Nr.573 41.Jahrgang Ausgabe A r. 291
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Freitag, den 5. Dezember 1924
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Die politische Aufgabe der Beamten mit den alten Mitteln läßt sie fich wirklich nicht lösen. Das muß jeder begreifen, der die politische Aufgabe der Beamten im Obrigkeitsstaat oder im Bolfsstaat gegenüberstellt. Im obrigkeitlichen Staat galt der Beamte als das einer bestimmten Herrschaftsschicht dienstbare Organ. Die Grenzen feiner Lebensauffassung und seiner Lebenshaltung waren in weitestem Maße durch die Denfarbeit seines Arbeitgebers beStimmt worden. Darüber hinaus war überall dieselbe Warnungstafel angebracht mit dem Befehl: Nicht denken!
Kann es wunder nehmen, daß diese Methode insofern lähmend auf die Denttätigkeit der Beamten wirfte. als fie felbst fich allmählich in einer besonderen Welt ihre politische Aufgabe formten, ohne zu bedenken, daß gerade ihre Mission, dem Bolke zu dienen, ohne Befruchtung durch die Tendenzen fortschreitender Entwicklung unerfüllbar bleiben mußte? Die Beamten gerieten durch den Druck des obrigkeitlichen Systems in einen Zustand der Reaktion im Unterbewußtsein, aus dem fie sich mittels eigener Kraft niemals hätten freimachen fönnen. Ihre Befreiung danken sie ganz allein der politischen Umwälzung von 1918. Daß dieser Lösung fünstlicher Fesseln bisher nicht die innere Selbst befreiung gefolgt ist, liegt in den verfchiedensten Umständen auch Fehlern, die von den nach revolutionären Regierungen auf dem Gebiete der Beamtenpolitik begangen wurden begründet.
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Menn nicht die vorstehend gekennzeichnete, aus dem alten System geborene Geistesverfassung der Beamten bei ihrer Beurteilung politischer Zusammenhänge eine aus schlaggebende Rolle spielen würde, wäre es undertbar, daß weite Kreise der Beamten auch heute immer noch die aus der Revolution" von 1918 gewordenen Zustände für die Verschlechterung ihrer Gesamtlage verantwortlich machen fönnten. Sie übersehen eben, daß die Rolle ihres politisch einseitig orientierten Arbeitgebers in dem Maße ausgespielt ift, wie sie selber es wollen. Die Lösung der politischen Aufgabe der Beamten im Volksstaat verlangt, daß fie aus immer mieder versuchter rechtlicher, sozialer und wirtschaftlicher Fessejung selber den Weg ins Freie finden, um ihrer 3wedbetimmung, Diener am Volfe zu sein, gerecht werden zu
fönnen.
Für das Gelingen dieses Planes gibt es nur den Weg über das Parlament. Darum ist seine Zusammensetzung gerade für die Beamten von so überragender Bedeutung. Es fann feine reaktionäre Regierung geben, wenn die GrundTage der Parlamente sich nach links verschiebt. Alle Linksparteien müssen sich auf Hülfeleistung für das politische Befreiungsmerk der Beamten einstellen, wenn sie nicht auf die Berwirklichung ihrer Programme verzichten wollen. Bon den Parteien zu verlangen, daß sie die Befreiung der Beamten ohne deren ausschlaggebende Beteiligung be= werkstelligen möchten, heißt nicht nur die Stellung der Parteien im Staate verkennen, sondern soweit diese Forderung von den Beamten vertreten wird sich selber des Einfluffes begeben, der eben erst auf Grund einer freiheitlichen Berfassung erworben wurde.
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Im Obrigkeitsstaat war es dank der rechtlichen und wirtschaftlichen Knebelung der Beamten dahin gekommen, daß sie selber längst jeden Anspruch auf die Erfüllung einer politischen Aufgabe preisgegeben hatten. Das größte Lob Derdiente der Beamte, der. ohne zu wissen, was politisch links oder rechts vorging, den Blick unverrückbar auf des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr gerichtet hielt. Im Fortgang der Jahre, den diese Uhr anzeigte, trat Beförderung und Gehaltserhöhung ein, wurde von Auszeichnungen Aktenvermerk genommen und reifte langsam aber sicher die Stunde heran, in der für die Reise nach Pensionopolis gerüstet wurde. Was dieser Normalverlauf des Beamtendaseins an politischen Werten barg, war durchweg gleich Null. So war es den Parteien, die den Absolutismus im Staate ebenso schäßten wie das Herrentum im Betriebe, gerade recht. So wollen fie es auch heute noch, denn sie sind ja, weiß Gott , innerlich die felben geblieben, die sie unter anderer Firma im alten Staate waren. Und die Beamten? Wollen sie immer noch nicht begreifen, daß sich auch für sie nichts ändern kann, wenn sie sich freiwilig dem Diktat derjenigen Parteien fügen, die gar nicht anders fönnen, als ihren allgemeinpolitischen Programmen entsprechend Beamtenpolitit zu machen?
und Schlichtungsausschüsse stemmte. Auch die Hilfeleistung der Demokraten zugunsten einer freiheitlichen Gestaltung des Beamtenvertretungsgeseges hat nicht ausgereicht, den Beamten den ersten Schritt auf dem Wege zu ihrer Befreiung zu ermöglichen. Wenn die Beamten den bürgerlichen Parteien weiter nichts auf das Schuldkonto zu sehen hätten als diese Verriegelung des Weges zur De mofratifierung der Verwaltung, dann wäre das Grund genug, für die Beamten am 7. Dezember weil abzurüden von jenen politischen Bauernfängern, die noch stets bemüht waren, durch schleimige Reden an der Wahrheit vorbeizugleiten. Aber ist denn nicht das Schuldkonto der bürgerlichen Parteien ohnehin in der Beamtenpolitik überbelastet? Wer hat denn gehindert, daß der sozialdemokratische Antrag auf Entziehung der am 11. Februar 1924 der Regierung erteilten Ermächtigung zur selbständigen Regelung der Grundgehälter und Ortszuschläge fiel? Wäre dieser Antrag angenommen worden, dann hätte der Reichstag die Entscheidung über die Frage der Beseitigung des Besoldungsrechtes vom Juni 1924 gehabt und nicht mehr die Regierung. Auch die in der Frage der Arbeitszeit der Beamten von der SPD . Fraktion des Reichstages gestellten Anträge wurden, soweit in ihnen die grundlegende Anerkennung des 2chtst un dentages gefordert wurde, von den bürger lichen Parteien abgelehnt. Ist das zu verwundern? Wenn sie den Beamten den Achtstundentag zugestanden hätten, wären sie als Verteidiger des Profitwirtschaftssystems gegenüber den Arbeitern in der Privatindustrie in Bedrängnis geraten. Von ihnen ist nichts zu erwarten, was gegen ihre politischen Grundsätze verstößt. Fragt sich nur, inwieweit diese in Einklang zu bringen find mit der von den Beamten im Interesse der Volksgesamtheit zu erfüllenden politischen Aufgabe.
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aber für Deutschland gesprochen nicht hindert, daß nicht menige Glieder gerade der höheren Beamtenfategorien sich oft einer politischen Tätigkeit widmen, bis zur Erschöpfung ihrer Kräfte", die durchaus nicht immer erkennen läßt, daß der Zweck des Staates vorangestellt worden ist, und daß die Beamten des Staates wegen da sind, dem sie durch ihren Eid auf die Verfassung Treue geschworen hatten.
Wir
reichischen Finanzministers flingt ein Teil jener Melodie herNein, aus den väterlich mahnenden Worten des österaus, für die in Deutschland einmal das Kennwort:„ Treudeutsch und pensionsberechtigt" geprägt worden ist. breite Schichten der deutschen Beamtenschaft erkannt haben, wollen dieses Motto nicht wieder in Geltung bringen, nachdem daß ihnen neben ihren amtlichen Aufgaben eine politische Aufgabe von stärkstem Ausmaß zugefallen ist. Ohne die Beamten fann feine Regierung freiheitliche, geschweige denn republikanische Politik treiben. Der politisch denkende Beamte muß sich aber darüber Klarheit verschaffen, daß mindestens auf absehbare Zeit jeder andere politische Kurs als der mit republikanischer Zielrichtung erneute soziale und wirtschaftliche Reaktion nach sich ziehen muß, die unmittelbare Auswirkungen auch auf die Stellung des Beamten haben wird. Wollen sich also die Beamten im eigensten wie im Intereffe des Volksganzen die Steigerung ihres Einflusses in der Verwaltung und in den Betrieben sichern, dann müssen sie am 7. Dezember republikanisch wählen.
find Arbeitnehmer. Wem sollen sie in dieser EigenAber diese Erwägungen reichen nicht aus. Die Beamten schaft ihre Stimme geben? Niemals einer Partei, die nicht durch ihre Taten den Beweis geliefert hat, daß sie auch nach den Wahlen bereit ist, die gewerkschaftlichen Forderungen der Beamten zu vertreten. Die Reichstagsberichte der letzten vier Monate geben hinreichend Aufschluß über die Einstellung der politischen Parteien zu den wirtschaftlichen Forderungen der Arbeitnehmer, nicht nur der Beamten, sondern auch der Arfönnen den Ausschlag für die Entscheidung am 7. Dezember beiter und Angestellten. Nicht einzelne Freundschaftsdienste geben. Die Beamten zählen es ist nicht ihre Schuld- geben. Die Beamten zählen sie vergeblich über den Berlust ihres Berufsbeamtentums. Nicht zu den Besiglosen. Wenn sie sich nicht mehren, flagen politische Flickarbeit kann den Beamten helfen, hier muß grundsägliche Entscheidung fallen, die Entscheidung über die Ausbeutung oder Sozialismus, Krieg oder Fragen: Demokratie oder Diktatur, wirtschaftliche Frieden?
In Deutschösterreich hat anläßlich des jüngsten Regierungswechsels der scheidende Finanzminister den Beamten feines Refforts Worte gewidmet, die weder von Tiefgründig keit in der Erfassung des Beamtenproblems noch von der auch in Deutschland so oft gehörten Erfenninisreife der Verwaltungsbureaukratie Beugnis ablegt.„ Ich stehe," sagte der Finanzminister,„ bei Behandlung des Beamtenproblems auf den muß; denn die Beamten sind des Staates wegen da." dem Standpunkt, daß der Zweck des Staates vorangestellt merNicht die Häufung der Rechte ist das Entscheidende, wohl aber der Aufbau der Ordnung in einer Art, wie sie sich der im besten Sinne altösterreichische Beamte denkt: ein Aufsteigen in der Karriere, der man, wenn man sich zu ihr entschlossen hat, nach Absolvierung der Studien, die ganze Kraft seines lauten: Lebens bis zur Erschöpfung der Kräfte weihen will." Was
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Für den Beamten kann die Parole zum 7. Dezember nur Für Freiheit, Brot und Frieden!
Der Entscheidung entgegen!
Die Sozialdemokratie im Wahlkampf. In Bayern .
München , 4. Dezember .( Eigener Drahtbericht.) Wenn die letzten beiden Tage des Wahlkampfes feine grundsätzliche Aenderung in der Aufmarschtaktik der Parteien bringen, so muß man den Rampf in Bayern für die Entscheidung am 7. Dezember ganz allgemein als zurückhaltend, teilweise sogar als sehr flau bezeichnen. Als Gegner traten unseren Referenten in erster Linie die kom munistischen Wanderagitatoren entgegen. Wo sie glauben, die nötige Zahl von Mitschreiern hinter sich zu haben, versuchen sie die Versammlungen zu sprengen. Ihre Versuche scheiterten aber überall an der Wachsamkeit unserer Genossen und der disziplinierten Energie der Reichsbannerleute. Eigene Bersammlungen hielten die Kommunisten nur ganz wenige ab. Den Böl fischen beider Richtungen scheint ebenfalls der Atem ausgegangen zu sein. Den Rest ihrer Anstrengungen vergeuden sie auf dem Lande, nachdem sie sich offenbar überzeugt haben, daß das Bolt in den großen Städten von ihren Tiraden nichts mehr wissen will. Eine schwache Agitation entfaltet in den Städten auch die Baye rische Volkspartei.
Mit ihrer ganzen Wut, genau so wie die Moskauer Trabanten, stürzen sich die Deutsch nationalen auf die Sozialdemokratie und auf Schwarz- Rot- Gold. Bezeichnend ist aber, daß sie das in Es ist doch nicht Zufall, daß ausgerechnet die bürger- München und in den anderen Städten in der Regel nur hinter liche Rechte die Beratung des Regierungsentwurfs cines perfchlossenen Türen und vor geladenen Gästen tun. Durch diese Beamtenrätegefeges im 23. Ausschuß des Reichstags feige Flucht entzieht sich der Kriegspropagandist Tirpig der Gefabotierte und sich mit der von jener Seite gewohnten poli- fahr, daß feinen Geschichtsklitterungen ein wahres und offenes Wort tischen Robustheit gegen Mitbestimmungsrecht entgegengesetzt wird.
Dieses klägliche Verhalten unserer Hauptgegner hat die Stim mung der Parteigenossen und der nicht eingeschriebenen Anhänger schaft überall außerordentlich gehoben. Jedermann, der bisher treu zur Partei stand, ist überzeugt von der bevorstehenden erheblichen und entscheidenden Stärkung unserer parlamentarischen Plattform. Dieser zuversichtliche Glaube hat und das ist das wichtigste weite Kreise der übrigen Bevölkerung ergriffen. Auch die Gegner, wenn sie unter sich sind, sprechen offen von ihrer großen Sorge ob des Siegesbanners Schwarz- Rot- Gold.
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Köln , 4 Dezember.( Eigener Drahtbericht.) Der Wahlkampf im befetzten Gebiet unterscheidet sich von seinen Vorgängern vor allem durch seinen ruhigeren und sachlicheren Verlauf. Die Kommunisten, die bei den Maiwahlen im Kölner Bezirk ihre ganze Taftik ausschließlich auf den Versammlungsterror aufbauten und fast gar feine eigenen Wahlversammlungen veranstaltete, sind heute wieder gezwungen, eigene Versammlungen zu machen, weil ihre Mitglieder sich nicht mehr zum Versammlungssprengen mißbrauchen laffen wollen. Inzwischen zeigt jeder Tag des gegenwärtigen Wahltampfes aufs neue, wie sehr die Stimmung zugunsten der Sozialdemokratie umgeschlagen ist. Alle Versammlungen in den beiden Wahlkreisen waren massenhaft besucht und von glän zender Zuversicht getragen, während die Kommunisten und teilweise die bürgerlichen Wahlversammlungen fast durchweg sehr schlechten Besuch aufwiesen. Im Mittelpunkt der Wahi agitation stand im altbejezten Gebiet natürlich das Dawes