Abendausgabe
Nr. 539 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 270
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NO
5 Goldpfennig
14. November 1924
Vorwärts=
Berliner Volksblatt
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Condon, 14, November.( Efa.) Der Korrespondent des " Daily Expreß " in San Sebastian telegraphiert: Trotz der strengen Zenjur beginnt man die Cage in Spanien zu überblicken. Die Erklärung, in der König Alfons sagte, daß er die Diktatur hiugenommen habe, um den Bürgerkrieg zu vermeiden, ist jetzt diskreditiert. Katalonien und Navarra find in Siedebiße und ein großer Teil der Armee bereitet sich auf einen Front.
wechsel vor.
Dem gleich n Korrespondenten zufolge steht die gewaltsame Befreiung des Generals Berenguer, der bekanntlich fürzlich zu G2fängnis verurteilt worden ist, nahe bevor. Trotz der Hinrichtun. gen, die in Barcelona und in Pamplona stattg funden hätten, sei der Aufstand nicht unterdrückt. Zahlreiche Sozial sten, Revolutionäre und Liberale feien in Barcelona , Saragoffa, Balenzia und Madrid verhaftet worden. Montag und Di nstag allein feien 152 er fonen festgenommen worden. Die reaktionären Regimenter erflärten, die Dittatur folle andauern; denn wenn sie gestürzt würde, würde auch die Monarchie stürzen.
Zuspitzung in Südflawien. Aufhebung der Autonomie Kroatiens und Slawoniens. Belgrad , 13. November. ( WTB.). Die Regierung hat die fofortige Aufhebung der Autonomie Kroatiens und Slawoniens an
geordnet, die auf Wunsch der Kroaten von der Regierung Davi
devitsch verfügt worden war.
Die Stockung der Pariser Verhandlungen.
Deutsch - französische Unstimmigkeiten.
Paris , 14. November. ( Eigener Drahtbericht.) Die Pariser Bresse veröffentlicht am Freitag morgen Einzelheiten über die Schwierigkeiten, durd; die die deutsch - französischen Handelscerirags. verhandlungen vorübergehend ins Stoden geraten find. Eo erfläit „ Deuvre", die deutsche Regierung habe die von ihr in Aussicht ge= ncmmenen Konzeffionen auf wirtschaftlichem Gebie'e abhängig ge= macht: 1. Bon der Wiederaufhebung der seit Oktober in Frankreich eingeführten 20 proz. Einfuhrabgabe; 2. von neuen Zugeständnissen in bezug auf eine vorzeitige Räumung der Ruhr und 3. von gewissen Zugeständnissen für das po= litische Statut des Rheinlandes.
Aehnlich werden die deutschen Forderungen auch vom Matin miedergegeben, der der deutschen Regierung erneut den Vorwurf macht, daß fie die Handelsver'ragsverhandlungen benußen wolle, um auf poli ischem Gebiet Mccht zu gewinnen. Insbesondere scheine
Die
es Deutschland um die Beseitigung der 26 proz. Einfuhrabgate zu gehen. Diese deutsche Forderung wird von dem Blatt mit dem Hinweis bekämpft, daß die Einführung dicser Abgabe in Frankreich die deutschen Zahlungen nicht um einen Pfennig erhöhe. deutsche Behauptung, daß dadurch die deutsche Ausfuhr nach Frant reich behindert werde, bezeichnet das Blatt als Verwand und weist darauf hin, daß England mona' lich etwa 12 Millionen Bokmark von der deutschen Einfuhr erhebe, während Frankreich , das sehr schonend vorgegangen sei, im abgelaufenen Monat nur etwa 1 Million Goldmart erhoben habe.
Im übrigen fönnten, fo fährt das Blatt fort, Argumente dieser Art gegen jede Bestimmung des Friedensvertrages bzw. des Dawes Blanes ins Treffen geführt werden. Das Blatt behauptet weiterhin, daß auch die vor furzem eingesetzten Komitees für Naturalliefe rungen non deutscher Seite Widerstand begegnen. Diefe Behauptung entspricht, wie wir von zuständiger Seite erfahren, in teiner Weise den Tatsachen.
Die endgültigen Unterhauszahlen. Condon, 14. November. ( EP.) Das letz'e Resulta' der Wahlen zum Unterhaus, das heißt dasjenige der schottischen Universitäten, ift gestern bekanntgeworden. Das Parteienbild im Unterhaus ist dadurch endgültig das folgende: Konservative 415, darunter 7 Ronstitutionalisten, Arbeiterpartei 152, Liberale 43, Unabhängige 5, zusammen 615 Abgeordnete.
Die Handelskammer gegen Auslandsdumping. • London , 14. November. ( WTB.) Auf einer Sigung der Vereinigung der britischen Handelskammern erklärte der Präfident Stanley Ma chin in emer Rede, man müßte Macdonald zum Abschluß des Londoner Abkommens beglückwünschen. Gewisse Industrier würden allerdings vielleicht durch die Lage, in der sich Deutschland befinde, ernst betroffen werden. Die jetzige Regierung dürfe es nicht ruhig zulassen, daß Industrien von Nationen zerstört würden, die längere Arbeitss zeit, niedrigere Löhne und entwertete Bechselturse hätten, wodurch die Konkurrenz ungleich und unfai werde. Machin erklärte weiter, er fei nicht ohne Hoffnung, das ein Abkommen geschlossen werde, welches es England ermöglichen werde, seinen Handel mit Deutschland in größerem Umfange zu erneuern, als dies in der Vervangenheit möglich geweser sei. Ebenso erhoffe er den baldigen Abschluß eines Handels Dertrages mit Frankreich .
Auf dem kommunistischen Olymp.
Aus Mosfau wird uns geschrieben: In der letzten Zeit hat die Krise in den lei enden Streifen der Kommunistischen Partei eine außerordentliche Verschärfung erfahren.
Zwischen den Mitgliedern des„ Politischen Bureaus" des fommunistischen Zentralfomitees, das de facto die ganze Gewalt in Händen hat, wird ein heftiger Kampf um die Macht geführt. Die Stellung Kamenews, der stets bestrebt war. eine ausgleichende, verföhnende Haltung gegen rechts und links einzunehmen, ist starf erschüttert, da er gegenüber dem Privatkapital eine zu nachgiebige Bolitik betricb. Es wurde neuerdings sogar geplant, ihn aus der Leitung der Regierung auszuschalten, indem man ihn zum Gesandten in Paris ernennen wollte. Gegenwärtig jedoch haben sich Kamenew und Sinowjew wieder zum Kampf gegen Trokki vereinigt. Dieser Kampf um die Macht hat in den kommunistischen Partei freien eine Stimmung erzeugt, die in den Worten Ausdruck findei: So fann es nicht weitergehen." Obwohl tie illegalen Organisationen innerhalb der Kommunistischen Partei zerstört sind, herrscht in der breiten Kreisen der kommunistischen Mitgliedschaften gegenüber der Boli il der leitenden Kreise eine so heftige oppositionelle Stimmung wie faum je zuvor.
Frontangriff auf den Reichspräsidenten.
Deutschnationale neunen Ebert meineidig.
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Das deutschnationale Organ der Altfonservativen, die„ Kreuz zeitung " wegen ihrer Berlogenheit schon zu Bismards Zeiten unrühmlichst befann leistet sich die Unverfrorenheit, in schlecht verhüllter Form den Reichepräsidenten des Meineids zu bezichtiger,
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lediglich weil ihnen der senstige Stoff für Wahlpropaganda ausgegangen ist.
Da ist dieser Tage in der Geschäftsstelle der Deutschnationalen eine Sudelbroschüre beschagnahmt worden, die sich besonders mit dem Reichspräsidenten beschäftigt. Die Kreuzzei ung" zitiert aus dieser von einem Anonymus A." Mitarbeiter der Scherlpreffe folmende Stelle, die der Reichsaugenschein ich ein befenn'er präsident bei seiner fommissarischen Bernehmung im Brozeß gegen folmende Stelle, die der Reichs Banger beschweren haben soll: Ganßer
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Bom Beginn des Krieres bis zu dessen Ende habe ich mich rüdhaltlos auf den Boden der Landesverteidi
gung gestellt und in diesem Sinne gehandelt; während des aanzen Krieges war ich gegen die Streits der Arbeiter der Rüstungsindustrie."
Der Parlamentsredakteur der„ Kreuzzeitung " fügt dem 3i'at leistet haben. Denn obgleich die rote Januaraftion in erster heuchleri'ch hinzu:„ Herr Ebert kann diesen Eid nicht ge: Linie ein politisches Unternehmen war, so war sie doch auch ein Rüstungsarbeiterstreit."
Diese Bemerkung erfolgt nur, damit der anonyme Schmähschriftsteller„ A." in einer Erklärung versichern fonn, Ebert habe diesen angeblich unmöglichen Eid doch geleistet! Die Folgerungen soll sich der Leser selbst ziehen....
Der Bamphletist, der se mit der Ehre des Reichspräsidenten umspringt. leistet sich in seiner Zuschrift an das konservative Blatt noch diese Nichtswürdigkeit:
Ende November steht in Magdeburg die Klose des Herrn F. Ebert gegen eine Zeitung, die ihm Ldesverrat vorgeworfen hat, zur Verhandlung. Die Sache spielt nun schon zwei Jahre. Man darf wohl gespannt sein, ob sie wieder verlagt wird.
Der Bursche, der die infame Verdächtigung ausspricht, als ob der Reichspräsident den von ihm angestrengten Prozeß wieder vertagen" lassen wolle, ist selbst genau darüber unterrichtet. daß der angeflagte Redakteur des Staßfurter Hegblattes bisher durch immer neue Winkelzüge die Entscheidung stets hinaus gezogen und den Prozeß verschleppt hat. Der Eigentümer des Blattes ind Vorgänger des jetzt angeklagten Redakteurs Roth, Hans Hottenrott mit Namen, ist wegen Beschimpfen des Reichspräsidenten und der Republik bereits zu 2% Jahren Gefängnis verurteilt worden, ist aber flüchtig und konnte bisher nicht ergriffen werden. Die Deutschnationalen machen jetzt gemeinsame Sache mit diesen Gesellen, indem sie den Reichspräsidenten , wenn auch versteckt, des Meineids bezichtigen. Das soll ihnen am Wahltage nicht vergessen werden!
Der Abbau des Devisengesetzes.
Die Reichsbank gibt bekannt, daß zugleich mit dem durch den Erlaß der neuen Devijenverordnung erfolgten Abbau der De Disengefeggebung auch die getroffenen besonderen Anord nungen, die der Devijenhamsterei entgegenwirten wollten, d. h. die Bestimmungen über die Meldepflicht aufgehoben werden, nachdem die Bardeckungsvorschriften bereits durch den For: fall der Devisenrepartierungen gegenstandslos geworden sind.
Deutschvölkische Brüderlichkeit. Raufereien zwischen Tentschnationalen und Nationalsozialisten.
Wien , 14. November. ( WTB.). Als in einer Bersammlung der Großdeutschen Volkspartei Viz kanzler Dr. Frand sich gegen die Nationalfezia iften wandte, die das Ansehen des Staates durch thr Tre ben herab'etzten, entstand bei den anwesenden Nationalsozialisten und Deutschnatioral.n großer Lärm, so daß es dem Redner schwer murde, sich verständ ich zu machen. Echließlich arteten die Ruheftörungen zu Raufereten aus, in deren Verlauf der deutschnationale Führer Baron Liebenberg verprügelt wurde. Polizei mußte schi eßlich den Saai räumen, wobei eine Anzahl National fozialisten verhaftet wurde.
Politische Nullen.
Deutschnationale Führerweisheit über England.
In der Deutschnationalen Volkspartei sind alle Schattierungen der Nullität verireten. Es gibt darin große, mittlere und fleine politische Nullen. Als eine kleine politische Null ist jener Fürst Bismarck anzusprechen, der ausschließlich deshalb deutschnationaler Spizenkandidat wurde, weil er der Entel seines Großvaters ist. Von dem politischen Auftreten dieser Miniaturdurchlaucht ist nur soviel bekannt, daß sie in den Entscheidungstagen vom August überall im Reichstag mit der Versicherung herumlief, daß sie zwar die Notwendig feit der Annahme des Londoner Abkommens erkenne, daß sie aber deshalb nicht wisse, was sie tun solle, weil Prof. Hoesch, nach dem sie sich unbedingt richten wolle, in der Fraktion als schärfster Meinsager auftrete. Da der ehemalige außenpolitische Leitartikler der Kreuz- Zeitung " ater am 29. August plötzlich eine Ja"-Karte hervorzauberie, war Durchlaucht im letzten Augenblick von ihren Zweife'n befreit und sie konnte aus nahmsweise nach ihrer Ueberzeugung abstimmen. Dies scheint aber dem jungen Bismard zum Verhängnis geworden zu sein, denn bis zum heutigen Tage steht es noch nicht fest, ob das Berdienst", als Enfel seines Eroßvaters auf die Welt gekommen zu sein, ein zweitesmal ausreichen wird, um deutschnationa'er Svikenfandidat zu werden
Fürst Bismarc jun. hat nun zu Beginn des reuen Wahlfeiner nationalen Gesinnung geliefert, indem er seine durchtampfes eine besondere Probe seines politischen Könnens und lauchtigsten Gedanken über den Ausgang der englischen Wahlen zum besten gab. Er erklärte, daß ihm das Resultat der Unter
hauswahlen deshalb freue, weil es eine Niederlage für den demokratischen Gedanken sei und weil man
der ug nach links gehe.
Die große politische Null der Deutschnationalen, Herr Ostar Hergt, Exzellenz, war offenbar von der bismarschen Größe diefer Weisheit dermaßen erschüttert, daß sie seither in mal erklärte Hergt, eine deutsche Linksregierung wäre ,, fein jeder Wahlrede auf demselben Argument herumreitet. Eingeeigneter Bariner" für die englische fonservative Regierung, und in seiner vorgestrigen Rede in München begründete er fein Rechts schwenkt, marsch!" mit dem guten Beispiel des englischen Rucks nach rechts.
Wenn Sch am gefühl etwas wäre, was in der Deutsch nationalen Partei noch seine Heimstätte hat, dann würden die lischen Wah'en und vor allem nach den letzten französischen Hergt und Bismard niema's wagen. solche Argumente vorzubringen. Wenn die Sozialdemokratie nach den vorlegten engWahlen den Rd nach links in diesen Ländern als ein nachahmenswertes Beispiel für das deutsche Volt bereichnete, so konnte sie sich wenigstens darauf berufen, daß die Elemente in diesen Ländern, die eine Balitik der Verständigung und des Entgegenkommens Deutsch and gegenüber betreiben, zur größeren Macht ge'angt feien und daß Deutsch land alles Interesse habe, diese Entwicklung durch einen eigenen demokratischen Kurs zu fördern. Dieses Argument gilt übrigens heute noch, da in Frankreich eine Linksmehrheit herrscht, die wir durch eine entsprechende Politik zu fördern allen Anlaß haben, damit nicht die zerstörenden deutschfeindlichen Kräfte unter Führung Boincarés, Millerands und Maginots wieder die Oberhand gewinnen.
mard sind
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Aber es müßte doch Ferrn erot und fonar Herrn v. Biswenn sie nicht absolute politische Anolpaheten bekannt sein, daß die konservative Bartei in England dasjenige Element ist das seit jeher Deutsch land am feindlichsten gefinnt gewefen ist In dem neuerdings vom Auswärtigen Amt herausgegebenen Schriftwechsel Iswolskis befindet sich ein Bericht dieses Kriegshehers. an den Baren, in dem er einen Besuch schildert, den er beim König von England auf dem Schoß Ba'moral machte, wo er u. a Bonar Law , dem Führer der Konfervativen begegnete, der sich durch seine deutschfeindlichen Aeußerungen besonders auszeichnete. Es ist ferner bekannt. daß der Eintritt ben Bonar Laws an den damaligen Ministerpräsidenten Englands in den Weltkrieg durch ein Schrei Asquith veranlaßt wurde, in dem die dama's noch zögernde liberale Regierung entschieden aufgefordert wurde, ihre Verpflichtungen Frankreich gegenüber zu erfüllen.
Der Kampf der Konservativen gegen die Arbeiterregierung bei den jüngsten Wahlen wurde mit ausgesprochen deutschfeindlichen Arnumenten neführt. Die Konfervativen hatten die Unterſtükung der berüchtigten Rothermere- Presse, des„ Daily Mail", des" Daily Mirror" und auch der erirem deutschfeindlichen Morning Post" Einer der Hauptrufer im Sireite gegen die Regierung Macdonald war der ehemalige Liberale Winston Churchill , der zu den Konservativen übergegangen ist und dessen deutschfeindliche Gesinnung in jeder seiner Wahlreden zum Ausdruck kam. Churchill ist jetzt Schazkanzler in der neuen Regierung Baldwin geworden.
Aber es fommt noch besser. Am Mittwoch wurden die Mitglieder der neuen Regierung ernannt, die nicht zum eigent= ichen Kabinett aehören. a fo die Unterstaatsfefretäre usw. Zum Unterstaatssekretär für die auswärtigen Angelegenheiten wurde Ronald Mac Neill ernannt. Diefer Mac teilt ist ein alter Bekannter: er hatte bereits diesen Posten in der letzten Regierung von Bonar Lam inne, durch deren Bassivität die Belegung des Ruhrgebiets ermöglicht wurde. Wenige Tage nach dem Einmarsch der Franzosen ins Ruhrgebiet hieit Mac Neill eine aufsehenerregende Rede, in der er gegenüber den feierlichen