schuß um die Aufhebung der Abbauoorschriften kämpfte, wäre sie nicht von allen bürgerlichen Parteien verlassen worden, wenn es diesen ernst mit ihrer Sorge für die Beamten gewesen wäre. Der Unterausschuß hatte sämtliche im Plenum eigge- brachten Anträge für erledigt erklärt. Die Sozialdemokraten waren die einzigen, die daraufhin ihre Anträge auf Auf» Hebung der Abbauvcrordnung im Haushaltsausschuß er- neuerten, die dann restlos von sämtlichen bürgerlichen Par- teien abgelehnt wurden. Ganz offen sagten sie, daß wohl ..Milderungen" angängig seien, von einer Aushebung aber keine Rede sein kann. Diese„Milderungen" macht jetzt die Regierung— zur Freude der bürgerlichen Parteien. Eine Enttäuschung war weiter die Stellungnahme der bürgerlichen Parteien zur Frage der Dien st zeit derBe- a m t e n. Nur dadurch, daß die Dienstzeit der Beamten nicht gesetzlich geregelt ist, war es dem Kabinett Stresemann möglich, den Ächtstundentag mit einem Federstrich restlos zu beseitigen und für die Beamten des Reichs den neunstündi- gen Mindestarbeitstag einzuführen, während die Beamten der Länder und Gemeinden den Achtstundentag behasten haben, und er für die Arbeiter in Privatbetrieben gesetzlich grundsätzlich gesichert ist. Die Sozialdemokraten beantragten die Aufhebung der Neunstundentagsverordnung. Der Antrag wurde im Beamtenausschuß zwar angenommen, er ist aber im Haushaltsausschuß, den er wegen seiner finanizellen Aus- Wirkungen passieren mußte, versackt. Ihn ans Tageslicht zu ziehen und zur Erledigung zu bringen, daran hatten weder die bürgerliche Regierung noch die bürgerlichen Parteien irgend welches Interesse. Alle Bemühungen der Sozialdemo- kraten in dieser Richtung waren umsonst. Die Bürgerlichen wollten nicht. Die Sozialdemokraten hatten außerdem noch beantragt, in dem kommenden Beamtengesetz die Dienstzeit unter grundsätzlicher Wahrung des achtstündigen Arbeitstages gesetzlich zu regeln. Es sollte für die Be- amten das gemacht werden, was für andere Arbeitnehmer längst besteht. Der Antrag wurde von sämtlichen bürgerlichen Parteien abgelehnt, die in der gesetzlichen Regelung der Dienst- zeit eine Herabminderung des Ansehens des Berufsbeamten- tums erblicken und im übrigen von dem Achtstundentag nichts wissen wollen. Genau so erging es dem sozialdemokratischen Antrag auf gesetzliche Regelung des Erholungsurlaubs unter Berücksichtigung der Dienstzeit und des Lebensalters. E n t- täuschungen über Enttäuschungen! Und wenn nun die deutschen Beamten fragen, ob denn dieser Reichstag ihnen nichts, absolut nichts gebracht hat, so werden sie sich selbst die Antwort geben müssen:„Nein, es ist wirklich gar nichts für uns übrig ge» wesen." Mag dies den deutschen Beamten eine Lehre sein. Falsch wäre es aber, jetzt arollend abseits zu stehen. Klares Denken und Urteilen auf Grund der gemachten Erfahrungen und Rechnen mit realpolitischen Werten läßt den rechten Weg wiederfinden. Wohin dieser Weg führt, darüber kann es keinen Zweifel geben. Die Arbeitnehmer, ob beamtet oder nicht beamtet, stehen heute in geschlossener Abwehr gegen die Auswuch�rung durch die wirtschaftlich starken Kräfte. Land- Wirtschaft und Schwerindustrie, gegen den Schutzzoll, der den Arbeitnehmern die Lebenshaltung verteuert, und gegen den Monarchismus. Sie stehen in geschlossener Reihe für eine menschenwürdige Entlohnung, für gerechte Verteilung der Lasten, für die Wiedererringung des Achtstundentages, für die Republik , die die Dölkerverftändigung sucht, und ihre Flagge schwarzrotgold. Beamte! Wählt Sozialdemokraten!
Zort mit yabsburg! Warschau , 11. November.(TU.) Die Regierung richtete an die beiden Habsburger Karl Albert und Leopold Karl die Aufforderung, ihren Dienst in der polnischen Armee zu quit- iieren. Die beiden Erzherzoge sind Brüder des„Erzherzogs" Wilhelm, der gern ukrainischer König geworden wäre.
Das Lächeln Englands. Bon Lola Landau . Im Dunkel vor Morgengrauen landen wir. Das Schiff, das uns über ein schwarzes, schläfriges Meer hinwiegte, keucht am End« der Fahrt. Obwohl wir nichts sehen als Finsternis, hin und wveder von Lichtern zerrissen, spüren wir doch seltsam erregend das neue Land. Feucht« warme Luft schlägt wie von einem anderen Erdteil hinüber. Wir sind auf einer Insel, wir sind m England. Jedesmal wiedcr beim Betreten englischen Bbdens wird diese Empfindung des Insularen überwältigend, und wenn die ersten schmalen Gesichter aufblitzen, wenn die ersten Laute der mathematisch klaren Sprache uns wachrufen, so wissen wir: hier leben andere Menschen mit -mderen Sitten, hier blieb inmitten Europas ein Volk der Insulaner, das durch seine Abgeschlossenheit zu-einem starken und starren Leben gekommen ist. Allmählich heben sich die Nebel, die wie eine schwere Traumdeck« aus dem Lande logen, da ist sie unverändert, die lieblich« englische Landschaft, jetzt in stumpfem Grün und durchzogen von braunen Hecken: aber allmählich werden diese steigenden Nebel uns die größte Ueberraschung enthüllen, ein vollkommen verwandeltes neues England, das wir nicht mehr wiedererkennen. Wie, England wäre wirklich noch ein Infelreich? England ist kontinental geworden, England ist europäisch geworden, und unsere Augen waren bei der Landung noch von aiten Erinnerungsbildern getrübt. Denn tatsächlich ist für England der Weltkrieg nicht nur ein Zerstörer, sondern ein Brückenbauer geworden. In der ungeheuren Völkerwanderung von 1314 konnte auch England, das immer glaubte, auf die Kenntnis der fremden Sprachen und den Zustrom fremden Wesens verzichten zu können, sich ausländischer Einflüsse nicht entziehen. So wurde diese Insel an Europa angeschwemmt, de? Kanal wurde zur festen Straß«, und die Insulaner waren ge- zwungen, vier Jahr als Festländer zu leben. Und wie beim Spiel des Teufels, der dos Bös« will und das Gute schaffte, hat sich das Seltsame vollzogen, daß England durch den Krieg gezwungen wurde, einmal nicht insular-britisch, sondern europäisch zu denken. Aufgestachelter, nachdenklicher, erweckter, biegsamer ist das englische Leben geworden, nicht mehr allein in dfe vorgeschriebenen Formen eingepreßt, nicht mehr den großen traditionellen Vorbildern nach- Icbend. sondern neue Jdcen vorlebend. Da» ist Sinn und Ziel dieser Generation. England hat erkannt, daß es in einer„Splendid-Ifo- latian" auch geistig ersrieien müßt«. Aber das alt« England, dos wir von früher her kennen, wo ist es? Ist es versunken? Nein, es ist noch da. Noch flackert dos Feuer in den Kaminen, noch glänzt der goldene Tee auf den ge« schmückten Teetischen, um den sich die Familie seden Nachmittag wie zu einer Feststunde versommelt, noch lebt der Sport, der ein« Reli- gwn des Lebens dem Tage erst Maß und Form gibt, noch ist das englische Lächeln da, das so freundlich einlädt und doch alles innere Leben verbirgt, und noch ist das Beste da. der herrliche Humor der Dickens und Thackeray , das freie Lackzen eines freien Volkes. Das alte und das neue England, beide leben sie und sind am Werte oft so dicht nebeneinander, daß sie sich in einer sonderbaren Weise miteinander verschlingen.
SozialüemokratistherGemeinüewahlsieg. Ueberall Erfolge. Lei der am Soaukog in Portitz bei Leipzig stalkgefundenen Gemeiudeverordnetenwahl, die durch eiueu Volksentscheid der portitzer wählerschosl erzwungen wordeu war. hat die Sozial- demokratie«inen gläuzeudeu Sieg erfochten. Abgegeben wurden für die Sozialdemokratische Partei 194(\27), für die Kommunisten 48 1102) und für die Bürgerlichen 60(108) Stimmen Die Zahle« in Klammern sind da» Stimmergebni» der letzten Reich»- tag»mahl. Gegenüber der lehtev Gemeindeverord- n e t e o w a h l hat die Sozialdemokratie 67 Stimmen gewonnen, während die Kommunisten S4 und die Bürgerlichen 48 Stimmen verloren habe« Die Sozialdemokratie erhält 7, die Kommunisten 2 und auf die Bürgerlichen entfallen 2 Mandate.
Veutschnationaler Reinfall. Die Striegauer Berhaftuugeu. In S t r i e g a u war es am 6. November zwischen dem Stahl- Helm und dem Reichsbanner zu Zusammenstößen gekommen. Di« Schuld wurde dem Reichsbanner in die Schuh« geschoben und trium- phierend meldete die Rechtspress« die Verhaftung zweier Führer des Reichsbanners, des Stadtrats Müller und des Hauptlehrers Geburt. Dies« Freude ist aber verfrüht. Wie der..Vossischen Zeitung" aus Breslau gemeldet wird, hat die»Unter» suchung durch einen Regierungskommissar, den die Regierung von Niederschlesien nach Striegau entsandte, ergeben, daß die beiden Verhafteten sich bemüht hatten, Zusammenstöße zu vermeiden, daß aber der Stahlhelm dies« Bemühungen ver» eitelte. Di« Haftentlassung der beiden Beschuldigten steht bevor. Wenigstens ist nicht anzunehmen, daß ein Gericht einen Haftbefehl bestätigen wird, der unter falschen Voraussetzungen ergangen ist. Die weitere Untersuchung wird in sehr trübe Zusammenhäng« hineinleuchten müssen. Die Haupttriebkraft zu dem Borgehen gegen das Reichsbanner war der Polizei-Inspektor Lehmann in Striegau , der offenbar dem Stahlhelm zuliebe gearbeitet und die Oeffentlichkeit wie die Gerichtsbehörden irregeführt hat. Der Re- gierungspräfident in Breslau hat bereits gegen diesen Beamten, der offenbar sein« Pflicht verletzt hat, ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel aus Dienstentlassung eingeleitet.
Ruhrhilfe und Tischlerinnung. Der deutschnationale Reichstagskandidat Paeth vor (Aericht. Bor dem Amtsgericht Bcrlin-Mitte sollte am Dienstag der im „Borwärts" vom Sonnabendmorgen erwähnte Streit zwischen den beiden Obermeistern der Berliner Tischlerinnung verhandelt werden. Aber nur der erste Teil dieses Streites, nämlich die dem zweiten Obermeister Borsdorf durch den ersten Obermeister Poech durch zweimaliges„Pfui"-Rufen und Ausspucken zugefügte Beleidigung. Wegen der die Oeffentlichkeit in hohem Maße interessierenden Be- hauptung des Herrn Borsdorf, Paeth habe für die Ruhr- Hilfe gesammelte Gelder erst abgeführt, nachdem sie infolge der Inflation fast völlig entwertet und inzwischen für Zwecke der Vereinigten Derbände der Holzindustriellen und der„Fachzeitung der Tischlermeister" verwendet worden waren, schwebt bor einer anderen Wleilung de» Amtsgerichts eine Beleidigungsklage Paeth gegen Borsdorf. Da dies« beiden Klagen in ursächlichem Zusammenhang stehen, beschloß dev- Gericht, sie an einem späteren noch unbestimmten Termin Hemelnsam zu verhandeln. Als der Richter die Parteien zu«in�n Vergleich zu bewegen suchte, erklärte Paeth, er tonne, da die Angelegenheft bereits in der Presse behandelt worden sei. auf eine Klarstellung vor Gericht nicht verzichten. Borsdvrf gab seiner- seitz die Erklärung ab, er habe dem Obermeister Paech nicht den Vorwurf machen wollen, daß er aus unlauteren Motiven I Einer meiner ersten und stärksten Eindrück« war in England dieses Zusammentreffen der alten und neuen Lebensform. Es war in einem Sitzungssaal der Arbeiterpartei, m einer der Borsiädte Londons , wo ein« halb politische, halb gesellschaftliche Versammlung stattfand. Wir hatten über Deutschland gesprochen und das wunder» volle Zuhören empfunden— keiner versteht so diszipliniert zuzu- hören wie der Engländer—. als uns das eindringlich« Fragen, das stürmisch« Interesse nach dem Leben und Wesen unseres Landes in Staunen versetzte: denn hier war etwas Unenglisches. Neues in diesem lebhaften, wihgierigen und selbstkritischen Geist, der nicht wie früher an sich selber Eenüge fand. Hier wenigstens, in diesen Kreisen war«in« Kapsel der Enge und Selbstsucht gesprengt worden. und unter der Oberfläche bebte eine tiefe menschlich« Erschütterung. Und plötzlich, während wir noch in ernsten Gesprächen verkettet waren, brach plötzlich das alte England wieder herein. Ein Spiel begann und riß uns auseinander in zwei Reihen. Rote Luftballons, die im Saale schwebten, wurden hin- und hergeschleudert, ohne «inen anderen Sinn als den des kindlichsten Vergnügens. Di« kleinen roten Monds tanzten hin und zurück, Gelächter und Jubel sprengt« den Raum, der Lersammlungssaal hatte sich in ein« Kinderstube verwandelt. Derm warcn dies noch dieselben ernsten Männer und Frauen von vorhin? Es waren klein« Knaben und Mädchen, die ihre roten Ballons fliegen ließen. Aber man hüte sich wohl, über diese kindische Art der Freuden zu spotten. Denn hier in diesem Gelächter steckt das Geheimnis einer Volkskrast, hier ist der Jungbrunnen, aus dem sie alle wieder hervortauchen, von ihren freien Sonnabendnacknnittagsn und Sonntagen, gestärkt, er- frischt für neue harte Arbeit und zäh« Gedanken. Und empfanden wir nicht denselben Wesenszug einige Tag« später auf der Er- ziehungskonferenz in Heighley, einem alten englischen Landsitz, wo in der Halle neben dem Konferenzsaal ein Ping-Pong-Tisch aus- gestellt war zur Erhosunq und Erheiterung der Kongreßmitglieder? Politik ist heute wie damals die Kunst des englischen Volkes, und die politisch« Tribüne ist sein Theater. Aber obwohl heute au' dieser Bühne der lebhafteste S.zenenwcchsel der Personen und Ge- danken stattfand, wird doch dos starre traditionell« Gesicht des alten Englands mit allen Gebräuchen und Ueberlieferungen sich überall dazwischen schieben. Inmitten der neuen umwälzenden Ideen wird in jsder Versammlung als erstes und letztes das Gebet abqesungen werden, ohne das Glück, Schlaf, Arbeit nicht erlaubt ist. Ein« firch- sich«, feit Generationen überlieferte Frömmigkeft bat sich auch mit dem Sozialismus tief verqu'ckt und ihm in ihrer Weise«inen ent- materialisierten religiösen Smn gegeben. So hat sich ein neues kirchlich-doginatisihes Echos gebildet, das den englischen Sozialismus durchdringt und ihn so englisch und rotionaloerständlich niacht. Eng- land nahm ein Stück Rußland In sich auf und blieb England. England trank sich voll mit kontinentalen Ideen und blieb doch eine Insel. Amerika hat«s mit seinen Einflüssen überschüttet, und Lon- don. die Riesin, ist ein« amerikanisiert« Stadt geworden. Am Htm- mel prasselt nachts ein� Lichtckavs, Buchstaben laufen wie wild« Leuchtkäfer über die Dächer. Eisenbahnen mit roten und grünen Rädern rollen daher, und ein« Tänzerin sctteudert hoch über allen Häusern ihre zuckenden LichtgLeder in die Luft. Aber mag ganz Amerika am Himmel über London abbrennen, da unten liegt doch ein rem englisches London , England unter der
oder aus persönlichem Interesse die Ruhrgekder zurückbehalten habe, er werde aber in dem kommenden Termin den Nachweis führen, daß die in der Innung gesammelten Gelder im Betrage von SOO Goldmark erst noch einigen Alonolen abgeliefert worden seien, als sie nur noch den wert von IS Pfennigen hatten, und daß das Geld inzwischen mit den Geldern der Bereinigten Berbänd« zu- sammen verwaltet und zum Ankauf von Papier für die»Fachzeltnng der Tischlermeister" verwendet wordeu sei. Das fei eine grob« Inkorrektheit und ein« Verletzung der Pflichten, die der Obermeister der Innung gegenüber zu erfüllen habe. Obermeister Paech entschuldigte sich damit, daß er zur fraglichen Zeit schwer krank gewesen und sein Stellvertreter für die Verzögerung der Geldablieferung verantwortlich sei. Es bleibt also noch den Erklärungen der beiden streitenden Obermeister die Tatsache bestehen, daß für die Ruhrhilfe gesammelle Gelder zunächst für Zwecke einer llnlernehmerorganifation verwendet und der Ruhrhilfe erst zugeführt wurden, als sie durch die Inflation fast völlig verflüchtigt waren. Moralisch verantwortlich ist der Ober- meister auf alle Fälle dafür, was mit den von der Innung für einen ganz bestimmten Zweck gesammelten Geldern geschieht. Selbst Fahr- lössigkeit und mangelnde Boraussicht kann in solchem Falle nicht als Entschuldigung dienen. Soviel steht fest:derdeutschnationale Stadtverordnete und Reichstagskandidat hat dem vaterländischen Interesse einen sehr schlechten Dien st geleistet, weil er nicht Vorsorge für die schleunigste Ablieferung des Geldes traf, das sich, was ja jedes Kind wußte, von Stunde zu Stunde entwertete.
Milöe Sühne wenn es gegen rechts geht... Halle, 11. November.(Eigener Drahtbericht.) Der wegen Mordversuchs an Scheidemann zu 10 Iahren Zuchchaus verurteitt« Verbrecher Hustert hatte den Gedanken an die goldene Frecheft und ähnliche Pläne noch nicht aufgegeben. Es gelang seinen Freunden vom„Oberschlesischen Selbstschutz" unter heute noch nicht aufgeklärten Umständen Zutritt in die Strafanstalt Lichtenberg und Sprecherlaubnis zu erhaüen. Außerdem entspann sich ein Verhältnis zwischen einem Mitgefangenen und einem Hilssausseher namens K u b a n e t. Nach der Entlassung des Mitwissers Gehrings vermittelle Kubanek die Kassiber. Der unge- treue Beamte fertigte auch Wachsabdrücke der Gefängnis- s ch l ü s s e l an, übergab sie dem Gehrings und der vermittelle sie dann an einen völkischen Freund des Hustert, an den Studenten Essen aus Bonn . Mitwissende Gefangene müssen jedoch etwas aus» geplaudert haben. Kurz. Kubanek wurde im August 1923 ent- lassen und der Attentäter Hustert in einen sicheren Flügel des Zuchthauses verlogt. Der sauber eingefädelte Fluchtplan wurde aus- gedeckt und die nationalen Helden, der ungetreue Gefängnis- beamte Kubanek und sein deutjchvölkischer Freund Essen hatten sich vor der Strafkammer in Torgau zu verantworten. Der erste Termin mußte wegen Nichterscheinens des Essen vertagt werden. Erst bei dem zweiten Termin kam Licht in die Sache. Beide taten nach vorheriger Vereinbarung sehr gesetzt und würdevoll. Essen be- hauptete, arm zu sein und keine Beziehungen mehr zu irgendwelchen völkischen Organisationen zu haben. Kubanek erklärte gleichfalls, nUr aus Idealismus" gehandelt zu haben. Geld habe er nicht verlangt. Das Urteil wurde dahin verkündet, daß Kubanek wegen passiver Be> stechung z u drei M o n a t e n G e j ä n g n i s, Essen zu 300 M k. G e! d st r as e verurtellt wurde. Beiden wurden mildernde Um. stünde zugebilligt, außerdem wurde dem Kubanek eine dreijährige Bewährungsfrist gewährt. Das Verbrechen hat durch diesen Spruch seine Sühne nicht ge- funden. Beide Täter laufen vergnügt umher. Kubanek„bewährt" sich in den Armen seiner Braut und für Essen werden die nationalen Mordverbände mit Vergnügen elende 300 Mark bezahlen. Man sieht jedoch ferner, daß die völkischen Mordvcrbände noch heute unge- hindert fortbestohen und ihre Führer mit in die Zuchchänser stecken, um gleichgesinnt« Verbrecher zu hefteten. Ehrhardt machte den An- sang, die kleinen Lumpen kommen hinterher.
Tarnkappe des Nebels mit seinem inftlhasten Lächeln, das uns freundlich empfing und freundlich wieder entläßt, ohne daß wir es ganz haben enträtseln können.
Kino ües Lebens. Der Film, der da vorn über die Leinwand geht, ist hoffnungslos vertuscht. Man nehme ein viertel Liter Kaschemmendust, zwei Pfund rauhe Männerseelen, drei Kilo Fraucnleib, rühre«in Stück- chen biederes Herz dazwischen, brate das Ganze in einer Pfanne mit Schmalz... Aus diese Art. Es geht darum, daß ein fabelhast reicher Jüngling aus«ine unmögliche Art mir'einem armen Ding zusammengebracht wird, daß beide betrunken gemacht werden— na, und daß er schließlich lieber mtt Freunden und Familie bricht und Haus, Hai. Diener und Erbe, als dt« Mutter seines Kindes im Stiche läßt. Ende des dritten Aktes. Ich fühl« physischen Schmerz in meinem Kopfe. Da hörte ich hinter mir ein paar Worte flüstern:„Der hat wenigstens noch Ehre im Leibe!" Ich drehe mich um: zwei ältliche Mädchen. Die«ine hatte cs zur anderen gesagt. Ganz ernst. Also ein ethisches Werturteil.> Es gibt also Menschen, die das ernst nehmen. Kinder, Kinder! Es gibt also Menschen, denen das nicht hoffnungslose Mache ist. Ich guck« mir die Sprecherin noch einmal an. Ihr« Micnenzüg« sind derb und hott. In ihren Augen hängt eine müde Traurigkeit. Ich vergogenwär ig« mir den Ton noch einmal: Der hat wenigstens noch Ehre im Leibe...! Ein«Uiisches Werturteil? Ach, Unsinn: das ist ein Begriff der Akademiker und Philosophen. Was versteht die Hintsr mir unter ethischem Werturteil! Eine Anklage war das: Der hat... Und das hieß: 2lnd:re haben nicht. Ob sie es selbst schon erfahren Hot e, daß andere nicht das haben, was sie Ehre nann e? Ob chr Satz der Ausfluß eines großen Leidens war? Eines Leidens, das das Leben oergiftet? Da schien es mir plötzlich so kindisch, an dem Urteil des Mädchens zu kritisieren. Herrgott: der Maßstab, den ich anlecite, der war> icht der ihre. Aber was war mein Maßstab? Das Ellenmaß logischer Norm,«in anerlesenes angebildetes Gefühl zu künstlerisch« Wertung! Und die? DI« ha'te ein Erlebnis gehabt, das ihr das Herz zerrissen hat«. Di« trug ein« Wunde Ihr Leben wäre Frieden und Seligkeit gewesen, hätte jener so gedacht wie dies« Aincheld. Die Lampen erloschen. 4. Akt. Ueberschrifft Am nächsten Morgen. Jene hinter mir hielt das für gut und klug. Jene hinter mir. die vielleich- schon einen Golgathogang gegangen war, gegen den mein bißchen Erleben«in Spiel war. Da schien es mir plötzlich ganz bnabenhaft, nach meinem Maß» stab zu messen._ H. B. Das neue Reichsbühnengesetz. Der Reichsfinanzminist« hat seinen Einspruch gegen das Reichsbühnengesetz zurückgezogen, so daß an d« Vorlage weiter gearbeitet werden kann. D« Einspruch des Reichsfinonzministcr bezog sich auf den öffentlich-rechtlichen Teil, nicht auf den arbeitsrechtlichen Test des Gesetzes.