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1* Heilage öes vorwärts
Sonntag, 28. dezember 102»
fim öen Geburtsjahren öer Eisenbahn.
Wenn wir heute, anläßlich der Errichtung der neuen Eisenbahn- gesellschafl auf Grund des Dawes-Gutachtens, über die Geburtsjahre unserer, besonders aber der m Berlm einmündenden Eisenbahnen, plaudern wollen, haben wir in erster Linie auf die Schwierigk leiten hinzuroeiscn, überhaupt erst Eisenbahnen bauen zu dürfen und zu können. Di« Geburtswehen waren schwer und nicht zuletzt ein Kampf eines überlebten Kapitalismus und der feit den Napoleoni- scheu Kriegen herrschenden Reaktion gegen einen Fortschritt, der wirtschostlich und polirisch von höchst revolutionierender Bedeutung war. Das für den Vau von Landstraßen aufgewendete, um seine Rentabilität fürchtende Verkehrskapital, Wirte und Hausknechte, Postl>ilter und Pcstillon« kämpften gegen den Dampfwagen. Sie gewonnen die Reaktion an den deutschen Fürstenhöfen für sich, die durch den schnelleren Verkehr eine Verbreitung revolutionärer Äeen besllrchteten: sie gewannen vor allem die Kirche, und Moralprediger und Pfaffen erklärten auf Katheder und Kanzel die Erfindung Stcphuisons für dos Werk des Teufels. Es war eine liebliche Zeit, diese Biedermeierzeit, an die die.Schwäbische Dampfhymne" er- innert, die 1848 m den„Fliegenden Blättern " erschien: Und wia nur die Ei sab oh Gar so dundrifch sausa ka. Freilich sey's im Büchla z' ftnda, Daß der Deufel steck dahinda— Doch dös ficht mir Koiner a. Jsch vom Deufel, wia mar leasa, Jsch toi dummer Deufel geweasa... vle Souveräne und Sie Eisenbahn . Krumm« Wege mußten eingeschlagen werden, um von den Fürsten die Konzessionen zu erlangen. Zu Oesterreich konnten eine Zeitlang nur Bohnen mit Tunnels gebaut werden, auch wenn ste nicht nötig waren: denn der Souverän amüsierte sich an Tunnets als eine Art Spielzeug und konzessioniert« grundsätzlich nur Tun- nels. Andere gekrönte ihäupter wollten nur Eisenbahnen zu ihrem Privatv.rgnügen, z. 58. von der Residenz zum Lustschloß, ober nicht über die Grenze des Läudchens hinaus; außerdem kostete eine solche Konzession immer ein Heidengeld für die stets leere fürstliche Privat- schatulle. Die Konzession für die Bahn Nürnberg— Fürth war von Bayerns ehrgeizigem König schließlich nur zu erlangen, indem man ste Ludwigsbahn taufte. Am besten lagen die Dinge noch in Prcu- ßen, wo eine nach englischem Muster geschuite, lideralisierende Wirt- schaftsbureoukroti« volkswirtschaftlichen Ideen zugänglich war. Aber auch hier gab es Widerstände. Der preußische Generalpostmeister N a g l e r hatte durch Einführung der englischen Schneilpusten d!« Reisedauer von Berln noch Magdeburg von Tagen auf IS Stunden vermindert und glaubt«, die Konkurrnu mit jeder Eisenbahn aufnehmen zu können. Er gewann auch Friedrich Wil helm IV. für sich, der, als das Projekt der Eisenbahn Berlin — Potsdam erörtert wurde, erklärte, ihm wäre es schließlich gleich. gültig, ob er einige Stunden früher oder Später von Berlin aus in Poisdom eintreffe. Leute fährt man die Strecke im V.Zug in 22 Minuten. Fast gleich« Schwierigkeiten boten der Kapitalmangel und die lechnische Unwissenheit. Di« Geldfrage wurde schließlich ge- löst durch Heranziehung von Auslandkapital durch Gründung von Akt:« geielljchafteil. Die erste Eisenbahnaktienge) llfchast entstand kurz nach 1820 im Wuppertale. Auch technisch lernte man. Die Schienen der Eisenbahn Nürnberg— Fürth waren bereits, was kaum allgemein bekannt fein dürfte, deutsches Produkt und in der Rassel- steiner Hütte bei Neuwied a. Rhein gewalzt. v!e Luüwiysbahn. Machen wir es uns einmal klar(ohne zu lächeln), wie man
lcgium exclustvum für 30 Jahr«. Man zählt« täglich alle Menschen, die di« Landstraße Nürnberg— Fürth passierten, um die Rentabilität der künstigen Bahn berechnen zu können Erbauer war der„köniz - lich bayerische" Ingenieur Denis, ein hervorragender� heute ver- gesiener Techniker, der ioeben aus der Lehr« in England und Amerika zurückkam. Leide? haben unsere Schulen noch immer soviel Mark-
grasen und König« einzupauken, daß die wahren Pionier« der Kultur vergessen werden. Denis stellte in der Zeit vom Juli 1834 bis 7. Dezember 1833 die Bahn fertig: sie war 20 730 bayerische Fuß— 1,36 Wegstunden= 0,82 geographische Meilen— 6 Kilo- meoer lang und nach dem System der Lwervool— Manchester-Bahn gebaut. Die Kosten der Anlagen und Einrichtung betrugen 213 470 Gulden: sie wurden aufgebracht durch 1777 Aktien ä 100 Gulden (auf Dioidende) und eine Anleihe zu 4 Proz. Befördert wurden nur Personen, und zwar 1836 rund 449 399, was S3 441 Gulden Einnahmen erbrachte. 1844 tonnten aber schon 1607 Stück Vieh befördert werden und auch schon 341 Zentner Frachtgut. Der Rem-
Die erste Berliner„Teatelsbabn". gewinn betrug in dielem Jahre 31316 Gulden und die erfreuten Aktionäre erhielten eine Dividende von 15 Proz. Darob großer Jubel und Degiisterutig für da» Teuselsmerk. Di« Reifezeit dauerte 10 Minuten; es gab drei Klassen und das Fahrgeld betrug 1. Klasse 12. 2. Klasse 9 und 3. Klaffe 6 Kreuzer. Gepäck war, soviel man tragen konnte, frei. Run muß man sich die Ludwigsbahn aber auch richtig vorstellen. Sie hatte allerdings aus der Fabrik von Robert Stephenson , wie in der Eröffnungsbilanz, die vor fast 100 Jahren erschien, nachzulesen ist, zroi Lokomotiven gekauft, We franko Rotterdam 1700 Pfund Sterling kosteten. Der Betrieb wurde aber noch gehalten mit? Pferden, die die 12 Personenwagen über die Schienen zogen. Im Anfonp wurden täglich 30 Fahrten gemacht, davon 15 bis 20 Vferdefahrten. So etwas Aehnliches wie die Ludwigs- bahn war bereits da. Schon 1820 bestanden zwischen der Ruhr und der Wupper Elfenbabnstrecken. z. B. die Prinz-Wilhelm-Bahn, die von Kupferdreh an der Ruhr über Neviges nach Vohwinkel (Elberfeld ) fuhrt«. Aus bei DerbindlMg dieser alten rheinischen Schienenwege mit Stephenson » Lokomotive ist ia Überhaupt erst die Eisenbahn entstanden. öerlin— Potsdam . Die erste, schon moderne Eisenbahn war die Verlin— Potsdamer Strecke, die am Z0. Oktober 1838 eröffnet wurde. Vorher war schon eine Gesellschaft, die über ein Kapital von 600 000 Reichstalern oer- fügte, verkracht. Anlage und Emrichtungskosten verschlangen bis 1843 rimd 1 417 155 Reichstaler, die durch Aktien aufgebracht wur- den. Di« Bahn begann am Potsdamer Tor, passierte den asten Landwehrgraben und ging an Schönebevg und Steglitz vorüber nach Potsdam . Sie war eingleisig und hatte in Steglitz und Zehlen- dors Ausweichungen. Gebaut wurde sie nach belgischem Muster mit freitragenden Schienen. Pferde wurden nicht mehr verwendet, d«» die Förderung nur durch Dampskrast geschah. Sorge machte, da Kohlen fehlten, da» Brennmaterial; man feuert« also jahrelang, wie heute stellenweis« in Rußland , mit Nadelholz und 1844 verbrauchten die Lokomotiven per Meile, wi« es in den alten Berichten heißt, 17,2 Kubikfuß weiches Holz im Werte von 1 Reichstaler,% Silber» aroschen. An Betriebsmitteln hatte man 13 Lokomotiven. 72 Per- soueu wagen, 28 Güterwagen, 2 Gepäckwagen, die damals 362 313
Reichstaler kosteten— und für den Hof 2 Staatswagen. Cs wurden täglich fünf bis sieben Fahrten gemacht. Di« Fahrpreise be- trugen(Berlin — Potsdam ) 1. Klasse 20, 2. Klaffe 15, 3. Klasse 10 Silbergroschen. Es gab auch, ähnlich wie heute beim Omnibus, Obersitze. für die ein Einheitspreis von 10 Silbergroschen galt. Die Fahrt für einen Hund kostete 2!4 Silbergroschen. Damals gab es schon Abonnements, sie kamen nach einem alten Preistarif bei Ab- nahm« von 10 Billetts rund 5 Silbergroschen pro Fahrt billige� Die Fahrldauer belies sich aus 40 Minuten. Die Bahn beförderte 1838 nur 18 243 Personen, 1844 aber schon 433 619 Menschen und 146 993 Zentner Güter. Sie erzielt« damst eine Einnahm« von 187 764 Reichstalern. Die Betriebskosten betrugen in dem genannten Jahr 48% Proz. der Einnahmen und es konnte«in« Dividende von 7% Proz. ausgeschütt.st werden. Technischer Direktor der Bahn war Geheimer Oberbaurat C r e l l e. öerlin— Wittenberg — Döthen. Nicht ganz so reibungslos verlies der Bau der Bahn Verlin— Wittenberg— Cöthen. Es war das erste große Unterneh- men, ausgesührt von den Ingenieuren Petersen und Rosen- bäum. Zunächst war kein« Konzession für den Bau zu bekommen. da sie nicht an Potsdam , wo doch alle Wege hinlaufen sollten, vor» beiführte. Als dies« endlich da war, kamen technische Schwierig- ketten. Die Bahngänge erforderten 618 768 Schachtrufchen 4 144 Kuliffuß Erde. 185 Brücken und Durchlässe und 3092 Fuß Durch- flußöfsnämg, darunter 2 eiserne Drehbrücken im Berliner Bahnhof zum Durchlassen von Schiffen und 2 andere Brüeckn über den Landwehrgraben. die rund 11 000 Reichstaler kosteten. Die Bahn begann in der Nähe des Halleschen Tores und lag außerhalb der Stadtmauer. Wie die Eisenbahn allgemein dos wirtschoftspolitische Bild veränderte, z. B. das Zollunwesen abschaffte, so oerändert« ste auch das Städtebild. Bei dem Bau der Lmie Berlin— Cöthen mußton, um überhaupt eine Verbindung mit dem Bahnhof herzu- stellen, von der Wilhelmstraße Nr. 108— 113 eine neue Straße hergestellt und die alte Stadtmauer durchbrochen werden Es ent- standen zwei neue Torgebäude, die dann dem über die alten Mauern flutenden neuen Leben die modern« Physiognomie gaben. Auch beim Bau der anderen in Berlin einmündenden Bahnen, z. B. der Strecken Berlin — Stettin (erbaut 1845 vom Ober-Wegeinspektor Neuhaus), Berlin — Hamburg und Berlin — Frankfurt a. d. O.(projek- liert vom Jngemeur Z i m p« l, der wie fein Kollege Denis in England und Amerika gelcmt hatte), fiel der mittelalterliche Mauer- bann. Mit der Dampskrast kam die neue Zeit. Bemerkt sei, daß aus der Strecke Berlin — Cöthen zum erstenmal Koks benutzt wurde, und zwar kostete dieser„Coaks", wie man damals schrieb, der Sä)effel 9 Silbergroschen. Di« Lokomotiven verbrauchten, was uns heut« als unerhotte Verschwendung erscheint, 3,8 Scheffel per Nutzmeile. 1844 hatte der moderne Vertehrskapitolismus völlig über den Landstraßenkapitalismus gesiegt. Das deutsche Eisenbahnnetz war in seinen Grundzügen fertig. Wir hatten damals schon 55 944 Weg- stunden— 33 566 deutsche Meilen Eisenbahnen, davon waren 7695 Meilen Staats- und 25 371 Prioatbahnen. Investiert wovon ein Kapital von 167 951 07? rheinischen Gulden(zu 60 Kreuzern)— 95972 044 preußischen Thalern. Di« starke Kapitalentziehung führte m der Wirtschast zu der Krise von 1847/48. 1844 wurden aus diesen Bahnen 10 290 367 Personen befördert und 13 684 078 rheinische Gulden eingenommen. � Das ist eine riesenschnell« Entwicklung, die ihresgleichen sucht. � Maßnahmen für den Silvestervertehr. In der Silvesternacht werden, wie die Reichszentrale für Deutsche Berkehrswerbung erfährt, auf der Berliner Stadt- und Ringbahn und auf den meisten Vorortstrecken in der Betriebspause Sonderzllge fahren. Sie werden auf der Stadtbahn in Abständen von etwa 20 Minuten, aus der Ringbahn in Abständen von etwa 30 Minuten, auf der Wannseebahn und nach Groß-Lichterfelde-Ost in Abständen von etwa 40 Minuken verkehren. Die genauen Fahr- zciten sind aus den Bekanntmachungen der Reichsbahnverwaltung auf den Stationen ersichtlich
SOj
Der AMkelweg. vou Sir Philip Gibbs.
„Und das alles ist nicht wahr?" fragte Bertram. Sie lachte ihr. altes, volles Lachen.„Lügen, Lügen, Lügen!" rief sie. Mit großer Aufgeregtheit und höchst nachdrücklich sprach ste davon, daß der Mittelstand in Deutschland durch den Marksturz so verarmt sei, daß er sich weder Kleidung noch Schuhe und Wäsche kaufen könne. Und weit davon entsemt, steuerfrei zu sein, wllrdeen sie von den Steuern fast erdrückt, sogar die ganz kleinen Einkommen würden nicht verschont. Die Mark fiel, well Deutschland bei der jedesmaligen Be- zahlung der ungeheuren Reparationen sich fremde Devisen beschaffen mußte. � �. Das Canze war ja Heller Wahnsinn. Nach vier und einem halben Kriegsjahren sollte das in Grund und Boden ruinierte Deutschland die Verluste all seiner Feinde nicht nur, sondern auch alle ihre Kriegspensionen und dazu die ganzen Kosten des Besatzungsheeres tragen. Nicht mal die Bereinigten Staaten, die den Geldvorrat der ganzen Welt be- säßen, wären imstande, solche märchenhaften Summen zu be- zahlen.„ „Es ist nur gerecht, daß Deutschland für die Vernichtung. die es verschuldet hat. auch aufkommt," sagte Bertram eigen- sinnig.„Ich war während des Krieges in Frankreich . Ich habe die Zerstörung seiner Städte und Dörfer und Hauern- Höfe und Erntefelder gesehen. Vom Erdboden hinweggefegt." „Aber tv'r sind ja bereit, Frankreich beim Wiederauf- bau zu unterstützen," rief Dorochy, und Bertram zuckte ein wenig bei diesem„wir" aus dem Munde seiner Schwester. „Was wir aber nicht können, das ist, die Pensionen und an- dere lächerliche Ansprüche zu bezahlen." „Deutschland ist zum Bankrott gezwungen, sagte von Arenberg.„Nichts auf der We't kann das verhindern. Wenn es aber dazu kommt, wird ganz Europa mit hineingezogen." „Frankreich möchte Deurfchland in den Schmutz stoßen," sagte Dorothy,„und es wird sich nicht eher zufrieden geben, bis es ins Ruhrgebiet einmarschiert, die Industriestädte mit Beschlag belegt und Deutschlands Lebensbedingungen ver- nichtet." „Wir werden versuchen, uns zu retten, mst Rußlands Hilfe," sagte von Arenberg.
„Wenn noch einmal Krieg kommt, bricht die Zivilisation in Europa ganz zusammen," klagte Dorothy.„Großer Gott! Ich kann mir nicht denken, daß England das zugeben wird. Trotz seiner zeitweiligen Grausamkeit." „Grausamkeit?" fragte Bertram. „Ia, Grausamkeit. War denn die Blockade keine? Es war grausam, deutsche Kinder verhungern zu lassen, um den Bertrag von Dersailles zu erzwingen." Aber hatte Bertram das nicht schon einmal gehört? Ach ja, die Dirne gestern, die Joyce so ähnlich sah, hatte dasselbe gesagt. „Aus eigenem Interesse müßte England einen neuen Krieg verhindern, selbst wenn Frankreich wie Shylock auf seinem Pfund Fleisch besteht," fuhr Dorothy fort.„Frank- reich ist jetzt der Feind des Weltfriedens!" „Ich will hier nicht streiten," sagte Bertram, dem schon vorher das Blut ins Gesicht gestiegen war,„aber ich kenne die Opfer, die Frankreich gebracht hat. Ich habe mit angesehen, wie furchtbar es im Kriege gelitten hat, und eben jetzt komme ich von den alten Schlachtfeldern. Alle Menschen dort denken nur immer an das Eine: Das Grauen vor einem neuen Kriege. Sie sind nicht sicher, daß Deutschland nicht doch eines Tages wieder kommt und die roten Kriegsfeuer wieder an- zündet. Sie wollen Sicherheit und sie sehen diese Sicherheit nur darin, wenn sie Deutschland schwach erhalten." „Dann fangen sie es genau verkehrt an, sich diese Sicher- heit zu erringen," gab Dorothy zurück,„statt uns auch nicht eine einzige Drohung, eine kleinliche Herausforderung, einen einzigen Schimpf zu ersparen." „Deutschland ist auch nicht gerade zart mit Frankreich umgegangen, damals, als es noch an den Sieg glaubte," sagte Bertram, ging dann aber zu einem anderen Thema über. um seine Schwester und ihren Mann nicht durch seine Ver- teidigung des französischen Standpunktes zu vorletzen. Nach Tische ließ von Arenberg mit ein paar freundlichen taktvollen Worten Bruder und Schwester allein, damit ste sich aussprechen konnten. Und nun äußerte sich Dorothy ganz frei. „Sieh mal, ich haste ja Frankreich nicht, Bertram. Es hat mir Ggar schr-cklich leid getan, als Deutschlands 5)?cre zuerst durch seine Felder stcmpften. aber ich verabscheue den Krieg. Du hast ihn mit eigenen Augen gesehen, hast ihn durchgemacht und kannst nicht einmal mehr von dem Ent- setzlichen sprechen, aber ich, als Engländerin, die ihr Vater- land llebt, an einen Deutschen verheiratet, mit besten Land sie das tiestte Mitteid hat. habe vielleicht innerllch noch mehr
gelitten. Mein Herz wurde zwischen dem alten und dem neuen Vaterlande hin- und hergeristen. Und wenn ich nachts chlaflos dalag, sah ich dich unter deutschem Feuer aus den chrecklichen Schlachtfeldern. Dazu hier das leidende Volk, las trotz der anfänglichen Siege im tiefften Innern fühlte. daß es gegen diese Uebermacht verloren war. Und deshalb begreife ich Frankreich nicht, wie es den Geist des Friedens noch immer verhindern kann." „Weil es nicht sicher ist, daß Deutschland auf Rache sinnt, Bist du denn sicher?" Dorochy seufzte tief. Dann aber sagte sie, daß das deutsche Volk vor und nach dem Waffenstillstand den Frieden wollte und Wilsons Vorschlägen zustimmte. Hätte man es nach der Niederlage großmütig behandelt, so hätte es sich mst ungeheurer überwältigender Kraft zu den neuen Ideen eines Weltfriedens emporgeschwungen. Aber der Vertrag von Ver- sailles hat es in Ketten gelegt und zu ewiger Schuldknecht- schaft gegenüber den Siegerstaaten verdammt. Und Frank- reichs Haltung wurde so schroff und herausfordernd, daß sich die Gemüter in Deutschland allmählich wieder verhärteten und das alte Gift fraß weiter. Das Ideal eines Weltfriedens lag der französischen Politik ferne, welche Deutschland mit feindlichen Staaten einzukreisen suchte, um es unter der Drohung bewaffneter Mächte niederzuhalten. Das mußte den Haß gegen Frankreich in jedem Herzen anfachen. Ich habe Angst, ich habe solche Angst," schloß sie mit Tränen in den Augen. Dann aber lächelte ste ihn an:„Ber - gessen wir das alles heute. Und nun erzähle mir von unse- ren geliebten Lebenden und Toten daheim." Und er erzählte stundenlang. Es schien, als hätte der Krieg jeden getroffen, und als wäre die Welt ihrer Kinder- zeit versunken. Es schien, als wären sie die Ueberlebenden nach einem großen Erdbeben. Dann sprach Bertram von seinem eigenen persönlichen Unglück mit Joyce, und Dorothy war außer sich, wie die heutigen Frauen die alte Tradition von Frauenehre so vergessen tonnten. „Die Seele Englands scheint sich verwandelt zu haben! Was ist geschehen, Bertram? Sind denn alle unter dem Druck des Krieges zusammengebrochen?" „Der Krieg hat die alten Traditionen zerschmettert," ant- wartete ihr Bruder.„Für manche war es gut, aber der Vor- gang selbst ist sehr schmerzvoll und— Vieles von dem Besten, das wir hatten, ist bei dem Zusammenbruch untergegangen." (Fortsetzung folgt.)