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fr.1+ 42. Jabegang Ausgabe A nr. 1

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Ferniprecher: Redaktion: Donhoff 292-295 Berlag: Donboff 2506-2507

Donnerstag, den 1. Januar 1925

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Postschecktonto: Berlin 375 36- Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Devostentasie Lindenstraße 3

Der Weg zum Sieg.

Die deutsche Arbeiterbewegung an der Jahreswende.

und ihr folgend die ungeheure Mehrheit der deutschen Ar­beiterschaft hat sich gegen den Bolschewismus, für die Demo­fratie und die praktische Reformarbeit im Sinne der sozial­demokratischen Partei entschieden.

Das beginnende Jahr 1925 gehört zu den großen Er-| dadurch kann er es nicht ändern: die tatsächliche Entwicklung| Wähler, die uns bisher ihre Stimme versagt haben, hat dies innerungsjahren der deutschen Geschichte. Bor vierhundert Jahren erlebte Deutschland in der Gestalt des Bauern frieges feine erste freiheitlich revolutionäre Bewegung. Zum erstenmal führten soziale Gegensäge zu Explosionen, die das ganze and schwer erschütterten und zahllose blutige Opfer forderten. Zum erstenmal ereignete sich der tragische Borgang, daß eine unterdrückte Klasse, die mit ihren Be­schwerden und Zielen tausendmal recht hatte, unterlag, weil sie durch die Unterdrückung die Eigenschaften verloren hatte, die zum Sieg befähigen.

Es bepurfte einer fast dreihundertjährigen Entwicklung und eines Weltkrieges, des napoleonischen, bis das Ziel der Bauernbefreiung erreicht war. Und diese ganze Zeit hindurch blieb Deutschland ein innerlich zerrissenes, nach außen ohn mächtiges Land. Erst Jahrzehnte nach der Bauernbefreiung wurde ein zweites großes Ziel, die Einigung Deutsch lands, erreicht. Sie war nicht ohne die Erreichung der ersten Bieles möglich. Denn den Grundstock der deutschen Einheit bildet nicht pas Fürstentum, sondern das Bolt.

Das zu politischem Denken erwachte Bolf war es, das in den neuesten Stürmen der Weltgeschichte die Einheit des Reiches waarte. Die Masse des arbeitenden Boltes war auch in vergangenen Jahre die Trägerin einer Politit, die corsichtig und erfolgreich für die Befreiung der befeßten Ge­biele von erträglichen Lasten und für die. Reichseinheit wirkte. Wir hegen das Vertrauen, daß sich diese Politik im kommenden Jahre weiter durchsetzen und zu weiteren Er­folgen führen wird.

Die Geschichte ist die große Lehrmeisterin, und die Er­innerung an den Bauernfrieg liefert mancherlei zum Ver­ständnis auch unserer Zeit. Gewiß haben sich seitdem unge­heure soziale Umwälzungen vollzogen. An die Stelle der Bauern ist als sozial unterdrückte Klaffe das mo­derne Proletariat getreten, und die Klassentämpfe Don heute werden in anderen Maßstäben und nach anderen Methoden geführt. Das moderne Proletariat ist nicht politisch rechtlos, und die Quellen des Wissens find ihm nicht ver­schlossen. Es kann im Besitz des gleichen Wahlrechts mit den Waffen der gewerkschaftlichen Organisation und der Presse 3uversichtlicher fämpfen als es die rechtlosen und er­barmungswürdig unwissenden Bauern vor vierhundert Jahren getan haben. In der Berwirrung der Kriegs- und der Revo­lutionszeit schienen mir aber nahe daran, dieser Vorteile wieder verlustig zu werden, weil der Blick für ihren Wert bet vielen verdunfelt war, und es sah zeitweilig so aus, als ob wir zu den primitiven Methoden des Bauernfrieges zurüd­fehren sollten, die zur Niederlage geführt haben.

Das war die große Auseinandersetzung über die Metho­den des Klassenkampfes, die zwischen der Sozialdemokratie und den kommunisten geführt wurde. Heute ist sie im wesentlichen abgeschlossen, abgeschlossen durch die Wahlen am 7. Dezember, bei denen sich die sozialistisch denkende Arbeiterschaft Deutschlands mit Dreiviertel mehrheit für die sozialdemokratischen Methoden und gegen die kommunistischen entschied. Seitdem stehen wir vor einer start veränderten Situation. Die Umstellung der sozia­ listischen Arbeiterbewegung auf die veränderten Verhältnisse ist im großen und ganzen vollzogen, wir fönnen wieder vor­wärisschauen und weiterbauen.

Der Irrtum des Kommunismus bestand darin, daß er im Weltkrieg die von Marg angekündigte Katastrophe der kapitalistischen Gesellschaftsordnung erblickte und die Entwicklung eines wirtschaftlich so rückständi­gen Landes wie Rußland als vorbildlich für die Länder der hochkopitalistischen Kultur ansah. Aus diesem Irrtum er­gab sich der Glaube an die Möglichkeit, die kapitalistische Wirtschaftsordnung durch den Gewaltstoß einer Minderheit über den Haufen zu rennen und unter der Gewaltherrschaft dieser Minderheit eine neue Wirtschaftsordnung aufzurichten. Ein solcher Irrtum fonnte in Zeiten der schwersten wirt­schaftlichen Erschütterung um fich greifen, er ist aber nicht mehr aufrechtzuerhalten, wenn an die Stelle der Verzweiflung und der erregten Phantasie die ruhige Beobachtung der Tat sachen tritt. Die Massen haben am 7. Dezember der Sozial­demokratie recht gegeben, weil ihr zuvor schon die Tatsachen recht gegelen hatten, und so kann der Kommunismus auf eine Korrettur feines Schicksals durch einen Umschwung der Massenstiminung nicht rechnen. Der Kapitalismus ist im Weltkrieg richt zusammengebrochen, und Rußland kann für Deutschland England, Amerika nicht vorbildlich fein. Jetzt versucht der Kommunismus fein Leben zu verlängern, indem er die Erkenntnis von Wahrheiten, die sich jedem von selbst aufdrängen, mit allen Mitteln zu trüben versucht. Aber auch

Bis zum 7. Dezember galt unsere Arbeit in erster Linie der Auseinandersehung innerhalb der Arbeiterbewegung. Für sie den Weg zu erkämpfen, den wir für den richtigen halten, ihre Geschlossenheit und Ationskraft gegen zerstörende Angriffe zu schüßen, das foftete uns den größten Teil unserer Kraft. Das Problem, wie men über den früheren Bestand der Arbeiterbewegung hinaus neue Eroberungen machen könne, trat dagegen vollständig in den Hintergrund.

Bei den Maiwahlen waren Kommunisten die einzigen Nichtsozialdemokraten, die unsere Bersammlungen besuchten. was weiter rechts stand, mied fie, weil man wußte, daß in ihnen ja doch nichts anderes als tabende, dem Außenstehenden unverständliche Kämpfe zwischen Sozialdemokraten und Kom­munisten zu erwarten waren. Bei den Dezemberwahlen änderte sich das Bild. Der kommunistische Einschlag trat zurück, der bürgerliche machte sich wieder bemerkbar. Wir fonnten wieder nach rechts hin werbend auftreten. Das war der entscheidende Umschwung.

Jezt stehen links von den rund 8 Millionen sozialdemo­fratischen Wählern 2,7 Millionen Kommunisten, rechts aber fast 20 Millionen Anhänger der bürgerlichen Parteien. Etwa eine Million Wähler, die noch im Mai kommunistisch wählten, haben im Dezember sozialdemokratisch gewählt, sie haben da­mit den noch verbliebenen 2,7 Millionen den Weg gezeigt.. Der Restbestand des Kommunismus ist eine Reserve der So­zialdemokratie für fünftige Wahlschlachten.

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Auf der andern Seite stehen 20 Millionen Wähler. Wir müssen außer den kommunistischen auch von diesen noch ein Biertel gewinnen, um zur entscheidenden Macht im Staat aufzusteigen. Das erscheint nun feineswegs mehr als eine unlösbare Aufgabe. Denn von jenen 20 Millionen ge­hört nicht nur ein Biertel, sondern die gewaltige Mehrheit nach ihrer Klassenlage zu uns. Warum sind sie bisher nicht zu uns gekommen, und wie sind sie zu gewinnen? Das ist eine Frage, die uns von jegt an mehr beschäftigen muß als der Kampf gegen den Kommunismus, der zwar nicht eingestellt werden darf, der aber durch die fortschreitende Selbstver­nichtung des Gegners immer leichter gemacht werden wird. Die Masse der proletarischen und halbproletarischen

aus Gründen getan, die denen der Kommunisten gerade entgegengesett maren. Sie hat geglaubt, im Interesse der Nation, zum Schutz der Religion und zur Sicherung der ruhigen wirtschaftlichen Entwicklung vor sozialistischen Experimenten" zu den bürgerlichen Parteien ihre Zuflucht nehmen zu müssen. Teils aus idealistischen Gründen, teils aus falschen Vorstellungen über unser Wesen stellt sie sich feindlich gegen uns und sucht die Vertretung ihrer Interessen dort, wo sie sie niemals finden kann.

Um das ganze Problem auf eine kurze Formel zu bringen: 2,7 Millionen Wähler find gegen uns, weil wir ihnen nicht radikal genug find. 20 Millionen sind gegen uns, weil wir ihnen zu radikal sind.

Daraus soll feineswegs die Folgerung gezogen werden, wir wären tatsächlich zu radital" und hätten Anlaß, uns zu beffern". Das ist ganz gewiß nicht der Fall. Die Sozial­ demokratische Partei hat durch ihre Taten, durch ihre be­sonnene verantwortungsbewußte Politik längst alle Vorwürfe der Gegner, die ihr einen alles negieren­den, mit dem Schicksal des Boltes va banque spielenden Radi­falismus nachsagen, widerlegt. Die Sozialdemokratie fühlt und bekennt sich als die Staatspartei der Republik , sie weiß sich mit dem eigenen Volke aufs tiefste verbunden, sie schüßt die demokratisch- republikanische Verfassung und führt den Kampf für die Interessen der arbeitenden Massen gegen die Uebermacht des Kapitals auf dem Boden der Verfassung mit gesetzlichen Mitteln.

Das sind Tatsachen, die fein ehrlicher Gegner leugnen tann, Tatsachen, um derentwillen wir uns gegen links hart zu verteidigen hatten, die aber für uns werbend wirgen gegen rechts. Wir brauchen uns nur zu befennen als das, was wir sind, um neue Anziehungskraft auszuüben.

So ist die Aufgabe der Eroberung der Macht durch die De­mofratie greifbar uns vor die Augen gerückt. Wohl wissen wir, daß die Gewinnung der Mehrheit noch nicht alles ist, daß auch der demokratische Mehrheitswille auf die zähen, schwer veränderlichen Tatsachen der Wirtschaft noch keine Zauber­gewalt ausübt, daß noch ein weiter Weg vor uns liegt, auf dem es an Gefahren und Irrtümern nicht fehlen wird. Den­noch sehen wir an der Schwelle des neuen Jahres die Zu­funft freier und flarer vor uns, wissen wir bestimmter als je zuvor, daß diese Zukunft uns gehört!

Botschafterkonferenz und Räumung.

Der Text der Note fertiggestellt.

Paris , 31. Dezember. ( WTB.) Nach Beendigung der Sigung der Botschafterfonferenz ist folgendes kommuniqué ausgegeben worden:

Die Botschaftertonferenz hat um 4,30 Uhr nachmittags unfer dem Vorsitz von Jules Cambon eine Sigung abgehalten. Sie hat den allierten Regierungen den Text der Note, den sie nach ihren Inftruffionen zweds Mitteilung an die deutsche Regierung betreffs der Kölner Zone vorbereitet hat, übermittelt. Die Uebermitt­lung an die deutsche Regierung wird durch Vermittlung der alliler­ten Botschafter in Berlin erfolgen. Die Note wird erst veröffent­licht werden, nachdem die Demarche stattgefunden hat."

Uebermittlung der Note Anfang nächster Woche. Paris , 31. Dezember. ( WEB.) Havas teilt mit, daß die Botschafterkonferenz sich ohne Schwierigkeiten über den Text der Note geeinigt habe, die Anfang nächster Woche der deutschen Regierung übermittelt wird. Da es sich um eine Ent. Icheidung der alliierten Regierungen handle, würden diese die Kollektionote der deutschen Regierung zustellen. Die Mitteilung jei fehr furz und erkläre mit unwiderlegbarer Klarheit, daß die Räu­mung der Kölner 3one am 10. Januar nicht er­folgen tönne, weil Deutschland seine Berpflichtungen aus dem Friedensvertrage, namentlich hinsichtlich der Entwaffnung, offen­fundig nicht ausgeführt habe.

Amnestiedebatte in Frankreich .

Paris , 31. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) In der Kammer wurde am Mittwoch die Beratung über die vom Senat erneut ab geänderte Amnestievorlage wieder aufgenommen. Der sozialistische Abgeordnete Léon Blum ergriff das Wort, um zur Frage der Wiederanstellung der Eisenbahner Stellung zu nehmen. Die Faj­

Der

fung des Senats weiche hier von der von der Kammer angenom­menen Fassung ab. Es sei die Möglichkeit vorhanden, einen Kampf mit dem Genat aufzunehmen und den ursprünglichen Tegt jetzt bei­aubehalten; doch die Kosten dieses Kampfes würden diejenigen tragen, die mit Ungeduld auf die Amnestie warten. Was die Wie­deranstellung der Eisenbahner betreffe, so hänge sie nicht von der Fassung des betreffenden Artikels ab, sondern von der Stärke des Einflusses, den die Regierung auf die Gesellschaften ausübe. Justizminister versicherte, daß die Regierung auch mit der Amnestie in ihrer gegenwärtigen Fassung ein nützliches und wirksames Werk machen könne. Die Wiederanstellung der Eisenbahner hänge in der Hauptsache von den Absichten der Regierung und von den Mitteln. die dieser zur Verfügung stehen, ab. Für die Regierung fäme die Verabschiedung der Amnestie einer Anordnung der Wiederanstellung der Eisenbahner gleich.

Amnestiegesetz mit den vom Senat befchloffenen Abänderungen mit Paris , 31. Dezember. ( WTB.) Die Kammer hat das 343 gegen 136 Stimmen angenommen. Das Gesetz enthält die Amnestierung von Caillaug, der nunmehr feinen Wohnsitz wieder in Paris nehmen kann.

Der neue Kurs in England.

London , 31. Dezember. ( Eigener Drahtbericht.) Das britische Innenministerium hat die Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis für das Personal der verschiedenen Sowjetdelegationen ver­weigert. Die Sowjetregierung hat zwar versucht, auf dem Wege über einflußreiche englische Industrielle, mit denen sie in Geschäfts­verbindungen steht und denen sie große Konzessionoen in Rußland versprochen hat, die englische Regierung zu einer anderen Haltung zu bewegen. Das Innenministerium hat aber trotzdem alle E:- fuchen abgelehnt.