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Nr. 607 41. Jahrgang

Arbeitskunde.

Bon Dr. Otto 2ipmann,

Direktor des Instituts für angewandte Psychologie.

2. Beilage des Vorwärts

Donnerstag, 25. Dezember 1924

Winterfonnwendfeier.

Arbeit bedeutet ein Stüd Kultur, eine Aeußerung mensch­lichen Lebens schlechthin, die als etwas Einheitliches im Be­wußtsein zu verarbeiten ist; sie ist wie jede Kulturerscheinung sowohl unter dem Gesichtspunkte des Prozesses wie dem des Produktes zu betrachten. Die Arbeitsforschung ist zwar nicht eigentlich aus Nöten unseres gegenwärtigen Lebens entstan­den, aber hierdurch doch wesentlich gefördert worden. Die Arbeits fun de nimmt im Gegensatz zu der mehr teore­tisch gerichteten Arbeits wissenschaft direkten Bezug auf die der dringenden Lösung harrenden praktischen Auf­gaben der Arbeitsgestaltung.

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Mit diesen Gedanken leitet Johannes Riedel das Sam­melwert ein, das er unter dem Titel Arbeitstunde, Grundlagen, Bedingungen und Ziele der wirtschaftlichen Ar­beit" foeben im Verlage von B. G. Teubner in Leipzig   und Berlin  ( 364 Seiten, 13 M., geb. 15 M.) herausgegeben hat.

Das Buch ist von dem Leitgedanken beherrscht, daß die Arbeit als Lebenserscheinung fomplerer Natur ist, d. h. daß nicht einzelne Seiten dieser Erscheinung aus ihrem Zusammen­hang herausgerissen, ja daß nicht einmal die Gesamterscheinung Arbeit aus ihrer Einlagerung in das Lebensganze herausge­löst werden darf, sondern daß die Erscheinung in allen wesent­lichen Beziehungen erfaßt werden muß.

Die Arbeitskunde hat daher zunächst die gegen­wärtige Lage unseres Arbeitslebens verständlich zu machen durch Untersuchungen über die Geschichte der Arbeit, über die Wandlungen des Arbeitserlebnisses und über die arbeits­hygienischen Wirkungen der Wirtschaftsentwicklung, die in der Darstellung der gesundheitlichen Lage der Gegenwart gipfeln. Einseitige Versuche, die vorhandenen, mehr oder weniger deutlich empfundenen Mißstände zu beheben, sind in neuerer Zeit: Sozialpolitik und Arbeitsrecht, Psychotechnik" und wissenschaftliche Betriebsführung; eine einheitliche Arbeits­politik, die alle Seiten des Arbeitslebens in sich begreift, ist erst noch zu schaffen.

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Die Grundlagen der Arbeitskunde sind einmal anatomisch­physiologischer, andererseits psychologischer Art. Bei der Behandlung der einzelnen Probleme der Arbeitskunde endlich find an erster Stelle die Wirkungen zu untersuchen, welche die dingliche und die menschliche Umgebung auf die Arbeiter und die Arbeit ausüben. Weitere Probleme der Arbeitskunde sind dann der Arbeitslohn, die Arbeitszeit, die Arbeitsmittel, die Beziehungen zwischen Berufsarbeit und Inhalt, der Freizeit, Berufsberatung, Berufsschulung, Betriebserziehung und der= gleichen mehr.

Auf Einzelheiten der Arbeitskunde fann hier nicht einge gangen werden. Ich kann nur einzelne Gedanken des ge­nannten Buches herausgreifen, die mir beim Durchblättern als besonders dankbare Objekte zum Weiterdenten aufge: fallen sind.

Staatspräsident hell pach gibt folgende Definition: Arbeit ist jede fortgesetzte, angespannte und geordnete Tätigkeit, die der Erzeugung, Beschaffung, Umwandlung, Ver­teilung oder Benugung von materiellen oder ideellen Daseins gütern dient." Profeffor Reiter fügt hinzu: Arbeit ist ein notwendiger, das Ganze ursächlich bestimmender Bestand teil des Gesamtlebens und die Borausfegung einer gesunden Lebensharmonie. Für das außerberufliche Leben hat sie eine gewaltige Bedeutung; denn diefes erhält seinen Sinn zum großen Teil durch die Arbeit, und erst in ihm entfaltet sich

Wende Dich, Sonne!

Bon Urmin T. Wegner.

Ihr Menschen in der Einsamkeit der Finsternis, ihr durstenden Brüder des Lichts! Die Zeit ist da, da das Dunkel am längsten bei uns auf der Erde weilt. Hinter Schleiern von Wolken und Schnee steht die Sonne, ein rotes verwundetes Auge. Die Zweige der Bäume fnarren im Frost, das Eis brüllt auf den Seen, durch die kahlen Straßen der Straßen der Städte schlept der Sturm feine fahlen Straßen der Städte schleppt der Sturm seine frostbehangene Schleppe. Gefangene, ruht ihr in der Winternacht.

Aber die Stunde des schwächsten Lichtes auf der Erde ist auch die Stunde seiner Wiedergeburt. Haft allen Völkern der Welt ist die Berehrung der Sonne gleich, als der heiligsten Spenderin ihres Lebens. In ihr sah der Mensch den Inbegriff aller Schönheit und Herrlichkeit, eine unendlich erhabene, milde, Glüd und Frieden bringende Gottheit. Naturgemäß aber war der damit verbundene Rultus in den nördlichen Gegenden, die am meisten unter der Ent­behrung der Sonne litten, am größten, weshalb sie den gesamten Jahreslauf der Sonne mit Festen begleiteten. Feuer ist das beste bei der Menschen Söhnen; und der Sonne   Schein seine Gesundheit, wenn sie der Mensch besitzt und ohne Gebrechen zu leben." In diesen Jahrtausende alten Worten spiegelt sich deutlich die tiefe Sonnenliebe unserer Boreltern. Ihre Sonnenwendfeste waren die feierliche Entzündung eines großen Festbrandes an den vier Haupt­stationen des Sonnenlaufes. Aber während sich das Klagefest zur Zeit der verwundeten Sonne" und des absterbenden Naturlebens in den Sonnenwendfeuern der Mittsommernacht des 21. Juni deut­lich erhalten hat, ist das Fest der neugeborenen Sonne", das Fest der Weihnacht so sehr von christlich- religiösen Bräuchen verdeckt worden, daß sein alter erhabener, tief in dem Naturleben der nörd­lichen Völker wurzelnder Sinn in dem Bewußtsein der meisten Menschen fast ganz verloren ging.

Der Gott des Lichts! Einäugig steht er am Himmel; denn er hat sein anderes Auge in Mimirs Brunnen verborgen, um einen Trunk der Weisheit daraus zu erhalten: es ist das Spiegelbild der Sonne im Wasser. Er hat es hingegeben um der tiefsten geheimnisvollen Weisheit willen, die im dunklen Grunde verborgen ist; denn der Begriff der Weisheit ist untrennbar mit der Sonne   verbunden, eine tiefe innere Verwandtschaft, die darin liegt, daß wir unser ganzes Bissen aus der Anschauung schöpfen. Licht und Erkenntnis, Sehen und Wissen. Mit der Nacht", heißt es in der indischen Rigveda, weichen die Sterne wie Diebe vor dem Gott, der alles enthüllt. Mit folchem Lichte wandelst du durch den Himmel und durch die Luft ind scheidest den Tag von der Nacht, schützender Gott. Nach dem Duntel aufschauend, rufen wir zu dir, höchstes Licht. Nimm die Brantheit meines Herzens und die blaße Furcht von mir." Am

O KOESTER

Wer ist denn da draußen?"

Ein kleines Kind. Es kommt angeblich aus Bethlehem   und sieht auch ziemlich jüdisch aus." Jehört vermutlich auch zu dem Ostjudenjesindel, das der Severing importiert hat!"

bei breiten Volksschichten das Eigenleben, allerdings unter der Bedingung, daß durch die Arbeit meder physisch noch pinchisch eine Ueberspannung der Kräfte erfolgt und im übri­gen das außerberufliche Leben die Wiederherstellung der für die Arbeit notwendigen Kräfte gewährleistet."

Zum Schluß feines Auffages über die Geschichte der Arbeit äußert ell pach einen sehr beachtenswerten Gedanken, dem ich hier die folgende Formulierung gebe: Es liegt weder ein logischer noch ein tatsächlicher Zwang vor, bei Maßnahmen der Arbeitsgestaltung die Schonung der menschlichen Arbeits­fraft im Auge zu behalten; aber ein Außerachtlassen dieses Ge­sichtspunktes würde vermutlich überhaupt zu einem Ende unserer Zivilisation, nicht aber zu einer fie rettenden Pflicht ethit der Arbeit führen. In demselben Sinne folgert auch Ministerialrat Koelsch aus seiner Betrachtung der arbeits­hygienischen Wirkungen der Wirtschaftsentwid.ung, daß die

schönsten aber hat gerade für unser nordisches Empfinden der Sonnenmythus sich in der Sage des deutschen Sonnengottes Balder  erhalten. Balder   ist der zweite Sohn Odins  , eine helle Lichtgestalt, der mildeste und gerechteste, der weisefte und wohltätigſte unter den alten Götterriesen, den Asen. Um ihn vor Unheil zu schützen, hatte feine Mutter Frigg allen Dingen und Wesen den Eid abgenommen, daß weder Feuer noch Wasser, weder Stein noch Eisen noch Holz, meder Krankheiten noch Tiere ihn verwunden konnten. Einst ver­gnügten sich die Asen zum Scherz auf einer Wiese mit ihm, fchoffen und hieben auf Balder   und freuten sich, daß nichts ihm schaden fonnte. Aber Lofi  , der Gott der Finsternis, durch den alles Unheil in die Welt fam, war eifersüchtig auf Balder  , und es gelang ihm, Frigg ihr Geheimnis zu entloden; denn unter allen Dingen hatte sie einem vergessen den Eid abzunehmen, der Mistelstaude. Loki   schnigte einen Pfeil daraus, legte ihn heimlich dem blinden Asen Hod auf den Bogen und gab ihm die Richtung an, in der er schießen sollte. Der Pfeil durchbohrte Balder  , der tot zur Erde fiel. Da errichteten die weinenden Götter auf dem Deck eines Schiffes einen ungeheueren Holzstoß, auf dem der Leichnam Balders   brennend ins Meer trieb. Der Schein dieses Feuers aber ist die Abenbröte der Sonne, die jeden Abend am Himmel erstrahlt, wenn der tote Sonnengott unter der allgemeinen Trauer der Natur in der Glut des Meeres versinkt, denn alles Licht muß in das Dunkel zurück. Das Johannisfeuer der denn alles Licht muß in das Dunkel zurück. Das Johannisfeuer der mittsommernacht, der Holzstoß Balders  " ist ein letztes Gleichnis dieser Totenverbrennung. Mit ihm aber auf dem brennenden Schiff finkt auch Nanna ins Meer, die Geliebte und Gattin, die Göttin des Lichtes die verdorrenden Gräfer und Blüten der Sonne nachfolgen. Pflanzenlebens, wie unter dem Strahl des schwächer werdenden Aber Balder   wird wiederkommen, Balder   kommt wieder. In der Weihnacht erhebt er langsam von neuem das strahlende Haupt und beginnt seinen Siegeslauf über Kälte und Finsternis. Wenn die alten Deutschen   von ihren Jagden in den Wäldern durch den Winter abend heimkehrten und über den fahlen Baumkronen in purpurner Glut die Sonne erlöschen sahen, so begrüßten sie niederfniend vor ihr auf den Feldern, in ihren Druiden- und Götterhainen das wieder steigende Gestirn. Mit fugem Geschick hat die christliche Kirche diesen Tag, den Dies natalis invicti, den Geburtstag des Unbesiegten als ein christlich- religiöses Fest umzudeuten verstanden; wie auch die lichterbesteckten Tannen, die jetzt auf unseren Tischen erstrahlen, nichts anderes find als die Bäume, die unsere Vorfahren zu Ehren der das Gedeihen der Pflanzenwelt fördernden Mächte aufzurichten pflegten. Die grüngoldenen Mistelzweige, die man noch heute, namentlich in England, zu Weihnachten an die Decken der Stuben oder über die Zimmertüren heftet, find gleichfalls nur eine fromme Erinnerung an den verhängnis- und geheimnisvollen Mistelzweig, mit dem Balder   getötet wurde, ein Symbol der Wiederbelebung der absterbenden Sonnentraft.

Balder  - Mythe und Chriftus- Mythe, beide sind einander im tiefsten verwandt. Beides find uralte Gleichnisse der Menschen.

Industrie sich der Bedeutung einer rationellen Menschen­ökonomie bewußt bleiben muß. Arbeiten, fabrizieren ist not­wendig, heute mehr denn je; Voraussetzung muß immer bleiben, die Arbeitsbedingungen derartig auszugestalten, daß eine gesundheitliche Beeinträchtigung der tätigen Individuen und des Boitstums hingehalten wird; Fortschritte der Technik und der Betriebsführung müssen mit Fortschritten der Ge­fundheitsfürsorge Hand in hand gehen."

In seiner Abhandlung über die hygienische Gestaltung der Arbeit wird dies von Roelfch nochmals betont, daß nämlich ein intensives und enges Zusammenarbeiten aller hier in Betracht kommenden Faktoren, unterstützt durch eine aufgeflärte Arbeiterschaft, recht wohl selbst in gefährlichen Betrieben erträgliche bzw. gesundheitlich einwandfreie Arbeitsbedingungen zu schaffen und somit die Voraussetzung für eine rationelle Arbeitsgestaltung zu er

schicksale und Hoffnungen, die sich durch die Jahrtausende erhalten haben. Balder   und Christus, in beiden fymbolisiert sich die Gestalt eines Sündenbodes, des reinen und unbefleckten Schlachtopsers, die den alten Sühneriten ihr Gepräge gab. Der Uebertragung aller Menschenübel gerade auf einen reinen schuldlosen und auserlesenen Vertreter der Gemeinde zur Bühne für die Allgemeinheit folgten seine Austreibung cder sein Opfertod stets auf dem Fuße. Bei den alten Saturnalienfesten wurde durch das Los einer der Scaten zum König gewählt, erhielt die Insignien des Königs und wurde für das Heil seiner Mitstreiter dem Saturn als Opfer dargebracht. Auc Balder fiel wie ein Saturnalienfönig. Mit Recht hat man gleichfalls auf die tiefe Uebereinstimmung hingewiesen, die zwischen Icfus als Saturnalienfönig" und den Bräuchen besteht, unter denen er zum Opfertode geführt wurde. Doch Opfertod schafft neues Leben. Christus wird auferstehen. Balder   wird wiederfchren. Immer wieder verjüngt sich die Welt im hellen Schimmer eines neuen Weltenjahres.

Aber nicht nur den Tag und den Sinn des Wintersonnenfestes hat die christliche Kirche in ihren Kultus übernommen; auch das Bildnis der Sonne selbst nahm sie in die Formen ihrer Berehrung cuf. Ein auf Runenstäben eingeschnigtes ad bezeichnete einst den sie verehrt oder mit brei oder vier flammenden Speichen, den vier Weihnachtstag, den Tag der Sonnengeburt. Als volle Scheibe wurde gleichmäßig gebogenen Linien des Hatenkreuzes, jenes heiligen freie Menschen liebenden Zeichens, das der Geist der Finsternis heute für die Zwecke des Hasses und der Feindschaft zu mißdeuten versucht. Radfenster in den Fenstern der Gotteshäuser. Die Kirche, die den Noch heute erstrahlt das Sonnenzeichen, ein Symbol des Göttlichen, als die Kreuzesglorie hinter dem Haupt des Getreuzigten oder als Mythus zur Erleichterung ihres Sieges zu Hilfe rief, hat jedoch durch ihr starres und tyrannisches Dogma aud) den Geist des Mythus getötet. Bir aber, wenn wir heute zurückschauen auf den Weg von Jahrtausenden, wollen hinter dem Fest der Neugeburt des gött­lichen Menschensohnes auch an das Fest des wiedergeborenen Lichtes denken und mit ihm das Fest der Weisheit und bes Lebens feiern. Wir ,, die den freien, spielenden Mythus lieben und das Dogma ver­achten, wie die Erwachsenen liebend zurückschauen auf das Märchen der Kinderzeit und doch demütig vor der Unendlichkeit bes Weltalls, vor dem Bunder des Lebens ihm nicht weniger unbegreifend gegen. überstehen wie die Kinder. Jenen Mythus, in dem die tiefe Ber. geistigung der Natur, liegt, dessen Wesen es ist, ihrer starren und unfühlenden Erscheinung menschliche Empfindung zu leihen. Menschensohn! Menschensonne! Berehren wir in dem einen den neuerstandenen Menschen, jene hohe strobe Lehre der Berg. predigt, die uns Chriftus, der reine, geopferte Mensch geschenkt hat, fo verehren wir in der anderen die Voraussetzung, die Spenderin und die Fülle unferes Seins, das Licht, das Leben und die Weisheit. Ja, mit den Alten spredjen mir: Die Sonne sah ich, so schien es mir, aís fähe ich eine herrliche Gottheit; ihr beugte ich mich zum. legten Male in der Menschenwelt."