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Nr.542 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 275

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Sonntag, den 16. November 1924

Der Separatistenprotektor abberufen.

Herriot ersetzt die Generäle de Metz und Denvignes durch Zivilbeamte.

Paris , 15. november.( Eigener Drahtbericht.) Ein Erlaß der Interalliierten Rheinlandfommission beruft die beiden franzöfifchen Generäle de Metz und Denvignes, die das Umi eines De­legierten der Rheinlandfommiffion in Speyer bzw. Mainz ausübten, con ihren Poften ab. Die beiden Generäle werden durch 3ipilbeamte ersetzt.

Die Ersetzung der leitenden militärischen Verwaltungs­beamten in der Pfalz und im mittelrheinischen Gebiet durch Zivilbeamte bedeutet ein Entgegenkommen Frankreichs über das in London vereinbarte Maß hinaus. Sie kann nur als Zeichen dafür angesehen werden, daß das Kabinett Herriot mit dem militärischen Charakter der Besatzung zu brechen wünscht. Vor allem die Abberufung des Generals de Mez wird Genugtuung über die Grenzen des besetzten Ge­bietes hinaus erwecken. De Metz war einer der eifrigsten Förderer des Separatismus. Er versuchte die Los­fösung der Pfalz vom Reich mit allen Mitteln zu betreiben. Er galt in Paris als eine der Hauptstützen für die Rheinlandpläne der französischen Militaristen. Seine Ab­berung hat prinzipielle Bedeutung.

Die deutschnationale und völkische Presse, die sich nach wie vor bemüht, den guten Willen des Kabinetts Herriot zu ver­dunkeln, wird es nicht unterlassen, auch diesen Schritt Frank­ reichs falsch zu deuten und zu verkleinern. Man kann sie bei diesem Treiben unter sich lassen. Es wird diesen Desperados nicht noch einmal gelingen, das Volf irre zu führen. Nur die Erfüllungspolitik hat die Wandlung in Frank­ reich und damit das Kabinett Herriot ermöglicht. Nur die Erfüllungspolitik hat zu der Befreiung Dortmunds und der Gebiete in Baden und Hessen geführt. Ein Erfolg der Erfüllungspolitif ist es, wenn jetzt der Sepa­ratistengeneral de Metz abberufen wird. Nur die Er füllungspolitik wird die vertragsmäßige Räumung ber noch besetzten Gebiete ohne Blutvergießen bringen.. Und wie fagt ergt? London hat zu feinem Erfolg geführt, die konservativen Wahlen in England müssen den deutschen Wählern ein gutes Beispiel geben. Rechts schwenkt, marih marsch!"

Gewiß, wenn es nach Hergt und seinen Halbundhalben ginge, dann würde Deutschland nach dem 7. Dezember unter dem Kommando: Rechts schwenkt, marsch marsch!" in eine neue Katastrophe hineinschlittern und wir könnten schon heute die Rheinlande aus unserer Landkarte streichen. Aber die Wähler werden wissen, welche Antwort sie den Hergten am 7. Dezember schuldig sind!

Ludo Moritz Hartmann .

Neichsdeutschlands Beileid.

Der Reichspräsident hat an Fran Profeffor Hartmann in Wien das nachfolgende Beileidstelegramm gefandi: Bei dem schweren Verlust, der Sie durch den Tod Ihres Herrn Gemahls betroffen hat, bitte ich Sie, meiner und meiner Frau herzlichsten Anteilnahme versichert zu sein. Den Dahir geschiedenen, der mir felt langen Jahren persönlich nahegellanden hat, habe ich als Menschen, als politiker und als Mann der Wissenschaft slets hoch­geschätzt. Als erster Gesandter der Republik Defterreich beim Deutschen Reich hat er, ein aufrichtiger Freund Deutsch­ lands , seine ganze Kraft daran gelegt, die Beziehungen unserer in Freud und Leid eng verbundenen Bölfer zu ver­tiefen. Ich werde sein Andenken fiets in Ehren halten.

Reichspräsident Ebert."

Aus der Pfalz wird uns gefchrieben: Die Bevölkerung der Pfalz hat mit großen Hoffnungen den Regierungswechsel in Frankreich erwartet. Aber bis jetzt hat sich noch taum etwas zum Besseren gewendet. Die kleinen Könige, die Bezirksdelegierten, regieren noch in der alten Weise und auch die Offiziere, die in Privatquartieren bei der Zivilbevölkerung wohnen, wollen sich noch immer nicht als Friedenseinquartierung fühlen.

Besonders in Meinen Städten wie Landau , das in Frie­denszeiten schon eine sehr große Garnison hatte, fällt das gegen früher verdoppelte Militär den Bürgern sehr zur Last. So ließ erst zu Beginn dieses Jahres der Oberst eines dahin verlegten Spahiregiments furzerhand eine Familie aus ihrem Haus, das noch große Grundstücke anliegen hat, ermittieren, obwohl ihm die Stadi verschiedene gleichwertige Wohnungen zur Verfügung stellen wollte. da ihm diese Wohnung am günstigsten zu seiner Kaserne lag. An dererseits weigern sich die Franzosen beharrlich in die für sie nach ihren eigenen Wünschen die Pläne lagen ihnen zur Genehmigung - erbauten Häuser überzusiedeln. Es sind in dieser Stadt von taum 14 000 Einwohnern schon Hunderte von Wohnungen errichtet worden, ohne daß bis jetzt der Wohnungsnot, die durch die Besetzung verursacht wurde, gesteuert ist. Am schlimmsten sind die dunklen Existenzen der Ziv Ibevölkerung, die sich beim sogenann ten Heerestroß befinden.

Dor

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In letzter Zeit beginnen die Truppen die männlichen Einwohner wieder zu zwingen, die Trikolore beim Aufziehen zu grüßen, indem sie den Leuten den Hut vom Kopfe schlagen. Beschwerden können von Einwohnern des befegten Gebiets dagegen nicht erhoben werden.

Der Ausverkauf hat nach Stabilisierung der deutschen Währung

aufgehört, aber andererseits werden viele Geschäftsleute gezwungen. durch Gewährung von Sonderpreisen den Soldaten entgegen­ukommen.

Am schlimmisten ist für die Bevölkerung, daß sie verpflichtet st, bei gemeinsamer Küchenbenukung wildfremden Menschen ihr ganzes Geschirr, ihre Bestecke usw. zur beliebigen Berfügung zu stellen. Ein anderer Uebelstand ist, daß viele Familien ihre ganze Verwandtschaft aus Frankreich zur Erholung fommen lassen. Diesen, die doch gar nichts mit der Befagung im eigentlichen Sinne zu tun haben, müssen die notwendigen Zimmer zur Verfügung gestellt werden. Tatsächliche Hilfe fann der gequälten Bevölkerung nur werden, menn. und das muß offen ausgesprochen werden. eine reinliche Scheidung von französischen Zivils und Militärpersonen einerseits und den Pfä'zern andererseits stattfindet, indem die franzöfifche Re­gierung, über die als eine lintsrerich'ete Regierung die Royalisten und Poincaristen unter den Offizieren sich luftig machen, ver­fügt, daß die Besatzung die für sie nach ihren Wünschen erbauten Häuser bezicht. Nur so fann der gequälten Bevölkerung geholfen

werden.

Verfassung festlegten: Deutschösterreich ist ein Glied der deut­schen Republik. Mit solcher Unwissenheit, wie sie die " D. A. 3." da offenbart, gibt es keine Polemik.

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Aber auch der Vorwurf gegen die reichsdeutsche Sozial­demokratie ist vollkommen unbegründet. Gesezt, man hätte die Vereinigung vollzogen gehabt mer zweifelt daran, daß die Clemenceau- Lloyd George- Entente diesen Att ebenso durch schärfsten Terror zunichte gemacht hätte, wie sie mit diesem Mittel sowohl jenen Saß der Wiener Berfassung, wie den frei gewählten Namen Deutschösterreichs und was die verehr­lichen Monarchistenblätter missen müssen auch drei im Ent­wurf der Weimarer Verfassung bereits enthaltene Bestimmungen gestrichen hat; brei Bestimmungen, die Deutschösterreichs Rechte im Reich für den Zeitpunkt seiner Eingliederung vorbehielten

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Wenn aber die D. A. 3." so tut, als wäre die Vereini­Der deutsche Gesandte in Wien , Dr. Pfeiffer, ist beauf gung sicher gekommen, wenn dem deutschen Volk bloß seine tragt worden, anläßlich des Ablebens des Pref. Dr. Cudo Hart- Dynastien erhalten geblieben wären, so genügt ja das mann dem Bundespräsidenten hainisch das Beleid Bahlwort 1866, um die Unmöglichkeit einer staatlichen Gemein schaft von Hohenzollern und Habsburgern darzutun und des Reichspräsidenten und der österreichischen Regierung daran zu erinnern, daß der schwarzweißrote Heros Bismarc das Beileid der Reichsregierung auszusprechen. Der Ge- felbit die lole öitereri hisch- Deutsche Gemeinschaft des damaligen fandle wird an der Beliehung teilneymen und im Namen deutschen Fürstenbundes mit Blut und Eisen zerstört hat. des Reichspräsidenten und des Auswärttgen Amtes Kränze niederlegen.

Hilfe für die Hochwassergeschädigten! Die Presse hat übereinstimmend Ludo Hartmanns in Hochwasser im Westen und Süden Deutschlands ! Blühende ehrendster Weise gedacht. Zwei Blätter der Rechten aber, der Ortschaften, gepflegte Aecker find überflutet worden. Wohnungen Lokal- Anzeiger" und die Deutsche Allg. 3tg.", glauben brauchbar. Tausende verloren in wenigen Stunden ihr wurden zerstört, Hab und Gut fortgeschwemmt, Arbeitsgerät un­selbst diesen traurigen Anlaß nicht vorübergehen lassen zu fönnen, um gegen die Sozialdemokratie als Inhaberin der Heim und die Früchte jahrelanger Arbeit. Die Schäden zu heilen Regierungsmacht vom 9. November 1918 bis zur Bildung der ist dopeplt schwer bei der wirtschaftlichen Not der Gegenwart, drei­ersten Reichsregierung nach Zusammentritt der Nationalver- fach schwer in den heimgeluchten befehten Landesteilen, sammlung den Vorwurf erheben zu dürfen, daß sie den Zeit- Der Staat hilft nach Kräften, aber seine Mittel genügen nicht. Allen punft verpakt hätte, zu dem die Eingliederung Deutschöfter- Volksgenoffen rufen wir deshalb auf: Helft! Gebt schnell! reichs ins Reich noch ohne außenpolitische Schwierigkeiten Gebtreichlich! möglich gewesen wäre. Die D. A. 3." dehnt diesen Vorwurf sogar auf unsere deutschösterreichischen Genossen aus, obwohl biese es gewesen sind, die als Einleitungssag der vorläufigen

Der Reichspräfident. Die Reichsregierung. Spenden auf Konto Hochwasserschäden" bei der Deutschen Bank oder auf Postschecktonto Berlin 55 770 erbeten.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H. , SW 68, Lindenstr. 3

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Eins!

Die Sozialdemokratie an der Spike.

Die Glode, sie hämmert ein mächtiges Eins, Und unten zerschellt das Gerippe. Goethe. seinen Borgängern wesentlich vereinfachen. Der Wahlgang cm 7. Dezember wird sich im Vergleich zu Seit der Ein­führung amtlicher Stimmzettel bestand bisher insofern ein unterbuntes Durcheinander, als die Parteien diejenige Stelle auf dem amtlichen Stimmzettel erhielten, die ihnen die Reihenfolge der Anmeldung ihrer Kandidatenliste zuwies. So fonnte es fommen, daß eine Partei in einem Wahlkreise an zweiter Stelle, in einem anderen an fünfter und wiederum in einem anderen an siebenter Stelle verzeichnet war.

Das ist durch eine vernünftige Anordnung der Regierung jezt mit einem Schlage geändert. Auf dem amtlichen Stimm­zettel erscheinen die bisherigen Reichstagsparteien nach der für fie bei der Wahl am 4. Mai abgegebenen Stimmenzahl. An der Spize marschiert die Sozialdemokratie, die im ganzen Reiche und auch bei der Preußenwahl die Liſten­nummer Eins führt. Damit ist gewissermaßen auch amtlich anerkannt, daß das anmaßende Geschrei der Deutschnationalen, als wären sie die stärkste Partei und könnten aus dieser Tat­sache besondere Rechte ableiten, eitel Flunkerei ist. Bei der Aufstellung der Stimmzettel haben die Regierung und der Reichswahlleiter sich nicht daran gekehrt, daß die Fraktion Hergt im Reichstage sich durch die Hinzunahme einiger auf Grund ganz anderer Programme gewählter Personen fünstlich zur stärksten Frafticn aufgeblasen hatte. Sie ist vielmehr auf die nüchternen Ziffern des 4. Wiai zurückgeführt und damit ganz eindeutig an die zweite Stelle geschoben worden.

Die Sozialdemokratie marschiert an der Spie! Das ist ganz unbestreitbar. Denn auch bei den ungünstigen Verhältnissen, unter denen die Maiwahlen statt­nationalen nur 5 718 543 Wähler auf ihr Programm ver­fanden, erzielte fie 6 014 372 Stimmen, während die Deutsch­einigen fonnten. Freilich war der Unterschied bei der letzten Abstimmung nur geringfügig. Aber jedermann im Lande ist heute überzeugt, daß die Inflation der Deutschnationalen Partei inzwischen zum Stillstand gekommen ist, und daß die nächsten Wahlen für sie einen sehr wesentlichen Rückschlag bringen werden, wenn sich die Erfahrungen von Hamburg . Mecklenburg und Anhalt im Reiche wiederholen und vertiefen. Ebenso ist jedermann der Ueberzeugung, daß die Sozial­demokratie wieder im Vormarsch begriffen ist und am 7. Dezember mit einem erheblichen Vorsprung an der Spizze aller Parteien verbleiben wird.

gestern. Es ist sehr vielen unbekannt und deshalb wert, daß Diese erste Stelle befleidet sie nicht erst seit heute und wieder einmal daran erinnert wird: Schon seit den Wahlen vor 1893 ist die Sozialdemokratie unbestritten die an Stim= menzahl stärkste Partei in Deutschland gewesen und trog aller Stürme geblieben. Mehr noch: Schon drei Jahre vorher, noch unter den letzten Zudungen des schandvollen Ausnahmegeseges gegen die Sozialdemokratie, hatte unsere Partei alle anderen Parteien mit Ausnahme des Bentrumis überholt. Trotz Verbotes ihrer Versammlungen, trotz Unterdrückung der Mehrzahl ihrer Zeitungen. trotz Ber­folgung und Schilonierung aller tätigen Parteigenossen, troz Ausweisung Hunderter der besten von ihnen fonnte die ver­fehmte Sozial demokratie im Februar 1890 schon 1323 000 Stimmen zählen, während das Zentrum ihr mur um 28 000 Stiminen vorausblieb Freilich hatte das Bentrum damals 105 Mandate und die Konservative Partei, die Vorgängerin der heutigen Deutschnationalen, mit nur 930 000 Stimmen 73 Parlamentsfiße, während die Sozial­demokratie sich infolge der veralteten Wahlkreisgeometrie mit nur 35 Sigen begnügen mußte. Aber nicht in der Zahl der Mandate, sondern in der Bewegung der Massen lag und liegt die Stärke der Partei.

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bestritten geblieben. Zunächst zwar blieb das Zentrum uns Seit dem Jahre 1893 ist unser Platz an der Spizze un­hart auf den Fersen, aber von Wahl zu Wahl vergrößerte sich der Abstand, so daß wir schon 1903 3 Millionen, 1907 3 Mil­lionen und 1912 gar 44 Millionen Stimmen zählen konnten, während selbst die stärkste bürgerliche Partei die zweite Million nicht erreichte. Rund ein Drittel der abgegebenen Stimmen der Partei im Barlament sich nur mit etwas mehr als ein fielen allein auf die Sozialdemokratie, wenn auch die Stärfe Biertel- 110 unter 397 Abgeordneten

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ausdrückte.

Die Erinnerung von 1912 reizt geradezu zum Vergleich mit dem Frühjahr 1924. Der Sieg der Sozialdemo fratie war so ungeheuer, daß er den damals herrschenden Kreisen fast den Atem verschlug. In fünf Jahren hatte die Bartei nicht weniger als 1 million neuer Stim men gewonnen! Auch im Reichstag war sie dem Zentrum als der nächststärksten Partei um 20 Sige voraus. Parlamen