnung troß einiger, im übrigen schnell beendeter Streifs, trotz einiger sporadischer 3wischenfälle und trotz des Feldzuges der Oppositionspresse nicht ernstlich gestört worden sei. Die Miliz habe dem König den Treueid geleistet, was eine wichtige Tatsache auf dem Wege zu einem normalen Zustand darstelle.

Mussolini wandte sich dann gegen die Auslegung des Wortes Normalisierung durch die Gegner, für die es einfach Ministerkrise bedeute. Die Mehrheit könne nicht das Spiel der Opposition unterstützen. Die Kammer fönne und werde trotz der Manöver der Gegner arbeiten. Die Abwesenden hätten unrecht und würden unrecht behalten, denn während sie scheinbar für die Achtung vor der Verfassung einträten, hätten sie in Wirklichkeit eine verfassungfeindliche Haltung einge­nommen. Sie hätten sich freiwillig isoliert, und die Mehr­heit habe nicht die Pflicht, fie einzuladen.

Sodann erklärte Mussolini , daß der Druck des Faschismus leichter(?) geworden und die Zusammenfeßung der Partei ge­ändert worden sei. Seit mehreren Monaten hätten die sporadischen Gewalttaten an Zahl abgenommen(?), im übrigen sei jede Ungefeßlichkeit, selbst wenn sie sich in den Reihen des Faschismus offenbare, streng bestraft(?) worden. Der Redner empfahl das Aufhören der Festzüge und anderer öffentlichen Rundgebungen aller Art. Daß der Faschismus einige un verantwortliche Elemente ausgestoßen habe, sei ein Beweis, daß man dem Wunsch des Volkes nach Ruhe Rechnung trage. Nach zehn Jahren der quälenden Spannung sei eine Nerpenberuhigung not­wendig.

Mussolini sprach dann über die Teuerung als über eine Er­scheinung, die sich in der ganzen Welt bemerkbar mache. Er meinte, er könne mit voller Ueberzeugung behaupten, daß das Vorgehen der Regierung gegen die Teuerung energisch und schnell gewesen sei. Hierauf ging er zur auswärtigen Politik über und sprach zu erst von der rührigen Tätigkeit der Regierung in dieser Hinsicht. Er zählte die Pafte. Abkommen, Handels- und Freundschaftsverträge auf, die von der Regierung abgeschlossen worden feien, und fügte hinzu, des alles beweise, daß die Außenpolitik der Regierung den Richtlinien vom Ottober 1922 treu bleibe, die die politische Ver= wirklichung des Friedens und zugleich die feste und un­unterbrochene Verteidigung der politischen, wirtschaftlichen und mora­lischen Interessen der Nation vorsehen.

Der Redner kam dann auf die Maßnahmen, die zugunsten der Bolts, der Mittel- und Hochschulen ergriffen wurden und über die

der er die

Festigkeit und die Unabhängigkeit der Opposition

Was der Reichstag vom 4. Mai den Beamten brachte. Von Willy Steintopf.

Blidt man auf den aufgelösten Reichstag vom 4. Mai 1924 zurüd, so muß jeder ehrliche Wähler sich selbst gestehen, daß er ein derart unfähiges Parlament bisher noch nicht erlebt hat. Sieht man von der Annahme der Dawes- Geseze ab, hat der letzte Reichstag nichts, aber auch gar nichts zustande gebracht. Es ist fast wie eine Ironie des Schicksals, daß aus­gerechnet dieser Reichstag es war, der infolge der Annahme der Dawes- Gefeße einen Ruhepunkt in der Außenpolitik schaffen konnte. Jedoch ist dies tatsächlich nicht sein Verdienst. Denn hätte der Reichstag Gelegenheit gehabt, in eine materielle Beratung der Gesetze einzutreten, hätten nicht um­stände ganz besonderer Natur bei der Abstimmung mitge­spielt, die Gesetze wären in diesem Reichstag nie zustande ge­fommen. Der letzte Reichstag hat also nichts, womit er sich könnte, es sei denn, daß man sich die ersten Prügelszenen ein bleibendes Denkmal in der Erinnerung des Rolfes setzen im Deutschen Reichstag und die viel bewunderte Seelen­und sich topfschüttelnd fragt: Wie war so ein Reichstag nur gemeinschaft Ludendorff- Scholem ins Gedächtnis zurückruft möglich?"

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hervorhob und das Bündnis der monarchistisch gesinnten Libe­ralen, Demotraten und Volksparteiler mit den Republikanern und den Sozialisten, denen der mon­archistische Glaube fehlt, rechtfertigte. Er erinnerte an Matteotti und an Casalini und sagte zum Schluß, daß der Bund der Oppo­sition den Italienern die Sicherheit wiedergeben wolle, nebenein­Ganz besonders die Beamten, die abgesehen von Aus­ander ein friedliches bürgerliches Leben zu führen, und das Aufnahmefällen im Behördenbetrieb an fachliches Arbeiten hören der Gewalttaten, die Entwaffnung der Bürger, die Wiederherstellung der Disziplin, und der Autorität, für die Unmöglichkeit des letzten Reichstages haben. Sie, die und höfliches Benehmen gewöhnt sind, werden Verständnis die Gleichheit vor dem Gesetz, das nicht mehr den Parteien und den Cliquen unterworfen werden soll, verlange. die Volksvertreter gewählt haben, damit diese in ruhigen und verbessern trachten, haben mit Entsetzen gesehen, daß eine An­fachlichen Beratungen das Schicksal des deutschen Volkes zu zahl dieser Boltsvertreter das ihnen geschenkte Bertrauen dazu mißbrauchten, um in nicht wiederzugebenden Schimpfereien und in widerwärtigen Schlägereien das Ansehen des Deut­schen Reichstags im In- und Ausland so tief herabzusetzen, daß es fiefer wirklich nicht mehr ging.

Es wurde einstimmig durch Zuruf ein langer Beschluß gefaßt, der das Band dapon in Kenminis feßt, daß die Opposition

den parlamentarischen Arbeiten fernbleiben

werde, da die politische Lage die gleiche fei, gegen tie fie fich am 2. Juni ausgesprochen habe. Der Beschluß unterzieht die Lage einer eingehenden Prüfung und kritisiert scharf alle Maßnahmen der Re­Brobleme festzustellen, die durch eine Lage, die sie selbst nicht ge gierung. Es sei nicht Sache der Oppofition, die Lösung der gierung. Es sei nicht Sache der Oppofition, die Lösung der schaffen habe, entstanden seien. Es sei aber natürlich diese endgültige Lösung in einem Appell an das Volt

zu suchen und zu finden, der unter der Bedingung einer vollkommen verwirklichten Gefehlichkeit und mit allen politischen und moralischen Garantien vor sich gehen solle. Zum Schluß wird betont, daß nicht nur die Opposition, sondern auch alle Männer und alle Parteien, die an dem politischen Leben teilnehmen, verpflichtet feien, ihre Meinung genau zu formulieren und eine flare Berant. wortlichkeit der gegenwärtigen Lage gegenüber zu übernehmen.

Seipel wiedergewählt. Aussichtsreiche Verhandlungen mit den Eisenbahnern. Wien , 11. November .( Eigener Drahtbericht.) Die Dienstag fizung des Nationalrats war nur sehr kurz. Der Präsident machte vom Rücktritt der Regierung Mitteilung und setzte die nächste Sigung auf Donnerstag an mit der Tagesordnung: Neuwahl der Regierung. Im Namen der Sozialdemokraten gab Dr. Danneberg die Er. flärung ab, daß die Sozialdemokraten mit Rücksicht auf die gegen­wärtigen Verhandlungen mit den Eisenbahnern von einer sofortigen Besprechung des Eisenbahnerstreits absehen.

Nach der Sigung trat der Hauptausschuß zusammen. Auf An­trag der Christlichsozialen wurde Dr. Seipel mit 8 gegen 6 Stimmen erneut zum Bundeskanzler bestimmt. Dr. Seipel nahm die Wahl an und erklärte, daß er zunächst mit den Parteien verhandeln müsse, um festzustellen, ob die Sanierung nicht gestört werde. Er werde auf Grund dieser Verhandlungen am Donnerstag Bor­schläge für die neue Regierung machen. Darauf wurde der Haupt­ausschuß auf Donnerstag 10 Uhr vertagt.

Folgendes wird amtlich mitgeteilt: In den heute unter dem Vorsitz des Präsidenten Günther abgehaltenen Besprechungen mit den Vertretern der drei Angestelltenorganisationen. wurde ein Vorschlag zur Behebung der Differenzen beraten, den die Bertreter der Dr­ganisationen ihren für morgen einberufenen Mitgliederversammlun­

gen unterbreiten werden.

Eine spätere Meldung cus Wien besagt:

Die Verhandlungen, die zwischen der Organisation der Eisen­bahner und dem Präsidenten Dr. Günther heute nachmittag geführt find, wurden um 7 Uhr abends beendet. Die Vorschläge der Bundesbahnverwaltung wurden von den Vertretern der Organi fationen afzeptiert. Sie werden vormittags den Vertrauens: männern unterbreitet und 3 ur Annahme empfohlen werden. zur Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sie nunmehr zur Annahme gelangen, so daß der Streif am Mittwoch abend beendet sein wird.

Ausweisung reichsdeutscher Kommunisten.

Wien , 11. November .( WTB.) Gegen das Mitglied der Kom munistischen Partei Deutschlands , Werner Hirsch , der sich hier publizistisch und als Versammlungsredner politisch betätigte, hat die Polizei ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Gegen andere hier agitatorisch tätiae ausländische Kommunisten soll in gleicher Weise vorgegangen werden.

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und mit ihnen leben, die weiter gewohnt sind, auf Grund ihrer Für deutsche Beamte, die gewohnt sind, im Dienst mit den Dingen zu rechnen und zu arbeiten, die um sie herum Erfahrungen ihr Denken zum Segen der Allgemeinheit prat­tisch einzustellen, hat es keine größere Enttäuschung als den legten Reichstag und die Vorgänge in ihm geben können. Sie werden eingesehen haben, daß in Mißstimmung getätigte Wahlen, in Verärgerung ausgeführte Abkehr von Parteien mit flarem Programm und festen Zielen, das unstete Wechseln von einem Extrem ins andere, das Hinterherlaufen hinter in­haltlosen Parolenphrasen es nicht dazu bringen fann, ein Reichsparlament zu schaffen, das zur praktischen Arbeit und Wahrung seiner Würde fähig ist.

Doch es ist nicht nur diese ideelle Enttäuschung allein, die den deutschen Beamten die Augen geöffnet hat. Auch für die materiellen Interessen der Beamten hat der letzte Reichstag nichts gebracht.

Wollte man das ganze Sündenregister aufführen, man hätte Bände zu schreiben. Einen allein über den Besol­Dungsstandal vom Juni 1924, der vom letzten Reichs­tag nicht beseitigt, sondern verewigt worden ist. Der Reichs­tag hatte es in der Hand, die Friedensgehälter", wie Herr Dr. Luther sie auffaßt, zu beseitigen und eine vernünftige und sozial gerechte Besoldungsordnung an ihre Stelle zu fetzen. Der Weg dazu wurde von der Sozialdemokratie vor­gezeichnet. Er ging über die Aufhebung der Regierungs­ermächtigung zur felbständigen Regelung der Beamtenbesol­dung. Nur wenn diese gefallen war, fonnte der Reichstag handeln. Als aber die Sozialdemokraten ihren Kampf um die Aufhebung dieser Ermächtigung bis zur letzten Konse­quente trieben, wurden sie im entscheidenden Augenblick von sämtlichen bürgerlichen Parteien im Stich gelassen. Der Be­bestätigt, d. h. verewigt; auf ihn bauen sich alle weiteren Er­soldungsskandal vom Juni 1924 wurde von diesen Parteien höhungen auf. Die Regierung aber konnte die Ermächtigung noch dazu mißbrauchen, gegen den klaren Willen sämtlicher Gewerkschaften den Ortszuschlag durch das Wohnungsgeld zu ersetzen und das neue ungerechte Ortsklassenverzeichnis einzu­führen. Das Ergebnis in der Besoldungsfrage ist eine Ent­täuschung der breiten Massen der unteren und mittleren Be­amten, für die das bürgerliche Kabinett Marr- Stresemann und sämtliche bürgerlichen Parteien die Verantwortung fragen.

Genau so verhält es sich mit der Frage der Personal­Abbauverordnung. bürgerlichen Parteien ist feins erfüllt worden. Ihre Anträge Bcn den Wahlversprechen der bürgerlichen Parteien ist keins erfüllt worden. Ihre Anträge auf Aufhebung der Abbauverordnung waren nie ernst ge­meint. Wäre es anders, hätten die Regierungsparteien nicht gegen den Antrag der Sozialdemokraten gestimmt, den Ab­bau solange auszusetzen, bis die Novelle zur Abbauverord­nung vom Reichstag verabschiedet ist. Wären die Anträge der bürgerlichen Parteien ernst gemeint gewesen, hätten sie es nicht geduldet, daß ihre Reichsregierung diesen Antrag der Sozialdemokroten einfach ignorierte, trotzdem er mit Stimmen­mehrheit im Plenum des Reichstags angenommen war. Und als die Sozialdemokraten beim Kampf um die Novelle zur Abbauverordnung im Haushaltsauschuß und dessen Unteraus­