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Nr. 55141. Jahrgung

1. Beilage des Vorwärts

Amsel, Drossel, Fink und Star...

Eine Vogelschau.

Die fliegenden Gäste unserer Wälder und viele egotische Bunt| Strpfe. Sogar die Kanarienbaftarde haben reizende Bertreter ent heit steht und hört man in luftiger Beweglichkeit in der großen fandt, und zwar Hänfling- Kanarie, Stieglitz- Kanarie, Lenzeisig­Vogelschau, die sich zurzeit in den Sophiensälen in der Sophien- Kanarie sowie Grünfint- Kanarie. Wer kennt die Völker, nenri straße niedergelassen hat. Die Bereinigung der Bogellieb­die Namen, die gaftlich hier zusammentamen", tann man ausrufen, haber des Landesverbands Preußen hat mit einem überaus inter - leuchtendsten Farben hüpfen und springen vor unseren Augen, und wenn man die Eroten betrachtet. Die denkbar schönsten und essanten schönen Material die Ausstellung beschickt. ein grelles Abzeichen erhebt ein einfarbiges Gefieder zu unvergeß­licher Schönheit. Da sind vor allen Dingen die Soldatensfare mit ihrer leuchtend bunten Bruft. Mit ihnen wetteifern in Farbenfchön­heit die Kardinale, sowohl die grauen mit ihrer roten Haube als auch die ganz roten. Eine Sehenswürdigkeit an sich sind natür­lich die Paradieswitwen mit ihrem langen Gehänge. Doch ver­schwinden zwischen den gewichtigen, funterbunten Bögeln die lieb­

Die Einheimischen.

Man sieht in einem Gesellschaffstäfig Goldhähnchen und Zaun­fönig, unsere zortesten Weichfresser, während nicht weit von ihnen ein großes Meisenheim errichtet ist. Volieren sind mit unseren ein­heimischen Körnerfresferu besetzt, mit Stiegligen, Rothänflingen, Steinhänflingen, Dompfaffen, Zeifigen, Birkenzeifigen, Girlißen, Buchfinken, Goldammern, Kreuzschnäbeln und Erlenzeisigen. Die Königin unter unfern gefiederten Sängern, die unscheinbare Nachti­gall, ist mehrfach vertreten, ebenso die fangesfreudige Schar der Lerchen, nämlich die Heidelerche, die Feldlerche, die Alpenlerche, die Baumlerche und die Kalanderlerche. Schwarzbrossel und Schwarz­plättchen, Singeroffe! und Ernpfrohrfänger, Biesenpieper und Baumpieper fehlen nicht, selbst das durch Selma Lagerlöfs Christus. legenden fagenumwobene Rotfehlchen hat sich eingestellt. Familie Grasmüde ist auch mit Kind und Kegel und der ganzen Gevatterschaft angerüdt: Zaungrasmüde, Dorngrasmüde, Gartengrasmüde, Sperber­grasmüde, Mönchsgrasmüde, Müllergrasmüde, Gelbe Grasmüde und bie Orpheusgrasmüde. Doch finden auch die Würger ihre Liebhaber und Pfleger, und der rotrüchige Bürger ist durch mehrere Exemplare ver teten. Geschickt und lehrreich ist die Anordnung. So wird uns u. a. die Wohnung der Blaufehlchen derart veranschaulicht, daß wir wirt. lich ein Stückchen Notur vor uns haben. Alle können wir sie be wundern, die Klettervögel und die Sänger. Es fehlt weder der Spah, noch der Eichelhäher, der Papagei unserer Wälder, und selbst die Blau­

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Alte Papageien

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rafe, das Juwel unferes Baldes, schaut uns aus flugen Augen an. Bon den Kanarienvögeln fann man behaupten, daß sie die Aufmert­famteit richtig herausfordem.

Die fremden Exoten.

Ein Züchter hat die Liebhaberei, einen möglichst dunklen Farben schlag herauszubringen. Doch er sieht auch auf Gestalt, weshalb das Bauer mit seinen schönen schlanken Bögeln immer von Kanarien­liebhabern umlagert ist. Desgleichen sind zwei weiße Kanarienedel­hähne interessant, sie sind beide Nachtigallenschläger, der eine ist ganz glatt, der andere aber trägt ein fein getolltes Federhäubchen auf dem

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Der Mittelweg.

Bon Sir Philip Gibbs.

Bater," wandte sich Icŋce in einem Aufschrei halb der But und halb voll geheimer Angst zu dem Alten um, ich fann es nicht glauben! So etwas hast du nicht tun können!"

Ja, wovon sprichst du denn, Kind?" Lord Ottery hatte wieder seinen leeren Blid und jah mit dem halb offenen Munde aus wie ein dummer alter Bauer.

" Das Haus zum Verkauf anmelden!" D, das Haus? Mein Gott, wer hat dir das gesagt? Ist es wirklich zum Ver­fauf angemeldet? Ich habe davon nichts in den Zeitungen gelesen."

Joyce padte den Arm ihres Vaters und schüttelte ihn. Bater, fag die Wahrheit! Willst du Holme Ottery wirklich verkaufen?"

Berkaufen, Kind? Wer kauft es denn? Kein Mensch in der Welt. Sieh dir's an, Joyce! Es verfällt ja, es würde Schrecklich viel Geld foften, es zu erhalten. Der richtige weiße Elefant! Und nun erst die Einkommensteuer, Grundsteuer, Erbschaftssteuer, Arbeitslöhne."

" Hast du es zum Verkauf angemeldet? Ja oder nein?" Jonce trat mit dem Fuße auf, und ihre blauen Augen blitzten in die wäfferig- grauen ihres Vaters. Der sah einfältig zu Bertram hinüber, den er bis jetzt gründlich unbeachtet ge­lassen hatte." Liebe Jonce," sagte er in seiner langsamen Weise, sprich doch nicht so herrisch mit mir! Ich bin ein alter Mann, und es geht mir verflucht schlecht auf meine alten Tage. Ich hab auch ein bißchen Recht auf Ruhe und Frieden."

Bater, hast du es zum Verkauf angemeldet?" Er zögerte, trat unruhig von einem Fuß zum anderen und grub mit seinem dicken Stock einen Stein aus." Na also, Kind, ich habe diefen verdammten Burschen Hurfted und Wells vorgeschlagen, daß sie sich nach einem Angebot umschauen follen."

Damit hatte er eingestanden, daß Holme Ottern tatsächlich verkauft werden sollte, das begriff Joyce sehr gut.

"

"

Aber das ist Berrat!" rief fie, Berrat an Alban und uns allen. Wir erlauben es nicht. Wir verhungern lieber. Mit Holme Ottern ist unsere ganze Geschichte verwachsen. Mit dem Hause stehen und fallen wir, ohne das Haus sind wir

nichts."

Ja, mein Kind, es ist eing roßes Opfer," feufzte der alte Graf von Ottern, der Zehnte seines Geschlechts. Nun sah auch er zu dem Schlosse herüber, das seine Ahnen erbaut und mit

Rohrdommelnest

こう

Japan- Mövchen

lichen Zierlichkeiten des Orients nicht. Gar zu munter sind die japa­nischen Mönchen, die Zebrafinfen, die Schmetterlingsfinken, die Bandfinden, die Silberschnäbelchen, die Mosambikzeisige, die Schuppenföpfchen, die Mustaifinfen, die weißen und blauen Reis­finfen sowie die blaugrünen Zuckervögel, die man Bitpit nenn. Die Gesellschaftstäfige find gefüllt mit tarantinischen Unzertrennlichen, grünen , gelben, oliogrünen, blauen und satinetten Wellensittichen. Groß ist das Heer der Plappermäuler, denn von Papageien sind u. a. vertreten die grauen, ferner die Gelbnaden-, Doppelgelbtopf, Blau­stirns, Rotftirn-, Weißkopf- und Blaubartamazemen. Haben diese Tiere fich an das falte Klima gewöhnt, so fönnen sie sehr alt werden. So gibt es hier in Berlin eine 35jährige Blaufopfamazone, die ein ausgezeichnet r Sprecher ist, manches Bort, das sie wußte, schon ver­geffen bat, jedoch noch heute Neucs aufnimmt und mit Leichtigkeit ganze Säße hinzulernt. Naturforscher haben stets behauptet, daß Papageien in ihrem Heimatlande ein erstaunlich hohes Alter erreichen fönnen. Es soll aber auch erwiesene Tatsache sein, daß in Deutsch land, also in der Gefangenschaft, ein Papagei, der schließlich ein alt­ehrwürdiges Familienerbstück wurde, ein Alter von 107 Jahren erreichte. Eine Sensation der Ausstellung ist ein Weißbauchpapagei. Viele von seinen Artgenossen sind bislang noch nicht nach Europa gekommen, darum fehlt er in den meisten Zoologischen Gärten. Ein Kakadu und zwei Arara hocken auf ihren hohen Ständern. Bei ihnen fann man verschiedene Temperamente studieren, während der Kaladu unaufgefordert Kunststückchen über Kunststückchen zeigt, findet ein roter Arara immer neue Gründe, um sich zu ärgern. Unter den Hun derten von Vögeln sind noch viele Sehenswürdigkeiten, von denen hier nur noch eine weiße Bachsteize und ein Sonnenvogel aufgenannt seien. Die Anhänglichkeit der Papageien wird von vielen Besitzern gerühmt. Daß die Tiere ihre früheren Besizer wiedererkennen,

ihrem Ruhme angefüllt hatten, und seine Augen standen voll Tränen. Ein großes Opfer," wiederholte er mit brechender Stimme.

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" Ich werde es mit Mutter besprechen," rief Joyce in wilder Aufregung.

"

Ja, das tu, mein Kind, lächelte der Alte erleichtert und Streichelte ihre Hand. Mutter ist im Bibliothefzimmer." Jonce war schon die Stufen hinaufgeeilt, und Bertram sah die schlanke knabenhafte Gestalt im Innern des Schlosses ver schwinden.

"

" Frauen reden gern," meinte der alte Graf. Und es ändert doch nie etwas." Er streichelte seinen roten Bart und nahm Bertrams Arm, auf den er sich etwas schwer stützte. Das hatte er noch nie nötig gehabt. Alles Reden in der Welt wird uns die alten Berhältnisse nicht zurückbringen," fuhr er fort, uns fann nur harte Arbeit, eine ehrliche Regie­rung und weise Führerschaft helfen Wir sind alle arm ge­worden und müssen uns in die Armut fügen."

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Sonnabend, 22. November 1924

bafür erbrachte in der hiesigen Ausstellung eine Amazone den Beweis. Eine in Lübed wohnende Kontoristin, die während der Inflationszeit in Not geriet, verfauste schweren Herzens Lora nach Holland . Das Schidfal fügte es, daß sie in der Bogeiausstellung Beschäftigung fand,

Zahme Dohle

Paradies witwe

und das Schicksal fügte es feiner, daß auch der Papagei in diese Aus­stellung verfchlogen wurde. Beide erkannten sich, und der Papagei befundete laut Freude.

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In der Abteilung für Bogelzucht und pflege fieht man die verschiedenen Behausungen, die dem Bogel alles bieten, was er braucht. Da gibt es ist fästen für Käfigvögel, zerlegbare Zimmer volieren mit leicht herausnehmbaren Zweigen, abgesonderten Bade­häusern und Futterfästen. Ueberdies gibt es prattische Käfige für Waldvögel, während durch ungeeignete Käfige eindrucksstark demon­ftriert wird. wie man die Tiere nicht halten darf. Winterfutterhäuser und Nistkästen aller Art reden von der Fürsorge der Menschen. Sehr anschaulich sind für Meisen bestimmte Futterringe an einer Tanne angebracht. Nester mannigfachster Art haben fleißige Sammler herbeigetragen. Wir sehen die sorgsam gebauten Wohnungen der Drossel, den Finken und der Nachtigall. Besonders auffällig aber ist die Bauweise des Pirols, der einen auserlesenen Geschmad und eine starte fünstlerische Begabung bei der Herstellung seiner Wohna stätte bekundet.

Die Schau ist bis zum 23. November abends geöffnet.

Im Streit um die Frau erschlagen.

Der gewaltsame Tod des Schlächters Korn, über den wir be­rich'eten, ist jetzt aufgeklärt. Am Donnerstag abend rief der Schlüch­ter Reinhold Blumenberg das lieberfallkommando des Polizeipräsi diums Charlottenburg nach dem Laubengelände am Tegeler Weg. Als die Beamten erschienen, erklärte er ihnen, daß er mit seinem Geschäftsfreunde, dem Schlächter Artur Kern , Streit gehabt habe und fürchte, von ihm wieder angegriffen zu werden, weil er ein gewalttätiger Mensch sei und einen Revolver befize. Die Beamten aber fanden Korn mit zertrümmertem Schädel tot in dem gemeinsamen Pferdestall liegen. Blumenberg gab jetzt zu, daß er Korn, mit dem er auf dem Mark in der Suarezstraße schon Strach" gehabt habe, in Fortsetzung des Streites im Pferdeſtall mit der Faust geschlagen habe. Als man ihm nachwies daß dann der Schädel nicht so zertrümmert sein könnte, gestand er, seinen Gegner auch mit dem Kopf auf das Steinpflaster ge­worfen zu haben. Die Kriminalbeamten des 3. Bezirks Char­lottenburg durchsuch en gestern die Laubenbehausung und fanden dabei eine Art, an der noch Gehirnmasse tlebte. Sie nahmen Blumenberg noch einmal ins Gebet, und er gab jeht zu, daß er mit dieser Art den tödlichen Schlag geführt habe. Der Streit war um die Frau Korns entbrannt. Die Männer waren

schließlich am See, wo Alban auf einem umgestürzten Boote faß und in die Sportzeitung vertieft mar. Hier war er nicht der elegante Londoner . sah aber in seiner alten vertragenen Sportkleidung viel besser aus als in weißen Gamaschen und was dazu gehört.

Mute war, denn er hatte für seinen Schwager nicht viel übrig. ,, Guten Morgen!" rief Bertram herzlicher, als ihm zu Hallo! Mit Joyce hergekommen?" Worauf er seine Lektüre Alban sah von seiner Zeitung auf und sagte mild erstaunt:

fortsetzte.

Da er fich zu feiner ferneren Bemerkung herbeiließ, setzte Bertram, innerlich wütend, seinen Weg fort.

Verdammter, unausstehlicher, eingebildeter Kerl! dachte er im Weitergehen, ertappte sich bald aber dabei, wie er für Albans Benehmen eine Entschuldigung suchte und sich selbst des irischen" Fehlers der Empfindlichkeit zieh, die Beleidi Regie- gungen sucht, wo feine beabsichtigt sind. gungen fucht, wo feine beabsichtigt sind.

Dann fragte er Bertram, ob er etwas über die Lohn­verhältnisse des Mittelalters wüßte. Das sei ein riesig inter­effantes Thema.

24.

Joyce blieb bei ihrer Mutter im Zimmer, und Bertram war sich den ganzen Vormittag selbst überlassen. Zum ersten Male fühlte er sich in diesem vornehmen Hause isoliert. Lord Ottern hatte nach dem kurzen intimen Gespräch plötzlich seine zerstreute Miene angenommen, seinen Arm losgelassen und ihm zu verstehen gegeben, etwa in der Art, wie man einen Diener entläßt, daß er jetzt allein zu sein wünsche, um zu

arbeiten.

Bertram streifte durch den Park und begab sich schließlich zu den Pferdeställen, die aber recht leer geworden waren. Er wechselte ein paar Worte mit den Grooms, die mit ihm alte. Kriegserinnerungen auffrischten." Möchtet ihr das alles noch einmal durchmachen?" erfundigte er sich. Sie lachten wie über einen guten Wig. Dann kam die Rede auf den Streit, und Bertram mußte zu seinem Erstaunen hören, wie diese Männer aus dem Volke die streifenden Arbeiter aufs schärffte ver­dammten. Die sollte man mit Maschinengewehren bearbeiten, das Gesindel! diese blutigen Bolschewisten!" Also für die eigene Klaffe, ihre Mitbrüder, hatten sie nicht das geringste Verständnis. Ihr Horizont ging nicht über das alte, feudale Haus hinaus, in welchem sie dienten und bezahlt bekamen. Deshalb hingen sie zäh an der alten Ordnung der Dinge. Der Krieg hatte ihre Mentalität nicht die Spur geändert.

Nach kurzem Gruße ging Bertram weiter und fand sich

Aber beim Lunch kam die alte Stimmung wieder über ihn, als Joyce und ihre Familie seine Anwesenheit fast völlig ignorierten. Da die Diener zugegen waren, wurde der Ver­fauf des Schlosses nicht erwähnt, und man besprach allerhand gesellschaftliche oder politische Themen. Sollte der Streif zu Unruhen führen, so war schon eine Abwehr geplant, welche General Bellafis organisieren sollte.

,, Scheint das nicht unnötig?" bemerkte Bertram. Alban sah ihn falt an, als ob sich ein Untergebener eine impertinente Bemerkung erlaubt hätte, und sagte scharf: Außerordentlich notwendig!"

Bellasis kommt Ende der Woche über Sonntag nach hier," erzählte der alte Graf, dann wird er alles berichten."

Bertram schaute zu Joyce herüber und hätte gern gewußt, ob der Besuch diefes ihm unleidlichen Mannes auf ihre Ver­anlassung stattfand. Als sie seinem Blick begegnete, errötete fie leicht. Sie schien wieder leidenschaftlich geweint zu haben und tat ihm leid. Wenn man sie an dem uralten schweren Eßtisch siten fah. unter den alten Ahnenbildern, von welchen manche ihr so ähnlich sahen, war es schwer. sich die Möglichkeit vorzustellen, dies alte Heim zu verkaufen. Sie hatte den Blaz neben ihrer Mutter und zerfrümelte mit dem gereizten Aus­druck in dem schönen Gesicht, den er von zu Hause jetzt so gut kannte, ein Stück Brot.

Die Begrüßung von seiten seiner Schwiegermutter war äußerst fühl gewesen. Sie hatte ihm mit eifigem Lächeln die Wange zum Kuß gereicht, eine Bemerkung über den scharfen Frost dieser Nacht geäußert und dann das Gespräch mit Alban fortgefeht, als ob der Schwiegersohn nicht vorhanden wäre ( Fortlegung folgt.)