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tTc. 601 41. Jahrgang 2» DOl-töOütd Sonntag,?1. I>cicmbttl624

Der marokkanisthe Sranöherö. Don Hanns-Erich Aaminsti. Die Verhältnisse, die sich im Nordwesten Afrikas heraus- gebildet haben, können jeden Augenblick zu den ernstesten Ver- Wicklungen führen. Es genügt, den Blick auf die Karte zu werfen, um die Bedeutung Marokkos sofort zu erfasien. Im Norden führt der Weg vom Atlantischen Ozean ins Mittel- meer vorbei: gegenüber reckt sich der mächtige Felsen von Gibraltar ins Meer, von dem aus England diese wichtige Straße kontrolliert. Und im Süden und Osten liegt französi- sches Kolonialgebiet, über dessen Bedeutung für Frankreich man kein Wort zu sagen braucht. Außerdem birgt Marokko reiche Eisenlager, die nicht sehr tief und ziemlich nahe am Meer liegen, also verhältnismäßig leicht zu fördern und fortzutrans- Portieren sind. Diese wirtschaftlichen und geographischen Werte haben Marokko bereits zweimal zum Mittelpunkt europäischer Krisen gemacht. Die Küste Marokkos war seit dem spanisch-marokkanischen Kriege von 1860 spanisch, und schon damals war um Tewan wiederHoll gekämpft worden. Im Jahre 1912 schickte sich Spanien an, das ganze Land im Namen Europas in Besitz zu nehmen. Wirklich beseffen hat Spanien Marokko nie. Es gab immer Kämpfe mit den Eingeborenen, das flache Land blieb feindlich, und von einer ernsthaften Zivllisierung oder auch' nur Pazifi- zierung kennte niemals die Rede sein. Die spanischen Soldaten und Beamten saßen in den Städten und herrschten mit Hilfe des Kalifa von Tetuan , soweit ihre Macht eben reichte: das heißt bis an die Tore. Was dahinter lag, konnte nur durch die 5iaids, die Führer der Stämme, beeinflußt werden, die indessen nur sehr selten aufrichtige Freunde Spaniens sind. Während des Krieges ruhten die Kämpfe einigermaßen, weil von deutschen Agenten alles versucht wurde, um die Ein- geborenen des spanischen Gebiets gegen die Franzosen zu mobilisieren, was nicht ganz ohne Erfolg blieb. Als der Krieg jedoch zu Ende war, setzten die Kämpfe der Kabylen gegen ihre Protektoren heftiger als je zuvor ein, besonders nachdem der tatkräftige und eurtipäisch gebildete Abd el Krim die Führung seiner Landsleute auch in der deutschen Presse nennt man sie oft Rebellen übernommen hatte. In den spanischen Veröffentlichungen wird dieser Kampf immer als eine Folge der panislamitischen Bewegung hinge- stellt. Daran ist zweifellos viel. Wahres. Die Hartnäckigkeit und Tapferkeit der Marokkaner wird sicher durch ihren reli- giösen Fanatismus genährt, und es mag auch richtig sein, daß in Indien für ihre Kriegskosse gesammelt wird. Aber ich habe vor-zwek Monaten in Tetuan im Gespräch mit dem. Führer einer dort sehr bedeutenden Sekte selbst feststellen können, daß seine Kenntnisse der Vorgänge in Arabien , der Türkei . Aegypten uird Indien doch sehr wenig konkret und eigentlich nur auf ganz vagen Gerüchten beruhten. Die Wahrheit ist eben, daß S p a n i e n das Land schlecht verwaltet hat. Spanien , das selber recht schlecht oerwaltet wird, ist einfach gar nicht in der Lage, zu kolonisieren. Es ist außerdem viel zu arm. um bedeutendes Kapital in Marokko hineinzustecken, seine. Bodenschätze zu heben, seiner Bevölke- rung neue wirtschaftliche Möglichkeiten zu öffnen. Für die spanische Regierung und sogar für die spanischen Beamten und Osfiztere ist Marokko immer nur ein Ausbeutungsobjekt ge­wesen, aus dem man möglichst viel herausziehen wollte. Der Krieg, der den Privatleuten auch wenn sie in amllichen Stellen sitzen die Möglichkeit, sich in großem Stil zu be­reichern, gibt, bringt für den Staat ungeheure Unkosten mit sich. Er kostet ihn jeden Tag nicht weniger als acht Millionen Pesetas, das sind zwei Drittel des gesamten spanischen Etats. Wie ernst die Lage war, erfuhr die spanisch« Oeffentlich- kcit überhaupt erst im Jahre 1921, als die Besatzungsarmee bei Melilla eine furchtbare Niederlage erlitt. Die Vertuschung der Korruption, die bei der von einer Kammerkommission ge- führten Untersuchung damals ans Tageslicht kam und die zu einem Panama für das ganze spanische Offizierskorps und besonders auch den König zu werden drohte, bildete dann den Hauptgrund des Militärausttandes von Barcelona , der zur Errichtung der Diktatur Primo de Riveras führte. Primo de Rioera stimmte denn auch der gesamten öffent- llchen Meinung darin bei, daß Spanien wenigstens im Innern Marokkos nichts zu suchen habe und daß es nur den Küsten - strich halten solle. Es dauerte jedoch mehr als ein Jahr, bis er den Widerstand des Königs und der ihm anhängenden Militärs gebrochen hatte, um mit der Räumungspolitik be- ginnen zu können. Er übernahm persönlich das General- kommissariat für Marokko und begann das, was er seine Polllik nennt, was in Wirklichkeit indessen einer militärischen Niederlage verzweifelt ähnlich sieht. Einen einheitlichen Kriegsschauplatz gibt es überhaupt nicht. Zwischen den drei Sektoxen Larache (an der Westküste), Tetuan (im Norden) und Melilla (im Osten) besteht nur über See eine Verbindung, und der Rückzug des spanischen Heeres tostet ungeheure Menschen- und Materialverluste. Die Zahl von 29 009 Toten und Verwundeten, die allein dt« Aufgabe von Tauen einem nicht ganz unbedeutenden Ort, in dem viele Spanier wohnten gekostet haben soll, ist aller Wahr- scheinlichkeit nach nicht übertrieben. Der Rückzug erfolgt nämlich ohne jede Fühlung mit Abd el Krim. Es waren allerdings von spanischen Politikern Verhandlungen mit dem Kabylenchef eingeleitet worden, aber Primo de Rivera hat davon nichts wissen wollen. Er hat es vorgezogen, mit den Führern der einzelnen Stämme zu ver- handeln, die sich in der Regel erst reichlich mit Geld und Mu- mtion versehen lassen, ehe sie dann offen auf die Seite Abd el Krims treten. So machte es nach der Aufgabe Tauens der Tribus der Djebala, und ihm haben sich jetzt auch die Andjcras angeschlossen, die im Norden von Tetuan sitzen. Die Bahn von Tetuan , der Hauptstadt des Gebiets, nach dem klemcn Hafen Ceuta . die einzige Straße von der Stadt, die bisher noch sicher war, ist damit nun auch gefährdet. An eine unmittelbare Gefahr für das befestigte und mit Artillerie ge- svickte Tetuan möchte ich trotzdem noch nicht glauben, aber die Stadt wird vermutlich wieder wie im Oktober von den marokkanischen Schützen belästigt werden. Die sehr zahl- reicken Spanier in Tetuan werden dadurch in ihrer Tätigkeit natürlich sehr behindert werden, und wenn die Bahn nach Eeuta ernsthaft gestört werden sollte, kann dadurch auch ein Druck auf ihre Berteidigungsmöglichkeit ausgeübt werden. Bon Tetuan bis Ceuta sind aber nur 38 Kilometer, und was

Einsegnung Üer Kronzeugen.

»Umgürtet Euch mit öem Harnisch üer Niedertracht, setzet ans den Helm der Verleumdung, wappnet Euch mtt dem Schild des Meineids, ergreift das Schwert der llüge und ziehet hin gen Magdeburg , zu zeugen wider ihn! Hott will es! Und übrigens wird für Such gesorgt werden."

von dem berühmten Küstenstrich, den Primo de Rivera halten will, dann noch übrig bleibt, wird er selber kaum sagen können. Sein Plan, auf eine feste Linie zurückzugehen und dann noch einen Frieden nach seinem Gutdünken zu schließen, muß jedenfalls schon jetzt als gescheitert angesehen werden. Die spanische Linke, insbesondere unsere Genosien, fordern denn auch die völlige Räumuno Marokkos einschließlich der Küstenstädte und die Rückgabe des Pro- tektorats an den Völkerbund. Wozu jedoch auch die politi- schen und militärischen Notwendigkeiten führen werden, die Riffrepublik mit oder ohne Tetuan wird sehr bald eine Tat- fache sein. Damit ist ein neuer, überaus ernsterKonfliktstoff zwischen England und Frankreich gegeben. Eine englische Gesellschaft, die sich für das Eisen des Atlasgebirges inter- essiert, hat bereits vor Monaten Abd el Krim einen Borschuß von 1S9 999 Pfund Sterling gezahlt, um sich den Besitz daran zu sichern. Und daß Frankreich andererseits die Kabylen mit Waffen, Geld und guten Ratschlägen unterstützt, ist ein offe- nes Geheimnis. Bei der Zusammenkunft Herriots und Cham - berlains ist über diese Frage gesprochen worden, und es scheint, daß Frankreich vielleicht für Konzessionen in der Kölner Räumungsfrage dabei die größeren Borteile zugesagt erhalten hat. DerSuotidien* hat allerdings in einer offiziösen Rottz das Gerücht einer bevorstehenden Intervention Frankreichs dementiert und hinzugefügt, daß, selbst wenn die französische Regierung sie plante, die Kammer niemals ihre Zustimmung dazu geben würde. Wir haben keinen Grund, an dieser Versicherung unserer Freunde zu zweifeln. Aber man darf nicht vergessen, daß die französische Kolonialpolitik notwen- digerweise Tendenzen in sich trägt, die sich schon aus der Lage Marokkos ergeben. Denn ein Riffftaat würde seinen religio- sen Fanatismus vermutlich kaum vor den Grenzen des franzö- fischen Gebiets abstoppen können selbst wenn er es wollte. Und außerdem wird der neue Staat zu kapitalarm sein, um nicht ausländische Kredite aufnehmen zu müssen. Die Gefahr dunkler Einflüsse ist also sehr groß, und es kann Frankreich niemals gleichgültig sein, wer sich an diesem wichtigen Punkte einnistet. DerTemps" und andere große Pariser Zeitungen haben auf diese Umstände wiederholt und nachdrücklichst hin- gewiesen. Wenn sich jedoch auch England und Frankreich mit der gegenseitigen Versicherung einer gemeinsamen Be- kämpfung der panislamitischen Bewegung, die hauptsächllch England interessiert geeinigt haben sollten, bleibt immer noch die Einmischung der anderen Mittelmeerstaaten, beson- ders Italiens , eine gefährliche Möglichkeit. Man spricht beretts von einer neuen Marokkokonferenz, die dann alle internationalen Probleme zweifellos in den großen Schmor- topf der Verhandlungen werfen würde. Was Deutsch - l a n d anbelangt, so kann es dabei leicht nur ein Kompen- fationsobjekt werden. Um so eher als alle Parlncr sich darüber einig sind, eine deutsche Wirtschaftsexpansion in Ma- rokko zu verbindern. Die Marokkaner, die früher mit Deutsch - lond gute Geschäfte gemacht haben, hätten vielleicht am wenigsten dagegen: aber es ist sehr die Frage, ob sie auf dem Parkett der Verhandlungen ebenso gewandt und erfolgreich sein werden wie in dem rauhen Gelände ihres heimatlichen Kampfgebietes.

Wirtschaft Die Zwischsniösung bei üer Rentenbank. Fingerzeige und Bedenken. Eine auffallende Erscheinung! Die sonst so eifrige Rentenbank hat bis zur Stunde kein Wort der Erwiderung zu den Ausfllhrun. gen imVorwärts" gefunden, welche auf die dem deutschen Wirt­schaftsleben drohenden Gefahren hinwiesen. Man wird aus dieser Totsache des Schweigens den Schluß ziehen müssen, daß die Dar- legungen richtig waren,«in Schluß, der bei den im Reichstag zu erwartenden Auseinandersetzungen nicht aus dem Auge verloren werden darf. Nun ist ja eine Zwischenlösung gefunden worden, die Rentenbank-Treuhandstelle, der auch die Rentenbank zugestimmt hat, allerdings nicht ohne Widerstreben und nach lebhaften Ans- einandcrsetzungen im Derwattungsrat, der die Verhandlungen in einer Sitzung nicht zu Ende führen konnte. Am liebsten hätte man in diesen Kreisen die Erledigung auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfasjung gesehen: dann hätte man sich die unbequemen Er­örterungen erspart und es wäre nicht so viel Licht in die Zusammen- hänge gefallen. Die§§ 9 und 16 des Liquidierungsgesetzes sollten di« Handhabe zu dieser beschleunigten Lösung geben. Es ist das Verdienst der preußischen Regierung vor allem, diese Gefahr ab- gewehrt zu haben. Di« Zwischenlösung selbst gibt einige Fingerzeig? für die end- gültige Lbsung. Auf Grund der eben erwähnten Bestimmungen des Liquidierungszesetzes hatte die Rentcnbank bisher di« rund 189 Mll- licnen kurzfristig bei den Großbanken angelegt. Bon da wurden sie weiterbegeben. Wir glauben gut unterrichttt zu fein, wenn wir behaupten, daß auch di« Großindustrie von diesen Krediten erhalten hat, auch solche Unternehmungen, die jetzt nicht ohne Erfolg« sich auf die Geldsuche in die Vereinigten Staaten begeben hoben. Di« Rentenbankgeider sind also tatsächlich nid)t nur der Landwirtschaft zugute gekommen, wobei es gleichgültig ist, ob dies nur dem Druck der Paragraphen zuzuschreiben ist, an die sich die Rentenbarst so krampfhaft klammerte. Denn darüber war sich die Rentenbemk wohl im, klaren, daß die Großbanken sich keine Vorschriften bei der Weiterbeycbung der Kredite machen lassen würden. Ebenio wußte sie, daß gerade di« am meisten kreditbedürftigen Landwirt« nickst Kunden der Großbanken sind, welche aus dem Geschäst einen immer­hin nicht ganz unbeträchtlichen Gewinn einheimsen können. Die Tatsachen allein sollen sprechen, und diese beweisen, daß derVor- wärts recht hatte, wenn er die Forderung aufstellte, daß dem ganzen Volk« zugute kommen miisse aus den Geschäften, zu denen das ganze Volk beigetragen hat. Daß das möglich ist. hat das Interim gezeigt. Ein Weiteres kommt dazu. Die Treuhandstelle wird gebildet von der Deutschen Rentenbarik, der Preußischen und der Bayerischen Staatsbank, dem Dentsthen Landwirsschastsrat und dem Reichsbank- direktorium. Wir sagen nicht, daß diese Zusammensetzung eine ideale ist. Wir verkennen nicht, daß durch die Stellung des Deutschen Landwirtschaftsrates neben die Rentcnbank der großagrarische Ein- fluß verstärkt wurde. Wir glauben auch.nicht, daß di« Zusammen- setznng der Treuhandstelle.besonders di« kleinen Landwirte schützt. Doch darauf kommt es schon deshalb.weniger an, weil der Ver- teilungsschlüsstl für die Kredite festgelegt ist. Hier handelt es sich darum, daß für die spätere endgültig« Gestaltung des Kreditinstttuis ein Weg gewiesen ist, der sympathischer' ist wie das Gaukelspiel mit den Zahlen, das bei der Zuscmmensetzcmg der künftigen General- versanimlung und des künftigen Verwaltungsrates getrieben wird. Di« Treuhcmdstelle selbst wird sich noch ein Statut schaffen. Unter den kleineren Kreditinstituten, welche von der Trcuhandstell« Kredits erhalten, hat der Verwaltungsrat ein« Auswahl getroffen.