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fozialen Partei gelangt, jenes anderen Prälaten, der ein eben| werden, ein noch junger Mann, der allerdings vom Finanzwefen

jo ehrlicher Republikaner wie Anhänger der Vereinigung Deutschösterreichs mit dem Deutschen Reich   und in Kultur bingen weit gemäßigter ift. Erst vor wenigen Wochen, furz nach seiner vollen Genesung von der Schußwunde, die ihm ein auch geistig armseliger Proletarier verseht hatte, hielt Dr. Seipel ohne jeden aktuellen Anlaß im christlichsozialen Barteirat eine Kampfrede gegen die feit 1869 in Desterreich bestehende allgemeine Simultanschule und die sofortige Antwort war ein Proteststurm der Arbeiterschaft, der auch das antifleritale Gewissen der Großdeutschen im Lande wachrüttelte. Seipel mußte einlenten und im National­rat erklären, daß bei der jezigen Zusammensetzung der Re­gierung an eine derartige Schulreform" gar nicht zu Senten sei und nicht gedacht werde.

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Der Anlaß, der jetzt zum endgültigen Rücktritt Seipels ge­führt hat, ist geringfügig. Diefelben christlichsozialen Länder­regenten, die durchaus für den Plan Seipels waren, der Stadt Wien   eine Abgabenteilung" zuzufügen, die den Ertrag der Wiener   Besiz- und Lurussteuern in die Kassen der Länder zur weiteren Schonung der Agrarier leiten sollte, die nehmen jegt Front gegen eine Verkürzung ihrer Finanzhoheit. Seit dem der Bollerbund im September weitgehende Ersparniffe durch an Abschaffung grenzende Bereinfachung der selb­tändigen Länderverwaltung gefordert hat, sind natürlich auch die christlichsozialen Länderregenten gegen das Sanierungswert. An dieses aber bleibt Deutschösterreich vorläufig gebunden.

In einigen Tagen kommt der tschechische Außenminister Dr. Benesch, der einer der tätigsten Leute im Bölkerbund ist, nach Wien  . Da wird natürlich über die ganze Sanierungs frage gründlich verhandelt werden. Die Tschechoslowakei   ist als Teilhaber an der Sanierungsaktion, als Nachbar Deutsch  österreichs und, da sie sich immerhin als Vormacht der Nach­folgeftaaten der Habsburger   Monarchie fühlen fann, auch in Dieser Eigenschaft lebhaft an der Alpenrepublit interessiert. Herr Seipel aber soll anderes im Sinn haben. Man behauptet ernstlich, daß jene Kampfrede gegen die freie Schule seine Kandidatenrede für den Purpur eines Kardinals gewefen fei. Bielleicht zieht sich der alternde Mann, dessen flerifal­monarchischen Zielen in Deutschösterreich doch keine Erfüllung winft, nach tom zurück.

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Der Hauptausschuß des Nationalrats hat den Chriftlich sozialen Dr. Ram ef einstweilen zum Bundeskanzler gewählt und ihm die Kabinettsbildung übertragen. Ob er die Groß­deutschen wieder in die Regierung bekommt, wird der Groß­deutsche Parteitag entscheiden, der heute Mittwoch zusammen­tritt. Sollten die Großdeutschen die Genfer   Sanierungsfahne nun aus Angst vor dem Verlust allen Anhangs etwa verlassen, so ist zunächst nicht abzusehen, was dann geschieht, denn ohne die großdeutschen Stimmen fönnten weder die Christlich  fozialen noch die Sozialdemokraten regieren. Man wird also den Entschluß des Großdeutschen Parteitags abzuwarten haben. Dr. Ramet war schon einigemal in der Republik  Minister, ist aber in feiner Weise aufgefallen. Wir laffen nun die uns zugegangenen Wiener   Draht berichte folgen:

Ramek   auf der Min stersuche.

Wien  , 18. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Die neue Re­gierung ist auch heute nocy nicht gebildet worden. Der Houptaus fchuß, der dem Nationalrat Borschläge für die Wahl der Regierung zu machen hat ,, befignierte" auf Antrag den Christlichsozialen Abg.

Dr Ramet zum Bundeskanzler. Ramef erflärte, daß er on Dienstag die Kabinetisliste noch nicht vorlegen fönne, sondern nod Berhandlungen führen müffe. Am Donnerstag würde er in ber Lage fein, die Lifte vorzulegen. Infolgedessen wurden fomoht der Haupiausschuß wie der Nationalrat auf Donnerstag vertat. Immerhin steht jetzt bereits feft, daß außer dem Bundeskanzler Seipel auch der Finanzminister Dr. Kien bod dem neuen Kabinett nicht mehr angehören wird. Finanzminister foll Dr. Ahrer

Der anständige Mensch.

Bon Wilhelm Lichtenberg.

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weniger als vom Geschäftema chen versteht. Minister des Aeußern soll der christlichsoziale Abg. Dr. Mataja   werden, der schon seit Jahren diesen Posten haben möchte. Zurüdtreien foll auch der famose Minister für Sozialverwaltung, Schmit; da gegen wird der Heeresminister Va u goin im Amt bleiben. Schmik soll durch den früheren M.nister für Sozialverwaltung Dr. Resch Die Großdeutschen werden sich über ihre ersetzt werden. Teilnahme an der Regierung erst am Mittwoch entscheiden. In christlichsozialen Kreisen rechnet man aber ganz bestimmt damit, daß sie an der Regierung teilnehmen werden. Im christlich­fozialen Organ werden bereits zwei Großdeutsche genannt, die in die Regierung eintreten sollen.

Gesandtenwechsel in Berlin  .

Wien  , 18. November.  ( Eca.) Dr. Namet hat heute abend 1s neue Kabinett gebildet. Die Ministerliste, die jedoch noch nicht endgültig ist, loutet: Bundeskanzler: Dr. Julius Ra met, Vizekanzler, Inneres und Justiz: Dr. Kressin( Groß­deutscher), Finanz: Dr. Ahrer, Soziale Fürsorge: Dr. Resch, Auswärtiges  : Dr Mataja, Hecrwesen: Dr. Weiz( also nicht mehr Baugoin). Ob Handelsminister Dr. Schürff in der Regie­rung bleibt, ist noch nicht entschieden. Der jetzige Außenminister Dr. Grünberger geht als Gesandter nach Berlin  , von wo der bisherige Gefandte Rieblabberufen werden wird.

Parlamentsboykott auch in Prag  .

Unter Führung der deutschen   Genossen.

Prag  , 18. November.  ( Eigener Drahtbericht.) In der Haltung ber deutschen   Sozialdemokraten und der übrigen Oppa fitionsparteien im tschechoslowakischen Parlament ist heute eine wei­tere en dung eingetreten. Nach den heute im Abgeordnetenhaus abgegebenen Erflärungen der Führer der Oppositionsparteien wird Staatsvoranschlag nit teilnehmen. der größte Teil der Opposition an den Berhandlungen über den Durch diese Nichtteil­nahme ist bezweckt, das System des tschechoslowakischen Parlaments Dittatur der Führer der tschechischen Koalitionsparteien. Es vor aller Deffentlichkeit als das zu kennzeichnen, was es ist, als die gehört zu den Methoden des tschechischen Parlaments, daß alle Gefeß­entwürfe einschließlich des Staatsvoranschlags nicht der Beratung und Verhandlung den beiden Kammern unterbreitet werden, sondern daß sie erst in Konventikeln der Koalition ausgearbeitet und dann vom Parlament unverändert angenommen werden. Dadurch werden die Barteien der Minderheit praktisch von jeder parlamentarischer Mitarbeit ausgeschlossen. Dieses von Jahr zu Jahr sich verschär­fende System hat diesmal dazu geführt, daß die deutschen   Sozial­demokraten und, ihrem Beispiel folgend, auch die übrigen oppofitio nellen Parteien bei der Berhandlung des Budgets die Komödie einer solchen Beratung nicht mehr mitmachen wollen.

neter Genosse Dr. Czech eine scharfe Erklärung ab, in der In der heutigen Sigung des Abgeordnetenhauses gab Abgeord neter Genoffe Dr. Czech eine scharfe Ertlärung ab, in der System des Absolutismus durch Bloßstellung vor der ganzen er ausführte, daß die deutschen Sozialdemokraten dieses herrschende Deffentlichkeit unmöglich zu machen trachten werden. Außerdem hat der Klub der deutschen   sozialdemokratischen Abgeordneten und Senatoren sich mit einem Aufruf an die arbeitende Bevölkerung gewandt, in dem sie ihr Fernbleiben von den Beratungen rechtfertigt. Der Aufruf verweist auf die außerordentliche Verschärfung der wiri schaftlichen und politischen Lage und auf den Gegensatz zwischen den den jezigen unhaltbaren Zuständen. Er wendet sich scharf gegen demokratischen Verheißungen bei der Gründung des Staates und das ganze Regierungssystem, das gegen die arbeitenden Massen, besonders gegen die deutschen   Arbeiter mit der größten

Rüdsichtslosigkeit vorgeht.

In der oben erwähnten Erklärung vor bem Abgeordnetenhaus führte Bizepräsident Genoffe Dr. Czech aus: demokratischen Arbeiterpartei mit übermenschlicher Gebulb Vier Jahre haben sich die Abgeordneten der deutschen   sozial­auf diesem unfruchtbaren Boden abgemüht in der Hoffnung, daß ihre Arbeit, ihre wiederholten Mahnungen, wenigstens bei den Ein­fichtsvolleren unter Ihnen das Gewiffen wecken werden, daß sie

die über sie selbst im Umlauf find, nie entgegentreten. Jedes Her­vortreten in die Deffentlichkeit scheint ihnen schon unanständig. Eie leiden unsagbar or erlittener Unbill, aber sie wollen nie rehabilitiert und schon gar nicht gerächt sein.

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Wollte man aber deshalb annehmen, daß nur unanständige, Was ein anständiger Mensch ist. läßt sich überhaupt nicht befi- aufdringliche Menschen Karriere machen, dann gäbe man sich erst nieren. Am schlechtesten würde man es machen, wollte man fogen: recht einem verhängnisvollen Jrrium hin. Denn das, was man Der anständige Mensch ist das Gegenteil vom unanständigen Men gemeinhin den anständigen Menschen nennt, ist ja gar nicht der an fchen. Nein, der anständige Mensch hat mit dem unanständigen ständige Mensch, dem man Verehrung und Begeisterung entgegen überhaupt nichts zu schaffen er ist weder sein Gegenteil, noch bringt. Man hat sich zu sehr davon gewöhnt, allen Menschen, die fein Antipode. Jedenfalls nicht in unserem Sprachgebrauch. Heut- Karriere machen, die Geld verdienen und Ansehen erringen, irgend zutage versteht man unter einem anständigen Menschen einen, der wie schmutzige Straßen anzubichten, aus denen sie aus ihrer ein­nicht falt und nicht warm macht, den man nicht fürchtet und nicht stigen Bescheidenheit zu ihren jzigen Stellungen gegangen sind. beachtet, der feine Karriere macht und von dem man nicht behelligt und deshalb verfällt man immer wieder in den Fehler, allen Ecken­fein möchte. steher des Lebens, allen am Wege Gebliebenen, ohne weiteres zu Rachdem ich einmal alle Begriffe verfchoben haben, hat der antonzedieren, daß sie anständige Menschen seien.... Es ist durch ständige Mensch feine Rolle ausgespielt, wurde er zu völliger aus nicht unanständig, den uniüchtigen Menschen wissentlich zu über Paffivität verurteilt. Man hat sich daran gewöhnt, Unfaires und flügeln, es ist nicht unanständig, ein Geschäft zu machen, welches Ulauteres als unvermeidliche Begleiterscheinungen des täglichen der Langfame, von tausend Strupeln Gequälte doch niemals oder Lebens in den Kauf zu nehmen, man verjagt Menschen, die nicht jedenfalls reichlich zu spät gemacht hätte! Es ist nicht unfair, Ber­immer Treu und Redlichkeit üben, durchaus nicht mehr die gefell   bindungen anzufnüpfen und zu fultivieren, nur um feinem Talent chaftliche Achtung, man mußte sich mit ihnen obfinden welche die Geltung zu verschaffen, die es sonst vielleicht nicht erlangt hätte. Rolle follte in einer derartigen Welt eigentlich noch der anständige man nen das Strebertum und der anständige Mensch, will davon Mensch zu spielen haben? nichts wiffen. Der anständige Mensch Eleibt abseits und läßt dem anderen den Bortritt. Bielleicht wird er dann der Sekretär oder der Raffierer bes Emporgefommenen und leistet ihm vortreffliche Dienste gegen geringe Bezahlung. Oder er schreibt günstige Be­er schreibt günstige Be­sprechungen über den auf den Gipfel feines Ruhms gelangten Dichter, während er doch früher auch davon träumte, fo einer zu werden. Oder er fiest an Abend, nach fümmerlichem Tagewerk, voll ehrfürchtigem Echauer in seinem Leibblatt, welche Fülle von Macht nun diefer oder jener Weggenosse in seiner Hand vereinigt. Sie leiden alle, diese anständigen Menschen, aber sie fönnen doch nicht anders. Sie wissen, woran es ihnen fehlt, aber fie fönnen nichts besser machen. Man geht über sie zur Tagesordnung über, fragt nicht nach ihnen und beachtet sie nicht.. Nur selten streift sie ein Blid, ein flüchtiges Gedenken. Dann nicht man ein tißchen mit dem Kopf, fchließt halb die Augen und sagt anerkennend: Ein onftändiger Mensch... Aber sie hörer's nicht einmal, weil es unanständig ist, zuzuhören, wenn zwei miteinander über einen dritten spredjen....

Trotzdem gefteht man es ihm auch heute noch ohne weiteres zu, baß er ein anständiger Mensch fei, belobt ihn mit furzen Worten rd freundlichen Bliden mehr aber hat man für ihn nicht mehr übrig. Cher noch ein mitleidiges Lächeln. Denn man weiß, daß ihn das Schidfal ausersehen hat, irgendwo an der Beripherie des Glülds zu bleiben, den anderen harmlos zuzusehen, sich in einer Welt, die nicht mehr die feine ist, nicht mehr zurechtzufinden- kurz: Ein anftändiger Mensch zu bleiben...

Man ist im Laufe der Zeisen auch etwas mißtrautsch ge worden. Denn nicht jeder anständige Mensch ist es aus einer un bebingter Lauterfeit feines Charakters heraus. Es wird schon Stimmen, daß es mcarthen unter ihnen einfach an der Entschlußkraft fehlt, die taufend Sniffe und Pfiffe, die im Leben so oft zum Erfolg verhelfen, anzuwenden. Daß fie nur einfach Hemmungen uner­worfen. find, die fie von jeder Stonturrenz von vornherein aus schalten. Daß sie die großen Farfeure des Lebens bewundern, ihre Zaten befteunen und es ihnen doch nicht gleichzumachen vermögen. Es gibt aber ohne Zweifel auch viele, viele andere, denen es unfaßbar erschiene, einem Mitmenschen etwas anzutun, oder sich auch nur auf Roften eines anderen zu bereichern. Das sind nun in Wahrheit die anständigen Menschen. Sie verschmähen es, zwei­deutige Geschäfte zu mochen wenn sie nicht überhaupt jedes Ge­fdhät als etwas unanftändiges betrachten und ihm prinzipiell aus dem Wege gehen. Sie verschmähen es, ihren Vordermann zu über flügeln und warten geduldig ihre Zeit ab. Sie werden über ihre Thimenschen nie ungünstige Nachrichten verbreiten, und Gerüchten,

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Zwei Minuten den Toten.

Benn die Uhr von Greenwich   am 11. November eines jeben, dem Waffenstillstand folgenden Jahres auf 11 Uhr zeigt, erheben in London   und allen Städten Englands die tausend und abertausend Bolicemen die Arme in die Wagrechte Der Verkehr steht still. Zur felben Minute ruht die Arbeit m Fabriken und Kontoren. 3mei Minuten schweigt der Werktag, im Andenken an die Toten des Arieges und den Tag, der dem Morden ein Ende bereitete.

unferen Argumenten Rechnung tragen, wenigftens die traffeften Ausschreitungen unterlassen, die härtesten Bedrückungen mildern werden. Sie haben uns aber immer wieder schmerzvolle Enttäuschungen bereitet, und gerade jetzt, da das Land unter den Folgen der von Ihnen herbeigeführten Wirtschaftstrife leidet, haben Sie alle Methoden der Unterdrückung gefsteigert. Tausende Staatsbedienstete wollen Sie brotlos machen.( 7000 Esen­bahner sollen entlassen werden, weil ihre tschechischen Sprachkenntnisse nicht genügend seien! Die Red.) Die Bodenreform wird zur gewaltsamen Nationalisierung mißbraucht, eine neue Drosse lung des deutschen   Schulwesens ist im Zuge, die Knebelung der Breß- und Versammlungsfreiheit ist härter denn je. Immer unverhüllter kommt der nationalistische Macht. gebante zum Ausdruck. In Wirklichkeit wird über die Lebens­fragen des Staates in fleinen Konventiteln entschieden, wird die Immunität bebenfentos preisgegeben, Interpellationen und selbst Sigungsberichte zenfuriert wir aber find nicht gewillt, dabei zu helfen. Wo gibt es ein Parlament, in dem das Budget bis auf die letzte Ziffer in geheimen Konventiteln zusammengestellt wird?! Nirgends in der Welt würde man dergleichen wagen! Hier verlangt man, daß wir dem Absolutismus die fonstitutionelle Staffage stellen sollen. Das Unrecht, das hier an der Opposition begangen wird, ist nur das Spiegelbild der Unterdrückung, unter der Millionen zu leiden haben, die nicht der Klasse der Herrschenden angehören. Nach sechsjährigem Beftehen dieses Staates gibt es noch Gebiete, die hier im Hause nicht vertreten sind. Sie haben den gemischtsprachigen Staat, wie es die Tschechoslowakei   ist, mit der tschechoslowatischen Nation identifiziert. Alle Kund­gebungen über die Festigkeit Ihres Systems tönnen nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses System in seinem Innern zerrüttet ist. Es läge sehr nahe, der Gewalt, die Sie anwenden, Gewalt ent­gegenzusetzen. Aber Sie hätten dann nur einen billigen Bor­wand, den Staatsangestellten und den Pensionären das zu ver­weigern, was Sie ihnen zu geben sich endlich entschließen. Darum betreten wir einen anderen Weg. Wir lassen Sie bei der Beratung

und Abstimmung des Budgets allein,

um jo zu zeigen, daß Sie nicht parlamentarisch und auch nicht demokratisch regieren.

Die Abstimmungsmaschine, die wir in diesem Hause zurüdlassen, wird niemand als Volksvertretung bebrachten können. Was wir heute tun, ist nur ein Versuch, das System des Absolutismus un  möglich zu machen, und wir sind überzeugt, daß uns dieser Versuch gelingen wird.( Beifall.)

Auch die anderen deutschen   Parteien gaben Erklärungen ab und verließen dann den Saal.

Polens   neuer Kurs.

Wichtige Erklärungen des Außenministers Skrzynski. Warschau  , 18. November.  ( Eigener Drahlbericht.) In einem aufsehenerregenden Interview des Echo Warszawskje erklärte der polnische Außenminister Strzynski, es wäre höchſte. Zeit, daß man aufhöre, die Welt in zwei Teile zu teilen: die Sieger und die Besiegten. Deutschland   and Rußland   müßten als völlig Gleichberechtigte auf die politische Arena treten. Polen   habe feinen Grund, den Eintritt Deutschlands   in den Bölker­bund und der allgemeinen Anerkennung Sowjetrußlands mit Be­fürchtungen entgegenzusehen.

Diese Aeußerungen sind um so bemerkenswerter, als Polen   während der Genfer   Völkerbundstagung eine sehr fühle Reserve gegenüber dem Eintritt Deutschlands   in den Völker­bund an den Tag legte. Allgemein hieß es fogar, daß gerade Polen   den Eintritt Deutschlands   in den Bölkerbund recht un­gern fehe. Anfang Oktober tam Graf Strzynski von Gen nach Paris   und äußerte sich Bariser Zeitungsvertretern gegenüber in einer Weise, die seine Besorgnisse gegenüber der neuen Ent­widlung der Dinge deutlich verriet. Es ist nun möglich, daß innerpolitische Gründe für diese bisherige Haltung maßgebend waren und daß der Umsch wung nach links, von dem in dem nachstehenden Drahtbericht die Rede ist, einen neuen außenpolitischen Kurs ermöglicht, für den es bei früheren gab. Im Interesse der europäischen   Entspannung und beson­lintsgerichteten Regierungen Bolens schon mehrfach Ansätze ders der deutsch  - polnischen Beziehungen würden wir es natür­lich lebhaft begrüßen, wenn sich Bolens zukünftige Außen­politik im Sinne der obigen Erklärungen Strzynskis orientierte.

Um 11 Uhr wurde Biadilly Circus, Londons   Potsdamer Plaz, das Herz Londons  , durch den Tag und Nacht, ohne Ende, das Blut des ungeheuren Berkehrs gepumpt wird, für die Dauer weniger Herzschläge still wie ein Friedhof. Das Rattern und Fauchen der Motorer fezte aus. Das Drängen und E.oßen, das Einander. Ueberholen und leberhaften auf Straßen und Bürgersteigen hörte mit einem Schlage auf. Die vielfach gestaffelte the der Autos und Omnibusse erstarrte, wie von einem geheimnisvollen Zauber­stabe berührt. Die Krane, die über dem Neubau im Süden freisten, hielten an, und die Arbeiter, die das ale Versicherungsgebäude eit reißen, verharren, die Werkzeuge in ihren Händen,

Die Menge, die die Straßen überflutet hat, steht still, schweis

gend, die Männer mit entblößtem Houpte. Alle die dumpser und hellen tausendfälligen Geräusche der großen Stadt find gespenstisch in sich zusammengejailen. Eine Stille bricht herein, unheimlich für das Dhr, das das Brausen der Stadt gewohnt ist, an jene endlosen bangen Gefunden gemahend, wenn in den großen Schlachten des Weltfr: eges wenige endlos bange Gefunden das Schweigen und die Stille vor dem Sturm eintraten. Wenn das Einzelfeuer der Ge­wehre aussehe, Maschinengewehre und Geschüße schwiegen, um wenige Sekunden darauf mit einem Male wie ein ungeheures Ge mitter loszubrechen. Lie vergessene Sonne steht plöglich, eine große schweigt, mitten im Alltag, die ungeheure Stadt. Zwei lange rote Scheibe, im dünnen seidigen Nebel am Himmel. Zwei Minuten Minuten benfen Millionen on bie Toen bes Krieges und den Tag des Waffenstillstandes für Deutschland  , einen bitterbösen Tag, an dem die größte Tragödie feiner Geschichte sich erfüllte.

Hier ein Tag des Sieges und des Triumphes. Aber in Hal tung und Bild der stummen Männer umb Frauen, die hier mitcer im Alltag die Toten ihren, spiegelt sich nich.s mehr von der Eitel­feit des Sieges, fein Abglang jenes Laumels, der diese Stadt can foll. In ihnen spiegelt sich nichts als der unpathetische Ernst, als historischen 11. November 1918 wie eine wilde Orgie erfaßt haben Erinnerung an Entbehrung daheim, an die Nächte des Grauens in Flandern  . Gemeinsame Erinnerungen von Hunderttausenden, von Millionen hüben und drüben, die der Zufall des Blutes und der Geburt' n diefes oder jenes Land, in diesen oder den gegenüber­liegenden Schützengraben gestellt hat. Die von irgenbeiner patrio tischen Vereinigung herausgegebene Barole, an diesem Tag die alten Striegsmedaillen anzulegen, wor nicht befolgt worden. Den Invaliden, feine einzige medaille, fondern nur die fünftliche rote ganzen langen Tag sah ich, außer im Knopfloch eines bettelnden Mohnblume, Erinnerung an Flanderns Mohn, die im Namen der Wohltä.igkeit der Fürsorge für Kriegsopfer und Hinterbliebene von hunderten von Frauen in den Straßen verkauft wurden. Nach fechs Jahren fonnte der Feind von gestern hier unter den ehemaligen Feinden stehen, mit ihnen vereint der Loten gedenkend, unbehelligt felbst dann, wenn er nicht unbekannt, ein Namentofer unter den Namenlojen, stünde, fondern wennt ihm bas Mal, ein Deuifcher zu fein, fichtbar auf die Stirn geschrieben wäre.

Die zwei Minuten find um; ein Kanonenschuß zeigt es an, der von fernher in die gläserne Stille tönt. Ein erstes Autohupen, wie ein ferner Bogelruf. Dann zerbricht der Bonn  . Die Policemen geben das Zeichen. Die Motoren erwachen aus ihrer Erstarrung. und die unendliche Melodie der Großstadt braust wieder über uns hin, Und toum ist man ein paar Schritte weiter, fo rufen die