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Nr.540 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 274

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Sonnabend, den 15. November 1924

Generalagent und Exportabgabe.

Ein Schreiben Gilberts an den Reichsfinanzminister.

WTB. teilt mit: Der Generalagent für Reparationszahlungen, S. Parker Gilbert, hat an den Reichsfinanzminister Dr. Luther folgendes Schreiben gerichtet:

In Ucbereinstimmung mit den Bestimmungen des Sachverstän­digenplanes, die feftfehen, daß die Gewährung und Zurüdziehung von Geldern für Kreditierung der Jahreszahlungen von dem Generalagenten und dem Transferkomitee fontrolliert und geregelt werden soll, habe ich die Ehre, Sie davon in Kenninis zu setzen, daß der Generalagent für Reparationszahlungen der deutschen   Regierung teine Beträge auf die Jahresleiftung kreditieren wird, die den Exporieuren als Gegenleiffung für Abzüge von ihren Waren­rechnungen auf Grund eines Reparation Recovery Acts am 1. De­zember 1924 oder später zugewendet worden sind.

Alle Beträge, die für den vorstehenden Zwed angefordert wer­den sollten, werden nur von dem Generalagenten für Re­parationszahlungen geleistet werden, und zwar sofern und soweit es vom Transferkomitee bevollmächtigt ist.

Das Transfertomitee hat in seiner Sigung vom 31. Offober 1924 den Generalagenten ermächtigt, Zahlungen geu äß der Reparation Recovery Acts bis auf weitere Entscheidung des Komitees zu leisten.

Wie wir aus gutunterrichteter Quelle erfahren, ist dieses Schreiben nicht als eine Antwort auf den deutschen   Einspruch gegen die von Frankreich   und Belgien   eingeführte 26proz. Ab gabe auf den deutschen   Export aufzufassen.

Es handelt sich vielmehr um eine rein technische Ent­scheidung in der Frage der Buchführung der Export­abgabe bzw. ihrer Zurückerstattung durch die deutschen   Finanz­beh rden Bisher wurde diese Zurückerstattung: lediglich von deutscher Seite fontrolliert. Der Generalagent steht aber auf deutscher Seite kontrolliert. Der Generalagent steht aber auf dem Standpunkt, daß er gemäß dem Dawes- Gutachten ein Kontrollrecht über diese Transaktionen haben muß, da es sich mitunter um fehr erhebliche Summen handelt. An der Entschädigung der deutschen   Exporteure wird natürlich nichts geändert, allein werden sie die betreffenden Summen nicht direkt vom Reiche, sondern indirekt durch die Ver­mittlung des Generalagenten erhalten.

Der deutsch  - französische Handelsvertrag. Die Pariser   Verhandlungen.

und nicht recht einzusehen sei, warum der deutsche   Export nach Fra   ikreich durch die Abgabe stärker geschädigt werden solle als der Export nach England zu gleicher Zeit wurde es von franzöfifcher Seite sehr fategorisch abgelehnt, die Regelung der Angelegenheit in irgendeiner Weise mit den Handelsvertragsverhandlungen ver quicken zu lassen.

Das ist nach Mitteilung von zuständiger Seite der augenblid. liche Stand der Dinge. Staatssekretär Trendelenburg, der Anfang der kommenden Woche in Paris   mit neuen Instruktionen am Donnerstag zur Berichterstattung nach Berlin   abgereist ist, wird zurück erwartet. In unterrichteten Kreisen glaubt man Grund zu der Annahme zu haben, daß es zu einer Verständigung fommen

wird.

Zu dem gleichen Thema meldet die Expreß- Correspondenz" aus Paris  :

Die von der französischen   Bresse verbreiteten Gerüchte, wonach die Deutschen   irgendweiche Bedingungen gestellt haben, die mit Bölkerbund usw. zusammenhängen, sind durchaus unrichtig. der Räumung des Ruhrgebiets, der Kölner 3one, dem Ebenso ist es nicht richtig, daß deutscherfeits in dem Organisations­ausschuß für die Sachlieferungen irgendwelche Obstrut tion getrieben worden sei Die Verhandlungen nehmen vielmehr einen durchaus normalen Verlauf und sind durch teine unge wöhnlichen Schwierigteiten gekennzeichnet.

Das Statut der Sachlieferungen.

Abkommens eingeseh'e gemischte Ausschuß, der sich aus Paris  , 14. November.  ( WTB.) Der auf Grund des Londoner  deutschen   und alliierten Vertretern zusammensetzt und dessen Aufgabe darin besteht, ein neues Etetut für die Sachlieferung aus zuarbei'en, hat sich in seiner Nachmittagsfigung dahin geeinigt, die im Abkommen vorgesehene neutrale Persönlichkeit zu der fünftigen Berhandlungen hinzuzuziehen. Die Ernennung dieses neutralen Delegierten wird in den nächsten Tagen erfolgen.

Das Amestiegesez vor dem Senat. Erfolg der Linken zugunsten der Eisenbahngemaßregelten. Paris  , 14. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Senat, der am Freitag die Diskussion des Amnestie gefeges fort fezte, hat zur Wiedereinstellung der Eisenbahner den von seiner Rommission vorgeschlagenen Tert, der die Wiedereinstellung in das Ermessen der Gesellschaften stell'e, nach einer Intervention Herriots abgelehnt. Mit 161 gegen 135 Stimmen wurde ein Antrag der demokratischen Linken auf Wiederherstellung des Paragraphen in der ursprünglichen Fassung der Rammer, in der die Wiedereinstellung der entlassenen Beamten den Gesellschaften obligatorisch gemacht wird, angenommen.

Der Sinowjew  - Brief.

Paris  , 14. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Die deutsch  französische Kontroverse weget der Erhebung der 26proz. Abgabe auf den deutschen   Export datiert bereits von Ende September. Da­mots hatte die deutsche Regierung in einer Note gegen die von Herriot   in der Kammer angekündigte Absicht, der englischen  Recovery- Abgabe entsprechend den französischen   Importeuren deut­ scher   Waren die Verpflichtung aufzuerlegen, 26 Proz. des Falture. preises an die französische   Regierung abzuführen. protestiert. Der von ihr entwickelte Rechtsstandpunkt, daß die Einführung einer permanenten Abgabe dieser Art i'm Widerspruch mit den Londoner   Abmachungen stände, die lediglich deren prov forische Erhebung für die furze Uebergangsperiode bis zum vollen Jikrafttreter des Dawes- Planes gestatteten. wurde von der französischen   Regierung in ihrer Antwort besuchung des Sinowiew Briefes gebildete Ausschuß von Kabinetts­stritten. Die juristische Kontroverse, die in verschiedenen Aus­sprachen fortgesetzt wurde, hatte zu feinem positiven Ergebnis ge­führt. Dagegen gewann die Frage er veut akute Bedeutung ge­legentlich der Verhandlungen über den Abschluß eines deutsch­französischen andelsvertrages.

In unmittelbarem Anschluß an die erste Sigung der beiden Delegationen nach Wiederaufnahme der Verhandlungen am 10. No­rember machte der Chef der deutschen   Delegation, Staatssekretär Trendelenburg, den französischen   Handelsminister Rat­naldy in einer persönlichen Unterredung auf die enge Wechsel­wirkung beider Probleme aufmert am, und er gab dabei der Be­fürchtung Ausdruck, daß die deutsche Regierung es nicht wagen tönne, dem Reichstag   einen deutsch  - französischen Handelsvertrag zur Ratifitation vorzulegen, wenn sie ihm nicht gleichzeitig die Zu­fidjerung geben fönne daß Frankreich   auf die weitere Erhebung der 26proz. Exportabgabe, die den deutschen   Export nach Frankreich  nahezu völlig zu erdrosseln drohe, verzichten werde. Handelsminister Rainaldy wandte zunächst ein, daß es sich hier um eine Frage handle, die in das Kapitel der Reparationspolitik gehöre und deren Berquickung mit den Handelsvertragsverhandlungen er deshalb ab­lehnen müsse, weil die Entscheidung über diese Frage der Zuständig fcit des Ministerpräsidenten selbst unterliegt.

Es kam demgemäß zu der bereits mehrfach erwähnten Unter­redung zwischen Herriot   und Rainaldy bzw. dem deutschen  Botschafter Herrn v. Hoesch und Staatssekretär Trendelen burg Auch hier konnte eine Einigung über die rechtliche Seite der Frage nicht erzielt werden. Von französischer Seite wurde erneut darauf hingewiesen daß Deutschland   gegen die Erhebung der gleichen Abgabe in England feinen Widerspruch erhoben habe

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Kein Abbruch der russisch  - englischen Beziehungen. London  , 14. November  .( Eigener Drahtbericht.) Der zur Unter­mitgliedern besteht aus dem Außenminister Chamberlain und drei Mitgliedern der Regierung, die Juristen sind, darunter Lord Birkenhead  . In den der Regierung nahestehenden Kreisen wird energisch bestritten, daß das Kabinett Baldwin plane, die Aner­fennung Rußlands   als für fich nicht bindend zu erklären. Am Freitag fand im Auswärtigen Amt   ein Empfang der in Eng­land akkreditierten Botschafter statt. Churchill   reist nach Paris  . Die interalliierten Schulden. London  , 14. November  .( Eigener Drahtbericht.) Die Anfündi­gung, daß der neue Schazkanzler Winston Churchill   in der nächste Beit nach Frankreich   reisen werde, hat in der englischen Deffentlichkeit die Diskussion über die Frage der interaliiierten Schulden erneut eröffnet. Keine der bisherigen englischen Re­gierungen ist auf das wiederholt gefteilte französische   Verlangen auf Annullierung der interalliierten Kriegsschulden eingegangen, weil die englische Deffentlichkeit davon nichts wissen will. Man erhofft durch die Rückzahlung der Kriegsschulde eine Erleichterung der Steuerlast. In den Londoner Finanzkreisen hat man zwar teine sehr günstige Meinung von der gegenwärtigen französischen  Budgetwirtschaft, aber man ist der Ueberzeugung, daß Frankreich  in etwa drei Jahren seinen Haushalt endgültig balanciert habe wird und dann fähg ist, seine Schulden zurückzuzahlen. Ebenso wie England seine Schulden an Amerifa zurüdzahlt, müsse das Frank­ reich   auch gegenüber Englend tun. Die Totalsumme der alliierten Schulden an England beträgt rund 40 Milliarden Goldmart, von denen auf Frankreich   und Italien   56 Proz. entfallen. Aus dem Wiederbeginn der Debatte über die Schuldenfrage ist ersichtlich, daß die Reife Churchills der Regelung dieser Angelegenheit die ten soll.

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Ludo Morih Hartmann gestorben.

Sozialdemokrat- Großdeutscher Geschichtsforscher.

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Wien  , 14. november.( Eigener Drahtbericht.) Heute Freitag abend um 6 Uhr is Genosse Prof. Dr. Cudo Hartmann, der ehemalige deutschösterreichische Gesandte in Berlin  , einem Krebsleiden erlegen. Hartmann war im Jahre 1865 in Stuttgart   geboren und hat an den Universitäten Wien  , Berlin   und Straßburg   studiert. Der Berstorbene war schon seit länge Zeit frank, hatte aber noch in den letzten zwei Tagen an Sihungen der Partei teilgenommen. Das Leichent gängnis findet Mon­tag nachmittag statt.

Morik Hartmann in Wien  , seit längerer Zeit an Ein lieber Freund ist uns entrissen: unser Genosse Ludo schwerer Krankheit leidend, hat gestern Freitag früh einen Schlaganfall erlitten und ist abends gestorben. Selbst nahe Freunde durften nichts davon erfahren, daß er frant war, Denn so war Hartmanns Wesen er wollte nicht, daß feiner Person irgendwie besonderes Interesse zugewendet, geschweige denn Schonung, Rücksicht oder gar Mitleid ihm entgegengebracht werde. Seine Bescheidenheit war ebenso groß wie fein Wert als Mensch, wie seine Bedeutung in der histori­schen Wissenschaft und wie die Zuneigung und Verehrung, die 3cllen. ihm seine vielen Freunde und Genossen übers Grab hinaus

Hartmann war von der Wissenschaft her zur Arbeiter­bewegung gefommen; wie nicht wenige vor ihm, neben ihm und sicherlich auch nach ihm, so hatte auch er aus der Forschung und Lehre des Marrismus die Gewißheit geschöpft, daß die Entwicklung der Menschheit notwendig auf die leberwindung der Klaffenunterschiede, der Klassengegensätze und des Klaffen­tampfes durch die Aufhebung der Klassen überhaupt hinzielt, auf die sozialistische Gesellschaft, und daß es darum gilt, das Proletariat physisch wie geistig fampffähig für seine nächsten Biele und reif zur Erfüllung seiner späteren Aufgaben zu machen. Freilich war Hartmann schon von vornherein demo­kratisch und sozial eingestellt. War doch sein Vater fein anderer als der deutschböhmische Dichter und Abgeordnete der Linten im 1848er Parlament der Frankfurter Paulskirche  , Moritz Hartmann  . Wie aber der Vater Hartmann   z. B. in seiner schönen Novelle Der Krieg um den Wald" und in anderen Werken ein tiefes Verständnis für die Seele des tschechischen Voltes zeigt, so lag auch dem Sohn, der ein Bor­fämpfer des demokratischen Großdeutschland werden sollte, nichts so fern als irgendwelche Ueberhebung oder gar Feind­feligteit gegen andere Bölfer, die ja fast immer nur ein Zeichen nalismus, dessen Grundlage die Liebe zum eigenen Volk ist, der Unkenntnis ihrer Natur ist. Jenen wahren Internatio­auch den fand Hartmann in der Sozialdemokratie, und so war er ihr unauflöslich verbunden.

Ludo Hartmann   hatte sich der akademischen Lehrtätigkeit für seine Lieblingswissenschaft, die Geschichte, zugewendet. Er war Privatdozent an der Wiener Universität  . Seine Erfolge als wissenschaftlicher Forscher und Schriftsteller wie als Lehrer erzwangen ihm die hohe Achtung seiner Fachgenossen, und der Lehrkörper der Universität Wien   ließ es nicht an Vorschlägen fehlen, Hartmann zunächst eine außerordentliche Professur zu erteilen. Aber der Kandidat war Sozialdemokrat und oben­drein konfessionslos; darum durfte er nicht Universitäts­professor werden. Das verhinderte der starke fleritale Einfluß im t. t. Ministerium für Kultus und Unterricht, von den Bischöfen mit reger Unterstübung des kaiserlichen Hofes, be= fonders der jüngst verstorbenen Kaisertochter Marie Valerie  geübt. Erst die Republik Deutschösterreich fonnte gut machen, was die Monarchie auch in diesem Einzelfall gesündigt hatte an der Wissenschaft und ihrer Lehre gesündigt, die nach der Berfassung frei sein sollten.

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der laute politische Kampf lag seinem Wesen die stille Arbeit Hartmann tannte den Feind sehr genau. Weit mehr als an der Volksbildung, der er sich mit nimmermüdem Eifer hingab. Die volkstümlichen Universitätskurse, mit denen Wien   vielen deutschen   Hochschulstädten vorangegangen ist, die Bolfsheime- freie Bolkshochschulen, deren Wien   mehrere be­fikt- verdanken Hartmann und einigen seiner engeren Freunde ihre Gründung und ihren Bestand, der schwere Zeiten materieller Not überwunden hat. Als der Klerikalismus wieder einmal die Hand nach der seit 1869 allgemein inter­konfessionellen( fimultanen) Bolksschule ausstreckte, rief Hart­mann mit den von Dr. Karl Lueger  , dem chriftlichiozialen Führer und Wiener   Bürgermeister, gemaßregelten Lehrern Karl Seitz   und Otto Glöd el- die heute als Bürgermeister. und Stadtschulratsleiter an der Spiße des hauptstädtischen Schulwesens stehen stehenden Kampfverein Freie Schule" ins Leben; er besteht heute noch, freilich haben die Bürgerlichen ihn großenteils verlassen, zumal seit die Großdeutschen sich mit Haut und Haaren den Christlichsozialen verschrieben haben.

Die junge Republik Deutschösterreich aber, deren erstes Wort in der einstweiligen Verfassung das großdeutsche Be­fenntnis war:" Deutschösterreich ist ein Glied der deutschen Republif", wußte feinen Besseren als Ludo Hartmann  für die außenpolitische Funktion, die ihr die wichtigste schien, für den Gesandtenposten in Berlin  . Schon Ende