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Nr. 442. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Wie märkische Kleinstädte aussehen:

Calau .

Dem Wiener Feuilletonisten Ludwig Hevesi ist es beschieden ge­wesen, das Geheimnis der Abstammung der Kalauer" zu lösen: die gefürchteten Witze sind kein bodenständiges Produkt der Stadt Calau ( offiziell mit C geschrieben), sondern ein Zufallsprodukt aus dem öfteren Verweilen des Kladderadatsch"-Dohm bei einer ihm be: freundeten Calauer Famile. Dohne sandte regelmäßig Beiträge an sein Blatt und die Setzer erkundigten sich daher, ob die Kalauer" schon eingetroffen seien. Die fremdstämmige" Herkunft des Wortes ist damit erwiesen und wird gewiß den teutsch- nationalen Bürgern der Stadt eine Last vom Herzen nehmen.

Eine tausendfährige Geschichte.

Betrachtet man die Entwicklung Calaus, so wird man auch faum eine Zeit entdecken, die so gestaltet war, daß die Calauer hätten über­mütig werden fönnen. Der Name foll vom slawischen Cal( Calam) Lehm herrühren; allerdings hat das Wort noch die Nebenbedeu tung Morast. Jedenfalls stand früh hier eine Burg und die Stadt war befestigt, aber die kriegerischen Ereignisse haben nichts davon fibrig gelassen; gerade die Lausitz hat in den Kämpfen zwischen branden­burgischen, böhmischen und sächsischen Gewalthabern schwere Opfer bringen müssen, und der oft erflungene Ruf Calaus als Haupimarkt­play ist dahin gegangen. Das feste Schloß, in dem die Landvögte der Niederlaufis hausten, und die Stadtmauer boten schließlich feinen genügenden Schutz und verschwanden, als die neue Zeit wirffame Mittel zur Niederfämpfung solcher Befestigungen aufgebracht hatte. Während des Dreißigjährigen Krieges fam Calau an Chursachsen, war aber damit auch nach dem Ende des großen Krieges neuen Leiden ausgefeßt, da die fächsische und brandenburgisch - preußische Politik auch hier ihr Kriegstheater schuf. Der beste Maßstab für die Ent­wicklung ist immer der Stand der Bevölkerung: 1429 140 Häuser, 1598 210 Häuser, 1648 nur 535 Einwohner, 1668 169 Häufer, 1700 210 Häuser, 1814 1424 Einwohner. Gegenwärtig hat Calau z'rka 3500 Einwohner. Die Leiden Calaus waren aber mit Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht erschöpft, denn die Jahre 1812 und 1813/14 brachten starke Lasten durch die durchziehenden Armeen von Freund und Feind. In der Zeit vom 1. Januar 1813 bis 31. März 1816 hat die Stadt 92 Generale, 621 Stabsoffiziere 3545 Ober­offiziere, 61 875 Unteroffiziere und Gemeine verpflegt, mas den Sädel der Stadt und der Bürger gründlich leerte. Für die Plage, die das Militär bedeutete, hatten die Calauer wenigstens eine Ent­schädigung: fie tannten Napoleon schon. Ihr Chronist Merbach schreibt darüber: Am 21. Juli sahen mir gegen Mittag den ge= waltigen Imperator auf seiner Durchreise. Bom Fürsten Berthien von Neuchatel begleitet, war der Kaiser eifrig mit seiner Landkarte beschäftigt. Sein Gesicht sprach ruhigen Ernst und jene Größe des Geistes aus, welche in allen Verhälmissen erbitterten Feinden selbst Ehrfurcht gebiciet. Zahllose Menschen drängten sich dicht an den Reisewagen des merkwürdigen Mannes." Eine aufgestellte Stadt abordnung fand keine Beachtung. Was fonnte Calau bieten?

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Die Stadt der Stiefel.

Wem noch von seiner Jungenszeit her die Aufschriften Kalauer Stiefel in den Kellergeschäften um den Spittelmarft herum vor Augen stehen, wird geneigt sein, Calau als eine Stadt anzusehen, in der der Ledergeruch zu Hause und ein Stiefelgeschäft ans das andere sich reiht. Ltider gibt es eine große Enttäuschung: tein Leder­geruch, fein Stiefelüberfluß in den Auslagen. Die Hausindustrie hat, von geringen Ausnahmen abgesehen, der Fabrikarbeit Play machen müssen: zwei Fabrifen mit etwa 200 und 80 Arbeilern halten den Ruf der Stiefelstadt aufrecht. aber unbemerkbar für den, der in der Stadt umherschlendert. Als Merbach seine Chronik schrieb, war es anders bestellt denn er widmet dem haften Passus, indem er schreibt: Daß es bei einer ungemessenen Bantoffel einen schalk: Zahl von Schuhmachern nicht an Pantoffeln fehlen wird, läßt sich vermuten, und wohl jedem Heerde, wo diese sanft regieren und wo der Wahlspruch gilt:

64]

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Durch Bitten herrscht die Frau, Und durch Befehl der Mann; wenn sie will,

Die erste

Der andere

wenn er fann.

Der Mittelweg.

Bon Sir Philip Gibbs .

Ohne Cherry hätte Bertram Moskau in noch kläglicherem Zustande erreicht als so schon. Trotz des Pulvers wurde er von Scharen verschiedener Insekten angegriffen, als er auf der Pritsche oberhalb Cherrys Lager zu schlafen versuchte. In Legionen frochen fie auf den Holzbänken herum. Sie schlichen sich unter seine Decken, fandten Spione und Vorposten aus und machten dann einen Massenangriff. Die Nächte waren Folterqualen. Am Tage zog sich der Feind in seine Verstecke zurück.

Der Zug war mit russischen und lettischen Kurieren voll­gestopft, die alle schweres Gepäd und Säcke zu transportieren hatten. Außer ihnen war da ein Stab von jungen Ameri­fanern, vier für jeden Waggon, die als Beamte ins Haupt­quartier der Ara nach Moskau gingen. Und geheimnisvolle Leute, die miteinander flüsterten, wurden Cherry als russische Sowjetbeamte bezeichnet, welche der Geheimpolizei der Außer­ordentlichen Kommission angehörten. Sie waren( nach den Anfangsbuchstaben des Titels für diese Einrichtung) als Tscheta bekannt.

Der Zug war nicht geheizt, und nachdem man die russische Grenze überschritten hatte, wurde es bei dem Herbstregen empfindlich falt.

Nach zwei Tagen wurden Bertram feine Biskuits und Räse äußerst zuwider, und er folgte Cherrys dringender Ein­ladung, dessen Fleisch- und Butterkonserven und frisches Brot mit ihm zu teilen. Cherry forgte auf den Stationen auch für heißes Waffer, so daß man sich einen Tee bereiten fonnte.

Auf der Grenze fah Bertram mit einer gewissen Erregt­heit die ersten Bolichemisten. Eine Anzahl bärtiger Männer in Schafpelzen bestiegen, von zwei Soldaten der Roten Armee begleitet, den Zug. Die Roten " sahen nicht sehr fürchterlich aus. Junge Burschen von faum achtzehn Jahren, mit aufge­schwemmten blaffen Gesichtern und verdächtigem unter ernährtem Aussehen.

" Sehen Sie, wie diese Tavarische mich lieben," sagte Cherry. In der Tat begrüßten diese bolschewistischen Beamten, welche Gepäck und Bässe untersuchten, Cherry mit einer Art gezwungenem Lachen. Er zerquetschte ihnen die Hände und schlug ihnen fast den Rücken ein.

" Guten Tag, Tavarisch! Wie geht's, altes Schwamm­

Der gegenwärtige Zustand.

Eingeklemmt zwischen Rottbus und dem energisch aufstrebenden Finsterwalde , hat Calau Bedeutung als Hauptstadt eines Kreijes, in dem das Grubenrevier von Senftenberg fidh befindet. Im Hin blick auf diesen Umstand ist es besonders erfreulich, daß im Landrats= amt ein Sozialdemokrat, Genosse Freter, amtiert. Der Siz des Amtes ist ein kurz vor Eintritt in die Stadt fich erhebendes stattliches Gebäude; für die zurzeit im Amt noch untergebrachte Finanzbehörde wird ein Neubau errichtet. Auch das auf dem Markt befindliche Rathaus ist ein neuer Bau, eines jener mit Erfern, Türmchen, Giebeln reich verzierten Gebäude aus der wilhelminischen Anfangs zeit, die sich schlecht in den einfachen Charakter der Umgebung ein­fügen. Ihnen hafbet immer etwas Barvenüartiges an. Marktplatz, an dem auch das Küsterhaus liegt, führt ein enger Durch Bom

Calau: Am Luckauer Tor.

gang zur Kirche, die namentlich durch Brände im Dreißigjährigen Kriege 1635 und 1642 gelitten hatte, jo daß starfe Erneuerungen not­wendig waren. Der jezige Zustand ist ein guter; das Innere ent­hält einen Altar, eine schöne Kanzel, eine gute Orgel. Reiche Schnitzereien, bemalt und vergoldet, zeichnen diese Stüde ous, die aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammen. Auch der Adelschor hat einiges Schnigwerf; im übrigen ist das Kircheninnere chne Samud. Der unten vieredige, oben verjüngte und mit einer Haube geschmückte Turm der Kirche ist 60 Meter hoch. Bemerkens. werte Projanbauten hat Calan nicht aufzuweisen; de Mehrzahl der Häuser ist einfach, wie es der Aufbau nach der Brandkatastrophe von 1635 gebot. Um die Kirche drängt sich manch bescheidenes Haus, das aber durch die Kanten des vor ihm gepflanzten Weinstockes ein malerisches Aussehen erhält.

Hinsichtlich der Verkehrsverbindungen steht Calau nicht übel da. Als Schnellzugstation der Strecke Dobrilugt- Rottbus hat die Stadt Berkehr dürfte nicht allzu groß sein: Calau ist ein nettes freundliches zweifache bequeme und schnelle Verbindung nach Berlin . Aber der Landstädtchen, von Ackerbürgern, Handeltreibenden und Arbeitern bewohnt, für die Kottbus die große Welt bedeutet, wohin man fährt, wenn man sich einen Theaterbeiuch leisten will. Das eigene Fabril: leben ist nicht groß genug, um ein Zentrum des Verkehrs zu schaffen, und die weite Entfernung der Stadt vom Bahnhof( 20 Minuten) trägt auch nicht zur wirtschaftlichen Entmidiung bei. Ueber die

gesicht? Immer schön? Du verdammier alter Heuchler, steck Du bloß Deine Nase in meinen Wagen! Nicht?! Du verstehst nicht? Sehn Sie? So behandele ich fie. Gin bißchen Spaß wirft Wunder. Schaun Sie sich bloß mai diese beiden jungen Mörder an. Lachen wie der Teufel. Bevor ich tam, haben sie noch nie gelacht."

Die beiden Roten " betrachteten seine ungeheure Gestalt mit Blicken des Staunens und der Bewunderung und brüllten rer Lachen. Sechs Stunden an der Grenze zu warten!

" Kommen Sie, sehen Sie sich die Flucht vor der Hungers not an," sagte Cherry und ging voran zu einem langen Zug ohne Lokomotive. Er war in Rojen eingeteilt, wie für das Bieh, und aus ihnen drang ein pestilenzartiger Geftant her vor. In dem schmußigen Stroh kauerten Männer, Weiber und Kinder durcheinander und suchten in ihren Lumpen nach Un­geziefer. Manche lagen ausgestreckt, ihre tiefgefunkenen Augen starrten aus den grauen, stelettartigen Gesichfern ohne Leben hervor.

,, Letten," sagte Cherry, auf dem Heimwege aus den Hungerdistrikten. Hunger, Schwäche, Typhus töten sie. Sehn Sie das Mädchen da. Typhus ."

Sie lag auf dem Grase neben dem Zug. Der Kopf mit dem glühenden, aufgedunsenen Geficht drehte sich hin und her. Ein großer, bärtiger Bauer in Lumpen tam auf Beriram zu und sprach ihn in amerikanischem Englisch an. Boher sprichst Du das?" fragte Cherry.

"

"

"

Hab' in Detroit gearbeitet, ehe die Welt verdarb." Woher kommst Du?"

Von Nfa."

,, Wie sieht's da aus?"

" In Nfa ist großer Tod. Die Menschen haben nichts zu effen. Die Mütter find froh, wenn ihre Kinder sterben, denn traurig ist es, thre Klagen zu hören. Ich bin einer, der zu rechter Zeit geflohen ist. Gott hat Rußland verlassen."

Als sie wieder in ihrem Zuge waren, hörte Bertram die Amerikaner Kabarettlieder fingen, und Cherry schlug den Taft dazu. Bertram lag auf seiner Pritiche und starrte auf die öde Fläche, die langfam vorbeizog. Manchmal sah man lebende Wesen. Ein Weib sammelte Reiser und trug ihr Kind, ein zusammengeschrumpftes, elendes Geschöpf, in einem Tuch auf dem Rücken. An einer anderen Stelle tniete ein Bauer vor einem Ikon am Wege. Er neigte tief den Kopf und befreuzigte fich unablässig.

Eine unendliche Melancholie stieg aus dieser russischen

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Sonnabend, 3. Januar 1925

politische Einstellung gewähren die jüngsten Reichstagswahlen ein

lehrreiches Bild:

Stadt Calau

Kreis Calau

Dez..

Mai

Dez.

Sozialdemokraten

752

603

26 105

Mai 15.917

Kommunisten

32

86

2 656

8 730

Demokraten

169

134

2597

2 335

Zentrum

18

15

863

2.500

Deutschnationale

688

768

16 439

16979

Deutsche Volkspartei

. 400

272

5352

3.790

Deutschvölkische

82

90

961

3587

Diese Zahlen zeigen deutlich die Struktur des Kreises und geben im kleinen das allgemeine Bild pieder: starkes Wachsen der repu blikanischen, Stillstand der reaktionären Kreise sowie Rückgang der Extremen. Daß ein so gearteter Kreis, in dem die sozialdemo fratischen Stimmen ebensoviele Taufende ausmachen wie die aller übrigen Parteien, nicht nach dem altpreußischen Feudal- Landrat System verwaltet werden kann, ist klar. Daher auch die But der reaktionären Parteien gegen den Landrat Freter, die sich in den Abfuhr, die Genosse Freter dieser deutschnationalen Lügenfabrik zu­Lügenbericht über die Bersammlung in Raddusch widerspiegelte. Die teil werden ließ( f. Borwärts", 8. Dezember), hat die Situation geklärt. Und die Calauer rechtsgerichteten Kreise werden sich mit der Existenz eines Sozialdemokraten als Landrat auch weiterhin ab­finden müssen.

Höhere Beamtenwürde.

In jedem Menschen steckt ein Stück Narr, wieviel, das hängt von der persönlichen Bescheidenheit ab. Natürlich will niemals ein anständiger Bürger als Narr gelten, besonders bei einer Hoch­fonjunktur für Lebensernst, er möchte vielmehr als das Gegenteil erscheinen, so etwa als stabilisierte Menschenvaluta. Dazu ist Würde ein unentbehrliches Requisit. Man läßt das ernste Leben mit über­zeugendem Anstand über die ausdrucksvollen Züge rengleren, um sogleich als Beijer angesehen zu werden. Die Würde wird zu einer sportlich- moralischen Betätigung unter ernsthaften Menschen, sie ist genau so notwendig wie eine geregelte Verdauung. Die Leute von gesicherten Leben mit der bauchgebundenen Zigarre sind die Genera!- agenten für den Bertrieb der Würde. Sie können das Mori nur mit dem Tremolo eines Klößchentenors aussprechen, als fürchteten sie etwas kostbar Heiliges zu verlegen, sie ersterben in Hochachtung vor ihm, haben ihm gewissermaßen pastorale Bässchen DOI : gebunden.

Würde wird aber zum notwendigsten Garderobenstück für die bedauernswerten Armen, die nach Gottes unerforschiichem Ratschluß mit einer Borgesetztenstelle gesegnet sind. Allwissend ist nach Schiller nur einer, und wenn auch alle Menschen in hohen Stellungen Götter­

aspiranten sind, so sind sie doch noch nicht allwissend und damit der

eine, und was man gerade wiffen soll, weiß man befanntlich nie. Diese Reimsten wären ohne Würde einfach erledigt. Es gibt aber Situationen, in denen alle Würde ins Wanken gerät. Der fönig lichste Kaufmann verwandelt sich an biutigen Börsengroßkampstagen in einen tanzenden Bantuneger. Ein Anblick, gräßlich und ge mein." Stur der leitende Beamte bleibt stets die fleischgeworbene Würde, er ist geradezu die Kantesche Idee der Würde an sich. Schon rein äußerlich dringt aus seinen Poren Bürde, Lebensernit und die anderen unterhaltenden Symptome hoher geistiger Kraft. Der höhere Beamte ist schon in seiner Inszenierung, in seiner Kleidung, in seinem Gesichtsausdruck schrankenloser Absolutismus der Würde. Wie staats­erhaltend, wie würdig sieht er noch heute aus, er, der vollkommenste Ausdruck ziviler Forschigkeit.

Wie das Aeußere, so der Innere Mensch. Auch hier Würde, fleischgeworden, nur erschütterlich, wenn es gilt, Gefinnungstütig

feit zu zeigen, fich an einem Bettlauf um die staatserhaltenden

Schinken zu beteiligen. Sonst übt der höhere Beamte von Jugend auf die wohlwollende Technit des Uebersehens. Eton der untere Beamte ist nicht mert, daß er die Schuhriemen von des Meisters Füßen löse, was bleibt dann noch übrig für den gewöhnlichen, un­beamieten Publikumsmenschen, diesem Knirps, biefem Nichts, der überhaupt feine Lebensberechtigung hat? Er ist eben nicht da, er

"

Landschaft auf und verdüsterte Bertrams Gemüt. Man kam durch ein Land der Verzweiflung und des unsagbaren Elends. Gott hat Rußland verlassen," hatte der Mann auf Nfa gesagt. Die Niggerlieder der Amerikaner, die traurigen Augen des russischen Weibes, der Geruch eines lettischen Käses, eine Linie von Wanzen, die an der Wand empartrochen, die Trau­rigkeit des Lebens, Kenneth Murles' Tod, Joyces unergründ­liches Wesen, das sterbende Mädchen auf dem Grase, olles das ging durch Bertrams Gedanken auf dieser endlosen Fahrt nach) Mostau. Wie lange würde es noch dauern?-Oh! Diese verdammten Banzen!

47.

Mostau! Und Christy! Bertram fah ihn gleich auf dem Bahnsteig stehen inmitten einer Gruppe von Roten ", bärtigen Trägern und Kutschern von Droschfis in ihren Belzkappen und langen Röcken. Christy trug noch seinen alten grauen Anzug, den Bertram von London her faimte, bazu aber als neue Er­rungenschaft eine Beste aus Schafspelz. Sein mageres, häß­liches Gesicht lächelte freudig, als er Bertram erblickte.

,, Willkommen in unserer Stadt!" rief er.

,, Gott im Himmel: Wie gut ist es, Sie hier zu treffen," erwiderte Bertram aus vollem Herzen. Er wußte selbst nicht, marum Christys Gegenwart ihm das Gefühl gab, als finde ein Schiffbrüchiger ein festes Floß.

" Folgen Sie mir und vermeiden Sie die Berührung Ihrer Mitmenschen," warnte Christy.

Er ging in die Bahnbojshalle voran. Das war ein weiter Raum mit geweißten Wänden und von solch einem Gestank erfüllt, daß Bertram sich dem Erbrechen nahe fühlte. Fußboden war vollständig von den Leibern von Leuten jeden Geschlechts und Afters bedeckt. Sie lagen auf Säden und Koffern, ein wirres Durcheinander von Armen und Beinen, Schafpelzen, Lumpen und räubigen Fellen. Alle braun von Lehmi und Schmug, als hätten sie im Schlamm von Flandern gelegen, wie Bertram es in den Kriegswintern felber durch­gemacht hatte. Es ging zur Nacht, und sie legten sich zum Schlafen bereit, man sah nichts als ein unruhiges Heben und Senten von Leibern und Gliedern. Einige schliefen schon und etmeten röchelnd. Kinder meinten. Mädchen lagen in den Armen bärtiger Männer. Ein Mann lag tot zwischen den Lebenden, wie Bertrams geübter Blid sofort erkannte. Der Kopf lag zurückgeworfen auf einem Sad und ließ den hageren, vogelartigen Hals mit seiner faltigen losen Haut sehen. Die Augen waren verglast und standen weit offen.

( Fortsetzung folgt.)