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Abendausgabe

Nr. 578 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 289

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fratie!

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Goldpfennig

Montag

3. Dezember 1924

Berlag und Angeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Vorwärts- Berlag Gmb. Berlin S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Unser Sieg.

130 Reichstagsmandate. Stärkste Fraktion.

Einziger Sieger ist die Sozialdemo Das ist das flare und nicht mehr bestreitbare Ergebnis der Wahlen vom 7. Dezember.

Die Sozialdemokratie hat binnen sieben Monaten ihre Bahiziffer um rund 30 Broz. gesteigert. Das ist ein in der Wahlgeschichte faum jemals noch erlebter Erfolg.

Die Gewinne der anderen Parteien, soweit sie gut ab geschnitten haben; bleiben weit hinter denen der Sozialdemo­frotie zurüd. Sie dürften bei der Boltspartei und auch bei den Demofraten, die zunächst günstigere Anfangs­resultate zu melden hatten, taum viel mehr als 10 Proz. be tragen, beim 3entrum find sie noch geringer.

Die zweite Ueberraschung des Wahlausgangs bildet die Tatsache, daß die Deutschnationalen gleichfalls einen, wenn auch ziemlich geringen 3 uwachs zu verzeichnen huben. Dieser Zuwachs ist offenbar auf die fatastrophalen Berluste der Nationalsozialisten zurückzuführen. während die Sozialdemokratie hauptsächlich von den Kom munisten und den Nichtwählern des 4. Mai gewonnen hat. Gesamtbild: Die bürgerliche Mitte, auf der die Regierung Marg beruht, ist unerheblich gestärkt, sie besteht aus Par­teien, die hinter den beiden größten, den Sozialdemokraten Frts, den Deutschnationalen rechts, weit zurückstehen. Die

Es ist zu erwarten, daß die Entwidlung der Dinge in Preußen start in das Reich hinübermirten wird.

Die Sozialdemokratie, die weder im Reich noch in Preußen für sich allein die Mehrheit gewonnen hat, fann nicht verlangen, daß allein nach ihrem Willen entschieden wird. Sie wird aber auf bestimmte Forderungen nicht verzichten tönnen, die den Schutz des Friedens der Republik , die Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitit betreffen. Die Erfüllung dieser Ferderungen wird sie auf dem Weg der Verhandlungen oder auf dem des Kampfes suchen müssen. Für beide Wege ist sie start genug!

Was die Bedeutung der Wahlen nach außen hin be trifft, so springt der Sieg der Erfüllungspolitif" in die Augen. Die beiden einzigen Parteien, die geschlossen gegen die Dawes- Geseze stimmten, sind schwer geschlagen. Das nationale Spießertum hat den Deutschnationalen ihre 49 Ja nicht im entferntesten übel genommen, es will eben nur Phrasen hören, aber beileibe feine Taten sehen, vor deren Konsequenzen es vielmehr die größte Angst hat.

Herr Poincaré wird mit diesem Wahlausfall teine Ge­fchäfte machen können.

sind. Der Berliner Sieg ist aber nicht zuletzt ein Berdienst der organisierten Genossen selber, die in den sieben Wochen eines aufreibenden und rücksichtslosen Wahlkampfes sich in den Dienst der Arbeiterbewegung und ihrer Partei hin­gebungsvoll gestellt hatten. Ihre Agitation, zu der der Bor­märts", wie man hier wohl wird feststellen dürfen, die tägliche Nahrung geliefert hatte, hat es vermocht eine achtel Million Wähler aufzurütteln und neu bzw. wiederzugewinnen. Dies zeigt die ungeheuren Reserven, über die die sozialdemokratische Bewegung verfügt.

Freilich ist dies nur ein Anfana. Die Sozialdemokratie darf bei einer weiteren politischen und wirtschaftlichen Entwid­lung von der bisherigen Art mit Bestimmtheit darauf hoffen, daß der allergrößte Teil derjenigen Proletarier, die diesmal noch, weil durch die hahnebüchene Agitation der Roten Fahne" besinnungslos verhett, kommunistisch gestimmt haben, die Genossen von morgen sein werden.

Was hier über das Berliner Ergebnis gesagt wird, gilt natürlich auch für Groß- Berlin, das heißt für diejenigen Teile der Reichshauptstadt, die den Nachbarwahlkreisen Potsdam I und Potsdam II angehören. Auch in diesen beiden Kreisen ist der Vormarsch der Partei sowohl in den Städten wie auf dem flachen Lande sehr bedeu tend gewesen: in Potsdam I, wozu die nordöstlichen unt

Sozialdemokraten find bedeutend stärker Amtliches Ergebnis von Berlin . nördlichen Bororie Berlins gehören, gewinnen wir ein

Deutschnationalen, ertremen Flügel­parteien haben start verloren, die Nationalsozialisten stärter als die Kommunisien.

Las Berhältnis zwischen Sozialdemokraten und Kom­muniften war im alten. Reichstag ungefähr 3: 2, im neuen wird es sich beinahe auf 3: 1 ftellen.

Was die Frage der Regierungsbildung betrifft, so ist daran zu erinnern, daß es nicht die Sozialdemokratie war, Die die Regierungsfrage aufgeworfen und damit die Krise her­aufbeschweren hat, die zu Auflösung und Neuwahlen führte.

Die Sozialdemokratie ist bisher dreimal in die Regierung gegangen: das erstemal, nachdem die Oberste Heeresleitung gestanden hatte, daß der Krieg verloren war, das zweite­mal nach dem Londoner Ultimatum, das drittemal nach dem Zusammenbruch des Ruhrwider standes infolge der wahnsinnigen Währungspolitik Cuno­Helfferichs. Sie hat es getan, nachdem ihr von bürgerlichen Barteien vorgestellt worden war, daß ohne ihre Mitarbeit der Untergang Deutschlands unvermeidlich sei.

Nach den Maimahlen hat fie, obwohl sie auch aus ihnen stärker hervorging als die Deutschnationale Partei ,, ihre Auf­nahme in die Regierung feineswegs gefordert. Sie hat niemals mit Opposition mit allen Mitteln" gedroht, falls man ihr feine Ministersize gewähre, sondern sie hat das Berhalten zu Regierungen, in denen sie nicht vertreten war, von dem fachlichen Verhalten dieser Regierungen abhängig gemacht. Go fonnte nach den Maiwahlen die Regierung Marr meiterregieren und die Sozialdemokratie hätte sie auch nicht zum Gehen gezwungen, falls nicht etwa ihr sachliches Verhalten bie sozialdemokratische Opposition herausforderte. Gemacht worden ist diese Krise, die zur Auflösung führte, von denen, die durchaus eine Bürgerblodregierung mollten, eine Regierung mit Einschluß der Deutschnationalen , eine Kampfregierung gegen die Sozialdemokratie.

Diefe. Politiker sind durch die Wahlen ihrem Ziel nicht nähergekommen, sie sind nur noch weiter von ihm entfernt worden.

Wer ba glaubt, es sei nach diesen Wahlen eine Kampf­regierung gegen die Sozialdemokratie möglich geworden, der mag fehen, wie weit er damit tommt!

Auf der anderen Seite ist auch das Zusammenarbeiten der bürgerlichen Mitte durch das Verhalten der Bolkspartei und die starte Spannung, die zwischen ihr und den Demo­fraten erzeugt worden ist, außerordentlich erschwert worden. Seltstrerständlich ist die Spannung zwischen Sozialde metraten und Volkspartei noch viel stärker.

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Die Bildung einer Regierung, die auf einer festen michtheit beruht, dürfte auch im neuen Reichstag auf sehr große Schwierigteiten stoßen.

Gleichzeitig mit den Wahlen zum Reichstag haben auch die zum Preußischen Landtag stattgefunden. Da der Landtag feit Februar 1921 bestand nicht wie der Reichstag feit Mai 1924- wirkt sich auf ihn die Bewegung der Partei­ftärfen in umgekehrter Richtung aus. Deutschnationale und Kommunisten find noch nicht wieder zu der geringen Stärke herabgefunken, die sie vor vier Jahren besaßen, die Sozialdemokraten haben andererseits ihre Höhe von damals noch nicht wieder erreicht.

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So müssen die Landtagswahlen die amtlichen End­ergebnisse liegen noch nicht vor eine Schwächung der bis­herigen Regierungsfoalition ergeben, ohne daß fie deshalb bie bisher ungeheuer starke Mehrheit verliert, und eine Stär­tung ber oppofitionellen Flügelparteien. Bürgerblodmöglich feiten bestehen in Breußen ebensowenig mie im Reich

Sozialdemokraten.. 362 377 Stimmen

Deutschnationale

Zentrum.

Kommunisten. Deutsche Volkspartei

244788 45491 214 138 54770

PP

"

Nationalsozialisten. 17550 Deutsch - Demokrat.. 113 141 Wirtschaftspartei.. 35 129

Bravo , Berliner Genossen!

"

Mandat, das dem Genossen Staab Potsdam zufällt, während in Botsdam II, im früheren Wahlkreis Teltom­Beestom- Charlottenburg, 3 mei neue Mandate zugunsten der Genossen Künstler und( nach Berzicht der in den Landiag gewählten Genossin Nyned) Dr. Loewenstein eroberi wurden.

Alles in allem ein schöner Sieg der reichshauptstädtischen Sozialdemokratie, aber ein Sieg, auf dessen Lorbeeren mir nicht ruhen bleiben, sondern den wir in den fommenden Mo­naten und Jahren mit neuer berechtigter Zuversicht aus nügen und ausbauen werden.

Fraktionsstärke im Reichstag.

Aus den bisher vorliegenden Wahlergebnissen laffen fid einschließlich der auf die Reichswahlliste entfallenden Mandate folgende Ziffern für die Zusammenfchung des Reichstags er­redmen: Sozialdemokraten 130, Deuffdinationale 102, Zentrum

68, Deutsche Wolfspartel 50, Kommunisten 45, Demokraten 32 Bayerische Bollspartei 19, Nationalfozialisten 14, Wirtschafts partei 17, Candbund 8, Welfen 4, Bayerischer Bauernbund 3 Bayerische Bauern- und Mittelflandspartei 2, Württembergi­scher Bauern- und Weingärtnerbund 3.

Der Preußische Landtag .

Einst nahm die sozialdemokratische Bewegung einen an­erkannten Ehrenplatz in der gesamtdeutschen Arbeiterbewegung ein. In den letzten Jahren verlor aber die Reichshauptstadt allmählich den Anspruch auf die stolze Bezeichnung einer roten Hochburg, und besonders bei den Maiwahlen diefes Jahres hatte die SPD. , bei aller Berücksichtigung der außerordentlich schwierigen Verhältnisse, unter denen die Gesamtpartei während der Inflationsperiode zu fämpfen hatte, mäßig abgeschnitten. Nunmehr ist es aber anders geworden: Mit einem Schlage, innerhalb von sieben Monaten, hat die Sozialdemokratische Partei gerade in Groß- Berlin nicht nur die flare Führung vor allen anderen Parteien wieder an sich gerissen, sondern sie hat sogar sehr bedeutende Fortschritte gemacht. Im Mai hatte sie in Berlin - Stadt nur noch knapp die Führung vor den Deutschnationalen be­haupten fönnen, nur etwa 3000 Stimmen trennten diese beiden stärksten Barteien. Und dicht hinterher famen die Stommunisten mit nur 13 000 Stimmen hinter der Sozialdemokratie. Jetzt hat die SPD . etwa 125 000 Stimmen mehr als Gewählte sozialdemokratische Abgeordnete. im Mai, und damit gleich zwei Abgeordnete mehr als bisher in den Reichstag entsandt. Allgemein wird man es in der Berliner Arbeiterschaft begrüßen, daß die bewährten Genossen Richard Fischer und Dr. Julius Moses wieder in das Barlament zurückfehren.

Jezt steht in Berlin die Sozialdemokratie an der Spizze mit fast 120 000 Stimmen vorsprung gegenüber den Deutschnationalen und 150 000 gegenüber den Kommunisten. lleber das relativ günstige Abschneiden dieser beiden letzten Parteien, das nicht nur eine Berliner Erscheinung ist, it aber das Verdienst der Sozialdemokratie, daß sie den sprechen wir an anderer Stelle des Blattes. Um so größer fonzentrischen Ansturm der Lügen und Berleumdun­gen von rechts und links, die maßlose Heße der Scherl- Presse und Roten Fahne" nicht nur spielend abwehren, sondern dar über hinaus in einer Weise abschneiden fonnte, die diesesmal für die übrigen Genoffen im Reiche geradezu muster. gültig ist.

Dieser Berliner Sieg ist zwar in erster Linie eine Frucht der Politik der Gesamtheit, deren Richtigkeit sich nunmehr durchsetzt, weil sie durch die Entwicklung namentlich auf außenpolitischem und wirtschaftlichem Gebiete bekräftigt

wurde.

Sie ist aber auch ein Ergebnis der inneren Ge­schlossenheit und Festigkeit der Berliner Parteibewegung, die uns zum Teil im letzten Wahlkampf fehlte und die sich dies­mal so glänzend bewährte, daß man wohl mit Genugtuung feststellen darf, daß die unvermeidlichen Kinderfrankheiten der fozialdemokratischen Wiedervereinigung endgültig übermunden

Das Endergebnis der preußischen Landtagswahl ft ut fich wie folgt: Einschließlich der auf die Landesliste entfallenden Mandate dürften auf die SD. 116 Sibe entfallen( bisher 136), die Duatl 111( bisht 7), das Zentrum 79( unverändert), die Kommuniten 47 ( bisher 27), die Deutsche Bolispartei 50( bisher 57), die Nat.- Soz. 1: Site( bisher nicht vertreten), die Demokraten 26 Sihe( unverändert) Hannoveraner( bisher 3) und 1 Pole. Jufolge der fich über der die Wirtschaftsparti 10 Sige( bisher 4). Dazu kommen 5 Deutsch ganzen Staat erstreckenden Ciftenverbindung der Polnischen Bolts partei dürfte den Polen noch ein Mandat zufallen.

130 Mandate.

Ostpreußen : Lübbring, Schulz, Jäder. Berlin : Crifpien, Heimann, Frau Bohm Schuch, Aufhäuser Richard Fischer, Dr. Moses.

Staab,

16

Potsdam II( Teltow Beeskow). Zubeil, Bernstein , Künstler Frau Ryned. Potsdam I( Niederbarnim): Wiffell, Breitscheid , Frau Juchacz Frankfurt a. d. O.: Wels, Oswald Schumann, Giebel, Roffe. Pommern : Gustav Schumann, Passehl, Horn, Georg Schmidt Breslau : Loebe, Feldmann, Wendemuth, Seppel, Frau Ansorge Ciegnih: Taubadel, Buchwitz , Frau Nemiz, Girbig. Liegnih: Taubadel, Buchwitz , Frau Nemiz. Magdeburg - Anhalt : Bauer, Silberschmidt, Dittmann, Bender Bader, Frau Arning.

Halle, Merseburg : Richard Krüger, Franz Peters. Thüringen : Wilheim Bock, Kurt Rosenfeld , Frölich, Frau Burm Dietrich.

Schleswig- Holstein : Frau Schröder, Eggeredt, Richter, Bieter Weser- Ems : Hente und Hünlich.

Ost- Hannover: Beine, Nowad.

Süd- Hannover, Braunschweig: Bren, Junke, Frau Bartels Karsten, Schiller , Schaffner.

Westfalen- Nord: Genering, Schred, Jansched. Westfalen Süd: König, Robert Schmidt, Husemann, Hra

Schulz, Konrad Ludwig.

Hessen- Nassau : Scheidemann , Dißmann, Hoch, Schnabrich, Hütt mann, Beder.