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Justiz quält die Aermsten.

Morb, Totschlag, Raub, Meineid, Urkundenfälschung, Betrug- Tag für Tag bringen die Zeitungen spaltenlange Berichte über Ge­richtsverhandlungen. Ler eine ergreift Partei für den Angeflagten und beflagt die harten, das Leben vernichtenden Urteile, der andere flagt die Milde der Gerichte an und fordert drakonische Strafen. Von den großen Justiztragödien der kleinen Leute, wie sie sich täglich in den Gerichtsverhandlungen und in den ärmlichen Woh nungsräumen zu Hunderten abspielen, nimmt niemand Notiz.

Da erhielt Genosse Dr. Kurt Rosenfeld   fürzlich einen Brief von solch einem fleinen Mann. Der ver'angt feine Kommentare und spricht in seiner Hilflosigkeit eine tief erschütternde, aber auch eine cuftüttelnde Sprache:

Unterzeichneter Traugott Wildner erlaubt sich ergebenft fol­gendes Bittgefuch zu unterbreiten. Um Umgehenden Bescheid erlaubt sich ergebenft zu bitten.

Ich in Schweiniz gearbeitet, wo icy Frü zum ersten Zuge 5,20 mit dem Rabe nach dem Bahnhof vuhr, ich aber fein Licht hatte, und die Nachtpolizei 4 Stunde, da ich den Namen und die Hausnummer gesagt hatte das ich den Zug verspätete, worüber ich ärgerlich wurd. Und die Nachtpolizei mih Unflagtten wegen Be= Teibigung, und ich ein Mohnat Gefädniß erhielt. Worüber ich Worüber ich mein Gnadengefuch machte da ichs in ärregtem zustande getan hatte in 45 Mart Geldstraffe erhielt in Raten zu 5 Mark zu bezahlen, da hatte ich 20 Mart bezahl dan bin ich verunglügt, und den Arm aufgeschlagen und das Schlüsselbein gebrochen hatte, da bin ich 6 Wochen Krant gewesen. Da hab ich beim Amsgericht Reichen bach in Schlesien   um Stundung gebetten das ist mir nicht genemicht worden, das ich den Rest von 25 m. bezahlen konnte. Da habe ich müssen den Monat apfigen um umgehenden Bescheid habe ich das gemeldet, da bin ich vorgefürt worden beim Herrn Sädretär, da bekam ich die Antwort, das die bezahlten 20 m. hinfällig wären. Da habe ich die Arbeiht verlohren, der Winter vor der Lür und feine Feuerung. Bitte ich Herrn Justizminnister, das ich die 20 M. vom Amtsgericht Reidenbach wieder herausgezahlt befomme. Ich bin im Kriege von anfang bis zu Ende gewessen, aftiep gedient da ist man auf feinen schlechten Weg geraten, da würde ich nicht erst jetzt, da ich 47% Jahr bin nicht erst anfangen. Traugott Bildener.

Hochachtungsvoll

Jedes Gerichtsurteil, das ergeht und ausgefertigt wird, erfolgt im Namen des Bolkes Daß die Kleinsten, die Geringsten und Wermsten des Boifes durch Justiz, Polizei und Bureaufratie aber nicht weiter so wie früher gequält und zur Verzweiflung getrieben werden im Namen des Boites, dafür fann das Bolt selber am 7. Dezember forgen. Dieser besondere Fall aber muß weiter verfolgt merden, Herr Justizminister!

Wohnungszwangswirtschaft und Unternehmertum. Dan schreibt uns: Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht die Berliner   Börsen- 3eitung" vom 23. November 1924 Nr. 551 einen Artifel, in dem erneut die Behauptung aufgestellt wird, die Woh nungszwangswirtschaft habe durch Unterdrückung der Wohnungsbautätigkeit mit den Mitteln der Gesezgebung die be. stehende Wohnungsnot verursacht. Anschließend wird an dem Beispiel der Stadt Bielefeld   die Auswirkung dieser Wohnungsnot auf die Gestaltung des industriellen Lebens unterfucht. Die Verhältniffe liegen in Bielefeld   so, daß das Stadtgebiet allein im Normalfall ht imstande ist, die Nachfrage der ortsansässigen Industrie nach Arbeitskräften zu befriedigen. Sie muß vielmehr in größerem Umfang Arbeitnehmer aus der zum großen Teil noch land. lichen Umgebung heranziehen. Die Zahl der täglich zur Arbeitsstelle nach Bielefelb zu- bezw. abſtrömenden Arbeiter wird auf rumb 30 000 Menfchen geschätzt.

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Es feuchtet ein, daß der Industrie einer Stabt, wenn fie auf das tägliche Wiederkommen von Arbeitskräften aus ländlichen Zu zugsgebieten angewiesen ist, Unzuträglichkeiten erwachsen, weil die Arbeiter, fobald sie an ihrem Wohnort beffer bezahlte Arbeit finden, einfach wegbleiben. So gewiß es vom Standpunft der Unternehmer medmäßiger und bequemer ist, fich auf einen begrenzten örtlichen Arbeitsmarkt zu stützen, so sicher ist es auch vom Stanbpumtt ber Arbeiterschaft gefünder, wenn ihr weite Wege zur Arbeitsstelle er spart bleiben. Vor kurzem erst ist durch Untersuchungen des Hygienis schen Instituts der Universität Heidelberg   nachgewiesen worden, in welchem Maße durch die sogenannte Pendelwanderung die Arbeits­Praft und Leistungsfähigkeit der Arbeiter herabegmindert wird, un­geachtet der feelischen und fiftlichen Gefahren, von denen die Bendel

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Der Mittelweg.

Bon Sir Philip Gibbs  .

Er wagte sich nicht zu rühren und saß in unbequemer Stellung auf seinem Stuhle, während das Dunkel ins Zimmer froch. Seine ganze Liebe zur Mutter trampfte sein Herz zu fammen, als er sie von diefem iegten Schlage niedergeworfen auf, ihrem Lager liegen fah. Seit seinen Knabenjahren, als feine Mutter ihm noch alles gewesen war, war sie ihm nicht viel mehr als eine liebe, lichte Erinnerung gewefen. Die Studentenzeit, der Krieg, feine Heirat hatten die Mutter aus seinen eigenften Lebensintereffen vertrieben, und Wochen waren vergangen, ohne daß er ihr einen Gedanken widmete. Jezt dachte er an all die Liebe seiner Knabenjahre für diese zarte fleine Frau, die sich immer so tapfer gehalten hatte, die nie Schonung für fich fannte, wenn es die Gesund­heit ihrer Kinder galt, deren Geduld unerschöpflich, deren Für forge unermüdlich gewesen war. Jezt quälte er sich mit Selbstvorwürfen wegen seiner egoistischen Undankbarkeit, jetzt fühlte er den scharfen Stachel des tiefen Mitleides mit ihr.

Wie hatte sie im Kriege gelitten. Mie hatte sie begreifen fönnen, wozu dieses Morden sein mußte. Sie, die bisher so findlich gläubige Frau, zweifelte fogar an der Güte Gottes. Sie hatte auch mit Deutschlands   Müttern Mitleid gefühlt und über den Waffenstillstand gejubelt, denn er hatte ihr Bertram zurückgegeben und Digby  , der gerade an die Front gehen wollte, gerettet. Als der schreckliche Drud von ihren Schultern fant, war sie wieder jung geworden. Aber dann war ihr allmählich die Ahnung aufgedämmert, daß dieser Friede doch nicht so sicher war, und daß in Irland   eine Orgie von Blut und Mord tobte. Als dann Digby   bei den Schwarz- Gelben eintrat, war ihr dieses Entfegliche beängstigend nahegerüdt. An all dieses mußte Bertram in der Einsamkeit des dunklen Krankenzimmers denken. Der Krieg war zu Ende, aber die Opfer fielen weiter. Die Wirkungen des Krieges. die Entfeffelung aller Leidenschaften und primitiven Instinkte der menschlichen Bestie, die geschwächte Nervenkraft und die vergessenen Hemmungen des zivilifierten Lebens hutten so viele Herzen und Eristenzen zerbrochen. Noch immer tobte der Tod.

Hunger und Seuchen verheerten die Bölfer. In einem Briefe, den Christy ihm aus Rußland   geschrieben, standen furchtbare Worte.

Millionen nähren sich von Gras und Blättern," schrieb er, und haben selbst das nicht genügend. Der Typhus   mütet under ihnen wie eine verheerende Geißel."

Europa   stirbt," hatte Anatole France   gesagt, und Christy dachte in düsterer Stimmung dasselbe. Was bedeutete denn

wanderer und vor allem thre Familien burch die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte bedroht sind.

Die ungünstigen Rückwirtungen, die sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Zustand ergeben, daß Bielefeld   Zuwanderungs. gebiet ist, fönnten wesentlich gemidert werden, wenn die indu. striellen Unternehmungen, die durch erhöhten Be­Schäftigungsgrad selbst die Wohnungsnot verstärken, ihrerseits durch vermehrte Errichtung von Arbeiterwohnungen zu ihrer Beseitigung beitragen würden. Diesem Gedanken Rechnung zu ihrer Beseitigung beitragen würden. Diesem Gedanken Rechnung tragend, hat die Preußische Regierung seinerzeit durch die Novelle zum Rommunalabgabengefeß die Gemeinden ermächtigt, Arbeitgeber, die mehr als 20 Arbeiter beschäftigen, zum Bau von Arbeiter wohnungen heranzuziehen.

Wohnungszwangswirtschaft sei schuld daran, daß nicht genügend Wenn in dem erwähnten Artikel ferner behauptet wird, die Wohmmgen gebaut werden, und sie mache es durch Unterdrückung der Wohnungsbautätigkeit unmöglich, daß in Zeiten der Konjunktur erwerbslose Arbeiter von den Gebieten herangezogen würden, in denen Beschäftigungslosigkeit herrscht, so greifen diese Behauptungen völlig fehl. Nicht die Wohnungszwangswirtschaft ist schuld daran, daß sich das Privatunternehmerrum heute nicht im Wohnungsbau betätigt, sondern lediglich der Mangel an Bautrebit. Auch vor dem Kriege, also in Zeiten der freien Wohnungswirtschaft, war es eine allgemein beobachtete Erscheinung, daß gerade in Zeiten industrieller Hochkonjunktur der Wohnungsbau infolge Mangels an Realkredit   daniederlaq, weil in solchen Reiten das Kapital beffer und schneller rentierfiche Anlagemöglichkeiten fand.

Zwei Geschichten vom Schwarz- Rot- Gold.. Erziehung zum Respekt vor den Farben der Republit. Wie wäre es in den Zeiten der Monarchie einem Schuljungen ergangen, der die schwarzweißrote Fahne des deutschen Raiserreiches zu beschimpfen gewagt hätte? Urd was hätte damals ein Lehrer zu crwarten gehabt, der vor versammelter Klasse eine Abneigung gegen Schwarz- Weiß- Rot bekundet bätte? Diese Fragen drängen fich uns auf bei zwei Borkommnissen, die uns dieser Tage aus Schulen ge meldet wurden.

Interbeffen feßen die beiden es sich im Gefellenhaus gut sein und besuchten unter Führung eines Barmherzigen Bruders auch te Sehenswürdigkeiten, darunter auch die Schazkammer des Demes. Ohne Führer tamen fie später aber noch nach der Paulinusfirche. Dann verschwanden beide und jetzt entdeďte man im Gesellen. haus einen Einbruch, bei dem Anzüge und Wert und gestohlen worden maren. Im Zimmer, Schmucksachen das diese reisenden Schwindler und Einbrecher bewohnt hatten, fand man ein Stüd Kernseife mit Schlüffelabdrücken, die die beiden Reis senden bei Besichtigungen heimlich genommen hatten. Mitteilungen über das Auftauchen dieser beiden Herrn von Geldern, die in der Münchener Straße 24, ebensowenig bekannt sind wie anderswo in Berlin  , nimmt die Kriminalpolizei im Zimmer 133 des Polizei­präsidiums entgegen.

Der Stellenvermittlerprozeß.

Haß gegen die Beamten des Arbeitsamtes. In dem Stellenvermittlerprozeß gegen Lienemann, Gabriel, Rowad usw, wurde nach einem figungsfreien Tage gestern die Ver. handlung fortgesetzt und die Beweisaufnahme zu Ende geführt.

Nowad hat schon lange teine Rongeffion mehr, doch in seinen Vermittlergeschäften hat er sich nicht stören lassen. Auch die Vorschriften über die Vermittlung von Ausländern, die einer besonderen Vermittlungsstelle vorbehalten ist, find von Nowack übertreten worden. Er betont gern, daß er früher Landwirt war, aber an Geschäftstüchtigkeit scheint es ihm nicht zu fehlen. Ein Beitungsinserat, durch das ein Gutsinfpettor Wilte den Landwirt Nowad" zur Besorgung von Arbeitsträften empfahl, war von Nowad selber veranlaßt, und Nomad bezahlte auch die Kosten. Zur Gründung einer eigenen Vorschmitter organisation nach Art von Gabriels Verband der Vorschnitter oder von Lienemanns Reichsbund deutscher Aufseher und Vor schnitter" hat es Nomad allerdings doch nicht gebracht. Mit der tatsächlich gewerbsmäßigen Vermittlung des Reichs. bundes hat, wie gestern festgestellt wurde, gelegentlich die nicht gewerbsmäßige Vermittlung der Arbeitgeber. die Reichsvermittlungsstelle" sich in Berbindung gefeßt. um von dort Arbeitsfräfte zu beziehen. Um fich ben Landwirten zu empfehlen, führte der Reichsbaub in Anoncen manchmal den Bufah deutsch national" Auf die Bezeichnung deutsch   war bei seiner Grünbung von vornherein besonderer Wert gelegt worden. Eingehend wurden gestern die Zusammenstoße, die Liene­mann und Gabriel mit dem beim Arbeitsamt Friedrichshain   tätigen Außenbeamten Jubrian gehabt haben, erörtert. Judrian ist noch einer Kontrolle, die er bei einem Gastwirt ausführen mußte. um festzustellen, ob der sich verbotswidrig an verschleierten Ver. mittlungen beteiligte, von Gabriel auf der Straße befchimpft worden. Auch hat Gabriel ihm gedroht, daß er ihn trüppelig fchlagen" werde. Bor Gericht bestritt das Gabriel. Er erzählte aber, daß eine ganze Menge Stellenbermittler" das gewesen seien, die Sudran anständig verhauen woll. Gabriel hat zu Dr. Münch, dem Abteilungsleiter beim Arbeitsamt Friedrichshein  , einmal gesagt, Judrian fet in der Gegend des Schlesischen Bahnhofs sehr mißlieb q", er folle fich vor. fehen, daß er nicht eines Tages zur Unfall. Auch Schüler äußern sich manchmal abfällig über die Farben station gebracht wird. Solche Aeußerungen zeigen, welchen der Republik  , indem sie nach'prechen, was fie von Erwachsenen ge- Gefahren die Beamten des Arbeitsamtes Friedrichshain   bei hört haben Eine obere Klasse des Gymnasiums eines füb. ihrem Kampf gegen die Auswüchse des Stellenvermittlungswesens östlichen Vorortes besuchte eine Jugendschriftenausstellung, ausgesetzt sind. Von Lienemann ist Judrian, nachdem er in und einer der Schüler begegnete in dem Hause der Ausstellung einem einem Prozeß seine Aussage gemacht hatte, auf der Straße be. Manne mit schwarzrotgoldenem Abzeichen. Beim Anblid dieser fchimpft worden. Später stellte ihn Lienemann noch einmal auf Farben sagte der 15jährige Junge: Schwarz Rot Sch...! ber Straße zur Rebe und schimpfte: Meineidiger Lumo, Dir Schmapp, da hatte er eine Bad pfeife weg. Wo die Wirkungen haue ich in die Fresse!" Da Lienemann gegen Judrian, schlechter Vorbilder sich in so unflätiger Form äußern, wird auch wie dieser vor Gericht befundete, drohend feinen Stod hob, so ent­nandher Gegner der Prügelstrafe sich versucht fühlen, einen fofort mand ihm Judrian ben Stod und benuste tem dazu, sich gegen verabreichten Jagdhieb als Erziehungsmittel für angebracht zu Lienemann zu wehren. verbientals der Erwachsene, den er sich zum Vorbild und halten. Aber vielleicht hat die Badpfeife weniger der Junge Muster genommen hatte.

In einer Gemeindefcule son Berlin  - Südost trugen mehrere Schüler der Oberklasse seit längerer Zeit schwarzrotgoldene Bänder am Rod, und mit diesem Schmud famen fie auch zum Unterricht. Verboten ist, in der Schule die Abzeichen partetpolitischer Organisationen zu tragen, erlaubt aber, fich mit den Farben der deutschen Republit zu schmüden. Gin ehrer jedoch. der aushilfsweise in der Oberklasse unterrichtete, stellte die Schüler zur Rede und erklärte, die Bänder feien für ihn eine Beleidigung. Das wurde wohl von einem Vater, der es erfuhr, dem Vorgesetzten des Lehrers gemeldet. Einige Tage danach tam der Lehrer im Unterricht auf die Angelegenheit zurück und bemühte sich die Jungen über die Harmlosigkeit seiner Aeußerung zu belehren. Unter Wilhelm II.   hätten ihn, wenn er sich durch schwarzweißrote Bänder beleidigt gefühlt hätte, alle nach träglichen Erklärungen und Versicherungen nicht vor dem Diszipl. nerverfchren gerettet. In unserer toleranten Republit aber tann einer fich solche Herzensergüsse leisten, ohne daß er viel zu fürchten hat.

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Berliner Einbrecher als Barmherzige Brüder.

Es muß vor zwei Schwindlern gewarnt werden, die auf eine eigene Art zu Werte gehen. Im Gefellenhause zu Trier  fanden sich zwei junge Männer ein, die sich mag und hansson Geldern nannten und erzählten, daß sie in Berlin   in der Mim chener Straße 24 wohnten. Der eine gab die Absicht fund, bei den Barmherzigen Brüdern, einzutreten. Es wurde ihm aber bedeutet, daß dazu seine Papiere, die er vorlegte, nicht aus­reichten. Er versprach, sich das Fehlende beschaffen zu wollen.

das Leben überhaupt für den einzelnen? Biel   wahrlich nicht! Im besten Falle ein bißchen Fröhlichkeit, ein paar Augenblice der Liebe, einige Jahre der Illusionen. Hier faß er selbst am Bette der Mutter, deren Kinder bis auf ihn alle von ihr ge gangen waren, und deren Herz durch den Tod ihres Jüngsten brechen würde. Susans Gatte war am Galgen gestorben. Bertram war von seiner Frau verlassen. Das war die Ge­schichte dieser Familie, und sie war vielleicht nicht einmal schlimmer als bei unzähligen anderen in Europa  . Oder nicht einmal so schlimm wie in Rußland  , Desterreich oder Bolen.

Seine Mutter regte sich und sagte mit schwacher Stimme: Bist du da, mein lieber Junge?"

Ja, Mutter."

Eine Weile schwieg fie, dann sprach sie wieder. Bertram, arbeite du für den Frieden. Die Welt ist so grausam und die Zukunft fo dunkel. Arbeite für den Frieden! Bersprich es mir." Was soll ich dir versprechen, Mutter?"

Mit zitternden Händen zog sie seinen Kopf zu fich her. nieder, und als er sie tüßte, flüsterte sie: Frieden!"

Dann tam die Pflegerin und der Arzt. Sein Bater wurde aus dem Abgeordnetenhause geholt und fam fofort. Einige Beit nach Mitternacht   hörte Bertram ihn aus dem Schlaf zimmer der Mutter tommen und sein Arbeitszimmer betreten, wo Bertram den Bericht des Arztes erwartete.

" Geht es besser?" fragte er den Bater. Sie ist tot."

Der große hagere Mann taumelte, als er durchs Zimmer schritt, dann ließ er sich schwer in seinen Stuhl fallen, legte den Kopf auf den Schreibtisch und schluchzte in fassungslosem Schmerz.

Es war das erstemal, daß Bertram feinen Vater in folcher Erregung fah, und bei dem Anblick diefes Grames fchwand all fein Groll über seines Vaters Härte und Unduld famkeit in heißem Mitgefühl dahin, Digby war sein liebstes Kind gewesen, und sein Tod hatte den Alten furchtbar schwer getroffen, so schwer, daß sein ganzer Stolz und sein glühender Haß gegen Sinn- Fein ihn faum aufrechterhalten hatten. Aber diefer so plötzliche und gänzlich unerwartete Tod seiner ge­liebten Frau warf ihn in namenlosem Schmerz zu Boden. Denn geliebt hatte er fie troy all seiner Härte. Ihm war fie die beste Frau und seinen Kindern die beste Mutter ge­wefen. Seine häusliche Behaglichkeit, die tausend Kleinig teiten, mit denen sie sein tägliches Leben so liebevoll verschönt hatte, dankte er ihr im stillen. Jetzt, da sie plöglich aus seinem Leben hinweggerissen war, und sein liebster Sohn in Irland  tot lag, fühlte er sich grauenvoll allein und gebrochen.

Beriram legte seinem Vater die Hand auf die Schulter: Mut, Bater!"

Jetzt erinnerte er sich auch wieder an die lichten Seiten

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aussichtlich am Dienstag zu Ende kommen. Am Montag beginnen die Pfäboners. Der Prozeß wird vor.

Mord und Selbstmord.

Heute morgen wurden in dem Hause Gottlieb Dunfel- Str. 59 in Tempelhof   der 62 Jahre alte Wohnungsinhaber Pentuhn und fein Untermieter, der 71 Jahre alte Friz Lichtenberg, in einem verschlossenen Zimmer, das mit Gos angefüllt war, tot aufgefunden. Nach den bisherigen Ermittlungen scheint Bentum fich und seinen Untermieter ums Leben gebracht zu haben. Doch sind die Beweggründe zu der Tat noch nicht aufgeklärt. Die beiden Leichen wurden beschlagnahmt und nach dem Friedhof in der Germaniaftraße gebrocht.

in dem Charakter seines Baters, bevor der Wahnsinn in Irland  ihre Beziehungen so verbittert hatte. Michael Pollard war nicht immer hart gewesen. Als die Kinder noch jünger waren, hatte er oft heiter und fameradschaftlich mit ihnen verkehrt. und vielleicht waren sie selbst schuld an seiner jezigen Reiz­barkeit durch ihren Eigenwillen, ihre absichtliche Auflehnung gegen feine Autorität, ihren sartastischen Widerspruch gegen feine Forderung ihres Gehorsams.

So dachte Bertram in der Gegenwart diefes gramge­beugten Mannes, den er vergebens zu trösten versuchte, und vergaß darüber zeitweilig die Einsamkeit seiner eigenen Seele.

34.

Erst nach dem Begräbnis feiner Mutter brach auch Bertram fast zufammen. Er hatte einen Brief von Joyce er­halten, der ihn an die Güte des Schicksals nicht mehr glauben ließ und das Gefühl der Verlassenheit in ihm noch vertiefte. Sie schrieb aus Paris  , wo sie im Hotel Maurice mit Lady Ottern wohnte. Sie nannte ihn zwar noch Mein lieber Bertram," aber dieser Brief machte ihm das Herz nicht warm. Die Nachricht von Digbys Tobe hatte sie entsetzt. Das wenigstens müßte feine Sympathie für die irischen Rebellen doch endlich töten! Auch hatte der Tod seiner Mutter sie sehr erschüttert, wenn auch nicht überrascht nach soviel Sorgen und Trauer.

Sie wollte ihm gleichzeitig mitteilen, daß Holme Ottery von einem Amerifaner gefauft wäre, und um nicht mitansehen zu müssen, wie der alte Stammfig in fremde Hände überging, wäre sie mit ihrer Mutter nach Paris   gegangen. Alban würde unterdeffen dafür Sorge tragen, einige der antiken Möbel und Familienschäße auf dem Speicher unterzubringen.

Ihr Bater hätte in London   ein anderes Haus gemietet, größer als das alte in John Street. Das berühmte Ahnenbild Ruperts von Belair, das Lely gemalt hatte, war auch verkauft worden. Sie hatte sehr geweint, als es fortgetragen wurde. Das war so recht das Symbol des Zusammenbruchs ihrer Familie gewesen. Eine Stelle in dem Briefe traf ihn mitten ins Herz

P

Kenneth Murleß hat mir deine Artikel in der Neuen Welt" gezeigt. Bei dem ersten mit dem Titel Wie die Ar­beiter denten" hätte ich am liebsten geflucht. Kein Wunder, daß du damals das Angebot des Generals Bellasis ausge. schlagen haft. Wie kannst du nur, Bertram, wie fannst du nur so etwas schreiben! Es ist mir unfaßbar nach all deinen Taten im Kriege. Es ist geradezu gemeiner Berrat."

Die Schönheit der Stadt Paris   im Mai wurde noch er wähnt, dann der Haß Frankreichs   gegen Deutschland   und die englischen Liberalen, die Deutschland   in die Hände arbeiten. ( Fortfegung folgt.)