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Leute, der kennt die Gegend. Der weiß, wo die Weihnachtsfreude| cnhett. Gegensatz. Links ein Rummel, in dem ein hinterpom mersches Dorikarussell zwischen Loseausrufern sich abquält, Mufid zu machen. Hier ist es dunkler als auf der Straße, damit du ja den Ernst der Dinge richtig begreifft, verfündet dir ein Ausrufer im weißen Operationstittel, indem er eine ähnlich gefleidete Person mit weißer Kapuze vor sich herschiebt, es handelte sich hier um die wichtigste sexuelle Aufklärung der Gegenwart. Man verheißt dir, daß an dieser weiß umhüllten Person etwas demonstrieri werden soll, d. h. wenn du einen Groschen opferst, unter dem Titel: Die hohe Schule der Gattenliebe" oder Was muß ich von der The wissen". Solcher Art ist das geistige Manna, das hier ge­bo.en wird. Aber weiter, die Frankfurter Allee entlang. Auf der Mittelpromenade die noch immer ein unabsehbarer Wald von Tannen, von Weihnach stannen säumt. Das Dunkle wächst in der Straße, je mehr wir uns der Ringbahn nähern, wird fast förperlich. Die Laternen verbreiten ein sterbendes Licht, das die hohen Hausfronten in ihrer Kahlheit noch grabähnlicher erscheinen läßt.( Eine Erinnerung fliegt zurück. Vor ein paar Stunden gingst du über den Kaiserdamm. Autos flitten mit Weihnachtsbäumen. Ein Auto wurde bemüht, um einen Weihnachtsbaum zu fahren.) Hier ist eine Maschine dabei, hunderte zu befördern, sie hängen an ben Trittbrettern der Straßenbahnwagen, Menschen, die noch weiter hinaus wollen in die noch ärmeren Viertel, wo das Licht ganz ver­fieft und die Schwärze der Nacht weber still" noch heilig", aber graufom hängt. Hinter dem Bahnhof Lichtenberg Fried. richsfelde im Zuge der breiten Straße liegt dieses letzte Dunkel. auf das du harrtest.

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Bor dir geht einer mit einer mächtigen Tanne, du siehst ihn schwer und langsam schreiten und es erscheint, als gehe die Tonne mit ihm, als führe sie ihn unter dem Schuß ihrer Aeste. Und plötzlich fteigt es in dir auf: von all den für die Riesenstadt zuviel geschlagenen Weihnachtswäldern wollen Tousende und aber Taufende wieder hin­

aus zu dem Play. wo sie gestanden, wo sie geboren. Und jeder Baum wird einen der ebenfalls zu vielen mit sich führen, hinaus aus der Stadt, wo die wahre Weihnacht herrscht und Raum und Friede ist.... F. K.

Der Aermsten Weihnachtsfeiern.

Eine Erinnerung.

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Bor einigen Jahren war es, da veranstaltete die Gewerkschafts­tommiffion am Heiligen Abend" eine Weihnachtsfeier der 5) eimat lofen. Da faßen sie nun, die Brüder der Landstraße, die ewig, rostlos Wandernden. Weihnacht der Heimatlosen- ein Funke in falter Nacht, ein Fest der Gemeinschaft, das Fest der Liebe. Im geschmückten Saal fangen die Arbeiter- Sänger( fie alle hatten die häusliche Feler zurückgestellt, um hier zu helfen). Minuten! Mit Liebe und Freude und Opfergeist bereitet. Und doch Gläserne Augen, voll endlosem Weh... stiere Blide, zurüdtastend in lichtlofe Jugendjahre trotzig verbittert sehnsuchtsvoll. Weihnacht der Heimattojen glitzernde, gleißende Minuten der Zukunft.... Wenn ihr im Kreise eurer Familie seid, schleicht durch öde, klebrig folte Straßen das Heer der Heimatlosen. Ruhe os suchend die Jungen; trotzig, immer noch hoffend. Eitfeesten Leibern gleich die Alten, müde und stumpf, ein Funke Bergangenheit im stieren Auge. Wer kennt ihre Renien, wer kennt ihr Schicksal? Und doch find wir Brüder, heimatlose Brüder, denen die Heimat fehlt, das Land, das Heim, die Arbeit, die uns gehört. Unsere Weihnacht, sie muß erft erfämpft werden.

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Bewegung, Tauschen die Kinder fedem Wort. Das ist das Bunder barste bei diesem Ergebnis: Während sonst im Theater niemals völlige Ruhe herrscht, die gesamte Zuschauerschar nur selten von dem Schau­spiel gefangen ist, benehmen sich diese Kinder, von denen die wenigsten nur ein Theater von innen fahen, wie die idealsten Theaterbesucher. Sie sind naiv und gehen völlig in dem Stück auf, daß man von seelischer Hingabe sprechen fönnte. Sie empfinden die helfte Freude über die lustigen Bedsprünge des tapferen Schneiderleins, Paul hendels, das der braven, um den erwarteten Verdienst genarrs ten Musfrau( Hilde Mewes) zu entwisten weiß. Sic fämffen mit, als das Schneiderlein die beiden Riesen( August Johann Drescher und A. Schweizer) durch List und Gewand.heit besiegt. Das Spiel wird den Kindern zur Wirklichkeit und Grauen padi fie, als die Here ( Fränze Roloff ) ihre Bauberkünfte übt. Hin und wieder pflegen die Schouspieler trauliche Rücksprache mit ihrer Zuhörerschar, und noch felten ist eine Aufführung so wie dieses fimple Märchenspiel fo geadelt worden. Zum Schluß fennt der Jubel teine Grenzen mehr: Blumen, con eifrigen Kinderhänden geschleudert. schwingen fich hinauf zur Bühne. Ein kleiner Bub betritt die Bre ter und überreicht dem tapferen Schneiderlein ein Alpenveilchen. Er bringt den sichtlich er

Eine frohe Feierstunde

am Freitag, den 26. Dez. am Freitag, den 26. Dez.( 2. Weihnachtsfeiertag), vorm. 11 Uhr, Großes Schauspielhaus, Karlstraße Großstadtfrühling"

Chorwert mit Mufit, Gelang und Tanz von Franz Rothenfelder Musit Winterfonnenwende"( Prolog gefprod en von Carl Ebert )

Im Chorwert tommen vor: Ein alter Mann, ein Zieh­hormonitaspieler, ein Leiermann, ein Bänkelsänger, die Harfenjule, eine Sängerin ein Dichter, ein blinder Mann, ein Kind. Einzelsprecher: Carl Ebert , Alexander Röckert, Sonit Rainer, E.se Wagner, Walter Werner, Heinrich Witte, fämtlich vom Stealstheater, Else Tuschkau vcn der Boltsoper,

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Tänze einstudiert von Erna Tancrè- Rohrmoser. Der Sprechchor für Proletarische Feierstunden.- Musikalische Leitung: Wolfgang 3eller.- Künstlerische Gesamtleitung: Albert Florath Bezirksbildungsausschuß Groß- Berlin SPD.

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griffenen Schauspielern Freundschaftsgrüße der Kinderfreunde und: Freundschaft!" hallt es aus tausend Kinderfehlen. Das tapfere Schneiderlein trit hervor, mit Blumen in den Händen, und dankt. Gesang zu befchließen. Stehend fingen die beglüdten Kinder ein Mit fröhlichen Worten fordert es auf, tas Fest mit gemeinsamem zukunftsfrohes Lied. Unter Jubel und Freude leert sich das weite Haus. Jm Asyl für Obdachlose.

Auch zu den Aermiten aller Armen dringt flüchtig ein Strahl der großen Weihnachtsfreude. Das große rote Hous in der Froebelstraße, diese Stätte größten Glends, sollte auch von Weihnachtsstimmung widerhallen. Im Familienheim, dessen Saal mit Tannen deferiert war, fand eine schlichte Weihnachtsfeier statt. Die Kinder empfingen bunte Teller. Der Direktion waren Mittel zur Verfügung gestellt worden. bie es ermöglichten, 150 Kinder mit Hemden und Grümpfen zu befchenfen. In den Sälen des nächt lichen Obdachs, wo augenb icklich Schnitterfamilien untergebracht find, wurden ebenfalls bunte Teller( Pfeffernüsse, Nüsse, Aepfel usw.) vertei't. Im Versammlungsfaal wurde am Heiligabend ein großer Tonnenbaum aufgestellt, die Obdachlosen an das ihnachtsfest zu erinnern; jeder von ihnen erhält ei Zigarettenpädchen, die Frauen einen bunten Teller.

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In der Schrippenkirche.

anstaltet, die den Grundgedanken des Weihnachtsfeftes nahelegen sollte, und bei der die Schwesternschaft ihre Zöginge mit musika­lischen Darbietungen erfreute. Die Bescherung auf den einzelnet Stationen war diesmal besonders freundlich, weil auch der kleinste Raum im Christbaumschmud prangie. Aus Haushaltungsmit.eln hatte die Verwaltung des Waisenhauses die Gabenti che mit Spiel­zug und anderen erfreulichen Dingen geschmückt. Die gespendeten Sachen waren leder meist unbrauchbar, was ein bezeichnendes Licht auf die edlen" Spender wirft.

Eine Weihnachtsfeier für die Blinden Groß- Berlins veranstaltet am 28. Dezember, vormittags um 11 Uhr, in den Räumen des Berliner Konzerthauses", Mauerstraße 82, der im Jahre 1860 begründete Moon'sche Blinden - Verein. Diese älteste und bedeutendste Blindenfürsorgeorganisation der Reichshauptstadt und der Provinz Brandenburg wird über 1300 Erblindeten eene Weihnachtsgabe überreichen. Auch eine Bewirtung der blinden Gäste findet statt, und musikalische Darbietungen werden den Fest­aft umrahmen. Bar- und Sachspenden aller Art nimmt die Ges schäftsstelle in Charlottenburg , Sesenheimer Str. 6( Fernruf: Stein­pcz 2132 und Postscheckkonto Berlin Nr. 111 855) stets dankbar entgegen.

Der sehende Blinde.

Gefährliche Ueberstunden" am Heiligen Abend. Kriminalbeamte in der letzten Zeit, daß viele Leute, besonders aus

Bei den Streifen durch die Bergnügungslokale bemerkten den Bettlerkreisen, unberechtigt im Besik von Blinden. abzeichen waren. Diese Beobachtung veranlaßte die Streif beamtenschaft, fich die blinden Bettler recht genau anzusehen. So der Kreuzung der Leipziger und Friedrichstraße als war auch ein Mann aufgefallen, der sich die vielbegehrte Ede an Standplak ausgesucht hatte. In der Zeit von 5 bis 7 Uhr nach­mittags oder zwischen 7 und 9 Uhr abends bezog er, geführt von einem anderen Manne, seinen Posten. Der Führer hielt sich dann in der Umgegend auf und beobachtete seinen Schüßling. Aber auch nach andere hatten Interesse an beiden. Gestern abend tamen zwei Kriminalbeamte von der Streife Mitte des Weges und erkannten in dem Blinden " einen Mann, den sie vor einigen Tagen in einem Lofal ohne jede fremde Hilfe hatten Stat spielen fehen. Beim Spiel hatte er seine Augen offen. In seiner Rolle als bes dauernswerter Blinder jedoch hielt er die Lider geschlossen. Außer dem Blinden " erkannten die Beamten einen anderen Statspieler, der in der Nähe stehend, scheinbar harmlos eine Zigarette rauchte. Der vermeintliche Blinde wurde von einem der Beamten auf­gefordert, mit zur Wache zu kommen. In demselben Augenblick wollte der harmlose Raucher, der fich später als Führer entpuppte, auf eine vorbeifahrende Straßenbahn springen. Er wurde noch rechtzeitig von dem zweiten Beamten erwischt und ebenfalls fest­genommen. Inzwischen hatte sich eine erregte Menschen­menge um den Kriminalbeamten und den Blinden " gesammelt, die sich gegen die Beamten wandte. Troh seines Protestes mußte der Blinde" mit zur Wache, wo er notgedrungen sehend wurde. Er wurde als ein 23 Jahre alter Otto Schuhfnecht festgestellt, sein Führer als der 28 Jahre alte Nathan Koppelsti. Vor acht Tagen erst waren die beiden aus Leipzig nach Berlin gekommen. Sie hatten schon Halle, Frankfurt a. M., Nürnberg - Augsburg , München und Erfurt gemacht". Teilweise hatten sie in verschiedenen Städten desselben Vergehens wegen gefeffen". Sobald sie wieder frei waren, verließen sie die ungaftliche Stätte und suchten einen anderen Ort heim. Als tüchtige Geschäftsleute verpaßten sie keine Gelegenheit. So fonnte ihnen nachgewiefen werden, daß sie bereits während der letzten Messe in Leipzig gearbeitet" haben. Die Tageseinnahme betrug bei zweistündiger Arbeitszeit" burch­Ichnittlich 25 m. Am Tane ihrer Berkaftung fand man bei dem Führer 15 M., bei dem Blinden " 17 M Da sie zu Weihnachten dringend Geld brauchten, hatten sie befchloffen, leberstunden" zu machen. Zwei Stunden hatten sie schon Unter den Linden gestanden. Auf dem Wege nach der Ede Friedrich- und Leipziger Straße hatten fie die Einnahme geteilt, als beide verhaftet wurden.

Zur Erichießung des Polizeiwachtmeisters Fischer teilt das Po­lizeipräsidium mit, daß die weiteren Ermittelungen nach dem Täter zur Festnahme des Kontoristen Friz Goslar, genannt Mos. fau, wegen dringenden Tatverdachts geführt haben.

Mit den Kinderfreunden" im Märchenland. Das Theater am Bülowplay fah gestern eine feltene und aus­erwählte Gesellschaft: bis auf den letzten Platz war es gefüllt mit einer zunächst erwartungsvollen, tann anteilnehmenden und endlich froh begeisterten Kinderschar, die von der Bereinigung der Kinderfreunde" und der Arbeiterwohlfahrt" hier rersammelt war, um gleich am als Weihnachtsgeschent in dem schönen Raum des Volksbühnenhouses ein Märchenspiel zu erleben, das ihnen lange unvergessen bleiben wird: Das tapfere Schneiderlein." Puntt 2 Uhr verdunkelt sich der weite Raum und es wird mäuschenstill Helle Kindersämmen fingen ein fröh­liches Lied. Dann blizt die Vorbühnenbeleuchtung auf der Vorhang geht feierlich auseinander: Genossin Clara Bohm Schu ch spricht ten. Die ganze Feier, die schon gegen neun Uhr morgens begann, Ein Augenzeuge der Tat hat Goslar , auf den übrigens die Personal­zu den Kindern von dem Glouben an die Menschenliebe und dem wahren Einn der Christusmythe. Sie spricht schlicht und mütterlich und bemüht sich, Verstehen für die höchste Idee, die der Sittlichkeit, zu werben. Dann tiefe Gongschläge Da liegt das tapfere Schneider lein im Bett und räkelt sich. Bon diesem Augenblid an herrscht völliger Zusammenhang zwischen Bühne und Zuschauerraum. Auf­merksam und verständnisvoll folgen die zahlreichen Augenpaore jeder

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Der Mittelweg.

Bon Sir Philip Gibbs .

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Berlin scheint voll mit reichen Leuten," sagte Bertram, ,, fie trinken und tanzen und lassen sich's wohl sein."

Das Mädchen fah sich im Lokal um und machte eine Ge­bärde des Efels. Meistens Ausländer, die hier verkehren, und " Schieber". Dies ist nicht das wahre Deutschland . Dies ist dieselbe Hölle wie in anderen Weltstädten London , Paris , New York ."

" Sie fennen London ?"

" Sehr gut sogar Bor dem Kriege war ich Tänzerin dort. Im Empire. Wie geht's dem lieben, alten Piccadilly?" Steht noch am selben Platz," sagte Bertram. Wie er­innerte ihn die Linie ihres Halfes an Joyce.

" Ich möchte wohl wieder nach London zurück," plauderte fie weiter. Hier muß man schlecht werden oder verhungern. Ich habe eine Schwester, die wollte nicht schlecht werden. Sie ist Schneiderin und verdient nicht so viel, wenn sie den ganzen Tag arbeitet, daß sie sich mal ein neues Hemd kaufen kann. Wenn sie ihre Sachen wäscht, kann sie den Tag nicht ausgehen. Jetzt hat sie Tuberkulose durch Unterernährung."

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Unterernährung? Was ist das?" Denn das Mädchen hatte das letzte Wort deutsch gesagt.

Hunger ist der richtige Ausdruck dafür. Hier leiden alle, die anständig bleiben wollten, an Unterernährung. Meine Mutter ist im Kriege dran gestorben, als wir alle, ob anständig oder nicht, nichts zu effen hatten, ihr Engländer habt uns so leiden lassen. Durch eure Blockade."

Ja," sagte Bertram.

" Es war grausam, wie? Und nach dem Kriege habt ihr die Blockade aufrechterhalten, bis der Friede unterzeichnet war. Ihr habt Krieg ge ührt mit unseren Kindern und Tausende ge­tötet, damit der Hunger uns zur Uebergabe zwingen sollte. Das war nicht, was ihr ehrliches Spiel nennt.

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Es war das Kriegsfpiel ihr hättet uns noch schlimmer behandelt, wärt ihr die Sieger gewesen." Das fann sein. Der Krieg ist vielleicht ebenso grausam wie der Friede. Die meisten Männer sind Teufel, und die Frauen Teufelinnen."

" Es gibt auch noch anständige, wenn das Glück ihnen das gönnte. Und zwar der Durchschnitt." Sie wenigstens find nicht graufam," antoortete fie. Sie find gut. Sie haben gute Augen und sprechen mit mir, wie

Im dunkelsten Berlin , in der Aderstraße, liegt die Schrippenfirche". Da versammellen sich am Sonntag vor Weih nechten siebenhundert arme Männer, meist aus dem Obdachlosenasyl, die hier mit Kaffee und Weihnachtsstollen bewirtet wurden. Der Saal war weihnachtlich geschmückt; zwei hohe Tannenbäume brann­deuerte nur eine Stunde. In der Klosterkirche spielte sich das

felbe ab.

Jm Waisenhaus.

Das städtische Weisenhaus in der Alten Jakobstraße er fegt 540 Kindern das Elernhaus, went auch nicht alle Kinder Voll­waisen find. Am Dienstag wurde eine stimmungsvolle Feier ver­

mit einer anständigen Frau. Ich könnt' Sie lieb haben, was meinen Sie dazu?"

Ich muß nun gehen," sagte Bertram.

Sie hielt ihn beim Arm fest, er aber rief Ober!", zahlte für den Wein und stand auf. Sie streckte ihm die Hand hin, und er nahm sie.

" Sie sind, weiß Gott , zu gut für diese Welt," sagte sie mit eigentümlichem Lachen.

Ich hätte früher sterben sollen," antwortete er ernst, im Kriege. Aber ich hatte kein Glüd."

Lernen Sie lachen. Lachen Sie über dies graufame Leben, so wie ich."

Sie haben seine Grausamkeit wohl erfahren," fagte er mitleidig. Bis zu dem Grund der Hölle," antwortete sie und lachte ,, Gute Nacht, also."

schrill.

" Gute Nacht, Liebchen." Sie beugte sich plötzlich nieder und füßte seine Hand, die auf dem Tische lag.

Seltsam verstört verließ er das Restaurant. Als sie sich über feine Hand gebeugt hatte, um sie zu füssen war sie ihm wieder wie Joyce erschienen. Und dieses verdorbene" Mäd­chen war gütiger zu ihm gewesen als Joyce. Das war ein schrecklicher Gedanke. Schließlich war auch Joyce schlecht. Sie war zu Kenneth übergegangen, ohne die schwere Bersuchung, die dieses deutsche Mädchen sich verkaufen ließ, um der Unter­ernährung, die dasselbe ist wie Verhungern", zu entgehen.

44.

Am nächsten Tage fand Bertram seine Schwester zu Hause. Sie hatte ihn schon voll freudiger Aufregung er wartet, und Bertram war ganz überrascht, wie sie vor Glück ftrahlte, als sie ihn begrüßen fonnte. Ste umarmte ihn lachend und weinend vor Freude, hielt ihn von sich ab, um zu sehen. ob er sich sehr verändert hatte, und zog ihn dann wieder mit überströmender Zärtlichkeit an sich. Er verstand nicht. was es für sie bedeutete, wieder jemand von den Ihrigen bei sich zu sehen, nachdem sie den ganzen Krieg in Feindesland gelebt hatte.

Sie hatte sich sehr verändert. Trotz ihrer achtundzwanzig Jahre war ihr brauner Knoten hier und da schon grau ge­färbt, und ihr schönes Gesicht trug die Spuren vergangener Sorgen. Und irgendwie war sie deutsch geworden. Es war etwas Hausfrauliches an ihr, nicht nur in der Art ihrer Klei­dung, sondern in ihrem ganzen Aussehen.

beschreibung des Täters zutrifft, wiedererkannt. Goslar bestreitet, will auch an der Rundgebung in der Neuen Welt" am 24. November und dem nachfolgenden Demonstrationszug nicht teilgenommen haben. Diejenigen Personen, die sonst noch Gos ar an dem frog­lichen Abend in der Neuen Welt" oder in der Nähe des Taloris, am Mariannenplag gesehen haben, werden gebeten, sich im Polizei­präsidium im Zimmer 241, 264e oder 2621 zu melden.

Alles wollte sie wissen; von den Eltern, von dem armen Digby und Susan, und von ihm selber und Jonce, ihrer schönen Schwägerin, die sie nie gesehen hatte.

Bißchen viel auf einmal," scherzte Bertram. Aber es würde länger als einen Monat dauern, sollte ich Dir alles erzählen, und das meiste ist sehr traurig.'"

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,, Dann erzähle du nur einen Monat lang. Einst war ich ausgehungert nach Lebensmitteln wir haben die beiden letzten Kriegsjahre beinahe von nichts gelebt, jetzt bin ich ausgehungert nach Nachrichten von daheim. Ich verzehre mich nach jedem fleinsten Bißchen."

Aber zu einer vertraulichen Aussprache fam es nicht, da Dorothys Gaite, der Baron von Arenberg eben hereintrat. Es war ein militärisch aussehender Mann um die Dreißig herum, mit gewandten Manieren und einem hübschen, gut­mütigen Gesicht, dem die grauen Augen und der kleine blonde Schnurrbart einen hellen freundlichen Ausdruck gaben. Er tauschte mit Bertram einen festen Händedruck und zeigte sich erfreut, Dorothys Bruder zu begrüßen, den ,, fie so liebt". Aus Dorothys Briefen wußte Bertram, daß sein Schwager meistens an der russischen Front gestanden hatte und nur ganz zuletzt nach dem Westen abkommandiert worden war. Er bemerkte, daß seine Frau in galanter Berehrung die Hand füßte und wunderte sich zuerst darüber, bis er später sah, daß es in diesen Kreisen allgemein üblich war.

Bei Tische war die Unterhaltung nur oberflächlich, da Bertram alle peinlichen Themen vermied. Auf die Erkundi­gungen nach Joyce antwortete er, sie wäre zu Besuch bei Bekannten in Frankreich , und über den Zweckt seines Besuches in Deutschland befragt, gab er die Auskunft, daß er etwas journalistisch tätig sei und die Zustände in Deutschland , den Geist des Boltes und dergleichen fennenlernen möchte.

Dorothy und ihr Gatte warfen sich einen Blick zu. Sie wären froh, daß endlich jemand von England herüberkam, um die Wahrheit über Deutschland zu schreiben. Denn das falsche Bild, das die englischen Zeitungen darüber gäben, wäre furchtbar. Direkt grotest," sagte von Arenburg. Wieso denn?" fragte Bertram.

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In jeder Weise," sagte Dorothy. Drüben behaupten fie, Deutschland würde ungeheuer reich, daß die Leute keine Seuern zahlen brauchten, daß die deutsche Mark absichtlich gedrückt würde, um den Weltmarkt zu erobern, daß die Re­volution eine Farce und die vorgebliche Berarmung des Boltes ein Betrug sei."

( Fortsetzung folgt.)