Nr.559 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 284
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Vorwärts
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Nun geht die Hehe erst recht los.
Paris , 26. November.( Eigener Drahtbericht.) General| v. Nathusius, der noch am Dienstag die von ihm zu erfüllenden Formalitäten erledigt hatte, ist am Mittwoch morgen um. 6 Uhr von feiner Begnadigung in Kenntnis gesetzt worden. Er wurde sofort aus dem Gefängnis entlassen und hat mit dem nächsten Zuge Lille verlassen. Bereits am Mittwoch abend gegen 7 Uhr hat er die französische Grenze bei Forbach über schritten. Damit hat der Zwischenfall, der einen Augenblid lang die deutsch - französischen Beziehungen aufs neue zu vergiften drohte, eine Beilegung gefunden, die dem Verständigungswillen des Kabinetts Herriot ein Zeugnis ausstellt, an dem teine deutschnationale Kritik
mehr rütteln fann.
Die schnelle Beilegung, die der Zwischenfall Nathusius durch die französische Regierung erfahren hat, ist um so anerkennens werter, als die Art, wie die deutschnationale Agitation diefe Affäre zu Wahlzwecken ausbeutete, es dem Kabinett Herriot wirklich nicht leicht gemacht hat, die Begnadigung des vom Liller Kriegsgericht verurteilten deutschen Offiziers auszusprechen. Man wird ausnahmsweise dem„ Temps" beipflichten dürfen, wenn er am Mittwoch abend in seinem Kommentar zu dem Fall Nathusius schreibt, es sei unmöglich, an eine wirkliche Besserung der deutsch französischen Gesinnung zu glauben, solange von reaktionärer und nationalistischer Seite in Deutschland jeder Zwischenfall in der gewissenlosesten Weise ausgebeutet werde, um den haß lebendig zu halten und neu zu schüren. Frankreich ." so fährt das Blatt fort,„ hat gerade in der jüngsten Zeit so ettatante Beweise feines Friedenswillens und feiner Verständigungsbereitschaft gegeben, daß dies auch von deutsch nationaler Seite anerkannt werden müßte und daß, wenn die deutsche Politik wirklich nur die friedliche Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches zum Ziele hat, man auch in Berlin einmal fünf gerade sein lassen muß. Statt dessen versucht
die na'icnalistische Presse in Deutschland , jede von den Alliierten gemachte Ronzession und jedes der deutschen Regierung freiwillig gewährte zugeständnis als einen Erfolg hinzustellen, den die deutsche Diplomatie der Entente abgerungen hat. Glücklicherweise steht zu dieser nationalistischen Pressekampagne die Rede, die der ReichsPanzler Marg in Köln gehalten hat und in der er feine Absicht, die Politik internationaler Verständigung weiter zu verfolgen, in
erfreulichem Gegensatz. Die franzöfifche Regierung hat diesen Weg deutschen Regierung, auch ihrerseits in voller Loyalität mitzuarbeiten, den internationalen Horizont zu klären."
längst und mit dem besten Willen betreten. Es ist nunmehr an der
Die Poincaristen interpellieren! Paris , 26. november.( Elgener Drahtbericht.) In den Wandelgängen der Kammer verlautete am Mittwochabend, daß mehrere Abgeordnete der Reaktion die Regierung am Mittwochabend nach Erschöpfung der Tagesordnung über die Begnadigung des Generals Nathufius zu interpellieren beabsichtigen. Herriot wird in diesem Falle die Interpellation voraussichtlich sofort beantworten.
Die Aktion der französischen Bürgerblöckler wird als eine Entlastungsoffensive für ihre start ins Gedränge gekommenen deutschen Gesinnungsgenossen anzusprechen sein. In einem Augenblic, in dem der deutsch - französische Frieden auszubrechen droht, müssen eben alle Kräfte zusammengefaßt werden, um eine solche Geschäftsstörung zu verhindern.
Inzwischen fährt die deutsche Rechtspresse fort, in ihrem Nez hilflos zu zappeln. Die Deutsche Zeitung" zieht aus dem Fall Nathusius die Lehre, daß mit dem„ feigen, händlerischen, jüdisch beeinflußten Getue" der bisherigen Regierungen Schluß gemacht werden muß. Das tapfere Blatt findet es richtig, daß der General die Begnadigung angenommen hat, um sich den Klauen des Beinigers zu ertwinden," verteidigt aber das Menschenrecht, hinterdrein diejenigen, deren Gnade man angenommen hat, Beiniger" zu schimpfer..
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Die Deutsche Tageszeitung" bläft in dasselbe Horn. Sie meint, Nathufius sei nur begnadigt worden, damit den deutschen Schildknappen der Franzosen" das Ronzept nicht verdorben werde. Daran knüpft dann das Agrarierblatt folgende schurkische Berleumdung:
Es sei nur daran erinnert, mit welcher Gleich mütigkett seinerzeit das Schicksal tausender im Ruhrkampf ver: urteilter Deutfcher gerade von der sozialistischen Presse behandelt wurde.
Das schreibt ein Blatt, dessen ganze Politik darauf ausgegangen ist, die Qualen der Ruhrgefangenen und der Ruhrdeutschen überhaupt zu verewigen!
Für den Berliner Lotal- Anzeiger" beweist die Begnadigung des Herrn v. Nathufius ganz klar, daß man am 7. Degemberrechts rechts wählen muß. Die Begnadigung sei ,, widerwärtig und unfittlich", denn fie fei erfolgt, um die deutschen Sozialdemokraten zu unterftügen. Man tonne also genau erkennen, wo der äußere Feind Deutsch
lands seine Bundesgenossen sieht und sucht." Das Blatt leistet sich zugleich ein niederträchtiges Fälscherkunststück gegen die Pariser Oeuvre", die angeblich den deutschen General Bariser Deuvre", die angeblich den deutschen General frech beleidigt" haben soll. Das genannte Blatt ist in feinem politischen Teil mit der größten Entschiedenheit für Nathufius eingetreten. Im Feuilleton fand sich allerdings Im Feuilleton fand sich allerdings eine satirische Plauderei, in der behauptet wurde, daß im eine satirische Blauderei, in der behauptet wurde, daß im Kriege alle Generäle flauten, besonders auch die französischen, daß dies jedoch lange noch die gemütlichste Seite des Krieges sei, weshalb es lächerlich wäre, nach Jahr und Tag um ein verloren gegangenes Geschirr zu prozessieren.
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In der Wahlbeilage der deutschnationalen Provinzpresse 3erbrecht die Ketten!" befindet sich ein Artikel aber nein, das muß man im Wortlaut genießen, genau nach Vorlage, wie es dort gedruckt steht: Nathusins!
Mit blutigen Lettern steht auch dieser Name in der Geschichte der deutschen Republit eingetragen. Man denbe:
Das Frankreich des Sozialdemokraten Herriot lockt den 70jährigen General von Nathufius über die Grenze, setzt ihn gefangen und übergibt ihn einem Kriegsgericht ehrlofer franzöfifcher Schurten.
Die Unschuld des Greifes ist sonnentlar. Trotzdem brachte das Schurkengericht die Infamie fertig, Herrn v Nathusius zu einem Jahr Gefängnis zu verurtei=
ten. Und was tut die Reichsregierung, um diesen Bürger vor sadistischer Rache der Leute des Sozi Herriot zu schützen? Ergreift sie Repreffalien? I wo! Sie wartet ab! Wartet vielleicht folange, bis Herrn v. Nathusius der große Befreier Tod die Kerter
tore öffnet.
Der„ Vorwärts" aber, das rote Schandblatt, wagt es, den Fran30sen Hilfsdienste zu leisten, indem er die Unschuld des ehrenwerten 70jährigen deutschen Soldaten in Zweifel zieht, dann aber will, daß
man
bei Herriot um Gnade winfelt! geschehen, seit Umsturz und Demutspolitik das deutsche Volk wehrlos Grade!"" Für das Opfer franzöfifcher Juftiz!" So etwas tamm feinen Feinden preisgegeben haben.
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Er ist der Halbgott, die große Hoffnung unserer Demokraten und Ganzroten, von ihm erwarten sie den Geist der Versöhnung und Verständigung"! Tag um Tag wüten unter seiner Herrschaft die sog.„ Kriegsgerichte" gegen deutsche Brüder weiter, bis sie jetzt im Fall Nathufius einen neuen Gipfelpunkt der Niedertracht er reicht haben.
Bergeßt nicht eine Stunde Namen, wie die des Helben Schla. geter und des Greises Nathusius! Wo ist der Unterschied zwischen Boincaré und Herriot ? Erbärmlicher Schwindel ist es, dem deutschen Volt zu sagen: Auch in Frankreich herrscht jetzt ein neuer Geift.
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Index und Wirklichkeit.
Kein Teuerungsmaßstab für ein Existenzminimum. Bon Kurt Heinig , Mitglied der Reichsinderkommission.
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Es wurde im Vorwärts" schon kurz mitgeteilt, daß die Reichsinderkommission zusammengetreten ist, um über die dringend notwendige Verbesserung der Inderberechnung zu beraten. Im besonderen durch die Anwendung der zurzeit unzureichenden Inderziffer bei sogenannten Real lohnberechnungen, wie sie das Reichsstatistische Amt in Wirtschaft und Statistit" fortlaufend veröffentlichte, sind Auswirkungen entstanden, die die Gewerkschaften nicht länger ertragen durften. Infolge ihres Einspruches und als Resultat der Beratungen der Inderkommission hat sich das Reichsstatistische Amt entschlossen, bis zur Erledi gung der Inderberechnungen von der Veröffentlichung weiterer Reallohnberechnungen abzusehen. Am nächsten Donnerstag tagt in Berlin eine Konferenz aller landesstatistischen Aemter, ihr folgt dann am 2. Dezember wieder die Reichsinderkommission.
Der innere Aufbau der Reichsmeßziffer ist nur wenig befannt. Deswegen greifen auch so viele Kritiken daneben. Der Reichsinder entsteht auf die Art, daß aus 72 Kommunen( den sogenannten Eildienstgemeinden) auwöchentlich, von Arbeitnehmern und Arbeitgebern mitunterschrieben, die Lebensmittelpreise, Wohnungsmiete usw. nach Berlin gemeldet werden. Naturgemäß würde bei den Feststellungen der Teuerungsdurchschnittszahlen ein falsches Bild entstehen, wenn einfach der Kilopreis für Kartoffeln z. B. mit dem Kilopreis für Pfeffer zusammengezählt und dann die Veränderung gegenwürde. Das Gewürz spielt im Haushalt eine andere Rolle als über der gleichen Berechnung für die Vorwoche festgestellt Kartoffeln, Fleisch, Brot usw. Aus diesem Grund werden die einzelnen Teuerungszahlen. auf denen der Reichsindex beruht, oueinander in ein bestimmtes Verhältnis gesetzt. Amtes summiert die 53 Warenpreise, die von den EildienstDas Wertigkeitsschema des Reichsstatistischen gemeinden gemeldet werden, in 17 Gruppen. Diese 17 Gruppen Familie nach dem vierwöchigen Bedarf aufgebaut. Hier sind auf den wichtigsten Lebensbedürfnissen einer fünfköpfigen beginnt sehr häufig schon ein Irrtum. Viele Leute halten diese Wertigkeitszahlen für ein Eristenzminimum. machen dann für den unzureichenden Reichsinder die angeblich Das ist aber, wie schon gesagt, ein Irrtum. Die Lebensbedürf zu gering eingesetzten Lebensbedürfnisse, wie sie das Reichsstotistische Amt als Wertigkeitsschema benutzt, verantwortlich. nisse, die in jenem Wertigkeitsschema erfaßt sind, kosteten nach den Berechnungen Kuczynskis im vergangenen Monat 160 M. Es gibt viele Arbeiter, die wöchentlich 35 bis 40 m. nicht verdienen. Die Mängel des Reichsinderes liegen also in an= deren Ursachen.
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Die nach dem Wertigkeitsschema errechneten Rohdurchschnitte werden wieder nicht einfach zusammengezählt, sondern sie werden, wie man das technisch nennt, noch einmal gewogen. Die 72 Eildienstgemeinden sind nach ihrer Größe in sechs Gruppen zerlegt. Aus den Teuerungszahlen der diesen sechs Gruppen angehörenden Eildienstkommunen wird je eine Durch, hnittsteuerungszahl gewonnen. Diese wird dann mit der Gesamtzahl der Einwohner der Städte ihrer Größengruppen multipliziert. Aus den so erzielten Durchschnitts3ohlen wird dann erst die Reichsinderziffer( Ernährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung und Bekleidung) berechnet.
Wer daran denkt und am 7. Dezember den Linksparteien feine Stimme gibt oder wer gar nicht wählt, der ist bewußt ein Verräter am Vaterland! Dieser Lyrik in Profa folgt dann unmittelbar folgende schilderte Berechnungsmethode unserer Indexziffer Poesie:
Aus der Inflationsnot, wer rettete Dich?
Der Deutschmationale Selfferich! Dant ihm die Tat der Rentenmart: Das Vaterland mach' frei und start!
Ja, und das bekommt in Deutschland Stimmen! Das war im verflossenen Reichstag stärkste Fraktion! Das will Deutschland regieren! Gibt es in Innerafrifa noch einen Negerstamm, der sich solche Führer gefallen ließe?!
Der Dank des Generals. Paris , 26. November .( WTB.) Wie die„ Agentur Havas " aus Paris , 26. November .( WTB.) Wie die Agentur Havas " aus Lille berichtet, ist der Bericht zur Freilassung des Generals v. Nathusius gestern abend um 9 Uhr bei der Präfeftur eingetroffen. Die Präfektur hat sofort Borkehrungen getroffen, daß die Nachricht fich in der Stadt nicht verbreitete, hat aber unverzüglich den General im Untersuchungsgefängnis von seiner Begnadigung in Kenntnis segen lassen. Der General erklärte darauf folgendes:
Ich bin sehr glücklich daß die franzöfifche Regierung diese Entscheidung getroffen hat. Ich werde nunmehr baldigst meine Famille wiedersehen. Was man getan hat, ist gerecht, denn ich
bin unschuldig."
Bevor General v. Nathufius heute früh das Untersuchungsges fängnis verließ, drückte er seine Befriedigung über die ihm zuteil gewordene Behandlung aus. Heute früh um 7 Uhr 15 min, hat er Lille verlassen und ist um 7 Uhr abends in Forbach eingetroffen.
Es muß immer wieder betont werden, daß die eben geobjektiv zuverlässig ist. Man meint häufig, es ginge dabei nicht richtig zu. Diese Annahme beruht zumeist darauf, daß in die Inderziffer etwas hineingedacht wird, was gar nicht in ihr liegt. Sie ist im besonderen féin Teuerungsmaßstab für ein Eristenzminimum.
Natürlich wird die Teuerung vom Reichsstatistischen Amt zuerst in waren gemessen, die im Arbeitnehmerhaushait eine entscheidende Rolle spielen. Dennoch drückt die aus dem Inder sich entwickelnde Preisturve nicht die volle Teuerung einer bestimmten Lebenshaltungshöhe des Arbeitnehmers aus. Das geht schon daraus hervor, daß die derzeitige Berechnung nicht durch all die Ausgabeposten einen Querschnitt zieht, die im Arbeiterhaushalt heute eine entscheidende Rolle spielen. Ebensowenig zieht sie einen Querschnitt durch irgendein Friedensexistenzminimum des Arbeitnehmers. Sie ist nichts anderes als eine Teuerungsmeßziffer, die, wie son einmal gesagt, nur durch einen Teil der Lebenshaltungskosten des Arbeitnehmers hindurchgerechnet wird.
Nehmen wir zwei Beispiele:
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Der Reichsinder wird heute in seinem Gesamtdurch schnitt mit Hilfe der Unterfriedensmiete nad unten forrigiert. Praktisch liegt es aber so, daß schon seit langem die Mehrzahl der verheirateten Arbeitnehmer durch eigene Nebenaufwendungen für die Instandhaltung ihrer Wohnung zur Unterfriedensmiete einen erheblichen Zuschlagzahlen, und daß die Wohnungen heute weniger wert sind als in Friedenszeiten, die für sie gezahlte Miete ist deswegen in Wirklichkeit gar feine Unters friedensmiete. Die Berhüllung durch die Zwangs