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Sonnabend

3. Januar 1925

Unterhaltung und Wissen

Bilder aus Italien .

Bon Richard Linnete.

Der warme Sonnenschein strahlt mir über den Schreibtisch und ich habe alle Fenster geöffnet, um der warmen Luft Einlaß zu geben. Die herrlichen Bauten und Stadtbilder erscheinen in diesem leuchtendem Sonnenschein noch viel malerischer und bunter als sie fonft sind und das ganze Straßenleben ist noch farbenreicher als sonst. Aber die Schönheit dieses Landes steht in einem scharfen Gegenfa zu seinen politischen Verhältnissen. Gewiß spürt der oberflächliche Betrachter wenig davon und meint wohl, weil das leichtlebige und gegenwartsfrohe Bolt so gut oder so schlecht lebt, wie immer und fich so wohl fühlt, wie immer, sei alles gut. Wer aber nur etwas ins Bolt geht und aufmerkt, der mird spüren, wie es in Wirklich teit aussieht und wie der Druck der politischen Verhältnisse auf den Massen lastet. Nicht genug, gaß man an allen alten Wänden der Großstadt Aufschriften wir Morte ai Fascisti"( Tod den Fa schisten) findet, nein alle Gespräche landen immer wieder bei dem Thema.

Ich as in Mailand in einer Brivatpension unter den ver. schiedensten Berufsschichten. Aerzte, Juristen, Ingenieure, Studen ten, Lehrer, Raufleute ufm. Aber fobald die Unterhaltung in Fluß tam, dauerte es feine minute und man war bei der Politit an gelangt. Da entlub sich dann die ganze Erbitterung diefer Men­schen über die jeder Beschreibung spottenden terroristischen politi fchen Methoden der Faschisten. In der ganzen Benfion( 25 bis 30 Bersonen) fand sich ein Faschist und vielleicht ein bis zwei Personen, die dem Faschismus sympathisch gegenüberstanden. Alles andere Sozialisten oder doch Faschistengegner. Mit leidenschaftlichen Wor ten und Vorwürfen fiel alles über den Faschisten her, einen Stu denten, der sich gar nicht zu helfen wußte und selber gleich erregt wurde. So herrschte manchmal ein Lärm im Eßzimmer, wie bei uns in einer Bersammlung von über 100 Personen. Oder An­gehörige der faschistischen Miliz im Schwarzhemd und Räppi mit Troddel gehen über die Straße. Sie find übrigens sehr gut ge. fleidet und sehen weit jauberer aus als die regulären Soldaten. Sofort schaut fich alles nach ihnen um und mancher wütende Blick von Biviliften sowohl, als auch von Militärpersonen, besonders Offizieren, wird hinter ihnen her geschickt. Das ist so ein besonderes Kapitel mit den Offizieren. Sie sind Gegner des Faschismus aus getränkter Berufsehre, weil in der faschistischen Bewegung einfache unvorgebildete Menschen ohne die lange Dienstzeit der aktiven Difi ziere in die höchften Stellen der Miliz( die ja jetzt dem Heere ungefähr gleichfteht) gekommen sind. Zu diesen Gegnern fommen dann für Mussolini noch die aus dem eigenen Lager( Die Ortho­dogen"), denen er nicht mehr faschistisch genug ist.

Bom 10. Dezember ab fand in Mailand der italienische Ge wertschaftstongreß statt, eine wichtige Etappe auf dem Wege zum Wiederaufbau der Arbeiterbewegung. Zum erstenmal feit der Faschistenherrschaft. die Möglichkeit zu einer zentralen öffentlichen Tagung. Man fann überhaupt beobachten, daß in den großen Städten mie Mailand , Turin usw. schon wieder eine ziem liche Freiheit besteht und die Möglichkeit für die Sozialisten zu arbeiten. Aber auf dem flachen Lande und in der Kleinstadt herrscht noch schärfster Terror der Faschisten.

Der Kongreß tagte in einem Bolfstheater in einer stillen Straße Mailands . Carabineri( die italienische Staatspolizei in ihren alten historischen Dreiern) war vor dem Hause und im Vorraum poftiert. Angeblau zum Schuße, obwohl die Genoffen fagten, daß fie nur Dekoration seien und im Ernstfall unsichtbar wären. Bei Beginn der Bersammlung eine Ehrung Matteottis, des ermordeten Genossen. Allseitiges spontanes Erheben von den Bläzen und begeistertes Händeflatschen. Dazu enthusiastische Rufe Hoch Matteotti !" Matteottis Brustbild schmückt in übernatürlicher Größe die Rückwand der Bühne, mit roter Schleife und Blumen bekleidet. Matteotti wird überhaupt sehr verehrt und ich fand sein Bild fast im Hause jebes Sozialisten, ja auch in einer vornehmen Mailänder Familie von Nichtiozialisten. Als dann bei der Be grüßungsansprache das Wort Molinella fiel, erneut eine un geheure Begeisterung. Alles springt auf, flatscht in die Hände, trampelt und ruft Hoch Molinella!" Man raft förmlich. Moli nella ist ein Dorf in der Nähe von Bologna , in dem die Arbeiter, meist Landarbeiter, einem faum vorstellbaren Faschistenterror. unterworfen sind. Die braven Genossen haben auch nach der Faschistenherrschaft dem Sozialismus die Treue bewahrt und muß. ten das schwer büßen. Keine Arbeit zu bekommen( die bekam man nur mit der Starte der faschistischen Gewerkschaften!), Hunger und Elend und Mißhandlung durch die Faschisten war ihr Los. Die Genossen haben gegen alle diese mittel eine unvergleichliche Feitig feit gezeigt und haben ausgehalten. Sie haben sich nicht gebeugt und nicht verkauft. Aus ganz Italien haben die Sozialisten diesen

Die Meinen haben mich geschickt.

Eine Episode aus den Pariser Junifagen von 1848. Bon 3wan Turgenjem.

Mir kam es nicht zu, auf der einen oder anderen Seite der Barritade zu kämpfen, ich ging nach Hause.

Der ganze Tag verlief in einem unbeschreiblichen Tumult. Das Wetter war heiß und drückend, ich blieb auf dem Boulevard des Italiens, auf dem sich allerlei Gestalten drängten. Es liefen ganz unglaubliche Gerüchte um, die fofort von anderen noch phantafti. jderen verjagt wurden. Gegen Abend stand die eine Tatsache unwiderlegbar feft: fast die Hälfte der Stadt war in den Händen Der Insurgenten. Ueberall wurden Barritaben gebaut, besonders auf dem linken Ufer der Seine. Die Soldaten besetzten die wichtigsten Punkte, man rüstete sich zu einem Stampf auf Leben und Tod.

Am folgenden Tag, am frühen Morgen, änderte sich wie von einem Zauberstab berührt das Aussehen der Boulevards, wie über. haupt das Aussehen des Teiles der Stadt Paris , der nicht von den Aufständischen befeßt war. Cavagnac, der Befehlshaber ber Borifer Armee, hatte einen Befehl erfassen, der jedes Fahren und Gehen auf den Straßen untersagte. Die Nationalgarden aus Baris und der Broving zogen auf die Bürgersteige und bewachten die Säufer, worin sie einquartiert waren. Die reguläre Armee und die Mobil­garde fämpften, die Ausländer, Frauen, Kinder und Kranten faßen in den Häufern, alle Fenster waren sperrmeit geöffnet, un bie Soldaten vor Schüssen aus dem Hinterhalt zu schüßen. Die Straßen lagen jetzt wie tot. Nur selten fuhr ein Bostomnibus oder die Kalesche eines Meditus vorüber. Ober es zog mit Donnergereffel eine Ab­teilung Artillerie, zum Kampfplak eilend, den Boulevard entlang, eine Kompagnie Soldaten, oder es ritt ein Adjutant oder eine Ordonnanz vorbei. Es war eine grausame qualvolle Zeit. Wer sie nicht durchlebt hat, fann sich von ihr feinen Begriff machen. Auch den Franzosen wurde es in diefen Buständen unheimlich, die mochten denken, daß ihre Heimat und die ganze Gesellschaft zusammenbrechen imb in den Abgrund stürzen werden, doch der Kummer eines Aus­länders, der zur Untätigkeit verurteilt war, war, wenn nicht schreck. ficher, so boch quäfenber,

Der schwerhörige Stresemann.

Ich sehe gegenwärtig teine praktische Bedrohung der Republik ." ( Stresemann im Hamburger Fremdenblatt")

Sie( dle Deutschnationale Boltspartel) verwirft das herrschende Regierungssystem und ist überzeugt, daß es auf die Dauer un­haltbar fei, und dennoch will fie ihren Eintritt in die Regierung erzwingen, um eine fragfähige Regierungsmehrheit herbelzuführen." ( Graj Bestarp in der Kreuzzeifung")

NIEDER MIT DER REPUBLIK

HOCH DIE

MONARCHIE

Eevrywili

Ich seh dich nicht, Graf Archibald,

Jch hör deine Stimme dicht....

Abwehrkampf unterstützt. Wie schlimm der Terror war, dafür ein Beispiel: Als zur Gedenkfeier für den ermordeten Matteotti auf gerufen wurde, fonnten es die Genossen in Molinella nicht wagen, öffentlich zu feiern. Sie mußten 20 Kilometer weit von ihrem Dorfe nachts um 1 Uhr in einer Talschlucht zusammenkommen, um ihres Märtyrers zu gedenken. Und sie tamen, jung und alt, obwohl die 20 Kilometer hin und zurück zu Fuß zurückgelegt werden mußten. llebrigens wurde auf dem Gewerkschaftstongreß unter ungeheurem Beifall der Vertreter von Molinella zum Präsi denten des Tages gewählt.

Beilage des Vorwärts

ich ein Bild von Mussolini taufen tönne, sagte er mit: Das werden Sie in zwei Monaten in dem Berbrecheralbum in Berlin sehen." Täglich gehen neue Menschen, neue Bevölkerungsgruppen zur Oppofition über. Diese Boltsstimmung fonnte ich auch gut beobachten, als Mitte Dezember in Mailand der Prozeß gegen die Faschist en stattfand, die einen Straßenbahner mit Stöcken totgeschlagen haben, weil er ebenso wie seine anderen Arbeits­brüder die Bier- Minuten- Bause zum Gedenken Matteottis machen wollte. Diese viehische Roheit sollte hier Sühne finden. Der An­drang zum Zuhörerraum war sehr groß und auf dem Hofe des Gebäudes wie auf der Straße wurde in vielen Gruppen leiden­schaftlich erregt gegen die Faschisten Stellung genommen. Das ito. lienische Bolt, überhaupt leicht umgestimmt und unbeständig, har sich vor Efel über den Faschistenterror von Mussolini und seinen Helfern abgewandt, der sich jetzt eigentlich nur noch auf die Mifiz flüßt. Das Morgenrot einer neuen Zeit zieht schon ain Horizont cuf. Bir Sozialisten fönnen ihm zujubeln. Hoffentlich findet der aufgehende Tag die Bewegung zielbewußt und wegbereit, das ist die Sorge aller hiesigen Genossen und ich glaube auch die Sorge der übrigen Sozialisten der Welt.

Der russische Bauer.

Magim Gorti hat Gedanken über das russische Bolt, wie fie fich in ihm in jahrelangen Beobachtungen gebildet haben, in einer tleinen Schrift Bom russischen Bauern" niedergelegt.( Berlag J. Ladyschnikow, Berlin .) Besonders die Erfahrungen der legten Jahre haben sein Urteil gebildet. So flein die Schrift, so wertvoll ist ihr Inhalt. Er ist geeignet und bestimmt, die zahlreichen Illusionen, die in Westeuropa über das russische Volk die Bauern sind ja der allergrößte Bestandteil bestehen, zu zerstören.

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Gorti faßt seinen Gesamteindrud in folgenden Sägen zusammen: Jedes Bolt ist, genau genommen, als Urelement anarchistisch. Das Bold will soviel wie möglich essen und so wenig wie möglich arbeiten, mill alle Rechte haben und teine Pflichten tragen. Aus der Atmosphäre der Rechtlosigkeit, in der das Bolt von altersher immer gelebt hat, ermächst ihm auch die Ueberzeugung von der Ge fegmäßigkeit der Rechtlosigkeit, pon der zoologischen Natürlichkeit des Anarchismus. Das paßt ganz besonders auf die Masse der russischen Bauernschaft, auf der der Druck der Knechtschaft härter und länger gelastet hat, als auf anderen Bölfern Europas . Seit Jahrhunderten ttäumt der russische Bauer von einem Staat, der fein Bestimmungs­recht hat über den Willen der Persönlichkeit, über die Freiheit ihrer Handlungen ( Fontane) von einem Staat ohne Geralt über den Menschen. In der unerfüllbaren Hoffnung, die Gleichheit aller bei unbeschränk ter Freiheit jedes einzelnen verwirklichen zu fönnen, hat das russische Bolt den Versuch gemacht, einen solchen Staat zu schaffen, in der Form des Kofafentums, der Saporoger Setsch. Noch bis hente lebt in der dunklen Seele ruffischer Settierer die Borstellung von einem Fabelreiche, irgendwo am Rande der Erde ", wo die Menschen friedlich leben, nicht die Anfechtung des Antichrist" fennen, die Stadt, bie sich in schmerzhaften Krämpfen mindet, gemartert von den Aus­wirkungen der Kultur. Im russischen Bauern ist gewissermaßen der Instinkt des Nomaden noch nicht erstorben: er sieht in der Arbeit des Landmannes fast einen Fluch Gottes, er leidet an der Luft zur Drtsveränderung". Faft ganz fehlt ihm oder ist jedenfalls bei ihm nur schwach entwidelt das tampfbereite Bestreben, auf einmal ermähltem Standpunkt fest zu bestehen und für sich Einfluß auf die Umgebung zu gewinnen: entschließt er sich aber dazu, fo wartet seiner schwerer und fruchtloser Kampf. Wer im Leben des Dorfes etwas Eigenes, Neues einführen will, dem tritt es mit Miß­trauen und Feindseligfeit entgegen, germürbt ihn rasch oder stößt ihn hinaus. Häufiger aber kommt es so, daß die Neuerer beim Zu­fammenstoß mit dem unüberwindlichen Konservativismus des Dorfes Don felbft davongehen. Raum ist genug, überall dehnt sich die Ein­samfeit der weiten Ebene, und verführerisch lockt die Ferne. Wohl hat sich die Benölkerung der ruffischen Ebene vermehrt, die geo­graphische Ausdehnung" hat sich verengt, aber die Dentmeise ist die­felbe geblieben und drückt sich in dem bemerkenswerten Rat aus, den bas Sprichwort gibt: Lauf vor der Arbeit nicht fort, aber tue die Arbeit nicht."

Intereffant waren die Diskussionen zwischen den politischen Richtungen, die in Italien viel mehr die Gewerkschaften beherr. schen als in Deutschland . Hier fechten Kommunisten, Maximalisten ( die unseren früheren Unabhängigen gleichen) und Unitari ( unfere frühere SPD .) den Kampf aus. Die beiden letzteren haben das gleiche Brogramm und sind eigentlich nur wegen ihrer taftischen Berschiedenheiten getrennt. Der Redner der Marimalisten gab sich alle Mühe, Kommunisten und Unitari auf der Linie der marima liftischen Politif zu einigen. Das ist natürlich nicht möglich, da die Kommunisten auch hier streng nach Moskauer Direttiven arbeiten und nicht daran denten, mit den Sozialisten zusammenzugehen. Bielmehr werden auch die italienischen Gewerkschaften ein wach fames Auge auf die Kommunisten haben müssen, wenn sie nicht bald einen neuen Faschismus großziehen helfen wollen. Kommunistische Methoden haben an dem Aufkommen des jezigen Faschismus schon genügend Anteil.

Die Faschisten herrschen zurzeit noch ziemlich überall, mie neu­lich zutreffend geschrieben wurde, über, neben und unter den Behörden". Auf jeder Station fann man ihre Bahnhofswachen fehen. Als ich neulich nachts von Bologna nach Venedig fuhr, begleitete sogar den Billettfontrolleur im Zuge ein Faschist. Ich wurde aus dem Schlaf durch den Anruf des Faschisten gewedt und war recht erstaunt. Aber auch auf Reisen sieht man viel verständ­nisvoll lächelnde Gefichter wenn die Faschisten sichtbar werben. Man denkt: Wie lange noch?" Als ich einen Genossen fragte, wo

Die Hize ist drückenb, man tann nicht ausgehen. Durch die geöffneten Fenster strahlt ununterbrochen der heiße Strom, die Sonne blendet, jede Tätigkeit, Lesen, Schreiben ist unmöglich. Fünf-, zehnmal in einer Minute donnern Kanonenschüsse, man hört das Knallen der Gewehre, das unbestimmbare Getöse des Kampfes Die Straßen find wie ausgefegt, das Steinpflaster wird gelb unter der Sonne, die glühende Luft bewegt sich faum. Auf den Bürger­steigen sieht man bestürzte Gesichter und die unbeweglichen Gestalten der Nationalgardisten. Nirgends eine Regung des gewohnten Lebens, überall eine Leere, man fühlt sich einfam wie im Befängnis, wie im Grab... Von zwölf Uhr an ein neues Schauspiel; die Trag bahren mit den Verwundeten und Getöteten. Da bringt man einen Mann mit grauen Haaren. Sein Geficht ist weiß wie das Miffen, worauf er liegt; das ist der tödlich verwundete Deputierte Charbo­nelles. Alle schweigen, die Köpfe entblößen fich, er aber sieht nicht das ehrfurchtsvolle Schweigen und die tiefe Trauer, seine Augen find geschlossen. Dort geht ein Haufen Gefangener, geführt von find geschlossen. Dort geht ein Haufen Gefangener, geführt von Mobilgardisten, junge Burschen, faft Knaben. Zuerst hatte man zu ihnen kein Vertrauen, doch sie haben wie die Löwen gekämpft Ginige von ihnen tragen auf den Bajonetten die blutgetränkten Räppis ihrer gefallenen Kameraden oder Blumen, die ihnen Frauen aus den Fenstern zugeworfen haben. Vive la République", rufen die Nationalgardisten auf beiden Seiten des Boulevards, und dann noch wild und traurig die legte Silbe lang dehnend: Vive la Mobiiiile". Die Gefangenen gehen mit niedergeschlagenen Augen, dichtgedrängt wie Schafe, eine ungeordnete Menge, finstere Ge­sichter, viele in Lumpen, ohne Mügen, mit gebundenen Händen. Die Ranonabe geht weiter. Das schwere eintönige Knallen hängt in der Luft, es liegt über der Stadt mit dem Brandgeruch und dem Schwalm der Hiße. Gegen Abend höre ich in meinem Zimmer im vierten Stock das Knallen von nahen, scharfen, turzen Salven; man, sagt, daß die Aufständischen in den Mairien erschossen werden.

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So vergehen Stunden auf Stunden, Stunden auf Stunden. Man fann nicht schlafen, auch nicht in der Nacht. Bersuchst du, auf den Boulevard oder auch nur bis zur nächsten Querstraße zu gehen, um Neues zu erfahren oder frische Luft zu schöpfen, sofort wirst du angehalten und gefragt, wer du bist, woher du kommst, wo du wohnst und warum du nicht in Uniform bist. Hört man, daß du ein Ausländer bist, dann schaut man dich prüfend an und schickt dich nach Hause. Einmal wollte ein Nationalgardist aus der Proving

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Der grausame Charakter, der Mangel an tiefgehendem religiösen Gefühl, die Feindschaft gegen die Städter und die Kultur, alle diese Züge im Charakter des russischen Bauern hebt Gorki hervor. Er schließt mit dem pessimistischen Beständnis, daß die Menschen immer noch Bestien sind, und daß der ruffische Bauer um den Preis des Unterganges der gebildeten russischen Stände und der Arbeiter zum Beben erwacht ist. Er wird nicht in die von der Revolution zer­störten Lebensformen zurückfinfen, aber er wird hart und rücksichts­tos nur seine Interessen verfolgen und wird nicht so bald die Stadt, ben Glutherd des Denfens, gerecht werten und verstehen.

( sie waren die eifrigsten) mich verhaften, weil ich eine Hausjoppe trug. Sie haben die Hausjoppe angezogen, um beffer mit den Aufrührern paftieren zu fönnen", schrie er wie ein Rajender. Sie sind vielleicht ein russischer Agent, Sie haben Gelb in der Tasche, um unfere 3wietracht zu nähren." Ich schlug ihm vor, meine Taschen zu durchsuchen, er aber wurde noch wütender. Russisches Gold, russische Agenten schwirrten damals überall umber und nisteten mit vielen anderen Fabeln und Unsinn in diefen erregten und der­mirrien Köpfen.....

Ich wiederhole, es war eine schreckliche, qualpolle Zeit.

In dieser, man farm sagen, Folterfammer Dergingen drei Tage. Es kam der vierte Tag, der 26. Juni. Die Nachrichten von den Rampfplägen tamen ziemlich schnell zu uns, der eine gab sie dem anderen, fie liefen von Straße zu Straße. So erfuhren wir, daß das Panthéon genommen, das ganze linte Ufer der Seine in den Händen der Armee sei, daß der General Bréat von den Auf­ständischen erschossen, der Erzbischof Affre töblich verwundet worden fei, und das sich nur noch die Borstadt St. Antoine halte. Ich er. innere mich, daß eine Ordonnanz, ein Husarenoffizier, schnell den Boulevard entlang ritt und, mit den Finger der rechten Hand einen apfelgroßen Kreis beschreibend, mit lauter Stimme rief: it so großen Rugeln schießen fie auf uns!"

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In dem Hause, worin ich wohnte, an der gleichen Treppe, wohnte auch der berühmte deutsche Dichter Herwegh , mit dem ich bekannt war. Ich kam oft zu ihm, um mein Herz auszuschütten, um vor mir selbst zu fliehen und dem quälenden Grübeln der Untätigkeit und Einsamkeit zu entgehen.

So size ich bei ihm am 26. Juni früh morgens, er hat soeben sein Frühstück eingenommen. Plötzlich kommt der Diener mit einem Gesicht voller Unruhe.

"

Was ist los?"

Sie, Monsieur Herwegh, werden von einer Bluse verlangt." Bluse, welcher Bluse?"

,, Ein Mann in der Bluse, ein Arbeiter, ein Alter, fragt nach dem Citonen. Wollen Sie ihn empfangen?"

Herwegh warf mir einen Blick zu.

Lassen Sie ihn herein," antwortete er endlidy.

Der Diener ging hinaus, dabei vor sich hinmurmelnd: Ein in der Bluse." Er war erschrocken.

Mann

( Schluß folgt)