Nr. 58941. Jahrgang
( B. S.) Magdeburg , 13. Dezember. Las Gericht beschloß im weiteren Verlauf der Verhandlung, auch die Zeugen Blumenthal, Lehnhof und Lorenz zu laden. Dann wurde in der Beweisaufnahme fortgefahren und zunächst der Reichstagspräsident und Staatssekretär a. D. Wallraf vernommen, der darüber aussagen soll, ob durch den Eintritt der SPD. der Streit verschärft worden sei. 3euge: Dem Streifende gingen zwei Sigungen des Hauptausschusses voran, die damit zu= sammenhingen. Am 22. tam Herr Kühlmann aus Brest - Litowit, der über die Verhandlungen berichtete. Angeblich war wegen dieser Berhandlungen der Streit der österreichischen Munitionsarbeiter ausgebrochen.
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Bors.: Damals hielt Herr Ebert die Rede, die wir vers Tefen wollen. Es handelt sich um die bekannte Rede des damaligen Abgeordneten Ebert. der erklärte, daß das Auftreten des Generals Hoffmann in Brest - Litowst zum Streif der österreichischen Arbeiter geführt habe, der in Budapest und Wien blutige Kämpfe im Gefolge gehabt habe. In Prag soll die Revolution ausgerufen worden sein. Der Redner wandte sich
die alle Nachrichten über diese Dinge unterdrückt habe, so daß die wildesten Gerüchte umherliefen. Der Vorwärts" sei gestürmt worden um Nachrichten, und habe sowohl, wie andere Zeitungen, die Rede Cernins gebracht, als auch Mitteilungen Ablers in Wien . Es sei unerhört, daß man die deutsche Presse so tnebele und es fei ein Fauftschlag gegen die öffentliche Meinung. daß man den Borwärts verboten habe. Die Sozialdemokratische Partei begrüße das Vorgehen der österreichischen Arbeiter, erkläre sich solidarisch mit ihnen und werde alles einsehen, um einen Frieden des Rechts zu erzwingen.
Beige Wallraf: Scheidemann erklärte dazu, daß die Situation in Deutschland der in Desterreich sei und schloß mit den Worten:
„ Wir drohen nicht, aber wir warnen Sie.
Am 26. Januar tagte der Hauptausschuß wieder und der Abge. ordnete Naumann berichtete von Flugblättern, die zum Massenstreit aufriefen. Ich begab mich zum preußischen Ich begab mich zum preußischen Minister des Innern, um zu hören, ob Dr. Drews glaubte, daß der Streif fommen werde. Er glaubte das nicht, aber am 28. fam der Streif. Dann wünschten die Herren Ebert und Scheidemann als Vertreter des Affionskomitees des Arbeiterrats, mich zu sprechen. Am 29. mar Ministerrat unter dem Grafen Hertling. Ich hörte, dak Herr Scheidemann mich mit streifenden Arbeitern sprechen wollte. Scheidemann bat mich ans Telephon und sagte, er tomme um 12 Uhr ins Reichsamt des Innern. Ich sagte:
Erlaffen Sie mir die peinliche Aufgabe, die Streifenden hinausweisen zu laffen.
Trotzdem tamen die Herren und ich ließ ihnen durch Ministerialdirektor Lamman sagen, ich möchte Scheidemann allein sprechen. Scheidemann antmortete, er tönne sich von den Streifenden nicht trennen. Am 2. Februar fand dann der Streit sein Ende auch wohl durch das scharfe Borgehen des Oberbefehls. habersinden Marken. Ich möchte hinzufügen, daß Ledebour in feinem Buch fagt, daß diefer Streit Sie erste ernsthafte revolutionäre Bewegung gewesen sei, die aber nicht zum Ziel führte, weil die Regierung zu start war.
Herr Ebert ist nach Außen hin beim Streit nicht hervorgetreten, aber er befand sich in der Streifleitung entsprechend seiner Stellung in der Partei.
Borf.: Wurde durch Eintritt der Sozialdemokratie der Streif verkürzt?
3euge: Im Plenum des Reichstages ift am 26. Februar 1918 verhandelt worden. Scheidemann griff mich scharf an und ich hielt ihm entgegen, daß die Zahl der Streifenden 180 000 bis 200 000 Letragen habe. Der Vorwärts" hat die Zahl der Streifenden auf 300 000 angegeben.
"
R.-A. Dr. Landsberg: Der bonerische Minister des Innern soll der Sezialdemokratie seinen Dank ausgesprochen haben, daß sie in die Streifleitung eingetreten ist.
3euge: Das hat mir Scheidemann ja auch entgegengehalten. Das war aber nicht meine Auffassung.
Die Enttäuschten.
Sonntag, 14. Dezember 1924
Bitte, die Nerven besser im Zügel zu halten.
R.-A. Bindewald: Es haben sich die Christlichen und| Lebens bedeuten. Er richtete schließlich an die Sozialdemokraten die Hirsch- Dunderschen Gewerkschaften gegen den Streif erflärt. Glauben Sie, daß der Streit eingedämmt worden wäre, wenn die Sozialdemokratie sich dagegen erflärt hätte?
3euge: Ich bin der festen Ueberzeugung, daß dann der Streif start eingedämmt, wenn nicht gar verhindert worden
märe.
Vors
Herr Scheidemann fagte aus, daß Herr Abg. Giesberts versucht hat, Sie zu bewegen, Herrn Scheidemann zu empfangen. 3euge: Das fonnte meine Entschlüsse nicht ändern. R.-A. Bindewald: Ist die Regierung Streit überrascht worden? 3euge: Doch nicht so ganz. Denn die aufreizenden FlugBlätter waren uns ja bekannt.
von dem
Ein Beisiger: Bar Herr Ebert noch im Hauptausschuß, als die Flugblätter verlesen wurden?
Beuge: Herr Echeidemann war nach der Anwesenheitsliste da. Ob Herr Ebert da war, weiß ich nicht, aber ich muß sagen, daß nach den Erklärungen des Herrn Scheidemann im Hauptausschuß die Sozialdemokratie von dem Streit doch nicht überrascht sein tonnte.
R- A. Dr. Landsberg: Können Sie uns fagen, daß die Neutralität der Gewertschaftstommiffion für den Streit bedeutete, daß die Streifenden feine Unterstützung befamen?
Reuge: Wenn die Neutralität gehalten wurde, jawohl geschränkt worden sein, wenn die Sozialdemokrafie noch am 29. JaGeneralstaatsanwalt: Würde der Streit auch einnuar gewarnt hätte?
nach
3euge: Die Antwort ist nicht ganz leicht. Meiner Meinung R.-A. Heine: Wir haben nichts dagegen, wenn Sie objektiv bleiben. Das gilt auch für die von Ihnen benannten Zeugen Borf: Es ist ja foum möglich für die Zeugen, objektiv zu sein.
R.-A. Dr. Landsberg: Sind nicht im Kohlrübenwinter 1917 schon Flugblätter verbreitet worden, die zum Streif aufriefen?
3euge: Aber nicht zum Massenstreit.
die fich gegen die„ Durchhalter“ und„ Scheidemänner" richteten? R. A. Heine: Doch! Kennen Sie die Spartatusbriefe, Weshalb wurden wir denn angegriffen?
3euge: Das werden Sie doch besser wissen.
R.-A. Heine: Wir wollen es aber von Ihnen hören. 3euge: Ich weiß, daß gegen Sie Vorwürfe erhoben wurden. R.-A. Heine: Und welche?
3euge: Das weiß ich nicht. R.-A. Heine:
Wissen Sie nicht, daß wir wegen der Baterlandsverteidigung und nationalen Einstellung angegriffen wurden? 3euge: Ich fenne die Briefe nicht allzu genau, ich weiß aber, daß die Sozialdemokratie wegen ihrer Zustimmung zu dem Kriegstredit angegriffen wurde. R.-A. Heine: Sie sind nicht fo informiert, wie ich glaube. Das Gericht verlas dann
eine Rede Wallrafs im Reichstag
im März 1918, in der er ausführliche Mitteilungen über die bolfchemistische Propaganda in Deutschland machte, die zu Streif in allen Betrieben aufgefordert hat, um den Krieg zu be= enden. Wallraf erklärte damals, daß die Streifs sowohl in Berlin als im Reiche gleichzeitig eingelegt haben, und daß eine ausgedehnte Organisation bestanden haben müffe, angefacht von der bol. chemistischen Welle, die über Desterreich nach Deutschland gekommen sei. Der Redner gab damals im Reichstag eine eingehende Schilderung der gescheiterten Berhandlungsversuche mit den Abgeordneten der Sozialdemokratischen und der Unabhängigen Bartei. Er legte die Gründe dar, die es der Reichsregierung unmöglich machten, mit streitenden Arbeitern über politische Fragen zu ver. handeln, die nur vor das Forum des Reichstages gehörten. Ein folcher Schritt würde letzten Endes die Atomisierung des politischen
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R.-A. Dr. Martin: Welche Wirkungen hatte der Streit auf das Ausland?
3euge: Der Streit ist für uns ein sehr schwerer Schlag ge wesen.
R.-A. Dr. Landsberg: Englische Zeitungen warnten die Arbeiter, nicht in die Falle zu gehen, die Herr Wallraf zusammen mit Kessel und den Mehrheitssozialisten den englischen Arbeitern stellte, ihrem Beispiel zu folgen.
3euge: Das Ausland mußte unter dem Eindrud stehen, daß der Rüstungsstreit den Zusammenbruch des Krieges bedeutete. Unfere gangen politischen Dispositionen wurden gestört. R.-A. Heine: 3ch möchte nochmals feststellen, daß Here Ebert auch erklärt hat, daß er den Streit für ein großes Unglüd hält. Ist dem Zeugen bekannt, daß das Flugblatt, das zu dem Massenstreit aufforderte und von Spartatus stammt, heftige Angriffe gegen die Sozialdemokratie enthielt? Zeuge:
Ich habe ja damals im Reichstage gesagt, daß meiner Anficht nach das Ausland den Streit inszeniert hat, und daß es sehr wenig Bedeutung gehabt hätte, wenn die Sozialdemokratie nicht für ihn eingetreten wäre.
R.-A. Dr. Martin: Ist Herrn Ebert von Ihnen nahegelegt worden, nicht ewig auf Erfüllung der zugefagten innerpolitischen Reformen zu drängen, da das uns dem Ausland gegenüber schädige? 3euge: Herrn Ebert gegenüber wohl nicht.
R.-A. Dr. Landsberg: Ist nach Ihrer Ablehnung eines Empfangs der Arbeiter nicht erklärt morben, man wolle die poli. tischen Forderungen fallen lassen und nur über Ernährungsfragen verhandeln?
3euge: Das ist so wohl nie der Fall gewesen. Denn mir fam es ja mur darauf an, die hochpolitischen Forderungen auszufchatten. Beis. Landgerichtsrat Schulz: In seinem Buch fagt Herr Scheidemann , daß er Ihnen habe fagen lassen, man wolle alle Fragen ausschalten, bis auf die Frage des Versammlungsverbotes. 3euge: Das fann unmöglich stimmen.
General v. Stein als Zeuge.
Darauf wurde General der Artillerie D. Stein, ber ehemalige Kriegsminister vernommen. Vorf.: Die Verteidigung be hauptet, daß die SPD . Seit 1916 zielbewußt die Maßnahmea der Landesverteidigung durchkreuzt habe.
Zeuge: Darüber kann ich nichts sagen, da die Partele leitung der SPD . mich zu ihren Sigungen nicht erlud. Schwierigfeiten gab es genug. Wenn Zeitungsverbote tamen, richtete man heftige Angriffe gegen uns. Als eines Tages eine Metallarbeiter. verfammlung stattfinden sollte, fam ein Beauftragter der Sozial demokratie und bat uns, die Versammlung zu verbieten, da ihr rechter sozialistischer Fügel von der Radikalen an die Wand ge drückt werden sollte. Ich verbot die Versammlung und wurde dar auf von Scheidemann im Reichstag scharf angegriffen. Das ver. stand ich nicht. Die Sozialdemokratie erhob auch scharfe Angriffe gegen uns wegen der Frage des Baterländischen Unterrichts. Bors.: Wissen Sie, ob durch Eintritt der Sozial. demokratie die Streiflage verschärft wurde?
Beuge: Das war das Reffort des Generals Gröner. Ich fennte natürlich am besten entscheiden, was ein Munitionsstreit für die Armee bedeute. Mir ist es oft passiert, daß an der Somme die Leute einen baten:„ Exzellenz, lassen Sie die Artillerie schießen. Da frampfte sich einem das Herz zufammen, denn wir mußten mit der Munition haushalten.
Dr. Londsberg: Wurde der Baterländische Unter. richt nicht angegriffen, weil annegicrist sche Forde. rungen dabei eingeflochten wurden?
3euge: Nein. Er wurde im ganzen angegriffen. Dr. Landsberg: Ich habe selbst eine Interpellation eint gebracht und nichts gefordert, als daß
die Spaltung der Armee durch annexionistische Forderungen verhindert werde.
3euge: Wenn Sie es fagen, glaube ich es.
R.-A. Heine: Wir haben off miteinander gesprochen, fanden Sie nicht auch, daß ich fiets auf dem Boden der Baierlandsverteidigung stand?
3euge: Ich muß aber betonen, daß unsere Weltanschauungen fehr weit auseinandergingen. Es handelte sich um einen Artikel Marimilian Hardens, den man verstehen fonnte, wenn ein Franzole ihn geschrieben hatte. Sie meinten dumals, es merde im Ausland einen guten Eindrud machen, wenn man sehe, daß es bei uns noch Meinungsfreiheit gebe.
R.-A. Bindewald: Ist durch den Januarftreit der Plan der Offensive gegen Amiens verzögert worden?
3euge: Das ist eine Entscheidung, die die Oberste Heeresleitung treffen tonnte.
Ein Vertreter des Kriegsdepartements als Zeuge. Hierauf wurde Generalmajor a. D. v. Wriesberg vernommen, Der 1918 das allgemeine Kriegsdepartement im Kriegsministerium leitebe. Auf die Frage des Borf., eb der Reichspräsident die Landesverteidigung geschädigt habe, erklärt der 3euge: Jeder Tag Arbeitsausfall in der Rüstungsindustrie war nie mehr aufzuholen. Der Krieg war nur noch eine Munitionsfrage geworden. Man stelle sich vor, was das bedeutete, wenn die Mu nition ausging. Der Streit in Deutschland mußte bei der Entente Zuversicht auslösen, Welchen Einbrud mußte das auf die Soldaten machen, wenn sie erfuhren: Die Heimat läßt uns im Stich. Schieß hich tam noch die Gefahr hinzu, daß durch den Streit die Ar. beiter weiter radikalisiert wurden. Die Presse der SPD , hat sich während des Krieges jedes Verfuches enthalten, die Stimmung zu heben. Dann die Angriffe im Parlament: Man dente fich, daß sozialistische Abgeordnete, wie Herr David, in der Uniform des Feldwebels gegen den Kriegsminister anging. Das mußte die Disziplin erschüttern.
Bors: Das war doch aber wohl faum von Herrn David beabsichtigt.
Zeuge: Der Kriegsminister mußte erfahren, was für schlechte Rerle seine Offiziere waren.
Generalstaatsanwalt: as hat das mit Herrn Ebert zu tun?
Zeuge: Ich erinnere an Herrn Ströbel, der erklärte, daß ein Sieg des deutschen Heeres nicht dem Intereffe der Sozialdemo fratie diene.
Dr. Landsberg: Wenn Sie damit kommen, vergessen Sie nicht den Feldzug der Rechten gegen Herrn n. Bethmann Hollweg .
Borf.: Das hat doch mit dem Brozeß alles nichts zu tun. 3euge: Die Sozialdemokratie hat bis 1915 oder 1916 ab gelehnt, fich an der militärischen Jugendausbildung zu beteiligen.
R.-A. Heine: Wissen Sir, daß die sozialistische Jugend gleich zeitig aufgefordert worden ist, sich in den Arbeiterturnvereinen zu ertüchtigen?