5t"5f. Dr. Martin teilt« dann mit, daß der damalig De - irmte der Sabotageabwehrstell« N istler jetzi gefunden sei inb in Augsburg wohne. Der Zeuge wird daraus hin telegraphisch zu morgen früh geladen. R.-A B i n d ew al d beantragte, Oberbürgermeister Scheide- mann zu morgen abermals zu laden, da er Auskunft darüber geben solle, ob er den Artikel im„Vorwärts" vom 2 9. Januar 1918 geschrieben habe, in dem der Munitions- arbeiterstreik voll und ganz gebilligt wurde. Weiter soll Scheide- mann darüber Lekundungen machen, ob die Parteileitung nicht doch bereits am 2 8. Januar ihr« Vertreter in die Streikleitung entsandt habe. R.-A. Dr. Londsberg verlangte für diesen Fall Chef- redakteur Stampfer vom„Vorwärts" zu laden. der über den in Frage stehenden Artikel die best« Auskunst geben könne. Ich füge noch hinzu, daß damals wegen dieses Artikels, der, wie ich glaube, von Herrn K u t t n« r geschrieben wurde, gegen Stampfer ein Verfahren eingeleitet morden ist. Bor f.: Nach den Ergebnissen der damoliga.n Untersuchung hat entweder Herr Stampfer selbst oder Herr Kuttner den Artikel geschrieben. R.-A. Dr. Landsberg: Ich möchie übrigens hierzu bemerken, daß die Oberste Heer». leitung bei Herrn Stampfer damals angerufen und ihr Bedauern ausgesprochen hat. daß man wegen dieses Artikels gegen Herrn Stampfer ein verfahren eingeleitet habe. R.-A. Dr. Martin streift« daraufhin noch einmal die bereits am Simnobend erörterte angebliche Rede des Dr. David in Köln und erklärt«, daß er von seiaem Gewährsmann, dem Fabrikbesitzer Schulz in Hamburg Mitteilungen ei Halter habe, daß in dar Kölner Versammlung nicht Dr. DavidAeußerunger getan habe, daß die Sozialdemokratische Partei «ine neue Offensive verhindern werde, sondern daß der Redner der frühere sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Davidsohn gewesen sei. R.-A. Dr. Landsberg: Der frühere Reichsminister Soll- mann teilt mir mit, daß in der Tat der Abgeordnet« Davidsohn in Köln vor den Kriegsverletzten gesprochen habe. Sollmonn ist in der Versammlung selbst anwesend gewesen und bestreitet entschieden, daß Davidsohu die ihm nachgesagten Aeußerungea qetau hat. Das Gericht beschloß hierauf nach kurzer Beratung, Oberbürger. meister Scheidemann zu Mittwoch vormittag noch einmal zu laden. Prof. Weber als Zeuge. Dann wurde Prof. Alfred Weber » Heidelberg vernommen. Vors.: Sie sollen während des Streiks mit Herrn Ebert zusammen- gekommen sein und mit ihm die Streiklag« besprochen haben. Zeuge: Einleitend möchte ich erklären, daß ich mich selbst als Zzuge gemeldet habe, da ich mich oerpflichtet fühlte, über das Ber - halten des Herrn Reichspräsidenten hier auszusagen. Ich war da- mals im Reichsschatzamt tätig und hatte mit dem Staats- s<krelär Graf Rödern viel zu tun, ebenso l»tt« ich mit dem Hauptausschuß im Reichstag Fühlung. Im Frühjahr 1918 sah ich infolge der Lrcst-Litowsker Verhandlungen die inncrpolitische Situation in Deutschland stark gefährdet und es erschien mir außerordentlich wichtig, daß die Führer der SPD. die Ixsoimenen Elemente in der Arbeiterschaft in der Hand behielten. Als dann der Streik ausbrach, suchde auch ich neben anderen Herren zu vermitteln und suchte zu diesem Zweck den jetzigen Herrn Reichspräsidenten und Scheidemann auf. da ich an- i'-hrnen konnte, daß dem Graf Rödern dies nicht unerwünscht'«in kennte. Ich sprach allein mit Herrn Ebert und Herrn Scheidemann. Scheidemann war sehr erregt über das Borgehen der Regierung und bezeichnete es als«inen schweren takti» schon Fohler, daß man mit der Arbeiterschaft nicht verhandeln moll'e. nicht einmal über die wirtschaftlichen Dinge. Herr Ebert da- getr.n war außerordentlich ruhig. Harr Eberl mar das ab'clute Gegen teil eines Manu«, der ein Znferesss daran gehabt hafte, die Sirsiklage zu verschärfen oder persSalichea Tlutzea daraus ja ziehen bestrebt mar. Herr Ebert wußte, daß ich den Inhalt unserer Unterredung dem Gros Rödern mittellea würde und er bemerkte, es käme alles d-rauf an, wenn der Streit schnell beendet werden solle, h-tz die Arbeitoer bei der Regierung Gehör fänden und daß man in de'.ug auf die wirtschaftlichen Forderungen ein Zugeständnis mochte/ In diesem Fall würde her Streik sehr schnell zu Ende M führt werden können. Scheidemonn erhob ge�en diese Ausfüllungen keine Einwendungen. Mit dem Bescheid, daß man wenigstens über die wirtschaftlichen Ding« mit den Arbeitern ver. l—ndeln solle, bin ich dann am nächsten Morgen.»u dem Graf Rädern geganaen und habe ihm den Inhalt dieses Gespräches mit. a teilt. Graf Rödern war zurückhallend, denn er tonnt« in meiner Ecgenmart den Staatssekretär W a l l r a s nicht desavouieren. Einen piakti'chen Erfolg hat mein« Vermittlertättgkell nicht gehabt. Ich habe mich jedoch hier gemeldet, well ich es für wesentlich hiell, daß jemand. der nicht zur Sozialdemokratie gehört, über die Hattung des Herrn Reichspräsidenten damals hier Aussagen macht. Vors.: Wann hat die Unterredung zwischen Ihnen und Ebert stzftaesunden? Zeug«: Den Taq kann ich nicht mehr genau angeben; je- doch erst, nachdem Staatssekretär Wallraf den Emp- fang der Arbeitervertreter abgelehnt hatte. R.-A. Hein«: Haben Sie beobachtet, wie die Hallung der Regierung auf die Streikenden in Berlin wirkte? Zeuge: Anderswo ist infolge des Entgegenkommens der zu- ständigen Stellen der Streit schnell«: beendet worden. Krupp und Vickers. Zu den Presiemeldmwzen über den Prozeß Krupp— D i ck e r s teilt Wo'ffs Bureau auf Grund einer Anfrage bei der Firma Krupp folgend«? mit: Es handelt sich mn einen Anspruch, den die Firma Krupp gegen Dickers nach den Bestimmungen des Friedensvertvagrs und des Reichsausgleichgeseizes geltend gemacht hat und zur Vermeidung schwerer krimineller Straf« hat gellend mach«, müssen. Als Vickers de» Anspruch bestritt, ist auf Wunsch der zuständigen Reichsstellen und in engster Zusammenarbeit mit ihnen Klage vor dem deutsch - englischen gemischten Schiedsgerichtshof erhoben worden. Em e i g e- res Interesse der Firma Friedrich Krupp A.-G. an dem Aus- gang dieses Rechtsstreits, der lediglich unter ihrem Namen geführt wird, besteht nicht. Nach dem Reichsausglcichsgesetz gebühren 69 v; Prozent des etwaigen Ergebnisses dem Deutschen Re'ich. dessen Interesie bei der Höh« des Objettes allem zu der Emleitimg der Sviege geführt hat___ Eifrige Staatsanwälte. llöln, 15. Dezember. �Eigener Drahtberiäch) Unser Partei- blast, die„Rheinische Zeitung ", hatte sich während de» Wahlkampfes mit einer Rede kritisch auseinandergesetzt, die der preußische Kultus» minister Dr. B o e l i tz für die Deutsche Dolkspartei hielt und ihm brutal« Demagogie vorgeworfen. Diese parteipolitische Kritik hatte jetzt zur Folg«, daß die Staatsanwaltschaft gegen un�er Parteiorgan ein« Klage eingeleiset hat. Es steht dabei nicht fest, ob Herr Boelitz selbst sich durch den Vorwurf der Demagogie so stark getroffen gefühlt hat oder ob eine übereifrige Staatsanwalt- schaff über die„Rheinische Zeitung " ein Hagelwetter von Beleidi- gungeprrzessen niedergehen lassen will. Denn bekanntlich schwebm b:reits Klagen gegen des Blatt wegen respektloser Angrisse auf die Charakterfestigkeit Dr. Stresemonns und eine neue Klag« beruht darauf, daß das Blatt den Außerminifter mtt der hochgeschätzten Kunst der Schauspielerei in Verbindung ge« bracht hat..____________„
Letzte Pose. Vor. einem Mietspa'ast am Lützowplatz stehen mitten im Winter zwei über und über mit frischen Blumen bedeckie Wagen, wie man sie bei pomphaften Begrabnissen ficht. Die stie reich: n Pferde sind gänzlich in düsteres Schwarz gehüllt. Neugierige und Straßenbumm- ler stehen herum und begaffen diese Pracht, von der der oder die Tot« wahrhaftig nichts hat. Ein«, Augenweide für die Leidtragenden ist sie höchstens, vielleicht auch ein« Erleichterung ihres Gewisiens, für das Publikum bestimmt«ine stein« Sensation. Di««inkaufenden Hausfrauen finden dankbaren Gesprächsstoff, und die herrlichen Blüten, in der grausamen Kälte hinsterbend, werden nach ihrem Marktpreis taxiert. Die tastbaren Schleifen an den dustenden Kränzen mit ihren mehr oder weniger aufrichtigen Inschriften erregen gewöhnlich hö6)ste Bewunderung. Di« Hinterbliebenen in Trauer- kleidung besteigen unter den Blicken der befriedigten Menge dos funkelnd« Automobil. Das ist das Leichenbegängnis des«inen, gewissermaßen die Ouvertüre dazu... Und die anderen? Was soll ihnen dies« letzt« Pos«? Ihr Leben war stets einfach und streng, es ging hast auf host um Brot und Salz, ohne olle Zeremonien. Und so ist es auch im Tode. Roch in der letzten Minute irdischen Daseins muß der Prolet spüren, daß er«in Enterbter ist. Darum hat der Dichter Wildgans recht, wenn er singt:„Und doch ist olles so anders, wenn es den Armen begegnet!" Einbruch bei einem Inöienforscher. Ein Vrivatmuseum um Millionenwerke beraubt. In zwei aufeinander folgenden Nächten wurde das Privat- museum des bekannten Indien - und Afrikaforfchers Heinz Karl Heiland in de? Friedrichstroß« 73 von Einbrechern schwer heim- gesucht. Der Forscher ist in den letzten Jahren auch durch feine exotischen Film« bekannt geworden. Heiland bewohnt in diesen, Eckhause an der Friedrich- und Jägerstraß« vier groß« Räume mit Diele, die im Dachgeschoß aus-. gebaut sind und nur kleine Fensterchen nach der Iägerstraße haben. Das Haus hat einen ziemlich holzen Eckturm mit vier großen Fenstern nach allen Himmelsrichtungen. Im Boden dieses Turmes befindet sich eine Luke, durch die der Turm mit der Wohnung in Verbindung steht. Gerade unter dem Turm liegt dos Schlafzimmer der Wohnung. Auch dieses ist wie die drei anderen Wohnräume und die Diele ganz mit Sammlemgen besetzt. Das ganz« Privat- nrufeum enthält Stücke aus Afrika und Indien von unermeßlichem Werte. Im ersten Zimmer sieht man u. a. zwei vollständige tibetanische Ritterrüstungen, die allein auf vier Millionen Goldmark bewertet sind. Das zweite Zimmer enthüll u. a. einen großen Buddhatempel aus schwarzem Holz. Im dritten Zimmer sieht man«inen großen indischen Schreib» tisch mit einem Aussatz aus Elfenbein. In ihm befindet sich ew Buddha, mn den herum, wieder aus Elsenbew geschnitzt, Mönche und andere anbetende Figuren standen. An allen Wänden der ganzen Wohnung hängen kostbare Waffen, Säbel und Dolche, die mit Edelsteinen ausgelegt sind, Lanzen, Speer« us-w. Heiland ist feit Januar d. I. auf Reisen. Seine Forschungen galten jetzt Afrika . Am 19. d. M. wird er zurückerwartet. Als Heiland abreiste, bezog ein ihm befreundeter Hauptmann der Schutzpolizei seine Wohnung, um die kostbaren Sammlungen nicht ohne Aussicht zu lassen. Im Oktober d. I. mußt« die Frau des Hauptmanns«in Krankenhaus aussuchen. Er selbst kehrte nun in feine eigene Wohnung zurück, ging aber seitdem jeden Tag nach den Räumen des Frommes, um nochzusehen. Als er am Sonntag kam. fiel ihm«toe Unordnung auf, di« sonst nicht geherrscht hatte. Es sah aber so aus, als ob die Reinmachefrau an der Arbeit gs- wesen wäre, und noch nicht wieder alle» in Ordnung gebrocht hätte. Dabei beruhigte sich der Freund. Als er jedoch gestern, am Mon- tag, wieder erschien, zeigte ihm die Veränderung gegenüber dem vorigen Tage, daß Einbrecher dagewesen waren. Er be» rachrichtigte jetzt die Kriminalpolizei und die Ermittelungen der Krimwalpolizei ergaben, daß noch unbekannt« Verbrecher bei«wem zweünaliqeu nächtlichen Befuche außerordentlich wert» voll« Beute gemocht haben. Was sie alles gestohlen hoben, läßt sich nicht feststellen, bevor Heiland zurückgekehrt ist. E» sehlpn unter anderem die Elfenbeinnguren aus dem Buddhatempel, mehrere mit Edelsteinen ausgelegte Säbel, Dolche und Pistolen, und kostbare Gebetiepp-ch«. Die Beute ist ohne Zweifel sehr groß, weil die Ver- breche r zweimal in den Rächten zum Sonntag und zum Montag da waren. Den Rückweg nahmen sie wieder über die Dächer. Irgend- «in bestimmter Verdacht besteht nicht. Antiquitätenhändler und Sammler werden vor dem Ankauf der kostbaren Sachen gewarnt. Mitteilungen über das Auftauchen des gestohlenen Gutes und sonst zur Aufklärung der Einbrüche nimmt Kriminalkommissar Trettw im Zimmer 193 des Polizeipräsidiums entgegen. Es wird eine hohe Belohmieig ausgesetzt werden. Schwimmfest der weltliche« Schulen des Nordens. In der Städti'chen Schwimmhalle. Gerichtstraß«, fand am Sonn- tag im Beisein des Bezirksbürgermeisters Gen. Leid, mehrerer Stadträte und der Vertreter des Vezirks-jugendamtes das Schwimm- fest der weltlichen Schulen des Nordens statt, zu dem die 298.(well- liche) Schule geladen Halle. Die m i t de n F a hn« n d e r R e p u- b li k festlich geschmückte Halle war von Zuschauern bis auf de.n letzten Platz gefüllt. Ein reichhaltiges Programm wurde geboten. Di« Darbietungen zeugten von der Initiative, dem Ernst und der Hingabe, mit der ari den viel verleunideten weltlichen Schulen auch auf dem Gebieet der körperlichen Ertüchtigung der Jugend gearbeitet wird. In der Begrüßungsansprache betonte Gen. Rektor Rieck, daß diese Arbeit an der Jugend geleistet werde nichtimDienste und Gel sie des Militarismus, sondern nur unter dem Motto: In einem gesuiden Körper ein gesunder Geist! Der Einladung der Veranstalterin waren die übrigen sieben weltlichen Schulen des W e d d i n g» und die weltlichen Schulen aus Moabit , Weißensee, Reinickendorf und Lichtenberg gefolgt. Di« Leistungen in den Eiuzeltämpfen wie w den Mannschafiswett- bewerben zeiglcn«inen erfreulich guten Stand. Hervorragend waren auch die Leistungen im Streckentauchen und im Tellertar»'�n. Auch die Mä dchenwettbewerbe bewiesen, daß hier tüchtig« Arbeit geleistet worden ist. Zur Abwechslung gab es auch Rettungsoor. führui�gen, Wasserspiele und Reigen. Nach harten spannenden Kämpfen gewann in der 19 mal 59 Meter Bruststaffel für Knaben in 9 Min. 11 Sek. die 298� Schul« den wertvollen Wa n. d e r p r e i s<Bild) des Bezirksamts. Mit der Preisverteilung er- reichte das Fest nalb 6 Uhr das End«. Es lieferte den Beweis, daß die weitlichen Schulen auch auf diesem Gebiete hinter andern nicht zurückstehen, sondern führend sind.
wieder ein Todesopfer bat die Unsitte gefordert, auf Züge, die schon im Anfahren sind, im lehtcn Augenblick aufzuipringen. Der Oberpostsekrrtär Deling auS der Kissinger Str . 2 versuchte dies am Sonntag früh um S Ubr 35 auf dem Bahnhof Pankow -Schönhausen . Der elektrische Zug Nr. 296 hatte sich schon in Bewegung geseyt, trotz Warnrufes des BahnbofileilerS sprang Deling aus. Er glitt ab. geriet zwi'chcn Trittbrett und Bahnsteigkante und erlitt fürchterliche Verletzungen. AIS der Bahnarzt eintraf. war er diesen Verletzungen schon erlegen. Die Stadl» erordnelenversammlnng hat ihr« wahrscheinlich letzte Sitzung vor Weihnachten in dieser Woche am Donnerstag um "/«S Uhr. Zu den aus früheren Sitzringen übernommenen Tage». ordnnngSrefien sind wieder neue Voriaaen und Anträge gekommen. Auf der Tagesordnung für die nächste Sitzung stehen auch zwei neue Anträge der Sozialdemokratischen Fraktion. Der ein« fordert Einsetzung einer gemischten Deputation zur Be» ratung darüber, wie die schweren Notstände abgebauter
I Beamten, Angestellten und Arbeiter gelindert werden können. Ter andere Antrag fordert Einsührung der§Z 8 4 Abs. -l und96de-BetciebSrätegesetzes für die unter das Beiriebkrätegcsetz fallenden Arbeiinebmer der Siodt. fj 84 BRG. handelt vom Einspruch gegen Kündigung, und Absatz 4 betuffl die Kündigung als unbillige Härte, die nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers oder durch die Verhältnisse des VelriebeS bedangt ist.§ 06 BRG. handelt von Kündigung oder Versetzung der Mit- glieder einer BetriebSvertretring und dem Schutz dagegen. was ärztliche Siandesehre gestattet. In Rr. 59 des„Groß-Ber- liner Aerzteblaties" schreibt ein Dr. Hadrich außer anderen Unwahr- heiten gegen die Krankenkassen, daß„die Herren Kassendirektavm Gesellschaftsabeirde veranstalten, bei denen der Ambulatariumsarzt der Gattin eines früheren Bierkutschers Komplr- mente machen muß. Dies« infame Lüge verdient tiefer gehängH zu werden. Sie reiht sich ober würdig an die.Hetze gegen den „Sattler" Ebert, den„Buchdrucker" Scheidemonn und ander« Sozial- demokraten, die durch das Vertrauen des Proletariats in leitende Stellen kamen. Dies« Hetze gegen di« Krankenkassen soll die Sozialdemokratisch« Partei treffen. Der standestreu« bürgerlich: Arzt haßt den Proleten, seine Moneten nimmt er gern. Wozu sonst Aerztestreiks?
Moröprozeß haarmann. Die Schuld der Hannoverschen Kriminalpolizei. Ii. Hannover, 15. Dezember. Ist die Empörung, die sich allgemein gegen die Hannoversch« Polizeibehörde richtet, aerechisertigt? Als im Sommer dieses Jahres die Müller und Väter plötzlich vor ipen Kilochenteil<n und Anzugsresten ihrer Söhne gestellt wurden, als sie nun ihr banges Hoffen und Harren, ihr« verschwundenen Kinder konnten doch noch zurückkommen. endgültig aufgeben mußten, entfuhr ihnen ein Schrei der Entrüstung gegen diejenige Behörde, die so schmählich versagt hotte. Demagogen machten sich den begreiflichen Schmerz der Eltern, die leicht verständliche Beunruhigung der Bevölkerimg zunutze, um aus dem Verbrechen Haarmanns parteipolitisches Kapital zu schlagen: sie verallgemeinerten, übertrieben, verleum- deten. Di« höheren Instanzen griffen ein, eine Untersuchung über die Tätigkeit der in Frage kommenden Behörde wurde eingeleitet. Beamte wurden ihrer Posten enthoben. Die Gerichtsverha idlung sollt« in aller Oeffentliehkeit die peinlich« Frage beantworten, ob nur Unfähigkeit und Fahrläsiigkett der Behörde dem Haarmann das Morden leicht gemacht haben, oder ob auch verbrecherisch: Begünstigung ihre Hand mit im Spiele hatte. Was hat nun die objektive Gerichtverhandlunq ergeben? Welche Antwort hat sie auf die qualvolle Frage geliefert: Wieso konnte Haarmann so lang« sein Knabenschlachten betreiben? Es hat keinen Zweck, Bekanntes zu wiederholen. Ein jeder weiß daß unter Um- ständ-.'n nichts in so hohem Maße«inen Anreiz zu weiteren Mord- taten bedeutet wie das unentdeckle Verbrechen: für dst nicht überführten Mörder bildet das direkt einen Ansporn zu neuen Untoten. Wer weiß, wie sehr sich die Morde steigern würden, wenn es der Krimnalpolizc! nicht im größten Teile der Fäll« gelänge, des Täters habhaft zu werden. Ev Ist auch fast zum Ueberdruß er- örtert worden, daß die Polizei Haarmann, trotz schwerwiegcidcr Verdachtsmomente in den beiden ersten bekanntgewordenen Fällen laufen li-.-ß: im Fall Roth« und im Fall Franke. Hier und dort stand es notorisch fest, daß Haarmonn kurz oor dem Verschwinden nnt den jungen Mannern verkehrt hatte. Es soll dahingestellt bleiben, ob der Fall Franke wirklich erst die zweite Mordtat war: wieso wäre der Verdacht der beiden Zeuginnen gegen ihn entstanden, wenn nicht schon früher ähnliche Gerüchte über ihn im Umlauf gewefen wären. Jedenfalls schwoll Haarmann, noch- dem er zum zweitenmal der Kriminalpolizei ei» Schnippchen geschlagen hatte, mächtig der SIomäi; mm fühlte er sich sichere das Morden kannte«st losgehen,©s wurde mtt Recht behauptet. daß dos Milieu Hoarman» das Morden erleichterte, daß/ seine engen Bgziehpnqen zur Kriminalpolizei die Ausdeckung derselben erschweriten, daß die Art der Tötung seiner Opfer und die Fortschaffung ihrer Leichen die Spuren verschwinden lieh. Das«ine ist ja- doch nicht genügend betont worden: die geringe Vor- ficht, die.Haarmann bei dar Wohl seiner Opfer übte, die Offenheit imd Ungenierthett seines Treibens in dem von ihm bewohnte« Haule imd auf der Straß«, die ungeheure Dreistigkett, mit der er in seinem Zimmer, das nur durch ganz dünne Wände von den Räumen ferner Nachbarn getrennt war, ix« Leichen temspnn- gerecht mochte, seine Popularität in gewissen Kreisen— alles dies hätte ohne weiteres schon bei den ersten Morden zu deren Eni- deckung geführt, wenn... ia, wenn die Kriminalpolizei nicht völlig versagt hätte. Di« Prozeßleitung hat nichts unternommen, um festzustellen, ob di« Kriminalpolizei ihrer Pflicht in dieser Hinsicht genügt hat: die Eltern aber behoupien nach wie vor, daß sie nichts getan Höft«, um ihre Kinder zu finden. Di« Kriminalpolizei ist auf diese schwer-' wiegende Anklag« die Antwort schuldig geblieben. In ihrem Inter- esse hätte es gelegen, wein das Gericht ihr Gelegenheit gegeben bätte, sich von diesem Verdacht in oller Oeffentlichkeit zu reinig.». Das vorläufige Resultat der Eerichtsverhandiung aber, das sich durch die weiteren zu erörternden Fäll« nur noch mehr zuungunsten der Polizei verschieben wird, ist: die.Hannoversche Kriminalpolizei hat sich in gleichem Maß« als unfähig erwiesen, Haarmonn der ersten beiden Morde zu überführen, wie auch in den Fällen der Vermißtmeldung-m den wahren Eharaktrr des Verschwindens jungen Menschen zu erkennen. verhanölungsbericht. Hannover . 16. Dezember. Der Dienstag bringt zunächst ein« Auseinandersetzung mit Prasefsar L e f s i n g, der in seiner bisherigen Belichterstattung für den Berliner ..Börsen-Eourier" und„Hamburger Anzeiger" gestern auf Gerichtsbeschluß eine Verwarnung erhielt. Heute früh wurden vom Oberstaatsanwalt einige Abhandlungen zur Debatte gestellt, in denen vom Verfasser Dinge behauptet worden sind, die nicht den Tatsachen entsprechen. Der Oberstaatsanwalt er- klärt«, er wünsch« die Presse, damit die Welt die objektive Wahrheit erhielte. Die Vertreter der Presse müßten aber auch der« Tatsachen entsprechend berichten. Professor Lessing gab auch in einigen Fällen sein« ferlsche Berichterstattung zu. Die Beweisaufnahme, die heut« beendet werden soll. wurde mit dem Fall Robert Witzel foitgesetzt. Dieser Fall ist in- sofern vor. Bedeutung, als er mit Hilfe eines Zufalles zur lieber- führung Haormanna als Mörder führt«. Der Vater«rzähtt als Zeug»,' wie sich sein Sohn am 26. April entfernt Hab« mit den Worten, er wolle in den Zirkus gehen. Don diesem Gong ist er nicht mehr zurückgekommen. Der Zeug« hat am 28. die Vermißten» anzeige auf dem Polizeipräsidium erstattet. Am 29. ist der Zeug« nieder aus dem Polizeipräsidium gewe'en und hat gebeten, daß die VermißtenaiMig« in der Press« veröffentlicht wird. Ein Freund feines Sohnes, Friedlich Kahlmeier, sei ebenfalls auf dem Pcltzei- Präsidium gewesen. Er, ber Zeuge, will noch mehrere Mal« auf dem Polizeipräsidium gewesen sein, um zu erreichen, daß di« Ver- mißicnanzeige in der Press« bekannt gegeben wird. Haonnanns Ucberführung wurde dann durch«inen Zufall möglich, der sich so abspielte: Im Juni waren di« Schädel in der Leine gefunden wor- den. Der Zeuge erkannte den«Inen Schädel als den seines Sohnes wieder, und zwar an einer Zahnlücke. Di« Eheleute saßen nun eines Tages auf dem Flur des Polizeipräsidiums, um bei dem zu- ständigen Kriminaltemmissar Rätz ihre Schädelfeststellungen usw. zu Protokoll zu geben. Während dieses Wartens trat Frau Engel, Haermanns Wirtin, mit ihrem Sohn aus dem Zimmer. Der Sehn trug«in Jackett, das von Frau Witzel sofort als dos ihres Sohnes wiedererkannt wurde. Der Mann der Frau Engel hatte das Jackett von Haarmann bekommen. Dies« Fest- stellung führte seinerzeit zur Ueberführuny Haarmaneis.