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Nr. 593+ 41. Jahrgang

ARNO

1. Beilage des Vorwärts

Arbeiter und Buch

Warsuurs

Der ozialismus

2 for

in der

Karikatur

632

Fridrih Wende

Das letzte Jahr hat auf dem Gebiete der Bücherproduktion eine| Bandlung gebracht, die namentlich im Hinblick auf die gesteigerte Nachfrage nach Büchern vor Weihnachten von Interesse ist. Die Herausgabe neuer Bücher, die während der Inflationsperiode fast

BALUSCHEK

Cart Grollewi Unser Bald

O.K.

Genoffen erst jene geistige Reife und Festigkeit, die für den Fort schritt der Bewegung erforderlich waren. Der Krieg unterbrach leider diese Entwicklung, und erst allmählich können die Lüden ausgefüllt werden, die der Wahnsinn des imperialistisch- nationalisti. schen Zeitalters im geistigen und fulturellen Leben gerissen hat. den Erschütterungen des letzten Jahrzehnts sich nach innerer Sammlung, nach geistiger und seelischer Bertiefung sehnt. Er greift wieder zu dem Buche, als dem besten und vertrautesten Freunde, der ihm Wegweiser und Lehrer zugleich sein soll. Gewiß,

Mittwoch, 17. Dezember 1924

eigen zu nennen. Wenn viele Broleben ihr überflüssiges Geld in Arohoi oder sonst was anderem anlegen, faufe ich mir dann und wann ein gutes Buch." Wir wollen hier gemiß nicht verallgemeinern. Es ist nicht nur der Alkohol, der den kulturellen Aufstieg der Arbeiterschaft hemmt. Es ist auch die verstärkte Ausbeutung im Betrieb, die Wohnungsnot und vor allem die niedrige Entlohnung, die auch manche der Besten in der Arbeiterschaft daran hindert, sich ein gutes Buch zu taufen oder sich an fulturellen Bestrebungen Ber Arbeiterschaft zu beteiligen. Aber wo ein Wille ist, findet sich schließlich auch ein Weg. Und der Wille der Arbeiterleser follie fich, im Intereffe des einzelnen wie der Allgemeinheit, mehr d mehr darauf richten, das Buch vor allem das fozialistische Bud) als eines der wichtigsten Werkzeuge in Befreiungskampje der Arbeiterklasse anzusehen und diesen Gedanken vor allem der jungen, heranwachsenden Generation einzuprägen.

Zur Förderung dieser Entwicklung haben die Arbeiterorganisa tionen stets, insbesondere vor Weihnachten, lebhafte Propaganda für den Anfauf guter Bücher in den Arbeiterkreisen betrieben. Auch in diesem Jahre wird durch Bücherausstellungen und die Berbreitung von entsprechenden Bücherverzeichnissen diese Propa­ganda betrieben. Im Gewertschaftshause finden die Inter­effenten eine reichhaltige Ausstellung von Büchern. Ebenso hat bie Buchhandlung Dieß und die Arbeiter Jugend große und schöne Bücherausstellungen geschaffen. Ein Gang durch die Buchhandlung Dieß( ehemals Borwärts"-Buchhandlung) in der Lindenstraße 2 zeigt den erstaunlichen Fortschritt, den die Bücher­probuftion in diesem Jahre gemacht hat. Neben schön ausgestatteten Kinderbüchern und Jugendschriften findet man hier alte und neue sozialistische Literatur, die wichtigsten Neuerscheinungen auf allen Gebieten des Biffens und eine reichhaltige Auswahl literarischer un ausstellung der Arbeiter Jugend, die sich in der Lindenstraße 3, II. Hof 3 Tr. befindet und täglich von 4 bis 7 Uhr geöffnet ist, zeigt, mit welch lebhaftem Intereffe fich unsere Jugend der Propaganda für die Verbreitung guter Literatur widmet. Wir möchten nur wünschen, daß diese Bemühungen in den breitesten­Kreifen Anklang finden.

Döllig unmöglich gemacht wurde, ist im letzten Jahre in außer Alle Beobachtungen stimmen darin überein, daß der Arbeiter nach fünstlerischer Werke. Auch ein Besuch in der Weihnachts ordentlichem Maße gestiegen. Obwohl die Buchverlage auá jezt mit großen Abfahschwierigkeiten fämpfen, haben sie dennoch im legten Jahre versucht, einen Teil der Lüden auszufüllen, die auf dem Gebiete der Bücherproduktion bestanden. Neben vielen übe: flüssigen sind in der letzten Zeit auch zahlreiche gute und wertvolle Schriften erschienen, die sowohl nach ihrem Inhalt mie nach ihrer Ausstattung eine Bereicherung des Büchermarktes darstellen.

Die sozialistischen Verlage.

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Für das proletarische Butlitum wir denken hier keineswegs nur an Arbeiter, sondern auch m die breiten Schichten der Be­amten, Angestellten usm. fommen neben den wirklich guten populär wiffenfchaftlichen und literarischen Schriften natürlich in erster Linie die Ausgaben der sozialistischen Berlage in Betracht. Auch hier hat die eingetretene Stabilisierung einen er freulichen Aufschwung der Produktion mit sich gebracht. In ver­fchiedenen Städten des Reiches hat eine Anzahl von Parteinerlagen eine rührige Tätigteit entfaltet und neben einer Reihe missenschaft­licher Berte feinere politische und literarische Schriften heraus. gebracht. Am umfassendsten ist naturgemäß die Tätigkeit unseres zentralen Buchverlages J. H. W. Die Nach f.. Berlin , der aus ber Berschmelzung des früheren Diez- Berlages in Etuttgart mit dem Borwärts- Berlag entstanden ist. Insbesondere hat der Verlag Diez durch völlige Umstellung des technischen Betriebes und durch Ein­führung von Neuerungen auf dem Gebiete der Buchherstellung ( Drud, Einband, Illustration usw.) die Möglichkeit erlangt, Bücher von höchfter technischer Qualität herauszubringen. Hervorragende Buchtünstler sind bestrebt, der äußeren Austattung eines jeden Buches eine individuelle Note zu verleihen. Neben politischen und fozialwissenschaftlichen Schriften hat der Verlag im letzten Jahre eine Anzahl wertvoller literarischer Novitäten, so die große Arno­Holz- Ausgabe hervorgebracht. Insgesamt sind im Berlag Dietz im leg en Jahre 33 neue Bücher in einer Gesamtauflage von ca. 195 000 Exemplaren erschienen.

Grundlagen einer Kulturbewegung.

Die Steigerung der Bücherproduktion rollt naturgemäß wieder die Frage des Verhältniffes zwischen Buch und Arbeiter auf. Es war seit jeher der Stolz der deutschen Arbeiterbewegung, daß sie neben der energifchen und zielbewußten Vertretung der politischen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeiterfasse die Grundlage für eine wirkliche Kulturbewegung in den breiten Massen der merttätigen Bevölkerung schuf. Die reichhaltige sozialistische Litero­tur, die in den Jahrzehnten vor dem Kriege geschaffen wurde, gab den in der politischen und gewerkschaftlichen Bewegung tätigen

52]

Der Mittelweg.

Bon Sir Philip Gibbs .

Die Wirtin, ein hübsches Frauchen mit schmalem Geficht und lustigen schwarzen Augen, redete ihn mit mon capitaine an und deckte eine Serviette auf den Tisch.

Sie war während des ganzen Krieges in St. Bol gewesen. Er fannte doch St. Bol? Dann mußte er auch die englischen Offiziere dort gekannt haben. Sie hatte ein très bon souvenir an die englische Armee. Ihr Mann wurde ganz eifersüchtig, wenn sie die englischen Offiziere lobte.

Ganz ohne Grund?" lächelte Bertram. Die Frau lachte und ihre Augen tanzten. Im Kriege gibt's viele Versuchungen. Sie nedte ihren unglaublich dicken Gemahl, aber der sah verdrießlich drein und brummte: Tais­toi, Yvonne!" Sie schnitt ihm hinter seinem Rücken ein Ge­ficht, und als Bertram nach dem Essen in sein Schlafzimmer ging, leuchtete sie ihm, denn Gas gab es nicht in dem Hause. Merci, et bonne nuit, madame," sagte Bertram höf­lich, nahm ihr die Kerze aus der Hand und setzte sie auf den Holzstuhl, der neben dem Bette stand.

Sie schaute mit einem wehmütigen, rätselhaften Bächeln zu ihm auf und sagte in gebrochenem Englisch : In Kriegs­zeiten ich nicht verheiratet. Sie versteh? Englisch Offiziers mir Leben sehr. Rehm meine Hand, wollen geben Ruß, wie fegen Sie doch, flirt. Mein groß did Mann nicht wollen hören von diese Zeit. Aber ich lieb sehr. Wollen Sie geben mir English Kuß für alte 3eit?"

Sie hob ihr Gesicht zu ihm, nachdem sie zuvor einen Blid auf die nur halb geschlossene Tür gewerfen hatte. Bertram füßte sie. Warum auch nicht? Es war gut, jemanden zu finden, der sich der britischen Armee mit Vergnügen und Liebe erinner'e. Sie füßte ihn sechsmal hintereinonder, und mit einem Finger auf den Lippen schlüpfte sie davon als eine mäch­tige Stimme rief:" Yvonne! Qu'est- ce que tu fais, toi?" In dieser Nacht träumte Bertram, daß Joyce ihn füßte.

40.

Der Gedanke an Paris zog so mächtig an Bertram, daß er, nach Amiens zurückgekommen, den Zug nach der Gare du Nord nahm. Er hatte mehrere Artikel, Gesehenes und Ge­hörtes an die Neue Welt" abgesandt, und Bernhard Hall hatte ihm geschrieben: Ihre Sachen sind großartig und werden viel zitiert.

I.H.W.DIETZ NACH

0.1.

es gibt auch solche, die im Buche eine Abientung von der traurigen Wirklichkeit suchen. Aber die wirklich Tätigen, die Kernigen, rie Suchenden greifen nach dem Buche, um mit seiner bilfe die Eren nerben Broblene der Gegenwart besser lösen zu fönnen. Uns er scheint in dieser Beziehung der Brief eines in der Berliner Partei­bewegung tätigen Genossen charakteristisch. Er schreibt uns u. a.: Ich bin ein armer Arbeiter, nebenbei ein sehr großer Büderfreund, darf mich rühmen, eine kleine Bibliothet von über 350 Bänden mein

Es war endloser Stoff in dem Wiederaufbau der Picardie und Artois . Bertram brauchte sich nur an den Tisch irgend eines kleinen Estaminet zu sehen, das hier in diesem Lande der Gespenster zwischen einer Gruppe von Hütten stand, um in der zufälligen Unterhaltung von Bauern und auch Priestern die Nachwehen des Krieges als eine ungeheure Tragödie auch für das Siegerland zu erkennen.

Uber trotz der großen Ausbeute für seinen 3med riß er sich los, weil es ihn übermächtig nach Paris zog, in dem un­widerstehlichen, fast frankhaften Begehren, Joyce wiederzu­sehen.

Während seiner Einsamkeit, denn auch bei diesen zu fälligen Unterhaltungen mit den Leuten fühlte er sich allein, verließ ihn allmählich seine innere Gereiztheit. Er sah die Dinge jegt in flarerem Lichte. Die Berührung mit den Ber­wüstungen des Krieges, die scharfen Realitäten der ungeheuren Hinterlassenschaft von dem Jammer, welcher diesen mörde­rischen Jahren gefolgt war, seine 3miegespräche mit den Geistern seiner Jugend schienen das Bohren seiner eigenen egoistischen Triebe zum Schweigen gebracht zu haben und machten ihm seine Selbstfucht verächtlich.

Was lag denn an seinem verfehlten Leben? Was wog es in der Bagschale der Geschichte und dem Geschicke der Völker? Er hatte fein Recht auf das Leben überhaupt, nur ein unver­hofftes Glüd, eine Gnade von Gott hatte ihn verschont, wo fo viele feiner in Jugendpracht gefallenen Freunde in diesem Beden moderten. Daß er noch lebte, daß er die Lerchen singen hörte, die Sonnenstrahlen in wohligem Behagen empfand, war so viel des Guten, daß er für diesen Dienst nur durch treuen Dienst an das Leben danken fonnte. Er fonnte doch vielleicht durch irgendein Samenforn der Wahrheit, durch gesprochene oder geschriebene Worte, durch die Kraft seines heißen Willens dazu beitragen, das Werk des Friedens zu fördern, damit diefe Felder nie wieder mit den Leichnamen blühender Jugend be deckt würden. Das zu versuchen, war seine Bestimmung, das allein war sein fünftiger Lebenszwed.

Nach den furchtbaren Schlägen der letzten Monate schien er an Verständnis und Erfahrung um zwanzig Jahre gereift zu sein. Auch durch Jane Welfords Hilfe hatte er sich über die Schwäche des Mitleids mit sich selbst erhoben, dieser elenden unheilbaren Krankheit.

Das ganze Zerwürfnis mit Joyce war töricht und fleinlich gewesen. Sie war ja auch jetzt noch taum mehr als ein Kind, und er hatte die festgeklärten Ansichten und die feststehende Philosophie eines gereiften Weibes von ihr verlangt.

Das Auto in der deutschen Wirtschaft. Besprechungen der preußischen Verkehrsdezernenten.

Die Bedeutung und die Zukunft des Automobils in der deutschen Wirtschaft hat den preußischen Minister für Hande und Gewerbe, Genossen Siering, Beranlassung gegeben, ben Berkehrsdezernenten bei den preußischen Regierungsstellen in einer Reihe von Borträgen Anregungen und Belehrungen zu geben.

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Die Besprechungen, die in der zweiten Hälfte der vergangenen Woche im Landtagsgebäude stattfanden, verfolgten gleichzeitig den 3rred, die Möglichkeiten der llebernahme und der Errichtung von Kraftfahrlinien und alles was damit in Berbindung steht, durch den Staat zu erörtern. Nach einer Eröffnungsansprache des Ministers wurden in zwei Vorträgen wichtige Fragen bes Automobil­rechts behandelt, denen fich dienstliche Beratungen conschlossen. Am Nachmittag fanden dann auf der Autorennstrede im Grunewald Geschwindigkeitsermittlungen durch Stopper. suhe statt, wobei sich allerdings herausstellte, daß unter den Vor­cusfehungen, wie diese Bersuche auf der Arus durch Bolizeibeamte cusgeführt wurden, eine einwandfreie Geschwindigkeitsmejjung bei fahrenden Autos nicht möglich ist Sajachlich haben ja auch die Gerichte in legter Zeit die Berurteilung von Strafimagenführern ab. gelehnt, wenn lediglich die Angaben, der Polizisten vorlagen. Der nachste Zag brachte zunächst ein turzes Referat von Diplomingenieur Schumann über die allgemeinen Grundsäge des Auto­mobilbaues in technischer Beziehung. Der Rebner erwähnte besonders die Verwendung eines neuen Leichtmetalls in der Auto­industrie, des Elettrons, dessen hervorragende Leichtigkeit und leichte und bequeme Berarbeitungsmöglichkeit die Berdrängung des Aluminiums nur noch als eine Frage der Zeit erscheinen läßt. Re­gierungsdirektor Mosle vom Bolizeipräsidium sprach dann über die Neuzeitliche Verkehrsregelung in Amerika ". Die Angaben des Redners wurden durch Lichtbilder wirkungsvoll unter­stüßt; fie ließen unsere Berkehrsverhältnisse in Großstädten wie Berlin geradezu altertiimsich erscheinen. Der Borwärts" hat an lößlich der Rückkehr von Regierungsdirektor Moste aus Amerika eingehend über seine dort gesammelten Eindrücke und Erfahrungen berichtet. Nur eines sei noch befonders hervorgehoben: Der Ameri­

In seinen Pilgerfahrten durch die Kriegszone kam das Bild von Jonce, so wie er sie zuerst gesehen und hier in Frank­ reich von ihr geträumt hatte, vor sein geistiges Auge zurück. Er sah sie wieder in ihrer blumenzarten Schönheit, ihrer An­mut, ihrer Eleganz, ihrem Mute und ihrer Lebenskraft. Er strich ihren ganzen Streit aus seinem Gedächtnisse weg und glaubte, daß nach der langen Trennung und dem Wandel in, seinem eigenen Charakter eine. Wiederbegegnung zwischen ihnen beiden in Versöhnung und gegenseitigem Berständnis enden müsse.

Jezt taten ihm seine trockenen humorlosen Antworten auf ihre Briefe leid. Er hatte ihre politischen Ansichten viel zu ernst genommen. Jetzt wollte er zu ihr einfach fagen: Geliebte, ich muß deine Liebe wieder haben. Mein Leben gehört der Liebe und dem Frieden. Ich bin dein treuer Freund und Helfer, nur zu deinem Dienst bereit. Was braucht dann noch zwischen unserem Glück zu stehen?"

Wenn er nachts auf seinem Felbbett lag, sehnte er sich nach Joyce mit dem Heimweh eines Verbannten. Er atmete den Duft ihres Haares, er fühlte ihr seidenes Blondhaar. Im Träumen und Wachen sprach er ihren Namen und sah sie mit nadten Füßen über die grünen Felder auf sich zuwandeln.

Sogar feine Eifersucht auf Kenneth erlosch. Keneth war ihr Spielfamerad gewesen und stand über jedem Verdacht, das fah er jetzt ein.

In solch weicher Stimmung stieg Bertram aus seinem Zug und verließ den Gare du Nord , um in einem flapprigen Auto die öde lange Rue Laffayette bis zum Hotel Meurice zu fahren, wo Joyce wohnte.

In der Hotelhalle ging er flopfenden Herzens durch eine Gruppe von Amerikanern. Plötzlich stürzte er zu einer Tür, denn da stand die geliebte schlanke Gestalt, und das goldene Haar leuchtete. Als sie sich aber umwandte, da war es ein fremdes Gesicht.

Dann erkundigte er sich beim Hotelbeamten nach Ladn Joyce Bollard und der Gräfin Ottern. Der Mann musterie ihn mißtrauisch, denn Bertrams äußere Erscheinung stach von der Eleganz seiner Umgebung auffallend ab, und teilte ihm dann mit, daß beide Damen Paris gestern verlassen hätten. Wohin find fie gefahren?"

Er war aus allen Himmeln gestürzt und verwünschte seine Nachläs greit, sein Kommen nicht angezeigt zu haben. Läch nd zuckte der Mann die Achseln. Wie kann ich das wissen, Monsieur? Paris ist das Tor zu ganz Europa . ( Fortjeßung folgt.)

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