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Nr. 614 41. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Die Börse im Jahre 1924.

Es war vorauszusehen, baß der mit der Umstellung auf eine ftabilere Währung im deutschen Wirtschaftsleben vorzunehmende Reinigungsprozeß auch den Effettenhandel start in Mitleidenschaft ziehen würde. Trotzdem gab sich die Börsenspekulation bei Beginn des Jahres 1924 noch einem weitgehenden Optimismus hin und im Laufe des Monats Januar trug das Geschäft in Aftien einen auss gesprochenen lebhaften Charakter. Man glaubte vor allem, daß die Stabilisierung der deutschen Währung einen rascheren Zuzug aus­ländischen Kapitals und regere Beteiligung ausländischer Inter. essenten cam deutschen Effektengeschäft zur Folge haben würde. Es mögen dem Wertpapiermarkte auch gewisse Gewinne zugeflossen fein, die aus der damals in vollem Zuge befindlichen Frank­spekulation à la Baisse resultierten. Die Börse lebte in den ersten beiden Monaten des abgelaufenen Jahres noch ganz in den Vor­ftellungen der Inflationszeit, mit dem einzigen Unterschiede, daß am Devisenmartte an die Stelle der sinkenden Mark der ebenfalls scharf rüdgängige französische Frant getreten war. Sehr bald trat jedoch eine peinliche Ernüchterung ein Unter dem Drude der all­gemeinen Geldinoppheit und der außerordentlich hohen Zinssäke bildete sich bereits im März eine rüd läufige Bewegung der Kurse am Markte der Dividendenpapiere heraus, die ein verschärftes Tempo einschlug, als Anfang April die Reichsbant, ihre Kredite start einschränkte und dadurch vor allem den Warenhandel und die In­dustrie zwang, die in der Inflationszeit zu Zwecken der Wert­ficherung erworbenen Effeften abzustoßen. Diese rüdläufige Bes wegung setzte sich bis in den Hochsommer hinein fort.

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Neben der Geld- und Kreditfrage wirfte aber auf das Kurs niveau auch die allmählich sich vollziehende geistige Umstellung der Börse zurüd. An die Stelle der bisherigen Ueberschätzung der Be. deutung der Sachwerte trat eine nüchterne Kalkulation, die den Wert der industriellen Unternehmungen nicht mehr ausschließlich nach dem vorhandenen Sachwertbesig( Grundstücke, Gebäude, Ma­schinen, Rohstoff- und Worenvorräte usw.), sondern vorwiegend unter Berücksichtigung der durch Ausnutzung dieser Sachwerte bei der augenblicklichen Konjunktur zu erzielenden Rentabilität des Anlagetapitals beurteilte. Man prüfte wieder strenger als in der Inflationszeit den Auftragsbestand und Beschäftigungsgrad, die Spanne zwischen Selbsttosten und Verkaufspreis in den ver. schiedenen Gemerben und in den einzelnen Unternehmungen. Die Dorfriegsmäßigen Maßstäbe der Effettenbewer. tung und Konjunkturbeurteilung fomen wieder zu ihrem Rechte. Einen sehr starten Einfluß auf die allgemeine Börsenlage übte auch die im Anschluß an den Zusammenbruch der internationalen Frant spekulation einfegende Bertrauenstrife aus. In Wien wie an den reichsdeutschen Börsen waren durch diese verfehlte Spekulation Ber­lufte von mehreren hundert Millionen Goldmart entstanden, deren Abdeckung vielfach nur durch Preisgabe größerer Effektenbestände möglich war. Um die Gefahr einer allgemeinen Deroute zu bannen, entschlossen sich die großen Berliner Banken zu einer Stüßungs­aftion. Schon die Bekanntgabe dieses Beschlusses wirfte beruhigend auf die deutschen Börsen, so daß die Bonfen nur in ganz seltenen Ausnahmefällen zu intervenieren baruchten, um größeres Unheil zu verhüten. Im Sommer und Herbst wirkte jedoch einer durch greifenden Erholung am Effettenmarkte noch die rigorose An mendung der am Schluß des Jahres 1923 erlassenen Goldbilanz­rerordnung durch eine Anzahl von Attiengesellschaften entgegen, die bestrebt waren, bei dieser Gelegenheit nicht nur eine Umstellung ihres Grundfapitals cuf Goldmart vorzunehmen, sondern hiermit eine Sanierung zu verbinden. Gegen diese Bilanzierungs- und Umstellungsmethoden nahmen schließlich sogar verschiedene Groß­banten in ihren wirtschaftlichen Mitteilungen Stellung. Dem Ein­fluß dieser Institute ist es wohl auch zuzuschreiben, daß im meileren Berlaufe, besonders bei den großen Industriekonzernen, die Um stellung sich unter stärkerer Berücksichtigung der Borkriegskapitalien vollzog. Immerhin gerieten durch den Umstellungsprozeß diejenigen Kleinaktionäre, die erst in der Inflationszeit ihren Effektenbesiz er­worben hatten, in größere Verlegenheit und fahen sich vielfach ge= nötigt, ihre Papiere zu veräußern. Von der Mitte des Jahres ab gewann eine wilde Spefulation in den alten An­leihen des Reiches, der Länder und der Städte an den Börsen die Oberhand. Die Handelskammer Berlin äußerte sich Ende Sep. tember hierüber folgendermaßen:

Die Meinung, daß eine Aufwertung irgendwelcher Art für die Anleihen zu erwarten fei, hat in hohem Maße den Verlauf der Börsen beeinflußt. Die Spetulation auf dem Rentenmarkt, die auch cus abweisenden Erflärungen der Regierung immer wieder ihre Hoffnung nährte, hatte einen außerordentlichen Umfang an­genommen und en: 30g in nicht zu unterschätzendem Maße den anderen Märkten Mittel. Nach der legten Berhandlungsphase im Aufwertungsausschus, vor allem nach der Erklärung des Reichs. finanzministers, deffen Plan eine Art Armenrente, ober teine

16.35

MASSARTRITTER

Aufwertung vorsteht, ist es zu einem regelrechten Zusammenbruch diefer Epetulation gekommen. Ob aber dieser Zusammenbruch den heilsamen Abschluß einer um Vernunfigründe wenig be­forgten Spekulation bebeutet, steht angesichts der Tatsache, daß die Aufwertungsfrage zum Objekt der Parteipolitit gemacht worden ist, noch dohin.

Gegen Ende des abgelaufenen Jahres hat sich an den Börsen unter dem Eindrucke des Zustandekommens der Reparationsanleihe und etwas willigerer Haltung des ausländischen Großfapitals in der Frage der Gewährung von Privatkrediten on die deutsche Wirt schaft eine freundlichere Beurteilung der Lage durchgesetzt, die all­mählich auch in einer Höherbewertung der Aftien zum Ausdrud tam. Es stellten sich für verschiedene Wertpapiergruppen noch be­sonders anregende Momente ein, wie z. B. die Aussicht auf Grün­

Jahresabschluß.

KRUPPS KASSA

BUCH 1914-19

CRACK

Alle Toten, die von englischen Biters- Granaten gefallen sind, heraustreten. Ihr seid mir noch die Tanfieme schuldig.

bung von Interessengemeinschaften und Kartellen für die europäische Schmerindustrie. Auch die Tatsache, daß die vom Reperations agenten aus dem Erlös der Anleihe zurückgezahlten Reparations. vorschüsse in Höhe von ca. 215 Millionen Goldmart wohl zu einem großen Teile zur Zurüderstattung der sogenannten Ruhrschäden an die westliche Schwerindustrie verwendet werden, wedte die Hoff nung, daß in absehbarer Zeit von dieser Seite Rückäufe und Interessentäufe am Wertpapiermarkte vorgenommen werden. Ein ungefähres Bild von den Schwankungen der Börsenfonjunktur im Jahre 1924 ergibt die nachstehende tabellarische Uebersicht über den vom Statistischen Reichsamt berechneten Attieninder in Gold : Attieninder in Gold( 1913= 100). Bergbau- ber Handel u.Schwer arbeitende und industrie Industrie Verkehr

Gesamt

Januar

45,74

44,21

15,77

35,76

Februar

48 93

47,57

17,53

38,64

März

39,91

39,04

14,02

31,48

April

29,50

28,87

10,46

23.33

Mai.

25,96

24.32

9.36

20,18

Juni Juli

23,08

19,93

8,86

17,50

23,59

20,71

10,13

18,49

29,81

27.98

13.02

24,14

31,15

28,59

14,39

25,31

30 61

27.20

14,67

24,75

33,25

29.67

14.56

26,31

August

Mittwoch, 31. Dezember 1924

und fich auf ihre natürlichen Funktionen befinnt, um fo mehr wird fie auch aus einer für das tommende Jahr wohl in bescheidenent Umfange zu erwartenden Befferung der Gesamtkonjunktur Nutzen ziehen tönnen. B. Bogel

Die Berliner Handelskammer über das Wirtschaftsjahr 1924. Die Berliner Handelstammer veröffentlicht ihren, Rüdblid auf das Wirtschaftsjahr 1924. Den Gesamtcharakter des abgelaufenen Sahres umreißt der Bericht mit folgenden Ausführungen:

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Den Lauf des Jahres überblickend, wird man das geschäftliche Leben etwa im ersten Biertel als den Umständen nach noch in der Hauptfache befriedigend bezeichnen können; im Früh ling und Sommer ließ es so gut wie alles zu wün schen übrig; im Herbst gewann es mit dem Umfaß der neuen Ernte, mit der wirtschaftlichen Räumung des Ruhrgebietes und mit der Beruhigung über unsere nächste außenpolitische Zukunft wieder einige Regsamkeit Derartige Charakteristiken können selbstverständlich immer nur einen ideellen Durchschnitt zu schildern versuchen, von dem nach beiden Seiten starke Abweichungen vor tommen. So stand über dem Durchschnitt im abgelaufenen Jahre wohl die Elettrizitätsindustrie, die in der glücklichen Lage ist, technische Verbesserungen anzubieten, die sich mit Notwen digkeit durchsetzen müssen. Ihr jüngster 3weig, die Radis . Industrie, eroberte sich mit der Gewalt einer neuen Mode einen großen Markt; freilich warf sich auf ihn alsbald zu gegenseitigem Schaden eine Ueberzahl von Konturrenten. Auch Automobil. und Flugzeugbau waren in befriedigender Lage. Amer freulichsten aber ist, daß vermöge der aus der Hauszinssteuer be schafften öffentlichen Gelder das hochbaugewerbe seit dem vergangenen Sommer endlich wieder die lange ersehnte Belebung gewann und bis zu voller Beschäftigung der verfügbaren Arbeits fräfte gelangte, und somit auch die zahlreichen Zulieferer- Gewerbe befruchtete. Als Beispiel eines Zweiges, der dem ganzen Jahre feine günstige Periode abgewinnen fonnte, mag demgegenüber her Lokomotivenbau erwähnt sein, dessen in- und ausländischen Absatz oder Auftragseingang die oben geschilderten ungünstigen Momente mit voller Wucht trafen. Und dabei fonnte er glänzende Beweise seiner technischen Leistungsfähigkeit auf der im September nahe Berlin veranstalteten Eisenbahntechnischen Ausstellung geben! Im allgemeinen waren also Industrie und Handel in den ver hängnisvollen Kreislauf gebannt: mangelhafte Kauftraft und mangelhafter Absatz im In- und Aus Tand, also kleinere Produktion bzw. Lagerhaltung, somit größere Selbstkosten und höhere Preise alfo, bei andauernder Verarmung der großen Massen, noch geringerer Abfaz, und so fort. Bei allgemeinem schweren Kapitalmangel waren Industrie und Großhandel gleichsam zu eng mit den legten Berbrauchern als ihrer Geldquelle gefuppelt; sie hatten die Stöße rasch wechselnder Nachfrage auszuhalten, es fehlte die Federung, melche bei normaler Ausstattung der Wirtschaft das Großfapital in Händen der Industrie, des Großhandels und der Banken in wohltätiger Weise liefert, indem es gleichmäßigere zeitliche Ver teilung der Arbeit ermöglicht."

Zum Schluß ihrer Betrachtung meist die Berliner Handels kammer auf die zunehmende Tendenz zur Verständigung der Völker in politischen und wirtschaftlichen Dingen hin:**

,, Und noch ein Tröftliches vermag der Rückblid gerade auf das Jahr 1924 dem Betrachter mitzugeben. Bor Jahresfrist, in dunfel fter Bett fremdstaatlicher Vergewaltigung, haben wir uns an dieler Stelle auf die Gemeinschaft berufen, die unter den Böl fern bestehe, wenn sie auch zeitweilig vergessen werde. In den großen internationalen Aftionen des vergan genen Jahres hat dieser Menschheitsgedante be wiesen, daß er lebt und wirft. Gewiß hat er nicht in Reinheit die Reparationslösung der Sachverständigen und ihrer Auftraggeber geleitet, sondern ihr reales Streben ging dahin, aus unserer Arbeit den möglichst großen Tribut für die Sieger heraus. zuholen. Aber sie erkannten doch die Idee an, daß ein Mitglied der Völkergemeinschaft gegenüber den anderen ein Recht auf Eristenz habe, daß die Weltgeschichte nicht einen Bernichtungs­tempf unter den Nationen darstellen dürfe. Sie maßen ihre Arbeit an dieser Idee, rechtfertigten sich, wenn sie fürchteten, daß ihnen ein Verstoß gegen dieselbe vorgeworfen werden könnte. Wenn fie falsch gemessen haben, wenn ihre Rechtfertigungen vor dem Welt­gewissen", dem sie sich verantwortlich bekannten, nicht dauernd be stehen können, so ist das Sache unzulänglichen Erkennens oder boreingenommenen Willens; inwieweit dieses oder jenes, ist eine unentscheidbare Gewissensfrage. Fehlgriffe ändern aber nichts an der Tatsache, daß man sich doch vor der Menschheitsidee wider. spruchslos beugte. Und ähnlich ist, in Beziehung auf andere Pro. bleme, dieser Idee auf der Bölferbundstagung in Genf , ist ihr auch in den nüchternen Stipulationen der Han delsverträge gehuldigt worden. Möge diese geistige Macht ihre Herrschaft bald und stark erweitern, möge sie uns in unserem gerechten Kampfe um unsere Daseinsbedingungen als Berbündete an der Seite bleiben!"

In der Richtung dieses Menschheitsgedankens liegt weder eine reine Machipolitik nach deutschnationaler Auffassung noch eine Ab­sperrung der Völker durch Hochschutzölle.

September Ditober November Die Aussichten der Börse für das neue Jahr sind insofern noch ungünstig, als noch den Beobachtungen der letzten Wochen Käufe aus industriellen Kreisen und wohl auch aus dem Auslande stärker als zuvor zur Ausführung fommen. Auch die im November vor­genommene Herabsetzung des Händler- und Kundenstempels er­leichtert eine Belebung des Effektengeschäfts ganz erheblich. Je mehr Der neue franzöfifche Zoltarif sieht Marimalsäge und Minimal die Börse die Fühlung mit der eigentlichen Wirtschaft wiedergewinnt fäße vor. Dieser Tarif ist für die Handelsvertragsverhandlungen von

NAME UND BERGSCHAFT

ZUGLEICH

te altberühmte Zigarette

cim neuen

großen Format

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Der französische Zolltarif.

MASSAR

RITTER

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